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Full text of "Hansische Geschichtsblätter"

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HANSISCH! 



GESCHICHTSBLÄTIL!^ 



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7EREIN FÜR HANSISCHE GiiSlHiCHih. 



JAHRGANG icSS;. 




LEIPZIG, 

VKRLAG VON DUNCKKR .V iIlMi.Lui. 
1886. 



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HANSISCHE 



GESCHICHTSBLÄTTER. 



HERAUSGEGEBEN 



VOM 



VEREIN FÜR HANSISCHE GESCHICHTE. 



JAHRGANG 1885. 




LEIPZIG, 

VERLAG VON DUNCKER & HUMBLOT. 
1886. 



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^-ou.^^ INHALT. 



Seile- 
I. Zur Erinnerung an Georg Waitz. Vortrag auf der Versammlung 
des Hansischen Geschichtsvereins zu Quedlinburg am 15. Juli 1886 
gehalten von Professor Dr. F. Frensdorif in Göttingen .... 3 
II. Die Raths- und Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter. 

Von Professor Dr. L. Weiland in Göttingen 13, 

III. Zur Geschichtschreibung des Albert Krantz. Von Gymnasiallehrer 

Dr. R. Lange in Rostock 63. 

IV. Zur Geschichte der Meklenburgischen Klipphäfen. Von Archivar 

Dr. K. Koppmann in Rostock 103 

V. Die Chronistik Rostocks. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H. 

Krause in Rostock 163. 

VI. Kleinere Mittheilungen 

I. Zwei Beiträge zur Lübschen Historiographie. Von Professor 

Dr. P. Hasse in Kiel 195. 

II. Auszüge aus zwei Geschäftsbriefen Jürgen Wullenwevers. 

Von Senator Dr. W. Brehmer in Lübeck 199. 

III. Rostocker historisches Lied vom Jahre 1549. Mitgetheilt von 

Gymnasialdirector Dr. K. E. H. Krause 201 

Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 15. Stück. 

Vierzehnter Jahresbericht erstattet vom Vorstande .... III 



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I. 
ZUR ERINNERUNG 

AN 

GEORG WAITZ. 



VORTRAG 

AUF DER VERSAMMLUNG DES HANSISCHEN GESCHICHTS- 
VEREINS ZU QUEDLINBURG 

AM 15. JUNI 1886 

GEHALTEN VON 

FERDINAND FRENSDORFF. 



Hansische Geschichtsblätter. XIV. 



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Inmitten dieser blühenden Natur, dieses festlichen Schmuckes, 
inmitten dieser Versammlung, in der alte Freunde und Bekannte 
sich des Wiedersehens freuen, liegt es mir ob, an Sie, hochgeehrte 
Versammlung, Worte der Trauer zu richten, Worte des Andenkens 
an einen Mann, der der Stolz dieser Versammlungen war und 
den wir nimmer wiedersehen sollen. Eine ernste Aufgabe; ich 
darf sie nicht auch eine schwere nennen. Die Erinnerung an 
die letzte Maiwoche dieses Jahres, wem sollte sie in einer Ver- 
sammlung von Geschichtsforschern und Geschichtsfreunden nicht 
von selbst die Worte auf die Lippen rufen! 

Zwei Männer, ein langes thätiges Leben hindurch bemüht, 
ihrer Wissenschaft zu dienen und sie auf den Höhen punkt zu 
fördern, den sie jetzt einnimmt und nie zuvor eingenommen hat, 
zwei Männer, in Wissenschaft und Leben verbunden seit den 
Jahren, da der eine zu den Füssen des andern sass, und bei 
aller Verschiedenheit und Selbständigkeit ihrer Naturen allezeit 
treu zu einander haltend, sinken fast zu gleicher Zeit auf das 
Krankenlager. Man war so gewohnt, beide ununterbrochen in 
unvergleichlicher Frische und Rüstigkeit des Leibes wie des 
Geistes wirken und schaffen zu sehen, dass der Gedanke an das 
Aufhören dieser Kraft nie ernstlich erwogen war. Wenn er bei 
der Erkrankung des älteren, den ein gnädiges Geschick weit über 
die Grenze erhalten hatte, die dem menschlichen Leben gesetzt 
zu sein pflegt, unabweislich. ward, wie hätte man solche Gefahr 
bei dem jüngeren besorgen sollen, den niemand trotz seiner sieben- 
zig Jahre einen Gieis zu nennen wagte? Und nun raffte der 
Tod wie auf einen Schlag beide hinweg I Man sucht vergebens 
nach einer ähnlichen Erscheinung. Aus einem der ältesten Ge- 
schichtsbücher tönt ein Sang herüber von den Helden, die im 



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— 4 — 

Streit auf den Höhen gefallen, die, wie sie im Leben verbunden 
waren, auch im Tode nicht geschieden sind. 

Und doch bei aller Aehnlichkeit , wie verschieden wird der 
Heimgang dieser beiden Häupter deutscher Geschichtswissenschaft 
wirken ! 

Ranke hatte schon seit Jahren seine anregende, fruchtbare 
Thätigkeit als Lehrer eingestellt und sich auf schriftstellerische 
Wirksamkeit beschränkt. Was er einst an Jacob Grimm rühmte, 
dass er mit der Anstrengung eines jungen Mannes, der sich erst 
einen Namen erwerben wolle, seinen Arbeiten sich widme, galt 
von ihm selbst in vollstem Maasse. Fast Jahr für Jahr seines 
Lebensabends bereicherte der grosse Geschichtschreiber seine 
Nation um ein neues Werk seines Geistes, die Wissenschaft und 
die Kunst der Historiographie fördernd, bis ihm der Tod die 
Feder aus der Hand nahm. 

Georg Waitz hatte zwar auch in den letzten Jahren die 
Stellung eines öffentlichen Lehrers verlassen; aber der grösste 
und beste Theil seines Wirkens hat doch diesem Berufe angehört. 
Wer es zusammenfassen wollte, dies reiche Menschenleben, könnte 
seinen Inhalt nicht besser bezeichnen als mit: Forschen und 
Lehren und Anleiten anderer zum Lernen und Forschen. Das 
ist ja auch wohl der Inbegriff der Thätigkeit eines deutschen 
Professors. Ich besorge keinen Widerspruch, wenn ich Waitz 
den deutschen Professor in der schönsten, besten Verwirklichung 
nenne. Der Stand wird all den Tadel, der sich mit Recht oder 
mit Unrecht an den Titel gehängt hat, gern in den Kauf nehmen, 
wenn er sich eines Repräsentanten wie dieses rühmen kann. 
Waitz ist auch in seinem Berufe, zu forschen und zu lehren, nicht 
müde geworden. Als er die Zeit gekommen glaubte, um das 
Lehren vom Katheder herab aufzugeben, da hat er nicht nur 
wie vordem gearbeitet und die Resultate seiner Untersuchungen 
dem gelehrten Publikum vorgelegt, sondern sich der anweisenden 
und leitenden Thätigkeit in erhöhtem Maasse gewidmet, seine 
grosse organisatorische Kraft einsetzend, um die der deutschen 
Geschichte des Mittelalters zugewandten Arbeiten und Arbeiter 
zu sammeln und zu fördern, selbst immer die beste Anleitung 
durch sein Beispiel, seine eigene That gewährend. 

In diesem Sinne hat auch unser Verein sich seiner Theil- 



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— 5 — 

nähme zu erfreuen gehabt. Und wenn eine Reihe gelehrter 
Körperschaften, die seiner Mitarbeiterschaft oder seiner Leitung 
entbehren, schmerzbewegt das frische Grab des grossen Forschers 
umstehen, so haben wir nicht am wenigsten Grund, einen Kranz 
der Trauer, der Erinnerung und des Dankes niederzulegen: 

Denn er war unser! Mag das stolze Wort 

Den lauten Schmerz gewaltig übertönen. 

Wie eigen fügt es sich, dass wir gerade an dieser Stätte sein 
Gedächtniss begehen I Diesen historischen Bodpn umschweben 
die Geister Heinrichs I. und Mathildens. Die erste Arbeit, welche 
Waitz Namen begründete, galt diesem Könige. Sein ganzes 
Leben hindurch ist ihm diese Arbeit lieb gewesen, nicht blos 
weil sie seine Erstlingsarbeit war ; galt es doch hier, ein geschicht- 
liches Bild rein herauszuarbeiten und zu befreien von dem, wo- 
mit Sage, Dichtung und subjective Auffassung es verschleiert und 
entstellt hatten. Noch zweimal hat er die bessernde Hand an 
das Buch legen können, zuletzt noch in dem Jahre vor seinem 
Tode. Auch der Held dieses Buches ist ihm immer sympathisch 
geblieben, diese kraftvolle und doch maasshaltende Natur. »Deutsch- 
land sah selten einen gleichen, nie einen würdigern, grössern 
König« : so fasst er sein Urtheil über ihn zusammen. Als im 
Februar 187 1 die Universität Göttingen an Kaiser Wilhelm nach 
Versailles ihren Glückwunsch richtete, da versäumte die von 
Waitz verfasste Zuschrift nicht, darauf hinzuweisen, wie der Sitz 
der Universität umgeben sei von den Erinnerungen des deutschen 
Königthums aus der Zeit, da dies zuerst von einem Herrscher 
sächsischen Stammes in wahrhaft nationaler Weise befestigt ward. 

Grosse Ziele sich zu stecken und sie mit Festigkeit, Umsicht 
und dem Aufwand aller Kraft zu verfolgen , das war auch 
Waitz' Streben. Ein Junger Mann von eben dreissig Jahren 
fasste er rasch und kühn den Entschluss einer deutschen Ver- 
fassungsgeschichte. Die Feier des Verduner Vertrages im J. 1843 
hatte den äusseren Anstoss gegeben, den ersten Band in die 
Welt zu schicken. Daraus ist das grosse Werk seines Lebens 
geworden, die deutsche Verfassungsgeschichte, welche 
mehr als ein Jahrtausend deutschen Staats- und Rechtslebens von 
den taciteischen Urzeiten an bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts 
schildert, vor allem bestrebt, die selbständigen Grundgedanken 



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— 6 — 

germanischer Staatsordnung klarzulegen und in ihren mannich- 
faltigen Umbildungen zu verfolgen. Bei der liebevollsten Ver- 
senkung in das Detail, der sorgsamsten Beachtung des Worts 
und der sonstigen Formen der Ueberlieferung bleiben die grossen 
Gedanken sichtbar, denen es beschieden war, die moderne Staaten- 
welt zu durchdringen, in erster Reihe jener Gedanke von der 
Verbindung des Königthums mit der Völksfreiheit. Wenn das 
laudari a laudato viro noch seinen Werth hat, so darf ich das 
Urtheil anführen, das der berühmte Germanist Albrecht über 
Waitz Werk seinen Zuhörern vorzutragen pflegte : das Buch 
ist der Haltepunkt, auf dem die anderen fortarbeiten oder auch 
gegen den Verfasser polemisiren ; ein besonderer Vorzug desselben 
ist, dass es eines der allerbesonnensten ist. 

An die Stelle falscher, einseitiger, willkürlicher Auffassungen 
die volle Richtigkeit und ungetrübte Wahrheit zu setzen: so hat 
Waitz sein Ziel in der Verfassungsgeschichte bezeichnet. Es ist 
hier weder Ort noch Zeit, von den Wegen zu sprechen, die er 
einschlug, um zu diesem Ziele zu gelangen. Aber auch die kürzeste 
Rede, die sich mit ihm beschäftigt, kann nicht umhin, seiner 
kritischen Methode zu gedenken, und kann das nicht besser 
als mit seinen eigenen Worten thun: »alle, die zu mir kamen — 
sagt er in einer Zuschrift an Ranke — , suchte ich mit dem 
Streben zu erfiillen, in voller Hingebung, ohne Scheu vor dem 
Mühsamen und scheinbar Kleinlichen mancher Arbeit der Er- 
kenntniss der Wahrheit nachzutrachten, überall aus den lautersten 
Quellen die Ueberlieferung zu schöpfen, sie ohne vorgefasste 
Ansicht eingehend zu prüfen, jedes Einzelne sorgfaltig festzu- 
stellen und zugleich im vollen und lebendigen Zusammenhang 
des historischen Lebens zu würdigen, niemals mehr wissen zu 
wollen als möglich und nicht scheinbarer Sicherheit zu sehr zu 
vertrauen, überall auf das Wesentliche zu sehen, die wahre Be- 
deutung, den Charakter der handelnden Personen zu würdigen, 
nicht um Zwecke der einen oder andern Art willen die Dar- 
stellung zu färben, schönzumalen , aber allerdings eingedenk 
zu sein, dass die Historie zugleich eine Wissenschaft ist und eine 
Kunst«. 

In diesem Sinne hat Waitz Geschichte erforscht und Ge- 
schichte geschrieben, hat er insbesondere die Kritik der Quellen 



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— 7 — 

gehandhabt und andere sie handhaben gelehrt durch Wort und 
Beispiel. Er hat selbst eine ganze Reihe deutscher Geschichts- 
quellen in mustergültigen Editionen ans Licht gestellt und einen 
Reichthum von Quellen mit kritischer Sorgfalt und scharfsinnigster 
Durchdringung zum Aufbau der deutschen Verfassungsgeschichte 
verwendet, wie niemand vor ihm. Diese Meisterschaft der Kritik, 
diese Beherrschung des ganzen geschichtlichen Apparats, ver- 
bunden mit seinem organisatorischen Talent, waren es, die ihn 
1875 an die Spitze der Monumenta Germaniae historica riefen, 
unter deren Mitarbeiter er vor jetzt 50 Jahren eingetreten ist. 
Als dem bisherigen Leiter G. H. Pertz die Direction länger zu 
führen unmöglich ward, bestand unter allen Betheiligten kein 
Zweifel, wer an dessen Stelle zu treten einzig berufen sei. Und 
wir sind alle Zeuge des Aufschwungs gewesen, den das grosse 
nationale Werk unter seiner Leitung genommen hat. 

Als Ranke im Herbst 1859 ^^^ Sitzungen der Historischen 
Commission in München eröffnete, da schilcierte er in einer geist- 
vollen Rede die verschiedenen Mitglieder der neuen Vereinigung, 
deren Präsidium ihm der Stifter, König Maximilian II von Bayern, 
übertragen hatte: »Ich sehe«, sagte er, nachdem er die älteren 
Mitglieder begrüsst hatte, »eine Anzahl jüngerer Männer, bei 
deren Anblick mir mein Herz schlägt; denn sie sassen einst in 
dem Auditorium zu meinen Füssen oder sammelten sich um 
meinen Arbeitstisch, haben aber seitdem Werke hohen Werthes 
zu Stande gebracht« . Zu keinem seiner Schüler ist Ranke in so 
nahe Beziehungen getreten als zu Waitz. Jede Ausgabe der 
deutschen Verfassungsgeschichte ist ihm gewidmet und zeigt die 
herzliche Zuneigung der beiden Männer, der Ranke noch von 
seinem Sterbelager einen so ergreifenden Ausdruck geben durfte. 
In jener Münchener Rede rühmte Ranke, wie in dem Verkehr 
mit Schülern der Lehrer nicht blos gebe, sondern auch empfange 
und namentlich vor Einseitigkeit durch sie bewahrt werde. Schon 
durch das Arbeitsfeld, das Waitz sich erkoren, fand er sich Ranke 
gegenübergestellt. War Ranke's Gebiet vorzugsweise die neuere 
Geschichte, die europäische, zuletzt die Weltgeschichte, der Zu- 
sammenhang zwischen Geschichte und Politik, so galten Waitz' 
Arbeiten der Geschichte des Mittelalters, der deutschen Geschichte, 
der Verbindung von Recht und Geschichte. Und so wahr es 



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— 8 — 

auch • sein mag, dass die kritischen Grundsätze dieselben in neuer 
und alter Geschichte sind , die Verschiedenheit des Materials 
musste doch im Bereiche des Mittelalters zu einer ganz anderen 
Ausbildung der Methode führen. 

Wie Waitz selbst, so haben auch die von ihm gebildeten 
Schüler ihre Kräfte vorzugsweise den mittelalterlichen Studien 
zugewendet. Das Verhältniss Ranke's zu seinen Schülern wieder- 
holt sich in dem von Waitz zu den Seinigen. Der Boden, auf 
dem sich Waitz' Thätigkeit 27 Jahre hindurch bewegte, machte 
es aber möglich, diesen Zusammenhang noch näher und lebendiger 
zu gestalten. Das Leben in Göttingen, der grossen Universität 
in einer kleinen Stadt, wie sie ein gefeierter Lehrer genannt hat, 
auf dem traditionellen Boden geschichtlicher und rechtsgeschicht- 
licher Arbeiten, brachte eine Annäherung unter den Betheiligten 
und eine Zugänglichkeit des Lehrers zu Stande, wie sie eine 
Grosstadt mit der Mannichfaltigkeit ihrer Interessen nicht ge- 
statten kann. Jeder •von uns, dem es vergönnt war, Waitz nahe 
zu treten, erinnert sich der Theilnahme, die er allem zuwandte, 
was von dem Schüler ausging, in der Zeit seiner Zuhörerschaft 
wie nachher. Wie viele von uns sind ihm zur innigsten Dank- 
barkeit für persönliche Förderung verpflichtet! Die wiederholten 
Vereinigungen seiner Schüler um ihn, 1874 in Göttingen, 1879 
in Münster, auf so mancher der Hanseversammlungen, zuletzt 
noch jetzt vor einem Jahre in Rostock, gaben ihrer Anhänglich- 
keit Ausdruck. Bei allem Ernste seines Wesens, wie heiter wusste 
er sich bei diesen Vereinigungen zu geben! Ich darf nochmals 
zu der Goetheschen Dichtung greifen: 

Denn er war unser! Wie bequem gesellig 

Den hohen Mann der gute Tag gezeigt, 

Wie oft sein Ernst, anschliessend, wohlgefällig 

Zur Wechselrede heiter sich geneigt, 

Und fruchtbar sich in Rath und That ergossen: 

Das haben wir erfahren und genossen. 

So hoch er im Leben gestiegen war, seine ursprüngliche Natur 
blieb dieselbe; schlicht, schmucklos ; nichts pomphaftes, nichts ge- 
machtes war an ihm. Und doch bei aller ihrer Einfachheit, wie 
vermochte seine Rede, getragen von dem schönen vollefl Brustton, 
zu den Herzen der Hörer zu dringen 1 Bei dem Klang ihrer Worte 



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— 9 — 

fühlte man sich in seine Jugend, die Tage voll Hoffnung und 
idealen Strebens, versetzt. Wie oft hat bei festlichen Gelegen- 
heiten sein Mund der Stimmung der um ihn Versammelten 
treffenden Ausdruck gegeben, sie erhoben, sie entzückt! Nicht 
weniger als jene öffentlichen Reden werden sich manchem von 
uns bezeichnende Aeusserungen der Privatunterhaltung tief ein- 
geprägt haben. Solange ich mich des 14. Juni 1866 erinnere, 
werde ich des kurzen Trinkspruches eingedenk bleiben, den er 
an jenem Abend im Hause Wilhelm Vischers, der nun auch 
schon heimgegangen ist, ausbrachte: meine Freunde! der deutsche 
Bund ist aufgelöst; hoffen wir, dass Deutschland länger lebe! 

So schlicht wie der Leiter, so schlicht waren die von ihm 
veranstalteten Uebungen. In anspruchsvolleren Tagen darf es 
hervorgehoben werden, wie das ganze Verhältniss auf Freiwillig- 
keit und Selbstbestimmung beruhte. Es war nichts officielles 
dabei, nichts seminarartiges, selbst der Name wurde vermieden; 
es gab keine Preise, keine vom Lehrer gestellten Aufgaben, keine 
besondere Bücher Sammlung und Hülfsmittel; der Gedanke staat- 
licher Unterstützung lag völlig fern. In Waitz grossem Studir- 
zimmer um den runden Tisch vor. seinem Sopha kamen wir zu- 
sammen. Wer hätte nicht jenen Abendstunden Freitags von 6 
bis gegen 8 Uhr, die wir in dem schönen südlichen Eckzimmer 
des stattlichen Hauses am Weenderthore verbrachten, eine unaus- 
löschliche Erinnerung bewahrt I Alles beruhte auf der Gewährung 
durch den Lehrer und dem Maasse von Fleiss und Begabung, 
das der Zuhörer mitbrachte. Ohne alle Selbstüberhebung werden 
die Genossen jener Tage ihre Leistungen mit denen messen dürfen, 
denen andere Zeiten die Wege bequem und eben gemacht haben. 
Dies stille und doch erfolgreiche Wirken entsprach dem Sinn 
eines Mannes, der in einer Zeit aufgewachsen war, die ihre Auf- 
gaben noch ohne viel Aufhebens, ohne Zeitungsgeräusch zu lösen 
liebte. Aber man halte Waitzens Natur darum nicht für eine welt- 
flüchtige! Wo es die öffentliche Pflicht erforderte, da hat er 
nicht gesäumt, mit seiner Person einzutreten. 

An jenem Hause des Weenderthores , von dem ich eben 
sprach, prangt seit Jahren eine Marmortafel mit dem Namen 
Dahlmanns. Die Göttinger Stadtbehörde lässt jetzt eine zweite 
daneben für Waitz anbringen. W^er gegenüber in das Auditorien- 



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lO 

haus geht, dem Lernenden wie dem Lehrenden, werden künftig 
die beid^i Namen Dahlmann und Waitz eine Mahnung, eine 
Leuchte sein. 

Wie hier ihre Namen neben einander stehen, so gehen sie 
verbunden durch die Geschichte: zwei ernste Männer, beide 
Lehrer der Geschichte und der Politik ; zwei patriotische deutsche 
Männer, in den Zeiten des hannoverschen Verfassungsstreites 
einander bekannt geworden und seitdem in manchem politischen 
Kampf einander treu verbündet, für die Rechte der Herzogthümer 
wie für die bundesstaatliche Einigung Deutschlands in den Tagen 
des Frankfurter Parlaments. Beide haben der Geschichte des 
Nordens ihre Kräfte gewidmet. Zu Dahlmanns Geschichte Däne- 
marks , seinen staatsrechtlichen Arbeiten für Schleswig - Holstein 
gesellt sich Waitz Schleswig-Holsteinische Geschichte, seine Ur- 
kundensammlung und Jürgen Wullenwever, die einen wie die 
anderen unseren hansischen Studien die unmittelbarste Förderung 
und Stütze gewährend. 

So steht unser heimgegangener Lehrer und Freund zwischen 
Ranke und Dahlmann und reicht beiden die Hand. 

Und wenn wir Genossen des Hansischen Vereins uns zu 
ihm bekennen und uns seiner Theilnahme an unseren Arbeiten 
rühmen, so möge das nicht blos eine stolze Erinnerung, sondern 
auch eine Mahnung für künftige Zeiten und Genossen seinl 
Den Todten Ehre, sei ihr Schlummer lind, 
Die Rath und Stab noch den Lebend' gen sind, 
Die ew'gen Lichtes vorglühn unsrer Bahn, 
An deren Gruft, wenn wir ihr zitternd nahn, 
Um leise weinend ein Gebet zu stammeln, 
Wir frischen Muth und neue Thatkraft sammeln. 



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II. 

DIE 

RATHS- UND GERICHTSVERFASSUNG 
VON GOSLAR 

IM MITTELALTER. 

VON 

LUDWIG WEILAND. 



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u. 



'nter den Städten des Sachsenlandes ist keine so frühe 
zu einem so glänzenden Mittelpunkte reicher Entfaltung bürger- 
lichen Lebens gediehen als der alte Kaisersitz Goslar*). Freilich 
solange die Könige die Stadt und die umliegenden Fiscalgüter 
noch unmittelbar durch ihren Beamten, den Vogt, verwalten 
Hessen, solange sie in Goslar noch häufiger dauernden Aufent- 
halt nahmen, solange hier die Reichsversammlungen tagten, 
konnte sich eine eigentliche bürgerliche Gemeindeverfassung nicht 
herausbilden. 

Die Grundbedingungen für sie waren aber auch schon zu 
jener Zeit, im elften und zwölften Jahrhundert, hier in bedeuten- 
dem Maasse vorhanden. Neben dem beschaulichen Stillleben 
der vornehmen geistlichen Stiftsherren, dem glänzenden Treiben 
der rittermässig lebenden könighchen Dienstmannen regte sich 
das bürgerliche Erwerbsleben in geschäftiger vielseitiger Thätig- 
keit. Gewerbe und Handel mussten hier, wo die obere Gesell- 
schaft des ganzen Reiches zeitweise die Nachfrage nach den 
Erzeugnissen des Landbaues, des Gewerbfleisses , des Luxus 
bestimmte, eine ganz hervorragende Stätte zur Bethätigung 
finden. Dazu trat dann noch die Montanindustrie, der Betrieb 
der Bergwerke und Schmelzhütten, welche frühzeitig vorzugsweise 
auch in den Händen der ortsgesessenen Goslarer Familien eine 
Menge Arbeiter beschäftigte, einen eigenen Kreis bürgerlichen 
Schaffens mit eigenen Bedürfnissen und Anforderungen bildete. 
Die Ordnung der Lebensbedingungen dieses verwickelten bürger- 



i) Für den einleitenden orientirenden Ueberblick verweise ich auf meinen 
Aufsatz in den Hans. Geschsbl. 1884, S. i fF., sowie zum Theile auf die unten 
folgenden Ausführungen^ 



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— 14 — 

liehen Organismus, die Regelung der collidirenden Interessen seiner 
einzelnen Glieder lag in der Kaiserzeit Goslars wesentlich in der 
Hand der Reichsgewalt und ihrer Beamten. Nur die Aufsicht 
über den Marktverkehr der Lebensmittel mit der Judicatur über 
die Marktvergehen hatte das Reich schon in der ersten Hälfte 
des elften Jahrhunderts zur Selbstverwaltung der Gilde der 
Kaufleute tiberlassen, welche damals doch wohl alle Einwohner- 
klassen umfasste, die für den Marktverkauf arbeiteten oder 
handelten. 

Einen Wendepunkt der städtischen Entwicklung bezeichnet 
für Goslar die Regierung Friedrichs I. Die Stadt und ihr Ge- 
biet, mit Ausnahme des Kaiserhauses, wurden gleich im ersten 
Jahre der Regierung dieses Königs dem Reiche entfremdet; 
Heinrich der Löwe trug diese Domäne von 1152 bis 1169 zu 
Lehen; der Vogt war jetzt sein Beamter. Der Druck, mit dem 
bewusst oder unbewusst die oberste Reichsgewalt, schon vermöge 
ihrer Bedeutung und Schwere, die Selbstthätigkeit der Bürger 
für ihre Interessen niedergehalten, hörte auf. Bekannt ist, wie sehr 
der Herzog anderwärts die städtische Entwickelung gefördert hat. 
Sollte er bei Goslar eine Ausnahme gemacht haben ? Vermuthlich 
fällt in diese Jahre die Entstehung des Rathes, vermuthlich aber 
auch die Differenzirung der einen Kaufgilde in verschiedene 
Genossenschaften (Innungen, auch Gilden später genannt), in 
welche diejenigen zusammentraten, welche dieselbe bürgerliche 
Arbeit betrieben. Goslar lohnte dem Herzog mit Undank; in 
seinem Kampfe gegen die sächsischen Fürsten stand es auf der 
Seite der letzteren; die Wiedergewinnung der Reichsfreiheit war 
das Ziel der Bürger. Sie erreichten es im Jahre 11 69; mit dem 
Jahre 1170 waltet wieder ein kaiserlicher Vogt als höchster Be- 
amter in Goslar. Bald darauf erfolgt der Entscheidungskampf 
zwischen Heinrich dem Löwen und dem Reiche. Er bringt 
auch für Goslar eine entscheidende Wendung. Zum Schutze 
Goslars und des Reichsgebietes, zum Schutze insonderheit der 
Berg- und Hüttenindustrie ') baut Friedrich I. die Harzburg wieder 



>) Vgl. die sog. Bergordnung Albrechts von Braunschweig von 1271 
(Wagner, Cod. jur. metall. S. 1025): De de gelt hebbet ut des rikes vogedie, 
de suUen de woltlude bevreden unde beschermen liker wise als or egene gut. 



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— 15 — 

auf; um die Burgmannen zu besolden, damit einen festen Anhang 
unter dem sächsischen Adel der Umgegend zu gewinnen, ent- 
äussert sich das Reich des grössten Theiles der Einkünfte, 
welche ihm aus dem Vogteibezirke Goslar bis dahin noch ge- 
blieben waren. Die Burgmannen erhalten Geldlehen aus diesen 
Einkünften, vor allem aus denen des Berges. Das sind die 
sogenannten Vogteigelder. Die Rente des Berges, von welcher 
der grösste Theil seither noch in die kaiserliche Kasse geflossen, 
wurde aufgetheilt unter dem Adel ; durch Verafterlehnung nehmen 
immer weitere Kreise daran Theil. Die Stellung des Reiches 
zu der Stadt war damit eine ganz andere geworden. Der 
Reichsvogt ist zwar noch immer der oberste Beamte in Gericht 
und Verwaltung 5 er kassirt Zins und Zoll von den Besitzern der 
Gruben und Schmelzhütten ein; er zahlt von diesen Vogtei- 
geldem den Burgmannen der Harzburg ihre Lehen aus. Aber 
das Reich als solches, der König, hat das unmittelbare Interesse 
an der ganzen Verwaltung des Bezirkes und der Stadt verloren. 
Und da der Vogt schon lange aus der eingesessenen Bürger- 
schaft vom Könige genommen wurde, so war jetzt die Zeit 
gekommen zur freieren Entfaltung der städtischen Selbst- 
verwaltung. 

Der Rath ist jetzt im Stande, seine Wirksamkeit, ungehindert 
durch die oberste Reichsgewalt, auszudehnen; er stellt sich die 
Aufgabe, die Vogteigelder den Belehnten abzukaufen, für die 
Stadt zu erwerben, dann das Gericht an sich zu nehmen. Jenem 
Streben verdankt jenes merkwürdige Dokument seine Entstehung, 
welches, unter dem Namen der VogteiroUe seit 1872 veröffent- 
licht *), die Namen der mit Vogteigeid Belehnten und ihrer After- 
lehnsmänner enthält und 1244 auf Geheiss des Rathes von dem 
Rathsschreiber angelegt wurde. Als der Rath daranging, das 
Gericht zu erwerben, war dasselbe schon dem Schicksale der 
meisten Landgerichte verfallen : es war Lehen eines Grossen ge- 
worden, seine Einheit war auseinandergebrochen. 

Verwickelter als irgendwo anders liegen im dreizehnten 
Jahrhundert die Verhältnisse der Gerichtsverfassung Goslars; 
dunkel wie fast überall ist auch hier die Entstehung der Raths- 



1) Von Bode in der Zeitschrift des Härzvereins 1872, S. 469. 



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— i6 — 

Verfassung. Nach beiden Richtungen hin hat Göschen'), in 
ersterer neuerdings Planck») der Forschung eine gute Grundlage 
geschaffen. Trotzdem musste noch manches zweifelhaft bleiben, 
und auch der neueste Versuch einer Verfassungsgeschichte Goslars 
bis Anfang des 14. Jahrhunderts von Wolfstieg 3) hat durchaus 
nicht bei allen Punkten zu einer befriedigenden Lösung gefuhrt. 
Von einer allgemeinen Charakterisirung dieser Verfassungs- 
geschichte von Goslar kann ich hier um so mehr absehen, da ich 
eine solche schon anderwärts gegeben habe*) und mancher Irrthum 
des ersten Theües durch meinen Aufsatz im vorletzten Jahrgange 
dieser Blätter seine Berichtigung findet. Nur eines muss ich her- 
vorheben, da es auf die ganze Untersuchung des Buches geradezu 
verhängnissvoll eingewirkt hat. Der Vf. hat eine durchaus irrige, 
unklare Vorstellung von dem Chafakter der Vogteigelder, obgleich 
schon 1872 Bode über denselben richtigen Aufschluss gegeben 
hatte ^). Sie haben mit dem Amte des Vogtes nichts zu thun. 
Der Vf. confundirt aber beständig Vogtsamt und Vogteibezirk, 
Das hat vor allem auch verwirrend eingewirkt auf seine Dar- 
stellung der Geschichte des ersteren^). Ich muss daran fest- 
halten^), dass der Vogt noch 1252 königlicher Beamter gewesen 
sei. Ist das Amt des Vogtes 1290 Reichslehen des Herzogs 
von Sachsen und von diesem weiter dem Grafen von Wolden- 
berg geliehen, so folgt daraus noch nicht, dass es die Ascanier 
schon im Anfange des 13. Jahrhunderts oder gar schon im 12. 
als Lehen besessen 8). Jene Verleihung wird man- mit viel mehr 
Wahrscheinlichkeit in die 2^it König Rudolfs zu setzen haben. 



x) Die Goslarischen Statuten. Berlin, 184a 
a) Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter l, S. 30 ff. 
3) Verfassungsgeschichte von Goslar bis zur Abfassung der Statuten und 
des Bergrechtes. Berlin 1885. 

*) Deutsche Litteraturaeitung 1886, S. 122. 

5) Zeitschrift des Harzvereins 1872, S. 458 ff. 

6) S. 32 ff. 

7) S. Hans. Geschsbl. 1884, S. 28 Anm. 2. Hiermit trete ich auch 
der Ansicht Bode's, S. 456, 457 entgegen. 

8) Wie Wolfstieg S. 37 behauptet. Am allerwenigsten beweisen das 
die Mfinzen, welche er in ganz kritikloser Weise heranzieht. 



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— 17 — 

Der Anstoss zur Ausbildung einer städtischen Ver- 
fassung ging, wie Wolfstieg S. 43 meint, aus von dem Gegen- 
satze zwischen der Kaufmannsgilde und den Innungen. In 
einem eigenen (4.) Capitel betrachtet er daher die Gilden, zu- 
nächst die der Kaufleute. Sie war schon unter den -ersten 
Saliern vorhanden und mit dem Vorrechte ausgestattet, dass 
die Genossen frei auf allen Märkten des Reiches Handel treiben 
und »de omnibus que ad cibaria pertinent« unter sich zu richten 
befugt sein sollten, wobei von den Strafgeldern drei Viertel an 
die Gilde, der Rest an den Richter fallen sollte. Ob auch 
Krämer und Handwerker dieser älteren Kaufgilde angehört haben, 
wie Nitzsch annahm, was W. bestreitet, ist von keinem Belange 
für die folgende Untersuchung, da nach dem Entstehen der 
Handwerkerinnungen die Gilde jedenfalls nur die eigentlichen 
Kaufleute umfasste. Sie steht später als Wandschneider- oder 
Wortgilde den anderen Handwerkergilden zur Seite. 

Im folgenden (S. 46 flf.) geht W. auf die Innungen der Krämer 
und Handwerker ein, ihren hofrechtlichen Ursprung; er schildert 
ihre allmälige Befreiung von den hofrechtlichen Fesseln, ihre Um- 
bildung zu Corporationen, ihren Kampf mit der Kaufmannsgilde 
um sociale Gleichstellung, um Freiheit des Verkehrs ; der Anfang 
der kräftigen Opposition der Innungen gegen die Gilde soll in die 
Zeit des Kampfes der Staufer und Weifen (also wohl nach 1198) 
fallen; als dann die Stadt 1206 zerstört war und der Handwerker 
und Krämer Haus und Werkstatt auf den Trümmerhaufen wieder 
aufbauen musste, da war die Bewegung nicht mehr zu unter- 
drücken. 

Wie schade, dass wir von alledem rein nichts wissen, dass 
alles der bildenden Phantasie des Vf. entsprossen istl In einem 
Punkte hat sie ihm sogar einen Streich gespielt: 1206, das 
wissen wir bestimmt, ist die Stadt nicht zerstört, nur geplündert 
worden , Trümmerhaufen waren also nicht vorhanden. Das 
Capitel schliesst mit der Bemerkung, dass die Ausbildung des 
Gildewesens insofern von grösster Wichtigkeit gewesen sei, als 
der Streit zwischen den Innungen imd der Gilde bei der Bildung 
des Rathes, wenn auch nur mittelbar, doch wesentlich mitwirkte 
und so zu der Entstehung der eigentlich städtischen Verfassung 
den Uebergang bildete. Damit ist die Behauptung, S. 43, dass 

Hansische Geschichtsblätter. XIV. 2 



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— i8 — 

dieser Streit den Anstoss zur Ausbildung einer städtischen Ver- 
fassung gegeben, wesentlich abgeschwächt. 

Die Entstehung des Rathes behandelt dann das 5. Capitel. 
Der Vf. gesteht hier S. 58 wenigstens endlich einmal sein Nicht- 
wissen ein : »wir wissen über die Anfänge des Rathes überhaupt 
nichts und können uns daher nur auf Vermuthungen beschränken«. 
Diese werden uns denn auch in reichem Maasse gewährt; des 
Vf Phantasie entwirft ein sehr ausgeführtes Bild der Entwickelung. 
Der einzige feste Punkt in dieser Fata Morgana ist das Privileg 
Friedrichs II. von 12 19 (Göschen S. iii). Von diesem und 
einigen Momenten der späteren Entwickelung aus hat W. seine 
Phantasiegebilde construirt. Dabei verkenne ich durchaus nicht, 
dass manche Vermuthungen des Vf. ganz ansprechend sind und 
manches für sich haben. Vor allem gebe ich ihm darin vollkommen 
recht, dass das Privileg von 1 2 1 9 viel zwischen den Zeilen lesen 
lässt. Es fragt sich nur, was. Auf vorangegangene Kämpfe 
deutet ja zweifellos der Eingang des Privilegs hin, worin der 
König sagt, dass er die »jura civitatis quae . . . a quibusdam 
ipsius civitatis habitatoribus immutata et in abusionem fuerunt 
deducta« auf Bitten der Bürger (burgenses) wiederherstellen wolle. 
Diese werden vorher berühmt, dass sie viele Gefahren des Leibes 
und Verluste an Gut von den Feinden des Reiches erlitten 
»ob honoris nostri promotionem ac inviolatae fidei suae conser- 
vationem«. Letzteres geht also auf die Zeit, wo Otto IV. die 
Stadt in der Gewalt hatte, 1206 — 12 18, genauer auf die Jahre 
1212 — i2i8. Das Privileg verbietet jede »conjuratio et pro- 
missio vel societas, quae theutonice dicitur eyninge vel ghilde, 
nisi solum monetariorum«. Da die Handwerkerinnungen in 
Goslar später den Gildenamen fuhren, so schliesst W. aus diesem 
Satze einmal, dass eben diese verboten werden, femer dass eben 
die Handwerker jene habitatores gewesen sind, welche, und zwar 
eben durch Begründung von Innungen, die Rechte der Stadt 
verändert haben. Ihre Bestrebungen richteten sich nach W. 
gegen die bevorzugte Stellung, gegen das Verkehrsmonopol der 
Kaufmannsgilde. Das Privileg Friedrichs IL bezeichnet W. daher 
als eine Reaction gegen die berechtigten Bestrebungen der Hand- 
werker, welche keinen dauernden Erfolg hatte; S. 60 spricht er 
von der in ihrer Geburt todten Verfassung von 12 19. Es 



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— 19 — 

wäre nun ja an und für sich möglich, dass das Verbot der 
Gilden, welches das Privileg ausspricht, zu Gunsten der Kauf- 
leute und nach einem siegreichen Kampfe der Handwerker gegen 
deren Bevorrechtigungen erfolgt wäre, also eine Reaction bedeutete. 
Die Sache kann sich aber auch anders verhalten. Der Vf. geht 
immer von der Voraussetzung aus, dass 12 19 die Handwerker- 
gilden unterdrückt wurden, die Kaufmannsgilde aber bestehen 
blieb. Der Wortlaut der Urkunde wenigstens — und sie ist unsere 
einzige Quelle — schliesst diese Deutung aber meines Erachtens 
direct aus; denn danach soll nur die Corporation der Münzer 
bestehen bleiben. Von den Kaufleuten ist in dem Privileg wohl 
einige Male die Rede^ aber nirgends werden ihnen corporative 
Rechte zugeschrieben. 

Dass die Kaufmannsgilde später, zur Zeit Rudolfs I., einmal 
das Schicksal einiger Handwerkergilden getheilt hat, von Reichs- 
wegen unterdrückt zu werden, wissen wir; allerdings nicht aus 
der bekannten Urkunde dieses Königs vom 22. April 1290 
(Heineccius S. 305, W. S. 64), durch welche er nur »quasdam 
fratemitates que inninge vel gelden vulgariter appellantur« wieder- 
herstellt, ohne sie einzeln namhaft zu machen, sondern vielmehr 
aus einer auf den Namen Rudolfs gehenden, undatirten und 
gänzlich unbeglaubigten urkundlichen Aufzeichnung*). Ich sehe 
nicht ein, weshalb das nicht auch 12 19 der Fall gewesen sein 
soll. Danach bedürfte aber der Gegensatz, in welchen W. die 



^) Gedruckt nach einer Abschrift von Junghans in den Forschungen zur 
Deutschen Gesch. 11, S. 145 (jetzt auch bei Winkelmann, Acta imp. II, Nr. 
185). Hier ist schon bemerkt, dass das Stück »vielleicht nur der Entwur 
zu einer Bestätigung sei«. Es ist m. E. eine von den Kaufleuten selbst ge- 
machte Vorlage, durch deren Beglaubigung der König ihnen erlauben sollte, 
ihre Gilde wieder aufzuthun. Die grössere Hälfte wiederholt als Eingang 
sehr ungeschickt das Privileg von 1219. Die Wiederherstellung aller von 
ihm unterdrückten Gilden durch Rudolf 1290 machte dann die Erlangung 
eines Specialprivilegs für die Kaufleute überflüssig. Das historische Factum 
der Aufhebung auch der Kaufmannsgilde durch Rudolf wird man dem 
Stücke schon entnehmen können. Was W. S. 63 über dieses Stück vor- 
bringt, ist ganz ungenau. Ich weiss nicht, ob man annehmen darf, dass die 
Cassirung der Gilden schon dadurch rechtskräftig war, dass Rudolf 1275 das 
Privileg von 121 9 transsumirend bestätigte. 



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20 — 

Innungen zu der Gilde in der Zeit vor 12 19 stellt und den er 
mit so grellen Farben auszumalen weiss, noch eines strengeren 
Beweises, als der ist, welchen die, wie ich glaube, irrige Deutung 
des Privilegs und die Phantasie des Vf. liefert. Zwei Streitende 
können ja allerdings zur Ruhe gebracht werden, indem man 
beide bestraft; so könnte auch 12 19 der König den Frieden 
zwischen Gilde und Innungen hergestellt haben, indem er beide 
verbot. Diese Folgerung hätte aber nur dann eine Berechtigung, 
wenn eben der Streit beider in der Zeit unmittelbar vor jenenx 
Jahre als historif^he Thatsache erwiesen wäre. Da sich aber 
hierfür keine Spur eines Quellenbelegs entdecken lässt, so wird 
man, glaube ich, nach einem anderen Motive des Verbotes der; 
Gilden überhaupt suchen müssen. Ich gla\ibe, es war nicht der 
Gegensatz zwischen Gilde und Innungen, sondern vielmehr der 
Gegensatz beider zu den Berg- und Waldleuten, welcher 
das Motiv abgab. Dieser tritt ja auch in der Folgezeit bedeut- 
sam hervor, wie W. selbst richtig ausgeführt hat. Er hat also 
schon fünfzig, sechzig Jahre früher, als W. annimmt, eingewirkt. 

Das Verbot der Gilden nun war von keinem langen Bestand. 
Schon 1223 werden sie, mit Ausnahme der Innungen der Zimmer- 
leute und Weber, wieder erlaubt'). Die Reaction, welche da§ 
Privileg von 12 19 in diesem Punkte inaugurirt hatte, war also 
meinethalben ein todtgeborenes Kind. Ob auch die ganze 
»Verfassung« von 12 19? wenn ich diesen Ausdruck einmal W, 
nathschreiben soll. Das ist eine arge Uebertreibung. Das 
Privileg enthält überhaupt über die Verfassung der Stadt so 
gut wie nichts ; es enthält aber eine Menge von Bestimmungen, 
über Privatrecht, Processrecht u. a. m. , welche wohl überhaupt 
nicht in den vorangegangenen Jahren bestritten waren und auch 



x) Urk. K. Heinrichs bei Winkelmann, Acta imp. I, 380. Die Ur- 
kunde ist nur in niederdeutscher Uebersetzung in dem Rechtsbuche der 
Kaufleute erhalten. Ich kann den Verdacht nicht unterdrücken, dass der 
Schlusssatz (S. 384, Z. 19 — 22), welcher den Kaufleuten das aUeinige Recht 
des Wandschnittes sichert, nebst der Strafformel eine Interpolation nach der 
Urk. K. Wilhelms (Forschungen 11, S. 145) sei; stilistisch hängt er sehr 
schlecht mit dem Vorhergehenden zusammen, was sich aus der Uebersetzung 
aus dieser Urkunde erklären würde. 



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2T 

später noch galten. W. hat alles in Bausch und Bogen als 
Reaction gebrandmarkt, weil er bemerkte, dass eine einzige 
Bestimmung des Privilegs keinen Bestand gehabt hat. Unter 
den habitatores, welche die Rechte der Stadt verletzt haben, 
werden wir daher auch nicht nur die Innungen zu verstehen 
brauchen. Eine ganze Reihe von Artikeln beschränkt z. B. 
die Gewalt des Vogtes; es ist leicht möglich, dass sich tiieser 
und sein Anhang Uebergriffe erlaubt hatten, zumal in der 
letzten Zeit Ottos IV., wo dieser Kaiser selbst meist in der 
Nähe von Goslar weilte. Das Verbot, dass Niemand ein Ge- 
fängniss haben, nur das königliche existiren solle (Göschen, 
S. 114, 27), bezieht sich gewiss auf Missbräuche, welche kurz 
vorher vorgekommen waren; diese den Innungen in die Schuhe 
zu schieben, wäre aber absurd*). 

Betrachtet man die öffentlich-rechtlichen Artikel des Privi- 
legs von 12 19, so zeigt sich eigentlich nichts, was nicht bis 
zum Interegnum und darüber hinaus Bestand gehabt hätte, soweit 
das zu controliren ist. Noch 1275 bitten die Bürger den König 
Rudolf, ihnen das Privileg zu erneuern, und der König willfahrt 
dieser Bitte, indem er dasselbe vollständig transsumirt und feier- 
lich unter dem Zeugnisse der angesehensten Reichsftirsten be- 
stätigt*). So todtgeboren, wie W. annimmt, muss das Privileg 
also den Goslarem nicht vorgekommen sein. Eine ganze Anzahl 
von Artikeln ist dann ja noch in die Statuten aufgenommen 
worden. 

Des Rathes, consilium burgensium, gedenkt das 
Privileg von 12 19 nur an einer Stelle (S. 115, 29). Das ist 
für W., S. 54, Grund genug, anzunehmen, dass Friedrich II. 
den Rath stillschweigend anerkannt, ihn trotz seiner reactio- 
nären Tendenz geduldet habe; er weiss auch S. 59 sehr schön 
auszuführen, dass trotz des Widerstreites der Innungen und der 
Gilde, des Kampfes dieser gegen den Rath, eigentlich Nie- 
mand ein Interesse daran gehabt habe, dieses Organ zu be- 



x) Hier lässt sich viel eher od Missbräuche denken, die sich der Rath 
erlaubte: er hielt vieUeicht ein Geföngniss. 
3) Heineccius S. 290. 



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— 22 -=— 

seitigen; die Vogtei sei von vornherein zu schwach gewesen, 
um Widerstand zu leisten: »das Spiel war für den Rath sofort 
gewonnene. Die Voraussetzung ist hierbei, dass 12 19 der Rath 
noch in dem allerersten Stadium seiner Entwickelung gewesen 
sei; W. meint S. 55, das Privileg.» von 12 19 habe überhaupt 
keinen Raum für einen Rath. Freilich wenn man dem Vf. zu- 
giebt; dass kurz vor 12 19 ein scharfer Kampf zwischen Gilde 
und Innungen stattgefunden, dass dieser indirect oder sonstwie 
zur Bildung des Rathes geführt habe, wird man auch jene Voraus- 
setzung und die Folgerungen, welche daraus gezogen werden, 
annehmen können. Da wir aber das alles als irrig und uner- 
wiesen verwerfen, so ist uns die Freiheit gegeben, die Stellung 
des Rathes nach dem Privileg von 1219 anders zu fixiren. In 
demselben erscheint das consilium burgensium nur an einer ein- 
zigen Stelle^), und W. schliesst aus diesem Umstände, S. 55, 
voreilig: »Die Befugnisse, welche die Verfassung officiell dem 
Rathe zuweist, sind so geringfügig, dass sie kaum in Betracht 
kommen«. Er verkennt vollständig, dass an manchen Stellen 
des Privilegs der Rath zweifellos gemeint ist, wo nur der Aus- 
druck burgenses erscheint. Eine dieser Stellen scheint mir 
schlagend, S. 114, 15: »In nullius autem domo vel cista res 
aliquae sunt quaerendae, praeterquam falsi denarii et res divino 
cultui consecratae; quod per se facere burgenses debent aliquo 
ex judicibus civitatis secum assumpto«. Die Statuten 83, i er- 
läutern diesen Satz dahin, dass der Vogt oder Richter »ane des 
rades orlof« keine Haussuchung vornehmen darf, ausser nach 
Cultusgegenständen und falschem Gelde»). Dass alsdann die 
obrigkeitliche Handlung der Haussuchung von dem Organe 
der Burgensen, dem Rathe, auszugehen hat, scheint zweifel- 
los. Dieselbe Deutung des Wortes burgenses wird wohl auch 
an anderen Stellen die richtige sein. So S. 112, 31: Das 
Eigenthum an Häusern wird »juste coram burgensibus« er- 
worben, d. h. der Kaufcontract muss vor den Burgensen, dem 



») Göschen, Statuten S. 115, 29: Jus est quod advocatus nullum 
incuset nisi actore presente et consilio burgensium. 

3) Das »quod« bedeutet also »si res aliae sunt quaerendae«. 



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— 23 — 

Rathe, geschlossen werden*). Ferner S. 115, 22: Die Burgensen 
wählen die vier Stadtrichter; sie haben dafür dem Vogte sechs 
Mark zu zahlen. Die Wahl geschieht doch nicht in einer Volks- 
versammlung, sondern durch das Organ der Burgensen, den Rath, 
der die Summe aus der Stadtkasse zahlt. Heisst es S. 115, 20 
vom Vogte, er habe keine Anordnungen bezüglich des Marktes 
zu treffen, ^nisi per bürgenses trahatur ad ipsumc , so enthüllt 
sich uns hier eine weitere Function des Rathes: er hat die 
Marktpolizei; der Rath und nicht ein beliebiger Bürger 
zieht, wenn es Noth thut, den Vogt herzu. Dass die Aufsicht 
über das Marktwesen eine der frühesten Competenzen des 
Rathes war, wird allgemein angenommen und auch von W. 
hervorgehoben. Mit der Marktgerichtsbarkeit steht im engsten 
Zusammenhange das Richten über die Verletzungen der pax 
dei, mit welchem Namen vielfach die kleineren Körperver- 
letzungen (sonst auch Blau und Blut genannt), wie sie ja be- 
sonders an Markttagen vorzukommen pflegen , direct bezeichnet 
werden^). S. 112, 15 wird nun bestimmt: wer Zeugniss ab- 
legen will gegen einen Anderen, soll dem Vogte fünf Solidi 
geben für die Reliquien (auf die der Eid abgelegt wird) und für 
den Füi Sprecher, » ut in eum, super quem probare vult, secundum 



x) Die feierliche Auflassung erfolgt natürlich vor Gericht, wie noch die 
Statuten S. 26, 33 bestimmen, welche hier zur Erläuterung dienen : Nen egen 
mach men laten ane gerichte, wat men aver vor deme rade lovet oder bekant, 
dat scal men holden. Die Erklärung vor dem Rathe war also rechtlich 
bindend. Vgl. Göschen S. 185 Anm. i und Statuten 25, 35. 26, 17. 27, 
1 5 : wonach 2 Rathmannen bei der Auflassung im Gerichte zugegen sein 
müssen. Als Analogie fUhre ich an , dass auch zu Mülhausen dieses Recht 
bestand; vgl. Mülhäuser U. B. Nr. 119 von 1251, die erste Urkunde, in 
der hier die consules genannt werden. Sie ist ein offener Brief des Rathes 
über den Verkauf von Erbgut. In Goslar war nach den Statuten 30, 21 die 
Ausstellung eines solchen Documentes dem Rathe untersagt und dem Vogte 
vorbehalten, 

2) Vgl. Frensdorff, Dortmunder Statuten (Hans. Geschichtsquellen 3) 
S. LIV. Ich bemerke hier ein für allemal, dass Wolfstieg zu seinem grössten 
Schaden die Darstellung der Verfassungsgeschichte von Dortmund , welche 
hier gegeben wird, ganz unbeachtet gelassen hat. Die Entwickelung beider 
Pfalzstädte bietet natürlich manches Analoge ; doch zeigen sich auch Diffe- 
renzen. — Vridebreche wunde heisst eine solche Verletzung 13 14 in Speier; 
Ürk. zur Gesch. der St. Speyer Nr. 282, S. 216. 



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—. 24 — 

jus civile (nach Landrecht) valeat profiteri; qui vero de pace 
dei se expurgare voluerit, nee pro reliquiis nee pro causidico 
quicquam est daturusc. Ich möchte in letzterer Bestimmung 
nicht nur eine Beweiserleichterung erblicken'), glaube vielmehr, 
da der Vogt hier nichts erhält, so hat er mit dem Richten über 
diese Vergehen nichts zu thun; dieses steht dem bürgerlichen 
Organe, dem Rathe, zu«). 

Eine andere Seite der Gewalt des Rathes erschliesst die 
Bestimmung S. 115, 29: Omnes in civitate redditus ad negotia 
burgensium debent adjuvare, praeterquam bona clericorum et 
ecclesiarum. Darf man hierbei wohl nicht allein an Steuern 
denken, welche für specielle Zwecke der Stadt erhoben wurden, 
gehört vielmehr die Reichssteuer ebenfalls zum negotium burgen- 
sium 3), so zeigt doch gerade der gewählte Ausdruck, dass die 
Aufbringung von Steuern schon Sache der Stadt als solcher ge- 
worden ist. Gab es nun 1219 in Goslar einen Rath, so ist 
selbstverständlich, dass er es war, welcher die Steuern umlegte 
und einsammelte^). Ergänzend tritt hier eine Urkunde von 
1234 ein 5), durch welche K. Heinrich »burgensibus et universis 
consulibus et civibus« befiehlt, das Kloster Walkenried freizu- 
lassen »in theloneis, exactionibus quocunque nomine censeantur 
et precariis, que universitati vestre imposita sunt vel in posterum 
fuerint injuncta a nostra majestate, quia volumus, ut plena in 



x) Worauf Frensdorff a. a. O. Anm. 8 hindeutet. 

a) Vgl. hierzu besonders auch Nitzsch in den Forschungen 21, S. 279, 
280, welcher treffend bemerkt, dass die pax dei vielfach zu einer einfachen 
Polizeiordnung herabgesunken sei, sowie dass das Bedürfniss einer für die- 
selbe thätigen Gerichtsgewalt zur Bildung eines Rathes beigetragen haben 
möge. Vgl. auch Statuten 48, 22: ein Bürger, der einen anderen schlägt, 
wcddet dem Rathe fünf Mark — ok is dat en vridebrake. Statuten 48, 33 
handelt dann von dem Bruche des geschworenen (Land-) Friedens. 

3) Wie sie anderwärts unter den necessitates civitatis begriffen wird, 
s. Zeumer, Die deutschen Städtesteuem S. 96. 

4) Treffend sagt Zeumer S. 61 : »Es Hegt in der Natur der Sache, dass 
gerade die Umlage der Steuer eines der ersten Geschäfte war, welche der 
Selbstverwaltung anheimfielen«. 

5) Winkelmann, Acta imp. I, S. 395, Nr. 466 (vgl. Walkenrieder U. 
B. I, Nr. 192 u. S. 404.) 



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— 25 — 

venditionibus et emptionibus suis gaudeat libertate« »). Hier zeigt 
es sich deutlich, dass die Erhebung sowohl der Reichssteuer, als 
des Marktzolles und anderer Umlagen in den Händen des Rathes 
ist. Wolfstieg, S. 55, hat nun weder diese Urkunde zu der Be- 
stimmung von 12 19 in Beziehung gesetzt, .noch auch sonst 
richtig aufgefasst, wenn er meint: »dass hier nur an Häuserzins 
und Marktzoll gedacht werden kann, ist klar; es gab damals 
also in Goslar bereits einen Marktzoll, den der Rath einzog«. 
Seine Ansicht scheint zu sein: einmal, dass der Rath 1234 den 
Marktzoll zu der Stadt Nutzen erhoben, dann, dass dem 
Rathe zwischen 12 19 und 1234 überhaupt das Recht zugewach- 
sen sei, die Steuern, einerlei welche, umzulegen. Allein ersteres 
anzunehmen nöthigt nichts, da die Function des Rathes in der 
Urkunde ja auch in Bezug auf die Reichssteuer ^ als die gleiche 
vorausgesetzt wird, und die Reichssteuer auf Conto des Reiches 
erhoben wurde. Dass die zweite Ansicht irrig»), ergiebt eben 
die Bestimmung von 12 19. 

Ob in dem vieldeutigen Worte exactiones noch etwa eine 
Steuer enthalten ist, welche für specielle Zwecke der Stadt er- 
hoben wurde, mag dahingestellt bleiben; unwahrscheinlich ist 



x) Die Motivirang ergiebt sich daraus, dass vor allem die Handel- 
treibenden in den Städten als steuerpflichtig angesehen . wurden. 

a) Der Schein einer Begründung derselben könnte etwa gefunden werden 
in der Urk. Heinrichs VII. von 1225, welche die erste Steuerbefreiung des 
Klosters Walkenried in Goslar enthält (Walk. U. B. i, Nr. 149). Sie ertheilt 
advocato et burgensibus den Befehl , die Mönche ab omni jure civili 
supportare ; dann : et quia nnllis exactionibus vel collectis seu quibuscunque 
angariis eos volumus molestari u. s. w. Augenscheinlich sind aber hier noch 
andere Lasten und Leistungen gemeint, als in der Urkunde von 1234, und 
da war die Nennung des Vogts wohl am Platze; unter den burgenses ist ja 
natürlich der Rath mit gemeint. — Was die Ausdrücke anlangt, mit welchen 
die Steuern bezeichnet werden, so vgl. auch ürk. Heinrichs von 1234 
(Heineccius S. 248), nach welcher der Grundbesitz der Domherren frei sein soll 
ab Omnibus precariis et talliis ac exactionibus quas laici dare solent. Ferner 
die Befreiungen des Klosters Walkenried in Nordhausen (Walk. U. B. i, Nr. 
70, 103), die Urk. Friedrichs IL für das Stift in Nordhausen 1220 (Huillard 

I, S. 806), die Befreiungen des Klosters Volkerode in Mühlhausen durch 
Friedrich II. 12 19 und 1222, durch Heinrich VII. 1223 (Huillard I, S. 655 ; 

II, S. 230, 769) ; in den letzten beiden Urkunden wird befreit »ab omni jure 
exactionis et collecte quod vulgo dicitur gescoz«. 



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— 26 — 

es nicht, da Friedrich 11. schon 12 19 in Nordhausen unter- 
scheidet >collecta sive imperio praestanda sive ad quaelibet neces- 
saria civitatis, utpote ad fossata effodienda vel raurorum diruta sive 
nova quaelibet reparanda« '). Abgesehen von einer solchen directen 
Steuer, möchte man am ersten an das Ungeld, jene bekannte Accise 
auf Lebensmittel und Getränk, denken, welches Friedrich II. im 
Mainzer Landfrieden von 1235 generell verbot»), König Wilhelm 
aber 1252 dem Rathe von Goslar ausdrücklich zuge.stand3). 

Doch genug der Einzelheiten. Ich glaube dargethan zu 
haben, dass das Privileg von 1219^ welches K. Heinrich 1223 
erneuerte, den Rath nicht nur stillschweigsnd duldet, sondern 
vielmehr als bekanntes, allgemein anerkanntes Organ der Stadt- 
gemeinde voraussetzt, dass die Behauptung gänzlich unbegründet 
ist , der Rath s^i in der damaligen Verfassung noch nicht recht 
zur Geltung gekommen. Von der Entstehung des Rathes kurz 
vor 12 19 in Folge von Kämpfen der Innungen gegen die Gilde 
kann, wie wir sahen, keine Rede sein. Er ist jedenfalls älter, 
wenn er auch früher nicht erwähnt wird. Wenn in dem kleinen 
westfälischen Medebach der Rath schon 1165 erscheint, warum 
soll er zu derselben Zeit in dem bedeutenden Goslar nicht vor- 
handen gewesen sein?*) Der Anlass zu seiner Entstehung war 
überall da vorhanden, wo die eigentlich bürgerlichen Interessen des 
Handels und Marktverkehrs, des Friedens und der Sicherung des 
gemeinsamen Wohnortes 5) die althergebrachten Lebensverhältnisse 
der Einwohner, vor allem auch ihr Verhältniss zu der Herrschaft 
zersetzt oder aufgelöst hatten, wo die seitherigen Organe der 
öffentlichen Gewalt mit ihren beschränkten Competenzen nicht 



i) Walkenr. U. B. i, Nr. 103. 

3) Leges II, S. 315, cap. 6; telonea vel exactiones que vulgo dicuntur 
ungelt. Vgl. Zeumer S. 91. 

3) Göschen S. 116: super talliis faciendis quod ungelt dicitur. 

4) Auch in Dortmund wird der Rath erst spät, 1241 , zum erstens 
Male genannt. 

5) Zu den Bürgerpflichten gehörte vor allem auch der Wachdienst, vgL 
Wehrmann in den Hans. Geschsbl. 1884, S. 55. Die Ordnung desselben, die Ver- 
theilung der Bürger gehörte jedenfalls von Anfang an zu den Obliegenheiten 
des Rathes. — Zu den militärischen Verpflichtungen der Bürger gehörte 
nach dem Privileg von 1219 (S. 113,5) auch die Heerfahrt »pro defensione 
patriae ad locum qui dicitur Hildegesborch« und das Verweilen daselbst 



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— 27 — 

mehr ausreichten, die neuen Verhältnisse zu beherrschen, den 
neuen Rechts- und Verkehrsbedtirfnissen gerecht zu werden. 
Weshalb dieser Zeitpunkt für Goslar erst am Anfange des 13. 
Jahrhunderts eingetreten sein soll, ist nicht einzusehen. Gerade 
hier waren durch den Bergbau und, was damit zusammenhing, 
Industrie und Handwerk, durch den Handel, durch den jeden- 
falls ganz bedeutenden Absatz aller Producte, welchen die Hof- 
haltung und die zahlreichen Reichstage hervorriefen, die Ver- 
hältnisse bis Mitte des 12. Jahrhunderts*) so von Grund aus 
umgestaltet, dass man die Entstehung eines eigentlich bürger- 
lichen Verwaltungsorgans wohl schon in die zweite Hälfte dieses 
Jahrhunderts zu setzen berechtigt ist. 

Dabei ist es nicht nöthig, an ein Einsetzungsprivilegium 
eines Königs zu denken; genug, wenn Friedrich I. die Ueber- 
nahme gewisser Functionen durch eine Vertretung der Bürger 
erlaubte oder nicht verhinderte 2). 

Zwei Fragen entstehen nun an dieser Stelle, welche W. 
nicht einmal präcise gestellt hat. Erstens : wie ist es gekommen, 
dass der Rath die Ordnung aller Marktverhältnisse in seine Hand 
bekam, speciell an Stelle der Kaufmannsgilde bezüglich der 
Marktpolizei und -judicatur getreten ist. Zweitens : aus welchen 
Einwohnerklassen bildete sich der Rath. Ich bin nicht so ver- 
messen, auf diese beiden Fragen eine präcise Antwort geben zu 
wollen. Nur einige Vermuthungen will ich wagen. Die Gilde 
hatte schon seit Konrads II. Zeiten das Privileg, dass ihre Ge- 
nossen »de Omnibus que ad cibaria pertinent« unter sich zu richten 
befugt sein sollten. Dass unter cibaria alles, was zu Markte 
kommen kann, alle Verkehrs- oder auch nur alle Verbrauchs- 
gegenstände, verstanden werden dürfen, dafür vermisse ich den 



vierzehn Tage lang auf eigene Kosten. Der Ort ist doch wohl die Burg im 
Winkel, welchen Ohre und Elbe bilden, gegenüber Wolmirstädt, also an der 
Grenze der Nordmark, nach welcher Albrecht der Bär in Urk. Lothars III. 
1 134 (Mon. Boica29a, S. 262) marchio de Hiltagespurch heisst; vgl. Heinemann, 
Albrecht der Bär S. 80 und 330 Anm. 118; Raumer, Regesta hist. Branden- 
burg. Karte IV. Es handelt sich also um die Vertheidigung des Sachsenlandes 
gegen die Slaven, und der Bestimmung dürfte daher ein hohes Alter zukommen. 

i) Vgl. was ich in den Hans. Geschsbl. 1884, S. 24 bemerkt habe. 

3) Dass übrigens schon frühere Herrscher vor Friedrich II. der Stadt 
jura ertheilt haben, sagt dieser selbst im Eingang des Privilegs von 1219 : 
ea jura, quae in diversis rescriptis sparsim habuerunt notata. 



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— 28 — 

Beweis, sei es aus dem Sprachgebrauche, sei es aus der Analogie. 
Ich verstehe darunter einfach Lebensmittel, welche ja zweifellos 
in der früheren Zeit die Hauptartikel des Marktes ausmachten'). 
Die Controle über den Verkehr mit diesen, das ürtheilen über 
Streitigkeiten zwischen Käufer und Verkäufer bezüglich der 
Qualität der Waare, der Richtigkeit des Masses oder Gewichtes«) 
und was dahin gehört, die Verhinderung des Vorkaufes, übte 
also die Gilde. Dass auch der fremde Kaufmann, der den 
Goslarer Markt besuchte, dieser Judicatur der Gilde unterlag, 
scheint begreiflich. Ich halte es auch nicht für unwahrscheinlich, 
dass die Gilde, wie W. vermuthet, gestützt auf dieses Privileg, 
auch die Controle über den Verkehr mit allen anderen Waaren, 
die zu Markte gebracht wurden, ja sogar das exclusive Recht des 
Verkehrs überhaupt in Anspruch nahm. Ist diese Voraussetzung 
richtig, so leuchtet ein, dass, je mehrerlei Waaren in den Markt- 
verkehr kamen, je mehr Einwohnerklassen sich an diesem zu 
betheiligen strebten, desto lästiger diese Ansprüche der Gilde 
empfunden werden mussten. Ist die Voraussetzung dagegen 
nicht richtig, beschränkte sich die Gilde auch später nur auf die 
Controle über den Verkehr mit Lebensmitteln, so entbehrte der 
Marktverkehr der einheitlichen Aufsicht und Gerichtsbarkeit. In 
beiden Fällen aber lag es nahe, eine Neuordnung zu treffen, 
welche dem gesteigerten Verkehr des Ms^rktes und den ver- 
schiedenen hier handelnden Classen gerecht wurde. Unter diesen 
waren doch auch die Berg- und Hüttenbesitzer; sie waren ange- 
sehene, reiche Leute 3), welche sich dem Zwange der Gilde 



x) Vgl. vor allem das Verzeichniss der Waaren des Dortmunder Handels, 
des einheimischen wie der Durchfahrt, welches Frensdorflf S. CXVI aufstellt. 
Einen Goslarschen Waghaus- und Zolltarif aus dem 14, — 15. Jahrhundert 
s. im Hercyn. Archiv S. 323 ff. 

9) Vgl. Statuten S. 37, 21: Under weme unrecht mate oder unrecht 
wichte gevunden wert, dat steit an deme rade wu he dat keren wille. 

3) Aehnlich fasst Neuburg in dem unten citirten Aufsatze S. 93 die 
Montani auf, die er zu den angesehensten und reichsten Familien der 
Stadt rechnet und mit Recht von den Berg- und Hüttenarbeitern unterscheidet. 
Aehnlich auch Bode in Zeitschrift des Harzvereins 1882, S. 164. Wolfstieg 
ist sich augenscheinlich nicht klar geworden über den Charakter der Silvani 
et Montani. Eine Urkunde von 1310 (Walkenrieder U. B. 2, Nr. 722) 
zeigt eine Anzahl Familien der Montanen. 

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— 29 — 

gewiss nicht ohne weiteres gefügt haben werden. Der Verkauf 
ihrer Producte, vor allem des Kupfers, gab dem Goslarer Handel 
ein ganz besonderes Gepräge, auf welches Rücksicht genommen 
werden musste und auf welches die alten Gildesatzungen jeden- 
falls nicht so ohne weiteres anwendbar waren. Nichts natürlicher 
also, als dass die Gilde, um eine einheitliche Regelung des Markt- 
verkehrs zu ermöglichen, ihre besonderen Vorrechte zu Gunsten 
eines anderen Organes aufgab, wenn sie nur in diesem eine an- 
gemessene Vertretung fand. In diesem Sinne halte ich die Be- 
merkung von W. S. 56 für ganz zutreffend: »Offenbar hing also 
Rath und Gilde mit einander zusammen« ^). 

Das führt auf die zweite oben gestellte Frage: aus welchen 
Classen wurde der Rath gebildet. Die Beantwortung der Frage 
ist einfach, wenn man annimmt, dass alles, was an dem Markt- 
verkehre Theil nahm, was von einiger Bedeutung in der Stadt 
war, der Gilde angehört habe, in Goslar also ausser den 
eigentlichen Kaufleuten (Gewandschneidern) die etwa vor- 
handenen freien Handwerker, dann die Montanen und Silvanen 
und vielleicht noch andere Classen von Einwohnern. Frensdorfi 
hat=^) mit Recht auf die technische Bedeutung des Ausdruckes 
burgenses aufmerksam gemacht. Er sieht in ihnen die erbeinge- 
sessenen Vollbürger, die sich den späteren Ansiedlern und ur- 
sprünglich Unfreien gegenüber durch Mass und Qualität des 
Grundbesitzes auszeichnen, aus denen der Graf (von Dortmund) 
die Urtheilfinder entnahm. Sie bilden nach Frensdorff zugleich 
die Gilde. Gildegenossenschaft und Vollbürgerthum fallen zu- 
sammen. Es gab also eine Periode in der städtischen Ent- 
wickelung, »welche als die der Gilde bezeichnet werden kann«. 
Der Gilde, welche alle erbeingesessenen Bürger umfasste, lag die 
Vertretung der Stadt ob ; sie war an deren Verwaltung betheiligt, 
wie Frensdorff meint. Unter dieser Voraussetzung aber wird m. 
E. die Bildung eines Rathes als eines neuen Organs immer ein 



») Oder wie Frensdorff S. LV das bezüglich Dortmunds ausdrückt: 
»Die Erbschaft der Gilde ist dann dem Rathe zugefallen, soweit sie die Ver- 
tretung der Stadt bildete und an ihrer Verwaltung betheiligt war«. Inwiefern 
die Gilde die Vertretung der Stadt gebildet haben soll, ist mir bei dieser 
Definition nicht klar. 

^) S. LI ff. 



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— 30 — 

Räthsel bleiben. Wenn alle vollberechtigten Bürger in einer 
Corporation (der Gilde) vereinigt waren, so war der Vorstand 
der Gilde eben schon das, was später Rath genannt wird ; dieser 
ist nichts Neues, sondern etwa eine neue Entwickelungsform des 
Gildevorstandes '). 

Allein ich glaube, die Voraussetzung ist nicht richtig, dass 
VoUbürgerthum und Gildegenossenschaft zusammenfielen — wenig- 
stens in der Zeit nicht, wo mit VoUbürgerthum, jus burgensium, 
ein öffentlich-rechtlicher Begriff" verbunden werden kann. Die 
Bedeutung der Gilde liegt auf dem wirthschaftlichen und nicht 
auf dem (wenn ich den jetzt beliebten Ausdruck einmal brauchen 
soll) politischen Gebiete. Ist die Gilde in historischer Zeit (13. 
Jahrhundert) in Dortmund und wohl auch in Goslar eine auch 
politisch bevorrechtigte Körperschaft , so verdankt sie das den 
wesentlich wirthschaftlichen Bevorrechtigungen, welche sie schon 
besessen hatte zu einer Zeit, wo von einem politisch selbständigen 
Leben der Stadt noch keine Rede war. Als dieses sich zu regen 
anfing, als man Mauern baute, zu deren Herstellung und Unter- 
haltung Umlagen machen musste, als die viel reicher gestalteten 
Verhältnisse des Marktes eine Neuordnung nöthig machten, zu 
deren Herstellung die alten Gildevorrechte nicht ausreichten, als 
der Geburtstag des Rathes kam, da konnte man die Gilde 
natürlich nicht bei Seite schieben. Ihre Genossen zählten zu 
den reichsten und angesehensten Bürgern ; sie hatte als Genossen- 
schaft Vorrechte, welche für die Gesammtheit zu erwerben die 
Aufgabe sein musste. Die Gilde trat ihre Rechte über den 
Markt an ein neues Organ, den Rath, ab und erhielt dafür in 
dem städtischen Organismus eine bevorrechtigte Stellung. 

Der Rath aber ist das Organ aller vollberechtigten Bürger, 
der Gildegenossen und anderer, der Burgenses. Die Frage ist 
nun, welche waren diese anderen. Ich will mich bei dem Ver- 



») W. S. 57 meint ganz verständig: »Wäre nun der Rath ohne Weiteres 
aus dem Vorstande der Gilde entstanden , so hliebe unerklärlich, wie diese 
grosse Menge von Ministerialen in den Rath hineinkam«. Von FrensdorfTs 
Standpunkt aus erklärte sich dann diese Erscheinung einfach dadurch, dass 
eben die Ministerialen, als erbgesessene Vollbilrger, gleichfalls Gildegenossen 
gewesen wären. 



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— 31 — 

suche, diese Frage zu beantworten, nur an Goslar halten. Im 
Privileg von 12 19 wird der Burgenses vielfältig gedacht; das 
consilium ist das der Burgenses; von dem jus burgensium ist 
die Rede '-, nirgends aber wird der Begriff definirt. Ich glaube, 
die Definition, welche Frensdorfi' gegeben hat, reicht vollkommen 
aus : Burgenses sind die erbeingesessenen Einwohner, welche sich 
durch Grösse und Qualität des Grundbesitzes auszeichnen. An 
einer Stelle des Privilegs von 12 19 ist von Burgenses die Rede, 
die eigene Häuser haben*). Die Kaufleute werden in dieser 
günstigen Lage gewesen sein. In Goslar und vielen anderen 
Städten sind dann später Ritterbürtige Mitglieder des Rathes und 
rathsfähig. Vielfach sind es frühere Ministerialen, in Dortmund 
die sog. Reichsleute, welche Frensdorff für Reichsministerialen 
hält, wogegen Hegel 3) sie für ursprünglich freie Hofbesitzer er- 
klärt, welche in das Bürgerrecht eingetreten waren. Ueber das 
Geburtsstandes verhältniss der Goslarer ritterbürtigen •P'amilien 
dürfte im einzelnen schwer etwas bestimmtes festzustellen sein. 
Vermuthlich waren beide Classen, ursprüngliche Reichsministerialen 
und freie Leute, bei der Büdung dieses städtischen Adels be 
theiligt. Dass der König Dienstmannen in Goslar ansiedelte und 



x) Göschen S. 113, 34: In eadem etiam civitate nuUi jus quo burgenses 
gaudeant concedatur, nisi ipse similiter jus eorum observet. 

a) S. 115, 4: Wer wegen Verwundung eines Anderen verklagt wird, 
kann sich reinigen cum septem burgensibus, qui proprias habent domos. 
Hier scheint die Auslegung geboten, dass eben das Eigenthum des Hauses 
das Erfordemiss ist, dass es also auch Burgenses giebt, welche keine Häuser 
haben. Allein zu der erbgesessenen, bevorrechtigten Familie gehört auch der 
volljährige Haussohn, der abgeschichtete Bruder, dem das Haus nicht zuge- 
fallen; auch er ist burgcnsis. Das Verhältniss ist hier zu denken, wie bei 
dem praedium libertatis des Schöffenbarfreien. — S. 112, 27 heisst es noch: 
Si aliquis burgensis domum suam pignori obligare voluerit. Zu beachten ist, 
dass noch nach den Statuten (Göschen, S. 73, 7) die Hausbesitzer zu den 
drei echten Dingen pflichtig sind. Der Analogie halber führe ich ein Zeug- 
niss aus Mülhausen i. Th. an; Die von Schlotheim bezeugen 1257, dass sie 
sich mit der Stadt gesühnt, emimus unam curiam pro 30 marcis argenti in 
civitate Mulhusen et optinuimus in ipsa jus perfecte civilitatis (Mülh. U. B. 
Nr. 142). 

3) In der Anzeige von Frensdorff s Ausgabe der Dortmunder Statuten 
in der Histor. Zeitschrift Bd. 49, S. 333. 



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— 32 — 

mit Häusern bewidmete, ist an und für sich natürlich. In der 
durch ihre Zeugen hervorragenden, zu Goslar ausgestellten Ur- 
kunde Heinrichs des Löwen für Kloster Richenberg von 1154'), 
welche laici liberi, ministeriales und urbani Goslarienses scheidet^ 
finden sich unter den Ministerialen, die, soweit ich es controlirei» 
kann, meist Weifische oder Hildesheimische sind, auch Witekindus 
et Herezo fratres de Goslaria. Vermuthlich sind es Reichsmini- 
sterialen, die mit dem Lehen des Vogteibezirkes in den Besitz^ 
des Weifen übergegangen sind'*). Der altfreie Ursprung wenigstens 
eines der hervorragendsten Goslarer Patriciergeschlechter , der 
de Capeila, lässt sich positiv nachweisen. Der Ahnherr ist Rudolf 
der Sohn des Vertheco mit dem Titel vir illuster, welchem sein 
Cognat der Canonikus von St. Simon und Judas Sidag zwischen 
II 08 — 1130 die Cäcilienkapelle, die seine Vorfahren gegründet 
hatten, schenkweise übertragen hat^). Nichts deutet femer 
darauf hin, dass der in- und ausserhalb Goslars reich begüterte 
Vogt Folkmar von Wildenstein ein Ministerial gewesen sei*). 
Der Vogt Widekin femer, der ausdrücklich zu den Goslarer 
Bürgern gerechnet wird, ist gleichfalls ein Freier gewesen. Es 
gab also in Goslar angesessene schöffenbarfreie ritterbürtige Ge- 



i) Orig. Guelf. III, S. 451 (Heineccius S. 149). 

2) Die Familie de Goslaria erscheint noch später, der Name der Stadt 
ist zum Geschlechtsnamen geworden; vgl. 2. B. Heineccius S. 166, U. B, 
für Niedersachsen i, Nr. 7, 15. Wenn ehendaselhst S. 65 und 70 Volger 
diese Familie mit den Wildensteinem identificirt, so halte ich dies für einen 
Irrthum. 

3) Urk. Bernhards von Hildesheim von 11 47 im Walkenrieder ü. B. i, 
Nr. 10 (Heineccius S. 145). lieber Sidag und seine gleichfalls altfreie Sippe 
vgl. die Urk. Bischof Hezilos bei Heineccius S. 75, sowie die Urk. Heinrichs 
des Löwen von 1153 bei Prutz S. 472. Das Geschlecht Rudolfs führt seinen 
Namen natürlich von der Cäcilienkapelle, in deren Besitz es blieb. Erscheint 
unter den Zeugen der Urk. Friedrichs I. von 1152 (Stumpf, Acta imp. ined, 
Nr. 119) Ludolfus de Capella, so ist das ein Schreibfehler statt Rudolfus. 
Danach darf man nicht, wie ich in den Hans. Geschsbl. 1884, S. 29 Anm. 4. 
that, den Vogt Ludolf diesem Geschlechte zuzählen. 

4) In den so sehr ausführlichen Bestätigungsurkunden von Neuwerk durch 
Adelog von Hildesheim 1186 (U. B. für Niedersachsen i, Nr. 5) und Fried- 
richs I. 1188 (Stumpf, Acta imp. ined. I, Nr. 174) würde er doch wohl als 
ministerialis imperii bezeichnet worden sein, wenn er es gewesen wäre. Sein 
Grundbesitz, mit dem er das Kloster ausstattet, ist vollständig frei. 



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schlechter neben solchen von dienstmännischer Herkunft^). Sie 
gehören zu den Burgenses. 

Einen weiteren Bestandtheil dieser dtirften aber wohl auch 
freie Handwerker gebildet haben, deren Familien sich vielleicht 
schon Generationen hindurch im Besitzt von Häusern in der 
Stadt befanden*). Als Zeugen der oben citirten Urkunde Hein- 
richs des Löwen von 1154 erscheinen unter den urbani Gos- 
larienses mitten unter anderen Leuten drei Leineweber (linarius), 
zwei Goldschmiede (aurifex), zwei Schildmacher (scutarii), ein 
Steinmetz (lapidda), ein Glockengiesser (campanarius) , ein 
Bälgenmacher (folKcularius , ein für die Schmelzhütten sehr 
nöthiges Gewerbe), ein Sattler (sellarius), ein Färber (fucarius) 3). 
Sie alle waren gewiss keine viles personae, keine hof hörigen 
Leute, vielmehr burgenses, für welchen Ausdruck urbani die 
richtige Uebersetzung ist. Wo zuerst die Rathmannen auf- 
gezählt werden, in Urkunden aus dem Jahre 1269*), ist auch 
wenigstens ein und der andere Handwerker darunter. Das mag 
sehr wohl schon zu Ende des 12. Jahrhunderts so gewesen sein, 
zumal wenn man zugiebt, dass die Handwerkerinnungen schon 
zu dieser Zeit bestanden haben können. 



z) Ich möchte hier wenigstens der Vermuthung Raum geben, dass die 
freien Familien gerade den Kern der Montanen ausgemacht haben. Folkmar 
von Wildenstein schenkt dem Kloster Neuwerk unter anderem dimidiam 
fossam in monte Ramsberg in Wales werke. 

2) Auf die frühe Existenz von freien Handwerkern weist auch Wolfstieg 
S. 46 hin. 

3) Neben ihnen erscheinen Personen mit Beinamen, wie albus, niger, 
rufus, parvus. Das Wort nicalar weiss ich weder als Berufsbezeichnung 
noch als Beinamen unterzubringen. Nicht als Letzter steht Gerwardus pugil. 
Es ist natürlich nicht entfernt daran zu denken, dass dies ein unehrlicher 
»kemphec ist. Pugil wird Bdname gewesen sein. In Urk. Brunos von Hildes- 
heim von 1160 (Lünzel, Die ältere Diöcese Hildesheim S. 377) erscheint 
unter den cives Goslarienses de parochia S. Jacobi auch ein Thizeco pugil. 
Nach Gerwardus pugil folgt noch Liuderus gener domine de Celem, der 
Schwiegersohn einer Rittersfrau. Die zwei officiales sind auch mir ebenso 
räthselhaft wie W. S. 41 ; schwerlich aber wird man an Beamte der kaiser- 
lichen Kämmerei denken dürfen. 

. 4) S. Wolfstieg S. 56. 
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 3 



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— 34 — 

Mit einem Worte muss ich wenigstens auch der Ansicht 
Hegel's gedenken, welcher, gegen FrensdorfF polemisirend *), an- 
nimmt, dass der Rath in Dortmund aus dem SchöffencoUegium 
hervorgegangen sei, wie das in rheinischen Städten (Aachen, Duis- 
burg) nachzuweisen ist, durch Erweiterung dieses Collegs von 
zwölf auf achtzehn Mitglieder. Diese von Heusler bekanntlich 
generell vertretene Ansicht, welche ja alles am einfachsten er- 
klären würde, findet weder in Dortmund noch in Goslar irgend 
einen Anhalt in den Quellen«). Der Ausdruck scabinus oder ein 
ähnlicher ist mir in den Goslarer Urkunden nirgends begegnet 3). 
In der einzigen mir bekannten Urkunde, welche einen Akt vor 
dem Gerichte des Vogtes bezeugt, der oben citirten von 1147, 
heisst es >in presencia Hermanni advocati et omnium civium 
Goslariensium« *). 

Aber selbst wenn die Ansicht Hegel's richtig wäre, so bleibt 
das Problem das gleiche, wie unter Annahme der Ansicht Frens- 
dorflfs von der Entstehung des Rathes aus der Gilde: wie kam 
es, dass in dem einen Falle die Schöflfengeschlechter, in dem 
anderen die Gildegenossen anderen Leuten Antheil an ihren Be- 
fugnissen einräumten, und welches waren diese Anderen 5)? 

Im 6. Capitel behandelt Wolfstieg »Goslar in der zweiten 
Hälfte des 13. Jahrhunderts«. Wie im 5. die Darstellung wesent- 
lich auf Grund des Privilegs von 12 19 rückwärts construirt war, 



i) Hist. Zeitschrift Bd. 49, S. 336 ff. 

*) Dass der Rath in Dortmund im 14. Jahrhundert sich selbst consules 
et scabini nennt (Frensdorff S. LXIV), ist natürlich kein solcher. 

3) Als Zeugen der zu Goslar ausgestellten Urk. Adelogs von I186 
(U. B. für Niedersachsen i, Nr. 5) erscheinen Thietmar judex, Heinricus 
judex. Das sind zwei der vier Stadtrichter des Privilegs von 12 19, deren 
Existenz für das 12. Jahrhundert also damit erwiesen ist. 

4) In den späteren Bestätigungen von 1158 und 11 71 (Heineccius S. 161. 
170) heisst es dafür merkwürdiger Weise: simulque nominatissimorum civium 
Goslariensium. 

5) Gegenüber den Beispielen von Aachen und Duisburg möchte ich doch 
auch auf die von Zeumer, Städtesteuem S. 63, angeführten Beispiele von Bonn 
und Neuss hinweisen, wo in den 50er Jahren des 13. Jahrhunderts das 
SchöffencoUeg, dem seither die Vertretung der Stadt oblag, durch einen Rath 
ersetzt ward. 



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— 35 — 

so ist sie es hier auf Grundlage der Urkunden des Jahres 1290. 
Eine der wichtigsten ist S. 94 zum ersten Male aus dem Originale 
abgedruckt: die in diesem Jahre am 14, September vom Rath, 
den Montanen, den Kaufleuten und Gilden gemeinsam verein- 
barten Statuten»). Auch in diesem Capitel findet sich viel Phan- 
tasie ; der Ausgangspunkt der Darstellung ist, wie ich oben nach- 
gewiesen zu haben glaube, ein verkehrter, da W. S. 62 annimmt, 
erst jetzt (also etwa 1250) habe »das Reichsgebiet«, d. h. die 
Montanen und Silvanen, in den Streit des Rathes, der Kaufleute 
und Gilden eingegriffen. Auch hier weiss W. S. 63 ganz genau, 
dass die Montanen die heftigste Opposition gegen das Bestreben 
des Rathes machten, die Vogtei zu erwerben-, in den Quellen 
findet sich darüber auch nicht die leiseste Andeutung. 

Mit diesem Capitel berührt sich ein Aufsatz von C. Neu- 
burg: »Der Streit zwischen den Wald- und Bergleuten und den 
Innungen zu Goslar am Ende des 13. Jahrhunderts«^), welcher 
W. schon vorlag. Den Kampf zwischen Gilden und Montanen, 
welchen die verschiedenen Transactionen und Urkunden des Jahres 
1290 beendeten, hält Neuburg für einen lediglich wirthschaft- 
lichen; W. dagegen glaubt, dass politische Motive dabei minde- 
stens ebenso sehr mitspielten wie materielle Interessen. Zweifellos 
ist W. darin beizupflichten, dass N. die Bedeutung des ganzen 
Kampfes sehr unterschätzt hat, wenn er meint, dass derselbe 
lediglich die kleinlichsten materiellen Interessen betroffen habe. 
Andererseits, glaube ich, hat W. hinwiederum die politische Seite 
des Streites sehr überschätzt. Die Urkunden des Jahres enthalten 
über diese sehr wenig. Die eigentliche Verfassung der Stadt 
scheint keine Veränderung erlitten zu haben; auch die Zustän- 
digkeit des Vogtes bleibt dieselbe, obgleich in diesem Jahre 1290 
die Stadt das Amt erworben hat. Wir sind in keiner Weise 



1) Bisher nur in der deutschen Uebersetzung des Kaufleutebuchs abge- 
druckt im Vaterland. Archiv 1841, S. 44. 

2) In der Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft Bd. 40 (1884), 
S. S6 — 106. Der Vf., welcher gleichfalls das Göslarer Archiv benutzt hat, 
zeigt einen bedauerlichen Mangel an paläographischen Kenntnissen. Seine 
Kenntniss der Goslarischen Verhältnisse scheint auch nur ad hoc zusammen- 
gerafft zu sein. 

3* 



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- 36 - 

berechtigt, zu schliesseii; dass etwa die Montanen oder die In- 
ntmgen in dem Kampf danach gestrebt hätten, die Herrschaft im 
Rathe zu erlangen. Ob auf der anderen Seite etwa der Rath 
dahin gestrebt hat, die Autonomie der Montanen in Bezug auf 
die Angelegenheiten des Bergbaues und was damit ztfsämmenhing 
zu vernichten, liesse sich höchstens aus daaem Artikel des oben 
citirten Statutes deduciren : Item tale jus, Bicut silvani et moDtani 
habent, debent inter se discutere secundum placitum ipsorum et 
ordinäre»). Der schriftlichen Fixirung und Anerkennung eintes 
alten rechtlichen Herkommens^) braucht aber durchaus kan 
Angriff auf sein Fortbestehen vorauszugehen. 

Einen anderen politischen Punkt des Streites hat W. S. 64 
gefunden, indem er annimmt, den Montanen sei es vor allem 
auf die Erhaltung des Gerichtes trans aquam angekommen, 
welches der Rath nach der Erwerbung der Vogtei mit »der bereits 
erweiterten Marktgerichtsbarkeit« zu vereinigen gestrebt habe. 
Diese Annahme findet einen Anhalt in einem Artikel des Statuts 
vom 14. September 1290: Dicimus etiam et volumus, quod Judi- 
cium trans aquam in tali jure stet et permanteat, sicuti fuit, prius- 
quam burgenses prefate civitatis hoc Judicium sibi adsumerent et 
usurparent. Der Erwerb der Vogtei durch die Stadt erfolgte im 
Mai 1290. Nun ist ja immerhin möglich, dass der Rath in den 
Monaten vom Mai bis September Angriffe auf die Selbständigkeit 
des Gerichtes trans aquam gemacht, dasselbe zu beseitigen, etwa 
mit dem Gerichte des grossen Vogtes, den er jetzt zu setzen 
hatte, zu vereinigen gesucht hat. Allein diese Angriffe können 
doch auch in eine frühere Zeit fallen 3) und von dem Erwerbe 
der Vogtei unabhängig sein. Denn darin irrt W. vollständig, 
wenn er S. 73 meint, dass dem Rathe durch die Erwerbung 



i) Wolfstieg S. 95. Neuburg S. 99 liest hier: inter se discutare saepe 
dictum placitum imperiale et ordinarium ! ! 

*) Das besondere jus silvanortim erscheint schon im Privileg von IÄ19, 
welches 1275 ^^^ Rudolf bestätigt war. 

3) Von dem Rath ist eigentlich auch in der Stelle nicht die Rede. 
Man könnte immerhin auch daran denken, dass die Bürger sich in das 
Gericht trans aquam als Urtheilfinder eingedrängt hätten, welche Function, 
da die Gerichte local getrennt waren, nur den Montanen zustand. 



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— 37 ~ 

d«r Reichsvogtd die Besetzung beider Gerichte zustand. Denn 
erst im Jahre 1348 hat der Rath auch die kleine Vogtei (advo 
caciam minorem in Goslaria que appellatur advocacia ultra aquam 
— de lutteke voghedye to Goslere) von dem Grafen Heinrich 
von Regenstein, der sie vom Reiche zu Lehen trug, erworben*). 
Daran ist aber doch nicht zu denken, dass, wenn der Rath 1290 
beide Vogteien erwarb, er sich der kleinen später wieder ent-r 
äussert hätte. In diesem Jahre erwarb er vielmehr nur die grosse 
Vogtei; der kleine Vogt also wurde bis 1348 nicht vom Rathe, 
sondern von den Grafen von Regenstein gesetzt. Aber wahr- 
scheinlich schon vor 1290 machten die Bürger oder der Rath 
den, wie es scheint, rechtswidrigen Versuch, das kleine Gericht 
trans aquam an sich zu ziehen. Dass die Montanen sich dem 
widersetzten, darin wird W, Recht haben, und sie erreichten im 
Statute von 1290 auch die Anerkennung des Fortbestandes des 
Gerichtes trans aquam. 

Das 7. Capitel behandelt die Verfassung der Statuten und 
des Bergrechtes. Mit Recht bemerkt W. S. 67 , dass das Jahr 
1290 das Geburtsjahr dieser beiden Rechtsdenkmäler sei, wenn^ 
gleich ihre Abfassung erst in die ersten Jahrzehnte des 14. Jahr- 
hunderts falleii mag. Es ist aber dann doch eine eigenthümliche 
Anschauung, wenn S. 68 im Eingange des 7. Capitels gesagt 
wird: »Die Grundlagen, auf welchen die neue Verfassung 
gegründet werden musste, waren in dem Privileg von 1290 ge- 
geben: das Stadtrecht sowohl als das Bergrecht hatten nur die 
Aufgabe, die Bestimmungen für die einzelnen Gesetzesabschnitte 
festzusetzen«. Seither hatte mai^ die beiden Rechtsdenkmäler 
wesentlich für die Codification alten Rechtes gehalten*); W. will 
sie aJs Ausftihrungsgesetze der neuen Verfassungsurkunde von 1299 
hinstellen. Von der eigentlichen Verfassung der Stadt, der Stel- 
lung, den Befugnissen u. a, w. des Rathes ist aber in den Statuten 
nur ganz beiläufig die Rede. Solches Hereintragen moderner 
Vorstellungen muss nur verwirrend wirken, abgesehen davon, dass 



i) Zwei Urkunden des Grafen in Zeitschr. des Harzvereins 1872, 
S. 488. 489. 

*) Bei dem Bergrechte ist der ofßcielle Ursprung zudem mindestens 
zweifelhaft. 



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- 38 - 

sie hier gar nicht passen. Im übrigen ist über die eigentliche Stadt- 
verfassung auf knappen drei Seiten nichts Neues beigebracht, 
was man nicht schon aus Göschens Darstellung wüsste. Wenn 
S. 69 gesagt ist: »Die öffentliche Gewalt in der Stadt lag gänz- 
lich in den Händen des Rathes«, so ist das Angesichts der Vor- 
rede zu den Statuten durchaus nicht richtig. Denn diese sind 
erlassen vom Rathe mit vulbort der Kaufleute, Waldwerchten 
und Gilden*) und sollen auch nur mit deren Zustimmimg ver- 
ändert werden dürfen. In Bezug auf die statutarische Gesetz- 
gebung hatte also der Rath durchaus nicht allein die obrigkeit- 
liche Gewalt. Andererseits scheint mir auch die Definition von 
Göschen S. 513 nicht zutreffend zu sein: »die höchste Gewalt in 
der Stadt wird geübt von dem Rathe und den gewerbtreibenden 
Genossenschaften«. Göschen nämlich findet den Inhalt der 
höchsten Gewalt allein in der statutarischen Gesetzgebung, welche 
schliesslich doch nur eine Seite derselben darstellt. Hier war 
der Rath an die Mitwirkung der Corporationen gebunden. In 
anderen Beziehungen aber erscheint er als der alleinige Inhaber 
der obrigkeitlichen Gewalt, wie das W. S. 69 mit Recht im Ein- 
zelnen ausführt. Wenn auch die Vogtei im Jahre 1290 (ebenso 
wie die kleine im Jahre 1348) dem Rathe und der Gesammtheit 
der Bürger von Goslar verkauft wurde, so wurde sie doch allein 
den sog. Sechsmannen zu Lehen gereicht, und der Rath allein 
bestellte den Vogt. 

Ueber Zahl, Zusammensetzung, Ergänzung des Rathes, über 
die Betheiligung der Corporationen am Stadtregiment, also über 
die »Verfassung«, erfahren wir aus den Quellen, zumal den 
Statuten, direct nichts. Es heisst ganz den Charakter und den 
Zweck solcher mittelalterlichen Rechtsaufzeichnungen verkennen, 
wenn man solche Anforderungen an sie stellt. Göschen und 
nach ihm Wolfstieg haben sich abgemüht, aus den paar gelegent- 
lichen Andeutungen der Statuten über die Sechsmannen, den alten 
und den neuen Rath, über die »wisesten« *) zur Erkenntniss der 



1) Es ist jedenfalls zu beachten , dass auch schon das Statut von 1290 
von Rath, Montanen, Kaufleuten und Gilden zusammen erlassen ist 
») Vgl. vor allem Statuten loi, i. 7. 



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— 39 — 

Rathsverfassung zu gelangen. Man kann nicht sagen , dass es 
ihnen gelungen ist. Ich unterlasse es, ihre zum Theil entgegen- 
gesetzten Aufstellungen aufzuführen, da ich den Schlüssel zu den 
Angaben der Statuten in einem Aktensttjcke des Jahres 1682 
gefunden zu haben glaube. Es ist der Recess, welcher, unter 
Vermittelung kaiserlicher Commissarien zwischen dem Rathe, den 
Gilden und der Bürgerschaft über die Regimentsverfassung abge- 
schlossen, zugleich die Geltung der alten Statuten ausser Kraft 
setzt, Hergewäte und Gerade abschafft und das kaiserliche ge- 
meine Recht einführt^). Das erste Caput dieses Recesses beginnt 
mit einer Nummer, nach deren Kenntniss alle Zweifel schwinden 
müssen, was die Statuten unter dem neuen und dem alten Rathe 
verstehen: »Es sind in dieser Stadt von Alters her jedesmahl 
gewesen und noch findlich zwei Räthe, welche jährlich in der 
Regierung abwechseln. Derowegen denn auch derjenige Rath, so 
das Stadt-Regiment ableget, der alte, und der Rath, welcher es 
wiederumb annimpt, der neue Rath genennet wird, und präsidiret 
in jeglichem Rath ein Burgermeister«. Wir treffen also in Goslar 
die Einrichtung des amtirenden, sitzenden, und des ruhenden 
Rathes, wie sie auch anderwärts nicht selten ist. In den Statuten 
ist diese Einrichtung schon sicher erkennbar; S. 97, 23 ist von 
dem sitzenden Rathe die Rede, S. iqi, 5 von dem neuen 
und dem alten Rathe. Dass unter den letzteren Bezeichnungen 
nichts anderes verstanden sein kann als der sitzende und der 
ruhende Rath, sowie dass letzterer in gewissen Fällen mit zu 
Rathe gezogen wurde, zeigt eine Aufzeichnung aus dem Jahre 
135 1 2). Ich will nun in aller Kürze das Wichtigste aus der 
Regimentsverfassung, wie sie der Recess darlegt, ausheben, ohne 
damit die Meinung vertreten zu wollen, dass nun auch alles so 
schon im Anfange des 14. Jahrhunderts gewesen sei. Merk- 
würdig stabil scheinen aber die Goslarischen Verhältnisse ge- 
blieben zu sein. 

Beide Räthe zusammen haben 40 Personen, jeder einzelne 



x) Gedruckt bei Job. Jacob Moser, Reichs-Stättisches Handbuch i, 
S. 801 ff. 

») Göschen S. 109, i. 



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— 40 — 

zwanzig. Mit letzterer Zahl kommen einigermaassen die ältesten 
Urkunden überein, welche die Rathmannen aufzählen. Darf man 
die Zeugen der Urkunde von 1254, durch welche der Vogt 
Dietrich von Sulingen und die Consules das Johannishospital 
stiften, für die Rathmannen halten*), so waren es damals sieb- 
zehn. Eine Urkunde von 1269«) führt 22 Rathmannen nament- 
lich auf, eine von 1290^) deren 18, eine von 1293*) deren 19; 
in einer Aufzeichnung 5) von 1360 werden 21 Rathmannen ge- 
nannt. Auffallend ist nun, dass in einer zweiten Urkunde von 
1269^) nur ro Consules Urkunden, darunter ein Name, welcher 
sich unter den 22 der ersten Urkunde aus diesem Jahre nicht 
findet. Sollten in der ersteren die Mitglieder des gesammten, in 
der letzteren die des neuen (sitzenden) Rathes aufgezählt sein, 
dieser anfänglich nur etwa aus 10 Personen, jener aus etwa 20 
bestanden haben? 

Nach dem Recesse werden von den 20 Mitgliedern jedes 
Rathes je sechs »sicherer Prärogativen halber die sechs Män- 
ner genannt«, aus welchen der Bürgermeister und der Kämmerer 
zu erwählen ist Welcher Art weiter diese Prärogativen der 
Sechsmänner sind, wird hier nicht angegeben. Man ist ja zu- 
nächst geneigt, die Sechsmannen für einen Ausschuss des Rathes 
zu halten, der etwa die laufenden Regierungssachen erledigt, 
wichtigere Dinge für den ganzen Rath vorberäth u. dgl. Ein 
solcher Ausschuss sind aber die Sechsmannen wenigstens zur Zeit 
des Recesses nicht gewesen; hierfür bestand damals, wie ange- 
geben wird^, »für langen gantz undencklichen Jahren«, ein anderes 
CoUegium, der engere Rath, »der wird auch wol der alte Rath 
oder die alten Herren genandt und ist ein Ausschuss der Sechs- 
manne <^ bestehend aus drei Personen aus den Sechsmannen des 
neuen und dreien aus den Sechsmannen des alten Rathes, dar- 



i) Heineccius S, 274; den 17 voraus geht als Zeuge der Vogt. 

») S. Wolfstieg S. s6 Anm. 8. 

3) Daselbst S. 57 Anm. 9. 

♦) Heineccius S. 312. 

5) Vaterland. Archiv 1841, S. 32. 

^) Kalenberger ü. B. 3, Nr. 298; s. Wolfstieg S. 56 Anm. 8. 

7) S. 809, Cap. III, Nr. i. 



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— 41 — 

unter beide Bürgermeister und der Kämmerer. «Denen sitzet 
auch von Alters her bei und hat in solchem engen Rath sein 
Votum mit der Syndicus und der Gemeine Worthalter von den 
Achtmannen«. 

Die Sechsmannen lassen sich ziemlich weit zurück verfolgen. 
In der merkwürdigen Urkunde des Jahres 1258*), in welcher die 
Grafen von Woldenberg bekunden, dass ihnen der Rath erlaubt 
habe, das Lehen Volrads von Hessen (aus der Vogtei) zu nehmen, 
geben sie Sicherheit für daraus etwa entstehende Schädigung der 
Stadt in die Hand von sechs dem Ritterstande angehörigen 
Bürgern. Die dem Rathe verkaufte Vogtei reicht der Graf 
von Woldenberg 1290 sechs BtLrgem ad manus consulum und 
verspricht, dass nach dem Tode derselben er oder seine Erben 
sie sechs anderen Bürgern, die ihm namentlich zu bezeichnen 
seien, reichen werde'). Die Zahl sechs ist doch wol hier beide 
Male nicht zufällig; Rathsmitglieder werden es, doch sicher ge- 
wesen sein 3), und so dürfen wir in ihnen wohl die Sechsmannen 
sehen. Bestanden dann 1290 schon die beiden Räthe, so haben 
wir, da den Sechsen die Vogtei auf Lebenszeit gereicht ist, 
vermuthlich in denselben jenen späteren engeren Rath zu 
sehen *). 

Die übrigen 14 Mitglieder eines Rathes werden nach dem 
Recesse aus den fünf ersten Gilden (sieben sind es im Ganzen) 
genommen, und zwar stellt die Kaufmanns-, Wort- oder Gewand- 
schneider-Gilde sechs, die Kramer-, Becker-, Schuster- und 



i) Zeitschr. des Harzvereins 1872, S. 473. Merkwürdig ist bei der 
Urkunde vor allem das gänzliche Ignoriren des Vogtes. Es war in diesem 
Jahre Berthold von Gowisch (Walkenrieder U. B. i, Nr, 330), ein Anver- 
tirandter des unter den Sechsen genannten Arnold von Gowisch. Die Urkunde 
scheint mir weiter ein Beweis dafür zu sein, dass die Woldenberger 1258 die 
Vogtei noch nicht zu Lehen hatten. 

*) Zeitschr. des Harzvereins 1872, S. 474. 

3) Ist das der Fall, so erhöht sich, da vier von den Sechsen des Jahres 
1290 unter den Consules der früher erwähnten Urkunde dieses Jahres nicht 
genannt werden, die Zahl dieser auf 22. 

♦) Nur zwei dieser Sechse von 1290, ein Astveld und ein Dömthen, 
lassen sich sicher als ritterbürtig nachweisen ; bei den vier Anderen (Copmann, 
Albus, BuUic, Trost) ist diese Qualität zweifelhaft. 



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— 42 — 

Knochenhauer-Gilde je zwei Mitglieder. Diese Vertheilung legt 
dann die Vermuthung nahe, dass die Sechsmannen aus besonders 
bevorzugten Einwohnerklassen genommen werden mussten. Wir 
werden schwerlich fehlgehen in der Annahme, dass dies die alten 
patricischen, ritterbürtigen Familien früher gewesen sind. 

Derjenige neue Rath, welcher Freitag nach Maria Empfang- 
niss das Regiment von dem alten Rathe erhalten soll, muss vor- 
her ergänzt sein. Die Ergänzung zunächst der Sechsmannen findet 
statt durch die Concurrenz zweier Wahlcollegien : der Sechsmannen 
des abtretenden Rathes und der sog. Achtmannen. Diese Achtman- 
nen wurden, wie angegeben wird *), aus den vier Hauptpfarreien der 
Stadt genommen, aus jeder Pfarre zwei ; es waren also ursprüng- 
lich Kirchspielsvertreter ; später ergänzte man das Collegium ohne 
Rücksicht auf die Pfarreien. Diese Ergänzung geschieht so, dass 
die Sechsmannen des abtretenden Rathes dem Collegium zwei 
Personen präsentiren, von denen eine zu wählen ist. Das so 
ergänzte Collegium der Achtmannen präsentirt nun zur Ergän- 
zung der Sechsmannen des antretenden Rathes denen des ab- 
tretenden zwei Personen (in der Regel) aus dem Rathe, um eine 
davon zum Sechsmanne zu erwählen; die Achtmannen sind bei 
der Präsentation an keine Rücksicht auf eine der Gilden u. dgl. 
gebunden, können auch wol Personen präsentiren, welche seither 
dem Rathe noch nicht angehört haben. 

Die Ergänzung der 14 anderen Rathsmitglieder erfolgt durch 
diejenigen Gilden direct, in deren Rathsstülen eine Vacanz ein- 
getreten ist. 

Der Wahlmodus der Sechsmannen ist demnach ein etwas 
complicirter, modemer. Nach den Statuten scheint die ganze 
Ergänzung des Rathes wesentlich in der Hand der Sechsmannen 
des abtretenden Rathes gelegen zu haben. S. 101, i heisst es: 
Wanne men den rat küset, de minnere del volge dem mereren. 
Eschet de minnere del, dat men kese bi eden, dat schal men 
don. Keset aver dre enne unde de anderen dre den anderen, 
so scolen se ere wisesten to sich nemen, wat de merere del 
spreke bi waren worden, des scolde men volgen. Das hier ge- 



x) S. 808, Cap. II, Nr. 3. 

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— 43 — 

schilderte Wahlverfahren bezieht sich ohne Zweifel doch nicht 
allein auf die Ergänzung der Sechsmannen, sondern auf die des 
Rathes überhaupt. Wer sind nun aber »ere wisesten«, welche 
im Falle, dass die Sechsmannen keine Mehrheit erzielen können, 
zugezogen werden sollen? Keinenfalls, woran man wol denken 
könnte, die übrigen Rathmannen des abtretenden Rathes. Der 
alte sowol wie der neue Rath wird in den nächsten Zeilen 
erwähnt ; auch das Wort Rathmann ist den Statuten geläufig ; es 
wäre wunderlich, wenn auf wenigen Zeilen die Ausdrücke wechsel- 
ten, wenn statt eines präcisen Ausdruckes ein weniger präciser 
gewählt wäre. 

Auch der Rath hat seine »wiseren«, ebenso die Sechsmannen 
(Vormünder, provisores) des Berges. Nach einer Einzeichnung 
im Kaufleutebuch*) urtheilte im Jahre 1360 der Rath über ein 
Marktvergehen ; seine 2 1 Mitglieder werden namentlich aufgezählt, 
und dann heisst es: >ok hadden se öre wiseren dar to vorbodet«, 
dann folgen 9 Namen. Der § 146 des Bergrechtes besagt, dass, 
wenn die Sechsmannen des Berges unter sich keine Mehrheit 
erzielen können^), »so scuUet se ore wiseren van den woltluden 
to sek beboden laten« , welche dann per majora entscheiden. 
Ebenso im § 182: wenn man im Gericht kein ürtheil finden 
kann, soll man die Sache vor die Sechse des Berges ziehen; 
sind diese nicht einhellig, »so scullen se de woltiude unde ore 
wiseren dar to verboden«. 

Nach der Analogie von anderen Städten ^) werden wir unter 
den »wisesten« erfahrene, vor allem des Rechtes und Herkommens 
kundige Bürger zu sehen haben, welche von den Behörden bei 
einzelnen wichtigen und schwierigen Fällen als Vertrauenspersonen 
ad hoc zugezogen wurden, um die Entscheidung mit herbeizu- 
führen und zugleich die Verantwortung mit zu tragen. Die 
»wiseren« des Rathes von 1360 gehören alle neun den alten patri- 
cischen Familien an. Man könnte daran denken, dass die »wise- 
sten« der Sechsmannen, welche bei der Ergänzungswahl des Rathes 



i) Vaterland. Archiv 1841, S. 32. 

') Von ihnen heisst es § 144: dar se in rades wise sin. 

^) Vgl. Frensdorff, Die Stadtverfassung Lübecks S. 201 ff. 



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— 44 — 

thätig werden, die späteren Achtman»en, jene Vertreter der Kirch- 
spiele sein könnten. Doch ist dies wenig waibrscheinlich. 

Eine Gemeindevertretung gab es zur Zeit der Statuten nicht. 
Der Recess *) kennt eine solche unter dem Namen »der gemeine 
Rath« oder »die Freunde von Gilden und Gemeinen«. Diese 
Vertretung besteht aus den Worthaltem und Tafelherren der 
Gilden und aus 20 Personen, welche keiner Gilde angehören, 
aber gildefähig sein müssen. Zu diesen 20 Freunden von der 
Gemeine zählen die Achtmannen, dann 12 andere Personen, 
deren Ergänzung in derselben Weise, durch Präsentation von 
Seiten der Sechsmannen des abtretenden Rathes, zu erfolgen hat, 
wie die der Achtmannen. 

Die Bürgermeister, magistri consulum, erscheinen erst sehr 
spät in Goslar, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts"). 
In den Urkunden vor 1290 erscheint noch der Vogt an der 
Spitze der Rathmannen. 

Es ist nicht viel, was die Quellen über die Rathsverfassung 
bis zu der Zeit der Statuten ergeben; vor allem fehlen sichere 
Nachrichten über die Vertheilung der Rathsstüle an die ver- 
schiedenen Classen der Bevölkerung, Patricier, Kaufleute und 
Gildegenossen. 

Auch über die Gerichtsverfassung dieser Zeit ist keine 
vollständige Klarheit zu erzielen 3). Vor allem das örtliche Aus- 
einanderbrechen des ursprünglich einheitlichen Vogtsgerichtes in 
die sog. grosse und die kleine Vogtei ist in seinem Ursprünge 
völlig räthselhaft. Nitzsch wies, wie W. S. 72 erinnert, daraufhin, 
dass vom Markte aus die börgerlich-kaufmännische Selbständigkeit 
den Reichsvogt überhaupt in die Königsstadt über die Abzucht 
(trans aquam) zurückgedrängt habe. Das ist aber auch nur eine 



i) S. 804, Cap. I, Nr. 7 und S. 8q8, Cap. II, Nr. i— -3, 
*) 1382 wie es scheint zuerst, Walkenrieder U. B. 2, Nr. ^78 (Heinec- 
cius S. 358). Vgl. Göschen S, 515. 

3) Vgl. Göschen S. 367 ff., Wolfstieg S. 71 ff. und vor allem auch 
Planck, Das deutsche Gerichtsverfahren im M. A. i, S. 30 ff., mit deren 
Ausführungen ich aber nicht in allen Punkten überein^tioan^en kann. Göschen 
und Planck scheinen mir darin zu fehlen , dass sie di$ zeitlich auseinander- 
liegenden Zeugnisse promiscue verwenden. 



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— 45 — 

Hypothese und, wie ich glaube, keine richtige. Ganz irrig sind 
aber die weiteren Consequenzen, welche W. an sie anknüpft. Er 
meint, der Rath habe zuerst um die Wende des 12. und 13. Jahr- 
hunderts das Marktgericht durch einen eigenen Beamten, den 
Marktvogt, haken lassen; allmälig hätten die Bürger auch Fälle 
anderer Art vor sein Forum gebracht, die seine Competenz ge- 
wohnheitsmässig erweitert hätteln. Damit wäre die Gerichtsbarkeit 
des Vogtes über das Wasser gedrängt gewesen. Das sind alles 
unerwiesene Behauptungen, in welche wieder die irrige Anschau- 
ung hineinspielt, dass der Rath 1290 die Besetzung der beiden 
Vogteien erworben habe. Hätte sich die Sache so verhalten, 
wie W. meint, so wäre der Bezirk des über die Abzucht ge- 
drängten Vogtes die kleine Vogtei gewesen. Da diese vom 
Rathe erst 1348 erworben wurde, so versteht man gar nicht, 
was er 1290 erworben haben soll, wenn sein Beamter, der Markt- 
vogt, schon vor diesem Jahre das Gericht auch über andere 
Sachen als Marktvergehen diesseit des Wassers abhielt. 

Das Privileg des Jahres 12 19 zeigt den Vogt noch in voller 
richterlicher Thätigkeit für den ganzen Bezirk (vgl. besonders 
Göschen 114, :^6); die Gerichtsstätte ist in palatio imperii(ii4, 12) 
also trans aquam. Der Rath hatte damals nur die Marktgerichts- 
barkeit und vielleicht (s. oben) die der Fax dei. Der Vogt hat 
vier Unterrichter, judfces civitatis (114, 8), unter sich (nicht mehr 
darf er haben), welche die Bürger (der Rath) wählen, welche 
aber der Vogt gewältigt (statuit 114, 37) 0. Dass die Compe- 
tenz dieser Unterrichter örtlich geschieden gewesen, ist nirgends 
gesagt. Aber möglich, dass eine solche örtliche Geschäftsver- 
theilung allmälig Platz griff, vielleicht nach den vier Hauptkirch- 
spielen; das lag ja nahe. Diese Unterrichter Hessen sich also wol 
den Gogreven des Landrechtes vergleichen. Vielleicht erklärt sich 
hieraus das örtliche Auseinanderbrechen des ursprünglich einen Ge- 
richtsbezirks. Wie der Rath die ihm zustehende Gerichtsbarkeit 
damals verwaltete, wissen wir nicht; von einem eigenen Beamten 
(»Marktvogt«) ist nicht die Rede. Am wahrscheinlichsten scheint 
mir, dass ein Rathmann sie besorgte. 



i) Schon 1186 treten zwei solcher judices auf, s. oben S. 34 Anm. 3. 



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- 46 - 

Die zeitlich nächste Quelle »), das von W. S. 94 zum ersten 
Male herausgegebene Statut von 1290, zeigt die Einheit des Ge- 
richtes schon gebrochen; es spricht zum ersten Male von einem 
»Judicium trans aquam«, welches »in tali jure« bleiben soll, wie es 
früher war. Das Statut ist erlassen, nachdem die Stadt die (grosse) 
Vogtei erworben hatte. Die Bestimmung über Erhaltung des 
Gerichtes trans aquam ist, wie ich mit W. annehme, eine Con- 
cession an die Montanen. 12 19 bestand dieses Gericht als selb- 
ständiges Gericht noch nicht, sonst wäre es sicher doch in dem 
betr, Artikel der Urkunde (115, 31: Haec sunt jura silvanorum 
u. s. w.) angeführt worden 2). Ist die Vermuthung richtig, dass 
der Fortbestand dieses Gerichtes von den Montanen gefordert 
wurde, so muss unter demselben das später sog. Berggericht, 
von welchem das Bergrecht 3) handelt, und kein anderes, ver- 
standen werden. In dem Bergrechte haben die Montanen von 
der ihnen durch das Statut von 1290 vorbehaltenen Autonomie 
Gebrauch gemacht. Der Bezirk dieses Berggerichtes, welches 
regelmässig auf dem Rammeisberg*), für besondere Fälle aber 
vor dem Münster ^ j gehalten wurde, ist örtlich abgeschlossen ; seine 
Grenze gegen die Stadt ist die Abzucht^), es ist also recht 
eigentlich ein Gericht trans aquam. Seine Competenz erstreckt 
sich nicht etwa nur auf Streitfalle, welche sich aus den beson- 
deren Verhältnissen des Berg- und Hüttenbetriebes, der ver- 
schiedenen Arbeiterklassen zu dem Lohnherrn ergeben, sondern 
auch auf Geldschuld und Friedebruch, kampfwürdige Wunden 



i) Haenel in der Zeitschrift für Rechtsgesch. i, 274 Anm. 2 will die 
Statuten früher, vor 1283, ansetzen nach einem argumentum e silentio. Da- 
gegen scheint mir ihre Abfassung nach 1290 sichergestellt durch den Satz 
84,9: Welken voget de rat sat, de schal deme rade vorwissenen de len to 
gevende. 

*) Möglich, dass schon damals einem der vier Unterrichter des Vogtes 
der örtliche Bezirk des späteren Gerichts über Wasser zugewiesen war. 

3) Hrsg. von Schaumann im Vaterland. Archiv 1841, S. 268 fF. 

4) Bergrecht § 2. 

5) § 113 — 115. 196. Vor das Münster wird geladen um alle stuke de 
des berges not hetet. Vgl. § 124, 127, wo die Rede ist von Verfestung 
wegen Todtschlags, kampfwürdiger Wunden und des Berges Noth. 

') § 130. 



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— 47 — 

und Todtschlag^), Hier hat das Fortbestehen dieses Gerichtes 
für die Montanen die hohe Bedeutung, dass der von einem 
anderen Bürger verklagte Montane nicht auf dem Markte, sondern 
auf dem Berge von seinen Genossen gerichtet wurde. Der Richter 
im Berggerichte heisst auch der Bergmeister «) ; wer ihn zur Zeit 
der Abfassung des Bergrechtes setzte, erhellt aus diesem nicht 3). 
Möglich, dass sich dieses Amt aus den Functionen eines der vier 
Judices des Jahres 1219 entwickelt hat. Im Bergrecht ist auch 
§ 121 der Fall vorgesehen, dass es mehrere Bergrichter geben 
könne, und dass das Amt verlehnt wird : Is wol mer berchraester 
gesät eder belenet mit deme gerichte wen en, on allen weddet 
doch en man en wedde um ene sake. In der That finden sich 
in Urkunden aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts zwei judices 
montis^). 

In den Statuten wird 82 , 35 eine allgemeine Scheidung 
anscheinend zweier Gerichte angegeben : Dat grote gerichte unde 
dat lütteke dat schedet sich af jene sit der Aghetucht to deme 
Rammesberge wort. Zunächst scheint nichts im Wege zu stehen 
unter letzterem das Judicium trans aquam des Statuts von 1290, 
das spätere Berggericht zu verstehen. Auch die Identificirung 
desselben mit der »advocacia minor ultra aquam, der lutteken 



i) Des genaueren kann ich auf die Competenz der verschiedenen Ge- 
richte der späteren Zeit nicht eingehen, muss im aUgemeinen auf Göschen 
verweisen, welcher vor allem schon darthut, dass die Gerichte vielfach ein- 
ander, aushalfen. Auch das Bergrecht § 17 zählt eine Anzahl von Fällen auf, 
die sowol in dem Berggerichte wie >in der stad gerichte« angebracht werden 
können. 

*) § I De richter des Rammesberges de ok wol het en berchmester. 
Schon in den 50er Jahren des 13. Jahrhunderts begegnet dominus Thidericus 
berchmester, also ein Ritter, Zeitschr. des Harzvereins 1872, S. 468. 

3) Im Jahre 1471 setzte ihn der Rath und er schwor diesem, s. Vater- 
land. Archiv 1841, S. 340. Das beweist natürlich nichts für die frühere Zeit. 

4) Walkenrieder U. B. 2, Nr. 680, S. 290 Nr. 107, und Nr. 722 aus 
den Jahren 1306. 1309. 13 10. Auf einen ähnlichen Fall weist hin R. Schröder 
in seinem so sehr lehrreichen Aufsatze *Die Gerichtsverfassung des Sachsen- 
spiegels' , Zeitschr. für Rechtsgesch. 18, S. 64 Anmerkung: in der Graf- 
schaft Regenstein sollen 1270 zwei Gogrefen ernannt werden, zusammen 
richten und zusammen die Wedde beziehen. 



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- 48 — 

vogedie«, welche bis 1348 der Graf von Regenstein als Reichs- 
lehen besass und in diesem Jahre dem Rathe verkaufte, ist nahe- 
liegend. Der Graf von Regenstein hätte demnach also bis zum 
Jahre 1348 die oder den Bergrichter gesetzt. 

Besondere Schwierigkeiten erwachsen nun aber dieser Deu- 
tung sowol als der Darstellung der Goslarischen Gerichtsver- 
fassung überhaupt aus dem Umstände, dass die Statuten an 
mehreren Stellen von mehreren kleinen Gerichten und von 
mehreren Gerichten über Wasser, dann auch noch von anderen 
besonders bezeichneten Gerichten reden. Mehrere kleine 
Gerichte werden erwähnt 27, 30: Dat moste eme de scultechte 
wol kündighen in der lüttiken richte emme; 61, 30: Nen voghet 
ne scal der veste in den lütteken richten staden .... scude 
aver en vredebrake in der lüttiken richte emme'). — Mehrere 
Gerichte über Wasser erscheinen 65, 27: In den richten 
over deme watere dar scal de voghet oder sin bodel besetten. 
Weiter heisst es 52, 16: Welk man in den richten over deme 
watere oder up deme hove nicht vore ne kumt. Aus letzterer 
Stelle zu schliessen, dass es mehrere Gerichte »over deme watere« 
sowie mehrere »up deme hove« gegeben, ist man wol nicht ge- 
nöthigt. Auch die in der zweiten Stelle erscheinenden mehreren 
Gerichte »over deme watere« kann man mittels der letzten Stelle 
auf zwei reduciren. Denn der »hof« ist doch zweifellos der Pallas,, 
das Kaiserhaus, und dieses liegt eben auch über dem Wasser. 
Mit dem Gerichte over deme watere schlechtweg wäre dann hier 
die kleine Vogtei, das Berggericht gemeint. 

Noch andere Gerichte enthüllt eine andere Stelle 35, 19: 



i) Zu bemerken ist, dass in beiden Stellen die Hds. B, welche nach 
Göschen die älteste Redaction enthält, nicht den Plural, sondern den Singular 
hat; noch zweifelhafter ist die Sache 92, 16 auch durch die Lesart von A. — 
Auch im Bergrecht § 134 ist von mehreren kleinen Gerichten die Rede: 
De lütteken richte scal me bliven laten bi sodanem rechte alse de weren er 
se de rad kofte. Dieser Satz scheint mir die Annahme der Abfassung des 
Bergrechtes nach dem Jahre 1348 sicherzustellen. Zur Bestimmung der 
Abfassungszeit kann wol auch die dreimalige merkwürdige Erwähnung des 
Namens des sog. Fronknechtes dienen, § 92. 196. 198: alse Bernd nu is, 
wan he mit Bernde geit. Fast möchte man diesen Bernd auch für den Ver- 
fasser halten. 



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— 49 — 

Were ene anverdighet (thätlich angreift) mit vredebrake in 
emme gherichte, mit den dar he de anverdighinghe in deme 
gherichte mede irtüghen mach, mit den selven.irtüghet he wol de 
in den anderen gherichten unser stad unde up deme 
hove unde up der Reperestraten. Hier werden also 
mehrere Gerichte der Stadt dem Gerichte auf dem Hofe und 
dem auf der Reperstrasse gegenübergestellt. Da es hier doch 
wol auf erschöpfende Aufzählung abgesehen ist und die lutteke 
vogedie over deme watere (das Berggericht) bis 1348 kein Ge- 
richt der Stadt war, so scheint es das natürlichste, das Gericht 
auf der Reperstrasse mit jener zu identificiren. Ich trage aber doch 
Bedenken, diese Identität zu behaupten , und muss das Gericht auf 
der Reperstrasse für ebenso dunkel erklären, wie alle Vorgänger; 
nicht einmal der Strassenname ist in Goslar bis jetzt nachgewiesen. 
Jedenfalls aber war es ein Gericht, welches zur Zeit der Abfassung 
der Statuten noch nicht in den Besitz der Stadt gelangt war. 

Lütteke gerichte waren wol alle die verschiedenen, die wir 
seither kennen gelernt; über dem Wasser lagen sicher ihrer zwei. 
Das eigentiiche Stadtgebiet diesseit der Abzucht dürfte also der 
Bezirk des grossen Gerichtes gewesen sein , der grossen Vogtei, 
welche der Rath 1290 erworben hatte. Spricht nun die zuletzt 
angezogene Stelle 35, 19 von mehreren Gerichten der 
Stadt, so fragt es sich, ob solche in örtlicher Geschiedenheit 
etwa diesseit der Abzucht bestanden haben, oder ob hier die 
nach Competenz geschiedenen Gerichte verschiedener Beamten 
gemeint sein können. 

Die Statuten nennen ausser dem grossen Vogte zunächst 
den Vogt in deme lutteken richte, dessen Gewedde auf 
30 kleine Schillinge (84, 28) angegeben wird. Wenigstens an einer 
Stelle 65, 36 wird dann aber eine Mehrzahl von kleinen Vögten 
genannt: Weigherde de scultechte emme rechtes, des scal de 
voghet richtere sin ; weigheret de voghet emme rechtes oder der 
lutteken voghede en, dat sal men soken an deme rade'). Unter 



1) An einer anderen Stelle 98, 28, wo es auch auf erschöpfende Auf- 
zählung abgesehen ru sein scheint, wird dem grossen Vogte und dem Schult- 
heissen nur ein Vogt in einem kleinen Gerichte gegenübergestellt. 
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 4 



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— 50 — 

dem lütteken voghet schlechtweg, dessen Wedde angegeben wird»), 
darf man wol den Richter der advocatia trans aquam, des Berg- 
gerichtes verstehen. Da wir nun wissen, dass es zeitweise und 
zwar gerade in der Zeit, wo vermuthlich die Statuten entstanden 
sind, im Anfange des 14. Jahrhunderts, zwei judices montis gab, 
so klärt sich die Mehrzahl 65, 36 ganz passend auf*). 

Weiterhin kommt das Amt des Schultheissen in Betracht. 
Nach der allgemein recipirten Ansicht soll es nur einen gegeben 
haben. In dem Statute von 1290 (Wolfstieg S. 94) heisst es 
aber: Item nulli burgenses civitatis per sculthetos extra forum 
sunt citandi, sed hospites et alieni possunt citari^). Zwei Schult- 
heissen lassen sich dann auch urkundlich im Jahre 1272 nach- 
weisen: der Graf von Woldenberg bekundet, dass er dem 
Kloster Walkenried ein Viertel der Cäcilienkapelle verkauft 
und coram judicibus in Goslaria aufgelassen habe*, unter den 
Zeugen an erster Stelle Hirzo advocatus, Thancmarus et Ber- 
toldus sculteti"*). 

Auch in den Statuten finden sich Spuren einer Mehrzahl 
von Schultheissen 5). Was ist nun natürlicher, als diese Schult- 
heissen in directer Descendenz von den vier judices des Jahres 
12 19 abzuleiten^)? Der Name bildet kein Hinderniss. Wenn 



z) Den Bergmeister hat allerdings nach dem Bergrechte § 118. 119. 132 
nur zwölf Schillinge Goslarscher Pfennige Wedde. Da das Bergrecht aber 
um einige Jahrzehnte später anzusetzen ist als die Statuten, die Stadt auch 
damals schon das Berggericht erworben hatte , und »die Münzverhältnisse 
schwankend waren, so kann ich diese Verschiedenheit des Geweddes nicht 
für einen maassgebenden Einwand halten. 

*) Anderenfalls bliebe nur der Ausweg, anzunehmen, dass auch die 
Gerichte auf dem Hofe und in der Reperstrasse ihre eigenen Richter gehabt, 
welche dann auch mit dem Namen der kleinen Vögte bezeichnet worden seien. 

3) Diesem Satze ist der der Statuten 63, 7 nachgebildet: De scultheten 
ne möten nenne borghere noch ere ghesinde wenne up dem markede vore 
beden. Diese Nachbildung nimmt der Stelle die volle Beweiskraft für die 
Zeit der Statuten. Heisst es 75, 39: ne weide men den voghet oder de scul- 
techten up de were nicht laten, so könnte de leicht für den verschrieben 
sein. Aehnlich 30, 23. 

♦) Walkenrieder U. B. i, Nr. 414, leider nur im Auszuge. 

5) S. Anm. 3. 

^) Den causidicus der Urk. von 1219 (Göschen. S. 112, 16) halte ich 
nicht für den Schultheissen, sondern für den Fürsprech. 



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— 51 — 

R. Schröder*) neuerdings bemerkt hat: »Der Schultheiss des 
sächsischen Stadtrechts ist der Gogrefe des Landrechtes«, so sehe 
ich nicht ein, weshalb Goslar hier eine Ausnahme machen soll. 
Der Unterschied von anderen Städten war nur der, dass Goslar 
ursprünglich vier solcher städtischen Gogrefen besass, jedenfalls 
weil einer die Fülle der Rechtsfalle des volk-, gewerb- und indu- 
striereichen Platzes nicht bewältigen konnte. Ihre Zahl ver- 
ringerte sich zunächst um einen (oder vielleicht zwei?) dadurch, 
dass das Gericht des Bezirkes over deme watere eigens verlehnt 
wurde, wie das ja auch bei einzelnen Goschaften auf dem Lande 
vielfach vorgekommen ist : der kleine Vogt geht, wie schon oben 
wahrscheinlich gemacht ist, auf einen der vier judices zurück*). 
Weshalb in der Folge eine weitere Verringerung der Zahl der 
Schultheissen stattfand, sodass zur Zeit der Abfassung des Stadt- 
rechtes die Einzahl die Regel war und später blieb, lässt sich 
kaum vermuthen. Die Geschäftslast war sicher nicht verringert, 
denn Goslar erreichte im Anfange des 14. Jahrhunderts die 
Blütezeit städtischen Lebens. Möglich aber, dass der Erwerb 
der grossen Vogtei durch den Rath im Jahre 1290 die Verände- 
rung hervorrief. Der grosse Vogt war jetzt Beamter der Stadt 
und konnte als solcher zweifellos mehr in Anspruch genommen 
werden als in seiner früheren Stellung, wo er Afterlehnsträger 
des Reiches war und einem Herrengeschlechte angehörte. Er 
mochte jetzt wieder mehr zum Vorsitze auch im Niedergerichte 
herangezogen werden, die Anstellung eines zweiten Schultheissen 
somit überflüssig erscheinen. 

Die Gerichte der Stadt in den Statuten (35, 19) sind also 
das Gericht des grossen Vogtes und das des (oder der) Schult- 
heissen. Ob in der Zeit, wo es mehrere Schultheissen gab, deren 
Competenzen örtlich geschieden waren, erhellt nicht. Gab es nur 
einen Schultheissen, so beziehen sich seine Functionen ohne Zweifel 
auf den ganzen Bezirk des grossen Vogtsgerichtes ^). Diese Func- 



x) A. a. O. S. 58. 

*) Auch R. Schröder sagt S. 58 Anna, i, der kleine Vogt scheine an 
die Steile des Gogrefen getreten zu sein. 

3) Anders deducirt Göschen S. 375 aus 67, 37 (In allen steden binnen 
sime ghe richte mach de scultechte pant upbeden, sunder in kerken unde up 

4* 



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- 52 - 

tionen waren nach den Statuten einmal die eines selbständigen 
Vorsitzenden in einem Gerichte über bestimmte Sachen und Per- 
sonen (wesentlich das Niedergericht über Gäste) *), dann aber — 
und das unterscheidet den Goslarischen Schultheiss von dem 
Gogrefen, stellt ihn dem fränkischen Schultheissen (Centenar) 
gleich — die eines Unterbeamten des Vogtes, des Gerichtsvoll- 
ziehers «). Letztere Qualität überwog wenigstens nach den Statuten 
sehr die richterliche 3) ; es wäre aber nicht unmöglich, dass der 
Schultheiss erst nach 1290 wieder das Niedergericht über die 
Bürger eingebüsst hätte. 

Auffallend ist nun, dass der Schultheiss nach den Statuten 
73, 9 die drei echten Dinge abzuhalten hat und zwar unter 
Königsbann. Alle Hauseigenthümer *sollen nach 73 , 7 die 
drei echten Dinge suchen. Planck S. 31 sieht darin einen 
»Beweis der verschwundenen Bedeutung der allmälig wohl zur 
blossen Formalität herabsinkenden echten Dinge«. Wolfstieg 
S. 74 genügt das als Erklärung nicht, und er stellt daher die 
kühne Hypothese auf, dass der Schultheiss der Vorsteher der 
alten freien Gemeinde gewesen sei und als solcher nochimmer 
die echten Dinge abgehalten habe. Davon kann natürlich keine 
Rede sein; aber auch die Bemerkung Planck's genügt nicht zur 
Erklärung der Entstehung der auffallenden Erscheinung: Wie 
kommt der Schultheiss zum dauernden Vorsitze im echten 
Dinge ? 

Die Fortdauer der drei echten Dinge hängt offenbar zu- 
sammen mit dem auch noch in den Statuten 26, 33 anerkannten 
Erfordemiss, dass die Auflassung von Eigen nur vor Gericht 



gewigheden kerkhoven. Dat selve mach men in anderen richten don), dass 
das Gericht des Schultheissen ein local abgegrenztes gewesen sei. Die Stelle 
halte ich nicht fär beweiskräftig, und auch Planck S. 31 theilt die Ansicht 
Göschen' s nicht 

1) S. Göschen S. 375 und Planck S. 31. 

*) So auch R. Schröder S. 58 Anm. i ; vgl. S. 62. Auch die judices 
des Jahres 121 9 haben die Function des Gerichtsvollziehers, wie aus dena 
Artikel über die Haussuchung 114, 5. hervorgeht. 

3) Aus dieser seiner untergeordneten, dem Büttel nahestehenden Thätig- 
keit erklärt Planck S. 31 das geringe Gewedde von 4 kleinen Schillingen» 
welches die Statuten 84, 27 dem Schultheissen zuweisen. 



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— 53 — 

erfolgen könne ; nach altem Rechte konnte das bekanntlich nur im 
echten Ding unter Königsbann geschehen. In einer besonderen 
Aufzeichnung über das Amt des Schultheissen (Göschen 
S. HO, 6 — 42), die in einer Handschrift der Statuten erhalten 
ist und nach der Reihenfolge in derselben vermuthlich dem Ende 
des 14. Jahrhunderts angehört^), wird gleichfalls erwähnt, dass 
der Schultheiss, »unde nicht de voghet«, dreimal im Jahre unter 
Königsbann dinge; der Schultheiss, »unde nicht de voghet«, soll 
richten über Haut und Haar, soll in die Overhöre kündigen und ver- 
festen »in der richtestat dar he dinget under koniges banne « . 
Es folgen weitere Bestimmungen über das Gericht des Schult- 
heissen, welche sich, wie mir scheint, doch nicht sämmtlich auf 
das echte Ding beziehen, dann auch scdche über die executiven 
Functionen des Schultheissen. Weiter der Artikel: De schultete 
schal eghenen unsen borgheren ervegud, hus unde hoff ichte 
ander erve, beleghen in unser stad gherichte, unde vrede werken 
alse recht is. Aver dat scholde he don mit witschup unde van 
betendes weghen des rades. Der Schultheiss ist also der Vor- 
sitzende des Gerichtes, in welchem die Auflassung stattfindet, 
und dass damit das echte Ding gemeint sei, das er dreimal im 
Jahre unter Königsbann abhält, ist wohl nicht zweifelhaft. 

Zu den Erfordernissen des echten Dinges gehört bekanntlich 
auch die echte Dingstatt. Diese war aber für Goslar in palatio 
imperii , wo allein nach der Urkunde von 1 2 1 9 die Bürger zu 
Gericht stehen sollen. Hier sass also der kaiseriiche Vogt dem 
Gerichte vor, mochten seine Unterrichter vielleicht auch an 
anderen Orten der Stadt Gericht in causis minoribus abhalten. 
In den Statuten aber wird das Gericht des grossen Vogtes 
zweifellos regelmässig unter der Rathhauslaube abgehalten «). Das 



1) S. Göschen S. IX. 

*) Vgl. 52, 9. 14. 24; 60, 39. Unter der Laube hält dann vermuthlich 
auch der Schultheiss gewöhnlich sein Gericht ab. Wenn Karl IV. 1351 den 
Btlrgem das Priyilegium de non «vocaado .bestätigt mit Ausnahme des Falles 
»quod actoribus et impetentibus eos coram imperiali adrocato et imperiali 
civitatis ejusdem palatio justicia denegata fuerit«, so hat diese Erwäh- 
nung der alten Diugstatt wol nur den Werth einer historischen Reminiscenz ; 
Heineccius S. 349. Dass das gebotene Ding auch anderswo gehalten werden 
kann, als in der Laube, zeigen Statuten 62, 21. 31. 



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— 54 — 

Gericht des Vogtes ist also nicht vom Markte, wie Nitzsch 
meinte, über das Wasser gedrängt, vielmehr von daher auf den 
Markt gezogen worden. Hier findet jetzt regelmässig auch die 
Klage auf Ungericht, die Klage, welche an Hals und Hand geht, 
statt. Ich vermuthe nun, dass das echte Ding nicht auf den 
Markt gezogen worden ist, denn hier war keine echte Dingstatt; 
es ist nach wie vor vor dem Kaiserhause abgehalten worden ; es 
kann daher eines der kleinen Gerichte, eines der Gerichte über 
Wasser sein ; es ist wohl identisch mit dem Gericht up deme 
hove. Die oben angeführte Stelle aus dem Aufsatze über das 
Schultheissenamt scheint das zu erhärten: an der Dingstatt, wo 
der Schultheiss unter Königsbann dingt, kann er auch über 
Haut und Haar richten und verfesten. Das ist sicher local zu 
fassen: hält er an anderer Dingstatt Gericht (z. B. unter der 
Laube), so kann er das nicht. Er hat also eine besondere Ding- 
statt, wo er unter Königsbann richtet. Da scheint doch das 
Nächstliegende zu sein, dieselbe mit der alten echten Dingstatt 
zu identificiren. 

Warum aber hält der Vogt nicht mehr das echte Ding ab, 
wie seines Amtes gewesen wäre? Die oben angefahrte Auf- 
lassung eines Theiles der Cäcilienkapelle 1272 ist vermuthlich 
noch vor dem Vogte erfolgt, der vor zwei Schultheissen als erster 
Zeuge der Urkunde erscheint. Die Veränderung des Vorsitzes 
im echten Ding würde demnach in den Zeitraum von diesem 
Jahre bis zur Abfassung der Statuten, Anfang des 14. Jahr- 
hunderts, fallen. In diesen Zeitraum fallen, wie ich glaube, zwei 
für die Goslarsche Gerichtsverfassung wichtige Ereignisse : erstens 
die Belehnung des Herzogs von Sachsen mit dem Amte des 
Vogtes und die Verafterlehnung dieses Amtes an den Grafen 
von Woldenberg '), zweitens im Mai 1290 der Erwerb des Amtes 



x) Der Erwerb dieses Lehens durch den Herzog von Sachsen föUt doch 
wol in die Zeit, als er zuerst (1277) zusammen mit dem Herzog von Braun- 
schweig, dann (1279) zusammen mit den Markgrafen von Brandenburg von 
König Rudolf mit der Reichsverweserschaft über die Städte Lübeck, Goslar, 
Mühlhausen und Nordhausen sowie über alles, was das Reich noch in Sachsen 
und Thüringen besass, ernannt wurde; s. U. B. der Stadt Lübeck i, S. 353. 
369. Das Verhältniss, in welchem die Fürsten zu den Reichsstädten standen, 



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— 55 — 

durch den Rath. Durch das erstere Ereigniss musste die Stellung 
des Vogtes zu dem Rathe und der Bürgerschaft eine ganz andere 
werden, als sie früher war. Früher war der Vogt, wenn auch 
königlicher Beamter, doch ein Bürger gewesen; jetzt war es ein 
auswärtiger, wenn auch der Stadt benachbarter und vielfach 
verbundener Graf; denn dass er die Vogtei weiter verlehnt habe, 
zeigt sich nicht ^). Sein persönliches richterliches Eingreifen 
möglichst zu beschränken, lag zweifellos im Interesse der Bürger- 
schaft. Andererseits mochte der vielfach auswärts weilende und 
beschäftigte Graf selbst gerne zu einer Vertretung die Hand 
bieten. Auf diesem Wege mochte es geschehen, dass die Ver- 
tretung des Vogtes durch den Schultheiss in weiterem Umfange 
eintrat und dauernd wurde , vor allem gerade bei dem echten 
Ding, dessen Abhaltung zu bestimmten Zeiten dem auswärts 
weilenden Grafen unbequem sein mochte. Der Goslarsche Schult- 
heiss, der ja eigentlich eine andere Abstammung hatte, bekam 
dadurch die Stellung des Schultheissen des sächsischen Land- 
rechtes, der ja schon in der ersten Hälfte des 13. Jahr- 
hunderts den Grafen »nicht nur im Gericht über Hals und 
Hand, sondern auch wo es sich um Eigen handelte zu vertreten 
vermochte *)< . 

Als die Stadt dann 1290 die Vogtei erkaufte und der Rath 
nun wieder Vögte aus der Bürgerschaft ernannte, da mochte, 
wie ich oben schon bemerkte, der Schultheiss wieder manche 
Seite seiner richterlichen Thätigkeit einbüssen; der Vogt wird sich 
jetzt weniger oft im Vorsitze des Niedergerichtes durch den 



als Vogtei zu bezeichnen, ist durchaus uncorrect. Als Vertreter des Königs 
hatten sie zweifellos den Vogt in Goslar zu ernennen. Unabhängig von 
diesem Verhältnisse ist dann noch der Erwerb der Vogtei als Reichslehen 
durch den Herzog von Sachsen. Beides aber in diese zeitliche Verbindung 
zu bringen, liegt nahe. 

x) Denn es ist wohl kein Zufall, dass von 1272 an bis über 1290 hinaus, 
also eben in der Zeit, wo, wie ich vermuthe, die Woldenberger die Vogtei 
als Reichsafterlehen besassen, kein Vogt in Goslarschen Urkunden erscheint. 
Erst 1302 finde ich wieder Johann von Barum als solchen; Lüntzel, Aeltere 
Diöcese Hildesheim S. 415. 

s) Vgl. R. Schröder S. 66 und die daselbst Anm. 4 angeführten 
Beispiele. 



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- 56 - 

Schultheissen haben vertreten lassen. Dass aber trotzdem dem 
letzteren die Abhaltung des echten Dings verblieb, mag einmal 
seinen Grund darin gehabt haben, dass die Auflassungen, derent- 
wegen das echte Ding zunächst allein noch abgehalten wurde, 
in der That eine blosse Formalität geworden waren*), welche 
man ohne Bedenken dem niederen Beamten überlassen konnte. 
Noch ein anderer Grund kommt aber vielleicht hinzu. Aus 
einigen Stellen der Statuten ergibt sich nämlich, dass der grosse 
Vogt den Königsbann nicht immer eingeholt hat. Zweifelhaft 
kann die Sache sein 83, 8: Welk voghet deme rike nicht ge- 
huldighet ne heft, de scal tüghen mit sinerae ede, de deme rike 
ghehuldeghet hevet, de scal tüghen bi des rikes hulden. Hier 
könnte mit dem zuerst erwähnten der kleine Vogt gemeint sein; 
einfacher wäre der Gegensatz aber doch auszudrücken gewesen. 
Eine andere Stelle 92, 8 stellt aber die Sache klar: Wur men 
mit gherichte enne tüch don schal, dar schal de voghet vore 
sweren oder de schultechte up den hilleghen , dat de sake also 
si . . . . Heft aver de voghet deme rike ghehuldighet, so schal 
he tüghen bi des rikes hulden. . . . Welk voghet in den lütteken 
richten voghet is, wanne de tüghen schal, de schal sweren up 
den hilleghen liker wis alse de dinglüde. Die Bestimmung 
scheint nicht allein den Fall im Auge zu haben, dass etwa der 
grosse Vogt vom Rathe ernannt ist und noch keine Zeit gefunden 
hat, den Königsbann einzuholen; sie scheint vielmehr als Regel 
vorauszusetzen, dass der Vogt dem Reiche nicht gehuldigt hat. 
Irre ich nicht, so ist diese Unterlassung ein Stück städtischer 
Politik gewesen. Nachdem der Rath die Vogtei erworben, konnte 
ihm schwerlich mehr viel daran liegen , ob sein Beamter den 



x) Indem der vor dem Rath geschlossene Contract bindend war (s. oben 
S. 23 Anm. i) und die Auflassung, wenigstens nach dem Aufsatz über das 
Schultheissenamt , nur mit Zustimmung des Rathes erfolgen darf. Schon in 
den Statuten 25, 35. 26, 17. 27, 15 ist beim 'Eigenen' und 'Friede wirken* 
die Gegenwart zweier Rathmannen im Gerichte erforderlich. Der Keim hierzu 
.liegt schon in der oben angeführten Bestimmung des Jahres 12 19. Aus dies^ 
Qualität des echten Dings, wesentlich als Gericht über Erbe und Eigen, erklärt 
sich wohl auch der Satz der Statuten 27, 30, dass 4er Schultheiss Jemanden, 
der einen Anderen in der Ersitzung eines Erbes gestört hat , in einem der 
kleinen Gerichte zur Verantwortung ziehen soll. 



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— 57 — 

Königsbann einholte und dem Reiche Hulde schwor. Die For- 
malität machte nur Unkosten. Der in Sachsen seit Rudolf von 
Habsburg schwindende Einfluss der Reichsgewalt leistete einer 
solchen Politik nur Vorschub. So mag das einige Jahrzehnte 
gegangen sein. Da versuchte Ludwig der Baier, der noch einmal 
zeitenweise wenigstens auch hier im Norden der Reichsgewalt 
Einwirkung zu verschaffen wusste, im Jahre 133 1 die gestörte 
Ordnung wiederherzustellen'). Indem er den Goslarem erlaubt, 
sich ihrer Widersacher mit Gewalt zu erwehren, wenn dieselben 
nicht zu Recht stehen wollen, erinnert er sie daran, dass sie 
Glieder des Reiches seien, welche sich nicht in Widerspruch zu 
dem Haupte setzen dürften, und befiehlt : vobis . . . damus firmiter 
in mandatis, quatinus advocatus vester presens vel futurus judicia 
et edicta in districtu predicto celebranda sub banno imperiali 
judicet et edicat temporibus in futuris. Durch dieses Mandat 
wird die obige Stelle der Statuten passend erläutert. Ob dem 
Befehle des Königs lange nachgekommen wurde, ist allerdings 
eine andere Frage. 

Der eingerissene Missbrauch, dass der Vogt den Königsbann 
nicht einholte, hat es dann jedenfalls erleichtert, dass der Schult- 
heiss auch nach dem Jahre 1290 den Vorsitz im echten Dinge 
behielt, den er, wie wir vermutheten, vor diesem Jahre als dauern- 
der Stellvertreter des Grafen von Woldenberg schon eingenommen 
hatte. Ja der Umstand, dass man hier keine Aenderung eintreten 
liess, mochte die Thatsache, dass der Vogt den Königsbann nicht 
erworben hatte, einigermaassen verschleiern. Denn dieser galt 
damals nur noch für erforderlich im echten Dinge beim Gericht 
über Erbe und Eigen. Der Schultheiss hatte dieses unter Königs- 
,bann gehegt, solange er der Stellvertreter des mit dem Königs- 
banne beliehenen Grafen von Woldenberg gewesen war. Beliess 
man ihm diesen Vorsitz, auch nachdem sein Vorgesetzter ein 
Richter ohne Königsbann war, so konnte wenigstens die Fiction 
Platz greifen, dass das alte Verhältniss fortdauere, dass der 
Schultheiss, der ja auch früher nicht persönlich mit dem Königs- 
banne beheben war, unter Köjtiigsbann im echten Dinge richte. 



x) Urk. bei Heineccius S. 337. 



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- 58 - 

So klärt sich auch der Widerspruch in den Statuten auf, dass 
der Nichterwerb des Königsbannes durch den Vogt als Regel 
angenommen und doch ohne Weiteres erklärt wird, der Schult- 
heiss dinge dreimal im Jahre unter Königsbann»). 

Schliesslich sei noch zweier weiterer Gerichte wenigstens 
Erwähnung gethan: des echtenForstdinges und des sog. 
Zehntgerichtes. Ersteres wird schon erwähnt in der sog. 
Bergordnung des Herzogs Albrecht von Braunschweig vom Jah i;e 
1271*), dann im Bergrechte § 180 unter Benutzung der Berg- 
ordnung; eine Anzahl Urtheile und Weisthümer desselben aus 
den Jahren 1321 bis 1353 hat Leibniz^) aus einer Handschrift 
des Bergrechtes abgedruckt. Das echte Forstding wird dreimal 
im Jahre abgehalten, einmal »vor des rikes pallenze«, dann ober- 
halb der Viehtrift vor dem Clausthor bei Goslar, das dritte Mal 
zu Zellerfeld. Den Vorsitz hat der Förster, der die Nacht vor- 
her auf der Försterhufe zugebracht haben muss; seine Wedde 
sind acht Schillinge Kaiserpfeunige. Pflichtig dieses Ding zu 
suchen ist nach einem Urtheil von 132 1 »iowelk man de sek in 
deme wolde unde in deme vorst eirnerde^)«, also die Silvani, die 
Hüttenleute und Hüttenherren ; da Berg- und Htittenbetrieb viel- 
fach zusammenfiel, also im Ganzen dieselben Leute, für welche 
das Bergrecht aufgezeichnet war. Vor allem sollen auch die 



x) Nach der obigen Darlegung wird man es nur als einen Irrthum 
bezeichnen können, wenn (löschen S. 368 annimmt, dass die Vergleichuug, 
welche in dem Aufsatze vom Schultheissenamt zwischen Schultheiss und Vogt 
gemacht wird, sich auf den kleinen Vogt beziehe. 

*) Bei Wagner, Cod. jur. metallici S, 1022. Das Document ist schwer- 
lich in authentischer Fassung tiberliefert. Dass der Herzog diese Ordnungen, 
von welchen der grösste Theil in das Bergrecht Übergegangen ist, selbständig, 
etwa als Inhaber des Bergzehnten und damit des Bergregals erlassen, wie 
ich früher Bode folgend in den Hans. Geschbl. 1884, S. 32 annahm, ist mir 
jetzt mehr als zweifelhaft geworden. Der Schluss scheint anzudeuten, dass 
wir es hier mit einer gemeinsamen , wohl auf Vertrag beruhenden Ordnung 
aller Betheiligten zu thun haben. 

3) Scriptores rer. Brunsvic. JII, S. 555 ff. 

4) Leibniz a. a. O. S. 555, wo aber irrig 'irverde' steht. Die richtige 
Lesart ergibt der Eingang der Bergordnung: den to hulpe de sek in deme 
wolde generen. 



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- 59 — 

sog. Vormünder des Berges (pfovisores montis Rammesberg), 
nach ihrer Zähl auch Sechsmannen genannt, im Forstdinge er- 
scheinen '). Das Gericht war, wie aus den Urtheilen hervorgeht, 
zuständig nur für solche Materien, welche sich aus der Benutzung 
des Forstes, der verschiedenen Eigenthtimern angehörte, durch 
die Hüttenleute ergeben konnten, vor allem also unrechtmässige 
Ausbeutung des Forstes, säumige Zinszahlung und dergl. Wurde 
im Forstdinge Einem ein Eid auferlegt oder sollte Jemand ver- 
festet werden, so konnte im 14. Jahrhundert wenigstens nur 
unter der Rathslaube in nächster Gerichtssitzung geschworen und 
verfestet werden. Es erhellt nicht, wer den Richter zu setzen 
hatte ; vielleicht waren es drei Förster, welche von verschiedenen 
Herren (Goslar, Herzog von Braunschweig), denen der Forst 
gehörte, ernannt waren. Im 14. Jahrhundert scheint das Forst- 
ding aber ganz in der Hand des Rathes zu Goslar gelegen zu 
haben, entsprechend dem Umstände, dass die Forsten meist in 
den Besitz der Stadt übergegangen waren; im Jahre 1353 fragt 
Einer um ein Urtheil, und da wird geantwortet: Dufse vrage 
en is bi langer tid vor deme vorstinge nicht gevraget unde 
de rad wel sek darup bedenken wente to deme negesten 
vorstinge*). 

Ein eigenes Zehntgericht, d. h. ein Gericht in Sachen 
des den Herzogen von Braunschweig seit 1235 zustehenden 
Zehnten aus dem Rammeisberg, wird, soweit ich sehe, nicht 
früher erwähnt als 1359, wo die Stadt von einer Linie des 
Hauses Braunschweig die Hälfte des Zehnten mit dem Gerichte 
erkauft 3). Dieses Zehntgericht mit dem sog. Berggerichte, von 
welchem das Bergrecht handelt, zu identificiren *), scheint mir 



x) Bergrecht § 180. 
») Leibniz III, S. 558. 

3) Urk. im Hercynischen Archiv, hrsg. von Holzmann (1805), S. 423 als 
Anlage zu einem in vieler Beziehung sehr instructiven Aufsatze des bekannten 
V. Dohm: Goslar, seine Bergwerke, Forsten und schutzherrlichen Verhältnisse, 

4) Diess thut z. B. der Zehnter Meyer in seinem Aufzatze im Hercyn. 
Archiv (Goslarsche Bergwerksverfassung und Bergrechte im 14. Jahrhundert) 
S. 192. 197. Dieser Aufsatz enthält im übrigen sehr schätzbare Erläuterungen 
des Bergrechtes. 



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— 6o — 

völlig unstatthaft, obschon das Berggericht gerade an der Stelle 
gehegt wurde , wo die Zehntbank ihren Platz hatte *). Auch 
nicht eine Spur in den umfangreichen Bergrechten weist auf eine 
Verbindung mit Braunschweig hin; der Zug vom Berggerichte 
geht an die Sechsmannen des Berges"). Sehr verständig und 
richtig bemerkt gegen diese Identificirung v. Dohm^), dass 
Kaiser Friedrich II. 1235 dem Herzoge Otto nur den Zehnten 
und keine Gerichtsbarkeit verliehen habe: »aber das Herkommen 
scheint allerdings diese mit dem Zehnten verbunden zu haben, 
nach der Sitte des Mittelalters, welche jedem mit einem Gute 
oder nutzbaren Rechte Beliehenen auch das Recht beilegte, die 
wegen desselben entstandenen Streitigkeiten durch ein eigen be- 
stelltes Gericht entsdieiden zu lassen c. 

Zum Schluss sei noch der Hoffnung Raum gegeben, dass 
das baldige Erscheinen des Goslarer Urkundenbuches alle Zweifel 
lösen möge, welche über die Raths- und Gerichtsverfassung 
Goslars bei dem jetzt vorliegenden Quellenmateriale noch bleiben 
jnussten. 



x) Bergrecht § 7 und 9. 

*) § 182. 

3) A. a. O. S. 393. Ganz verwirrt ist dagegen dasjenige, was S. 394 über 
die Abhaltung f Dingstatt des Berggerichtes und des Zehntgerichtes, welches 
mit dem Ititteken Gerichte identificirt wird, vorgebracht ist. 



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III. 

ZUR 

GESCHICHTSCHREIBUNG 

DES 

ALBERT KRANTZ. 

VON 
RUDOLF LANGE. 



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JJie Geschichts werke des Hamburgers Albert Krantz ge- 
messen grosses und nicht unberechtigtes Ansehen, vor allem 
soweit ihr Verfasser darin die Geschichte seiner Zeit erzählt. 
Denn Krantz war selbst Politiker, wurde von Lübeck und Ham- 
burg häufig zu wichtigen diplomatischen Sendungen verwandt 
und konnte sich so- eine gründliche Kenntniss der politischen 
Verhältnisse auch ausserdeutscher Länder erwerben. Auch war 
er ein scharfer Beobachter, und ein Grund, an seiner Wahrheits- 
liebe zu zweifeln, liegt nicht vor. Dass seine Werke oft lange 
Auszüge aus älteren Schriftstellern bringen, vieles auch ganz 
wörtlich aufnehmen und überhaupt einen etwas kompilatorischen 
Charakter haben, ist für die damalige Zeit nichts Auffallendes 
und berechtigt, wie längst hervorgehoben worden ist, keineswegs 
zu der Meinung, dass seine Werke in ihrem jetzigen Zustande 
(sie sind erst nach seinem Tode herausgegeben worden) nur 
Materialsammlungen seien, zu deren Bearbeitung er nie gekom- 
men sei. Diese Ansicht beruht lediglich auf einer falschen Auf- 
fassung der Geschichtschreibung jener Zeit. 

Indess das Lob, das dem Hamburger Historiker meist ge- 
spendet wird, scheint doch einer Einschränkung zu bedürfen; 
denn selbst da, wo er über Dinge handelt, über die er unzwei- 
felhaft genau Bescheid wissen musste, giebt er zwar die Haupt- 
sachen gewöhnlich richtig an, erzählt aber sonst öfters so dürftig 
und ungenau, dass der Leser in manchen Punkten zu irrigen 
Ansichten verleitet wird; ja, mitunter berichtet er, wenn auch 
in minder wichtigen Dingen, geradezu Unrichtiges. Es lässt 
sich dies an verschiedenen Stellen aus dem 13. und 14. Buch 
seiner Wandalia nachweisen. 



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- 64 — 

1. Krantz' Bericht über die Rostocker 
DomhändeP). 

Die Herzöge Magnus II. und Balthasar von Mecklenburg, 
die seit dem Tode ihres älteren Bruders Albrecht VI. (1483) 
gemeinschaftlich die ganzen mecklenburgischen Lande regierten, 
beschlossen, in Rostock ein mit der Universität zu verbindendes 
Domkapitel zu errichten. Die Pfarrkirche zu St. Jakob ward zu 
dieser Stiftung bestimmt. Die Universität war damit einverstan- 
den; auch der Magistrat konnte nichts dagegen einwenden; aber 
die Gemeinde wollte von dem Projekte nichts wissen, weil sie 
fürchtete, dass dadurch der Einfluss der Geistlichkeit steigen 
und ihre Freiheiten beschränkt werden würden. Die Stadt wider- 
setzte sich also der Absicht der Herzöge. Diese riefen die Hilfe 
des Bischofs von Schwerin an, der nun mahnend und strafend 
gegen die Stadt vorging. Diese aber appellirte an den erz- 
bischöflichen Stuhl nach Bremen, und die Herzöge wieder 
wandten sich nach Rom. Wurde schon dadurch die Stimmung 
zwischen Rostock und den Fürsten immer erbitterter, so trugen 
noch andere Vorfälle dazu bei, die Feindschaft zu steigern, vor 
allem ein durch einen Eingriff des Herzogs Magnus in die Ge- 
richtsgewalt der Stadt hervorgerufener nächtlicher Kampf zwischen 
den Herzoglichen und den Städtern und das Verfahren der Her- 
zöge gegen die an ihrer Küste strandenden Schiffe, für welches 
sich die Rostocker dadurch rächten, dass sie einen herzoglichen 
Vogt, der schiffbrüchige Güter in Beschlag genommen hatte, 
gefangen nahmen und hinrichteten. — Im Verlauf des Streites 
bannte der Schweriner Bischof die Stadt; diese aber achtete 
nicht darauf, sondern appellirte an Rom. Der Papst aber be- 
stätigte — dies geschah noch vor der eben erwähnten Hinrich- 
tung des herzoglichen Vogts — am 27. November 1484 die 
projektirte Stiftung, und obwohl sich die Rostocker auch jetzt 
noch weigerten, zu gehorchen, und immer von neuem an die 
Kurie appellirten, setzte Herzog Magnus, der i486 selbst nach. 
Rom leiste, doch seine Absicht endlich durch. Der Papst be- 
stätigte die Stiftung nochmals, und die Rostocker mussten ge- 



') Vgl. die nfeuste genaue Darstellung derselben von K. Koppmann, Zur 
Geschichte Rostocks, Rostocker Zeitung, 1885, Nr. 220, 232, 244, 256, 268, 279. 



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- 65 - 

horchen. Sie geben wenigstens eine dahin gehende Erklärung 
ab, wissen aber trotzdem die wirkliche Errichtung des Dom- 
stiftes immer weiter hinauszuschieben , bis endlich beide Her- 
zöge, des langen Zaudems müde, selbst nach Rostock kom- 
men und dort die Einweihung vornehmen (1487 Jan. 12). 
Sofort aber brach in der Stadt ein gewaltiger Aufruhr aus, 
dem der Propst der neuen Stiftung, der Kanzler Thomas Rode, 
zum Opfer fiel. Selbst Herzog Magnus und seine Gemahlin 
(Balthasar hatte die Stadt bereits verlassen) entkamen nur mit 
Mühe. Die anderen wendischen Städte suchten nun zwischen 
dem aufrührerischen Rostock und den erzürnten Fürsten zu ver- 
mitteln. Immer neue Tagfahrten wurden abgehalten ; aber trotz- 
dem kam es zum offenen Krieg. Die Herzöge rückten vor die 
Stadt und belagerten sie, begnügten sich aber dann, als sie keine 
rechten Fortschritte machten, mit einer losen Cernirung. Unter- 
dess dauerten zwischen den Gegnern unter Vermittlung der 
wendischen Städte jahrelang die Verhandlungen fort, die besonders 
dadurch erschwert wurden , dass in Rostock selbst ernste innere 
Streitigkeiten ausbrachen. Endlich, nach vielen vergeblichen Ver- 
suchen, gelang es, zunächst diese zu schlichten, und dann blieb, 
nachdem in Rostock der Haupt-Uebelthäter , Runge, sammt sei- 
nen vertrautesten Genossen hingerichtet worden war, auch die 
Beilegung des Streits mit den Herzögen nicht mehr lange aus 
(1491). Die Stadt musste sich der Errichtung der KoUegiat-Stiftung 
endgültig fügen, wogegen ihre alten Freiheiten bestätigt wurden. 
In diese Rostocker Domhändel nun, von denen uns Albert 
Krantz in der Wandalia XIII, 39 bis XIV, 17 erzählt, hat er 
selbst wiederholt thätig eingegriffen. Zu MichaeHs i486 war er 
Syndikus der Stadt Lübeck geworden^), und als solcher hat er 
seitdem an den meisten der zahlreichen Tage in Lübeck, Wils- 
nack und anderen Orten th eilgenommen, auf denen eine Schlich- 
tung der Domstreitigkeiten versucht und endlich auch erreicht 
wurde. Er wird uns unter den Theilnehmern an diesen Ver- 
handlungen überall da ausdrücklich genannt, wo der Bericht er- 
halten ist und die Berathungen nicht in Lübeck stattfanden. Denn 
in letzterem Falle werden mit einer einzigen Ausnahme (beim 

>) Hanserecesse , Dritte Abtheilung 2, Nr. 75 § i. Wo im Folgenden 
die Hanserecesse (H. R.) citirt werden, ist immer diese Abtheilung gemeint. 
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 5 



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— 66 -^ 

Hansetage zu Lübeck, 1487 Mai 24 — Juni 20*)) die Vertreter 
von Lübeck nicht namentlich aufgeführt, sondern nur der »rath to 
Lubeke«, zu dem ja Krantz gehörte, genannt. Nicht anwesend 
war er jedenfalls nur dann, wenn er durch eine seiner dienst- 
lichen Reisen daran verhindert war ; so während des wendischen 
Städtetages zu Lübeck 1490 T>tz, 13 und während des Tages 
von Wismar 1491 Mai 14 — 20. An ersterer Versammlung 
konnte er nicht theilnehmen, weil er von November 1490 bis 
Januar 1491 im Auftrage der wendischen Städte eine Reise nach 
Livland und Preussen unternahm«), und die Theilnahme an dem 
Wismarer Tage vom Mai 1491 wurde ihm unmöglich gemacht durch 
seine Anwesenheit bei den Antwerpener Verhandlungen desselben 
Jahres^). Ueber mehrere der abgehaltenen Tage haben wir sogar von 
Krantz selbst aufgezeichnete Berichte ; so über die Verhandlungen 
zu Wilsnack i486 Okt. 15 — 18*), zu Schönberg 1487 Apr. 24 s), 
in und vor Rostock 1487 Juli 25 — 29^), zu Bützow und Wis- 
mar 1487 Sept. 21 — 277). Er wurde femer verschiedene Male 
zu Gesandtschaften in der Rostocker Angelegenheit benutzt. So 
sandten ihn die wendischen Städte im März 1487 an die Her- 
zöge von Mecklenburg, damit er bei ihnen für Wiederaufnahme 
der Verhandlungen wirke 8); am 5. Sept. 1487 ward er mit 
Lübecker und Stralsunder Boten nach Rostock geschickt, und 
erreichte dort den Abschluss eines vierzehntägigen Waffenstill- 
standes 9); am 20. März 1489 ging er mit dem Hamburger 
Raths- Sekretär Nikolaus Schulte von Wismar aus, wo die wen- 
dischen Städte vorher mit den Herzögen neue Verhandlungen 
gepflogen hatten, abermals nach Rostock und bewirkte dort 
eine Aussöhnung des Raths mit der Gemeinde, der. allerdings 
bald neue Unruhen folgten. Im Oktober des folgenden Jahres 



1) H. R. 2, Nr. 160 § 3. 

3) H. R. 2, Nr. 409 — II, 414, 464, 486. 

3) H. R. 2, Nr. 496 §§ 16, 47, 65, 131, 137, 149, 160,166, 175,191,234, 

4) H. R. 2, Nr. 75; dazu die summarische Aufzeichnung Nr. 76. 

5) H. R. 2, Nr. 102. 

6) H. R. 2, Nr. 199. 

7) H. R. 2, Nr. 200. 

8) H. R. 2, Nr. 98, 100. 

9) Van der Rostocker Veide, herausgegeben von Krause (Rostocker 
Gymnasialprogramm 1880) S. 6. 



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_ 67 - 

endlich ward Krantz mit Stralsunder und Wismarer Raths- 
mitgliedem abermals afi die Herzöge gesandt, um diese noch- 
mals für gütliche Verhandlungen mit Rostock geneigt zu machen '). 

Aus alledem geht deutlich hervor, dass unser Historiker eine 
recht genaue Kenntniss der Rostocker Domhändel und der sich 
daran anschliessenden mannigfachen Verhandlungen haben musste 
und dass es ihm nicht schwer werden konnte, eine ganz richtige 
Darstellung derselben zu geben. Das hat er indess nicht gethan. 
Vielmehr genügt der Bericht, den er giebt (Wand. XIII, 39, 40; 
XIV, I, 6 — II, 14, 16, 17), den Anforderungen nicht, die man an 
einen so genauen Kenner jener Vorgänge zu stellen wohl berechtigt ist. 

Zunächst ist dieser Bericht ausserordentlich dürftig. Das 
ist nun an und für sich kein schwerer Vorwurf für seinen Ver- 
fasser; denn seine Absicht war ja nicht, eine Geschichte der 
Domstreitigkeiten zu geben; dieselben bilden vielmehr nur eine 
kleine Episode in der Wandalia, die die Geschichte des deut- 
schen Nordens und Ostens erzählen soll. Indess geht Krantz 
doch auch hierin vielfach zu weit, indem er zum Theil sehr 
wichtige Dinge, deren wenigstens kurze Erwähnung zur Charak- 
teristik des Streites unzweifelhaft gehört, einfach mit Stillschweigen 
übergeht. So treten bei ihm vor allem die immer wiederholten 
Bemühungen der übrigen wendischen Städte, Frieden zu stiften, 
auffallend zurück. Diese fünf Städte — Hamburg, Lübeck, 
Stralsund, Wismar, Lüneburg — nahmen sich von Anfang an 
der Rostocker Domhändel sehr eifrig an, verträten die Stadt den 
Herzögen gegenüber und versuchten immer und immer wieder 
eine Versöhnung derselben mit den erzürnten Fürsten. Auf 
mehr als 30 Versammlungen«), die entweder ad hoc berufen 
oder doch von den wendischen Städten zur Berathung über 
die Rostocker Domhändel mit benutzt wurden, ward in den 
Jiahren 1484 — 1491 über diese Streitigkeiten verhandelt, bis end- 
lich auf einer Versammlung zu Wismar, 1491 Mai 20 , der Streit 
awischeü den Herzögen und der Stadt beigelegt ward 3). Natür- 



') H. R. 2, Nr. 399, §§ 32, 40. 

») Die Nachrichten darüber H. R. Bd. i u. 2, Rostocker Veide und 
Wöchentliche Lieferung alter nie gedruckter Rostockscher Urkunden und 
andrer Nachrichten 1759 u. 1760. 

3) H. R. 2, Nr. 564. 

5* 



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— 6S -- 

» 

lieh würde es viel zu weit führen, wollten wir den Gang der 
Verhandlungen, das mühsame Vordringen der Städte zum er- 
ersehnten Ziel hier ausführiich schildern, und es wird genügen, 
in groben Umrissen darüber zu berichten, um erkennen zu lassen, 
wie eifrig die Bemühungen der wendischen Städte waren, die 
ja selbstverständlich ein grosses Interesse daran hatten, das ver- 
bündete Rostock der fürstlichen Gewalt nicht unterliegen zu lassen. 
Schon am 15. März 1484 erklären die Städte den Herzögen, 
sie würden Rostock nicht im Stich lassen^). Diesem Versprechen 
bleiben sie die ganze folgende Zeit treu, ohne sich durch die 
lange Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen irre machen zu lassen. 
In eine sehr unangenehme Lage kamen sie dadurch, dass in 
Rostock selbst nach dem Aufstand vom 14. Januar 1487 innere 
Zwistigkeiten ausbrachen. Die beiden Bürgermeister Bertold 
KerkhofF und Arnd Hasselbeke mussten die Stadt verlassen, und 
die Gemeinde gerieth in immer grösseren Gegensatz zum Rathe. 
Eine Vermittlung zwischen der Stadt und den Herzögen wurde 
dadurch natürlich viel schwieriger ; die wendischen Städte mussten 
jetzt zuerst darauf sinnen, die inneren Streitigkeiten beizulegen, 
und auch dieser Aufgabe unterzogen sie sich mit grösster Bereit- 
willigkeit. Das Ansinnen der Herzöge an sie, jeden Verkehr mit 
Rostock abzubrechen, lehnen sie, wenn auch in diplomatischer 
Form, ab«); aber andererseits vermögen sie doch wegen der 
Rostock bedrohenden Anarchie nicht mehr so entschieden für 
die Stadt einzutreten ; sie machen den Rostocker Gesandten Vor- 
würfe 3) und senden sie vom Lübecker Hansetage (1487 Mai 24) 
in ihre Stadt zurück, um sich gültige Vollmachten zu verschaffen 
und auf Wiederherstellung der Autorität des Rathes zu dringen: 
habe derselbe erst das Regiment der Stadt wieder fest in der 
Hand, so wollen sie »nener moye, arbeydes unde vlytes sparen«, 
um Rostock mit den Herzögen zu versöhnen*). Mit der Bei- 
legung der inneren Zwistigkeiten ging es nun freilich nicht so 
schnell. Es kam zum Kampf Rostocks mit den Herzögen ; aber 
die Städte gaben ihre Vermittlungsversuche darum nicht auf. 



i) Wöchentliche Lieferung 1759, S. 18. 

2) H.-R. 2, Nr. 102 § 5 ; 160 § 40. 

3) H.-R. 2, Nr. 160 § 57. 

4) H.-R. 2, Nr. 160 § 65. 



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- 69 - 

Da diie Fürsten sich in ihrer Hoffnung auf kriegerische Erfolge 
getäuscht sahen und sich deshalb allmählich wieder versöhnlicher 
zeigten, gelang es den Bemühungen der wendischen Städte, einen 
kurzen Waffenstillstand zu stände zu bringen, während dessen zu 
Bützow und Wismar neue Verhandlungen stattfanden (1487 Sept. 
21 — 27). Die Städte schlagen hier nach längeren Berathungen vor, 
ein Schiedsgericht einzusetzen *) ; aber dieser Plan scheitert an der 
Hartnäckigkeit Rostocks, und so bleiben auch diese Verhand- 
lungen ohne Resultat. Gegen Ende dieses Jahres (1487) gelingt 
es dem König Johann von Dänemark und dem Kurfürsten Johann 
von Brandenburg, mit deren Bemühungen die wendischen Städte 
die ihren vereinen, den Abschluss eines diesmal viel längeren 
Waffenstillstandes durchzusetzen. Während desselben wurden 
wieder verschiedene Tage abgehalten. Auf dem wendischen 
Städtetag zu Lübeck (1488 Juli 28) wird der Streit Rostocks 
mit den beiden ausgewichenen Bürgermeistern Bertold Kerkhoff 
und Arnd Hasselbeke durch einen Schiedsspruch beigelegt*), 
und Stralsund und Wismar erhalten den Auftrag, abermals Unter- 
handlungen mit den Herzögen zu beginnen und die Sache »uth 
den grovesten spönen« zu hauen 3). Die Bemühungen schienen 
von Erfolg gekrönt zu werden — da brach in Rostock am 
IG. Februar 1489 ein neuer Aufstand aus, imd die Sisyphus- 
Arbeit der Städte begann abermals. Wieder wurden sie durch 
die inneren Unruhen in eine äusserst schwierige Lage gebracht*); 
wieder mussten sie zugleich Rostock gegen die Herzöge und 
den Rostocker Rath gegen die Gemeinde vertreten. Mit Mühe 
gelingt es ihren Gesandten Albert Krantz und Nikolaus Schulte, 
Rath und Gemeinde wieder zu versöhnen (1489 März 23)5). 
Dem Urtheil, das dann, auch diesmal wieder unter Betheiligung 
der wendischen Städte, zu Wismar durch die zu Schiedsrichtern 
ernannten Herrscher von Dänemark und Brandenburg, von denen 
der erste anwesend war, der zweite sich vertreten Hess, gegen 
Rostock erging, fligte sich die Stadt nicht. Abermals brachen 



1) H.-R. 2, Nr. 200 § 19. 
3) H.-R. 2, Nr. 255. 

3) H.-R. 2, Nr. 254 § 32. 

4) H.-R. 2, Nr. 270 §§ 3, 9—12, 14, 26. 

5) H.-R. 2, Nr. 271. 



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— 70 — 

Unruhen aus. Aber die Städte gaben ihre Bemühungen auch 
jetzt nicht auf, sondern versuchten immer wieder, die Ordnung 
und Einigkeit in der Stadt herzustellen. Die Annahme ihrer 
Vermittlung in den inneren Streitigkeiten machten sie zur Be- 
dingung ihres Beistandes gegen die Herzöge ; Rostock erklärt 
sich schliesslich auch bereit^ die wendischen Städte als Schieds- 
richter anzuerkennen«), und nun senden diese abermals Boten 
an die Fürsten, um bei ihnen zu Gunsten Rostocks zu wirken 3). 
Die inneren Streitigkeiten wurden nun definitiv geschlichtet 
(1490 Dez. 13)*); bald darauf (im April 1491) wurden Runge 
und die anderen Häupter der Aufrührer hingerichtet, und nun 
endlich kam zwischen den Herzögen und der Stadt zu Wismar 
am 20. Mai 1491 ein Vergleich zu stände. 

Von dieser ganzen angestrengten Vermittlerthätigkeit der 
wendischen Städte, die fiir den Verlauf des Streites von der 
grössten Wichtigkeit ist, ist in der Wandalia sehr wenig die 
Rede. Allerdings erwähnt Krantz den Bund der wendischen 
Städte (XIV, I : Jam foedera civitatum Wandalicarum enunciata 
intumescere fecerunt urbis habitatores etc. und weiter unten: 
Quid sibi velint nova civitatum foedera s), non esse obscurum) ; 
von den sämmtlichen abgehaltenen Tagen berührt er aber nur 
die Versammlung in Wismar (1489 August 29 — Sept. 7) 
(XIV, 14) und nachträglich (in demselben Kapitel) die Wils- 
nacker Verhandlung von i486 Oktober 15 — 18, beide jeden- 
falls deshalb, weil sie durch das Eingreifen der Herrscher von 
Dänemark und Brandenburg einen hervorragenden Rang einzu- 
nehmen schienen. Rechnen wir hinzu, dass Krantz der Ein- 
mischung der Städte in Bezug auf die Angelegenheit der schiff- 
brüchigen Güter gedenkt (XIII, 40 : ea de re quum litteris et 
nunciis quererentur urbium consilia, reposcentes miserorum res 
n^ufragas etc.), nach der Schilderung des ersten Tumults in 
Rostock, unmittelbar nach Einweihung der Kollegiat-Stiftung, 



i) H.-R. 2, Nr. 356. 
«) H.-R. 2, Nr. 398. 

3) H.-R. 2, Nr. 399 §§ 32, 33, 40, 41. 

4) H.-R. 2, Nr. 424, 425. 

3) Bezieht sich auf das am ii.Nov. i486 «uf 5; Jahre erneute Bündniss 
der wendischen Städte; vgl. H.-R. 2, Nr. 23, 26 §§ 1—5. 



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— 71 — 

die von ihm selbst übernommene Gesandtschaft^) (XIV, lo: 
Lubicenses nihil, quod sui esset officii, intermisere, mittentes nun- 
cium ad principes , qui placidis verbis molliret justas iräs etc.) 
und die Verhandlungen in und vor Rostock (1487 Juli 25 — 29)») 
berichtet (XIV , 11: jam caeterae civitates in castra mittebant 
oratores, causam controversiae coeperunt contrectare etc.), bei 
Gelegenheit der Erzählung von der Hinrichtung des Gherd Frese, 
des Vogts zu Schwaan, durch die Rostocker (XIV, i) die Mit- 
wissenschaft der wendischen Städte erwähnt (non ignorantibus 
[ut ferebant] vicinis urbibus), endlich noch seine und des Niko- 
laus Schulte Sendung nach Rostock erzählt (XIV, 16: sed vici- 
narum urbium consulares misere ex suis quosdam in eam urbem 
deputatos, qui rem inter consulares et communitatem com- 
ponerent etc.), so haben wir alles, was in der Wandalia über- 
haupt über die Thätigkeit der wendischen Städte zur Beilegung 
des Streites angeführt wird. Man gewinnt aus ihrer Schilderung 
den Eindruck, ^s hätten dieselben nur gelegentlich in die Ros- 
tocker Händel eingegriffen. Von den zum Theil so wichtigen 
wendischen Städtetagen zu Lübeck, auf denen die Domhändel 
zur Sprache kamen, wird nicht ein einziger namhaft gemacht ; ja, 
es wird nicht einmal im allgemeinen angegeben, dass ausser den 
zwei angeführten noch eine Menge von anderen Tagen stattfand, 
dass immer und immer wieder Boten hinüber und herüber ge- 
schickt und eine Unzahl von Briefen geschrieben wurde. Vor 
allem ist auffällig, dass die so wichtige Lübecker Versammlung 
vom 13. Dez. 1490, auf der eine endgültige Schlichtung der 
inneren Streitigkeiten herbeigeführt wurde, von Krantz mit Still- 
schweigen übergangen wird, während er die Gesandtschaft vom 
März 1489, die doch nur einen vorübergehenden Erfolg hatte, 
erwähnt (XIV, 16) und zwar so "kurz vor der Erzählung vom 
Ende des ganzen Streites, dass man dadurch zu dem Irrthum ver- 
leitet werden kann, als seien durch diese Sendung Krantz' und 
Schlüters die Streitigkeiten innerhalb des Rathes definitiv beigelegt 
worden, um so eher, als das, was die folgenden Zeilen über Runge's 
Treiben berichten, zeitlich gar nicht fixirt ist, so dass der Leser 



x) H.-R. 2, Nr. 98. 
3) H.-R. 2, Nr. 199. 



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— 72 — 

vollkommen im unklaren darüber bleibt, dass die -verderbliche 
Wirksamkeit dieses Demagogen noch zwei Jahre nach jener Ge- 
sandtschaft fortdauerte; denn erst im April 1491 war Runge's 
Rolle ausgespielt»). Mit solcher Dürftigkeit von Krantz* An- 
gaben über die Vermittlerthätigkeit der wendischen Städte steht 
in sonderbarem Widerspruch, dass er die Geschichte von Gherd 
Frese, dem Vogt zu Schwaan, den die Rostocker, gestützt auf 
den Beschluss des Lübecker Städtetages vom 11. Jan. 1485 — 
die Städte waren überingekommen, die mecklenburgischen Vögte, 
die sich noch ferner an dem gestrandeten Gut vergreifen wür- 
den, zu bestrafen und dies gemeinsam zu verantworten«) — , er- 
greifen und hinrichten Hessen, zweimal erzählt (XIII, 40 ; XIV, i). 
Sehr dürftig sind auch Krantz' Angaben über die Ein- 
mischung der Kirche in den Rostocker Domstreit. Er erzählt 
(XIV, 6), dass der Bischof von Schwerin auf die Aufforderung 
des Herzogs Magnus hin ein poenale monitorium an die Ros- 
tocker erlässt. Diese appelliren und kümmern sich nicht weiter 
darum. Nun bannt der Bischof die ungehorsame Stadt, die sich 
aber, auf ihre Appellation gestützt, auch dadurch nicht beirren 
lässt. Da die Stimmung der Rostocker gegen das Projekt immer 
bedrohlicher wird, so reist Herzog Magnus mit dem Bischof 
von Ratzeburg selbst nach Rom , unterrichtet den Papst Inno- 
cenz VIII. von seinem Plan (XIV, 6 : fundandi coUegii sanctum 
propositum per supplicationem insinuavit summo pontifici Inno- 
centio) und erlangt von ihm volle Zustimmung und die Einsetzung 
bestimmter Kommissarien zur Vollziehung der päpstlichen An- 
ordnungen (Facile inclinabat pontifex rei ; dedit exequu- 

tores etc.). Nun ist die Stadt gezwungen, zu erklären, dass sie 
gehorchen würde; sie thut es aber auch jetzt nur sehr wider- 
willig und mit der geheimen Absicht, die wirkliche Einweihung 
der Stiftung immer weiter hinauszuziehen, um sie wo möglich 
doch noch zu verhindern. — So ist der Hergang nach der 
Darstellung der Wandalia. Dieselbe ist aber ganz ungenau 
und übergeht eine Menge wichtiger Dinge. Dass die Herzöge 
schon damals, als Rostock zuerst — an Bremen — appellirt 



i) H.-R. 2, Nr. 525; Rost. Veide S. 21 f. 
a) Vgl. H.-R. I, Nr. 582 §§ 19—26. 



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— 73 — 

hatte*), in der Furcht vor einem ihnen ungünstigen Spruch des 
Erzbischofs sich nach Rom wandten»), dass in Folge des Banns 
und Interdikts auch Rostock bei der Kurie Hilfe suchte 3), dass 
der Papst nach Untersuchung der Sachlage bereits am 27. No- 
vember 1484, längst ehe Herzog Magnus nach Rom kam (das 
geschah erst i486), eine Bestätigungsbulle für die Domstiftung 
erliess*), dass dieselbe durch den Bischof von Ratzeburg zu 
Marien-Ehe den Deputirten des Rostocker Rathes bekannt ge- 
gegeben wurde, dass die ganze Gemeinde, als sie sich auch 
jetzt nicht fügte, von dem erwähnten Bischof von neuem in den 
Bann gethan wurde 5), dass die Stadt dagegen abermals nach 
Rom appellirte^) und dass die Kurie die Angelegenheit noch- 
mals untersuchen liess^) — alle diese Dinge, die der Reise des Her- 
zogs Magnus nach Rom und der erneuten Bestätigung der Stif- 
tung durch den Papst vom 31. März i486 vorausgehen^), lässt 
Krantz unerwähnt. War er auch allerdings nicht dazu verpflichtet, 
alle die einzelnen Momente der Verhandlungen mit der geist- 
lichen Gewalt ausdrücklich hervorzuheben, so hätte er doch 
wenigstens (XIV, 6) kurz erwähnen müssen , dass dieselben sehr 
komplizirter Natur waren, und keinesfalls durfte er, da die 
eigentliche Bestätigungsbulle des Papstes schon vom 27. Nov. 1484 
datirt ist , durch seine Weise der Schilderung in dem Leser den 
Glauben erwecken, dass der Papst erst in Folge der Reise des 
Herzogs Magnus nach Rom (i486) sich in die Domangelegen- 
heit gemischt und die Errichtung der Stiftung geboten habe 

(profectus [Magnus] devotionis gratia in urbem Romam 

fundandi coUegii sanctum propositum per supplicationem in- 
sinuavit summo pontifici Innocentio, orans deputari exequu- 



i) Es geschah das wiederholt; vgl. Weitere Nachrichten von gelehrten 
Kostockschen Sachen 1743, S. 211. 

3) H.-R. I, Nr. 547 § 45; vgl. auch Weitere Nachrichten S. 211» 

3) Weitere Nachrichten S. 212. 

4) Papistisches Mecklenburg 2, S. 2359 ff.; vgl. auch Weitere Nach- 
richten S. 213 ff. 

5) Papistisches Mecklenburg 2, S. 2374 fF. 

6) Weitere Nachrichten S. 216; Wöchentliche Lieferung 1759, S. ööff. ; 
Papistisches Mecklenburg 2, S. 2370 f. 

7) Weitere Nachrichten S» 216 f. 

8) Vgl. Weitere Nachrichten S. 209 ff. 



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— 74 — 

tores. Facile inclinabat pontifex rei, in qua divini nominis am- 
pliücari gloria quaereretur. Dedit exequutores et inter alios 
Raceburgensem episcopum). Nur ganz kurz erwähnt mag noch 
werden , dass Krantz auch sowohl die Ereignisse , die zwischen 
der Erklärung der Rostocker, dass sie sich fügen würden, und 
dem Januar- Aufruhr liegen»), wie das Verhältniss der Stadt zur 
Kirche nach jener Krisis '), ganz mit Stillschweigen tibergeht. — 
Auch durch falsche Anordnung der Ereignisse in der Wan- 
dalia wird der Leser oft zu irrigen Ansichten verleitet. Wie schon 
angegeben, erwähnt Krantz XIV, 14 die schiedsrichterlichen Ver- 
handlungen, die in Wismar vom 29. Aug. — 7. Sept. 1489 statt- 
fanden. Dass er wirklich diesen und keinen anderen Tag zu 
Wismar meint , ist unzweifelhaft. Die betreffende Stelle aber ist 
eine durchaus unpassende; denn sowohl unmittelbar vorher, als 
nachher, werden Dinge erzählt, die ins Jahr 1487 fallen. Vorher 
nämlich spricht Krantz von den Truppen, die über Lübeck nach 
Rostock kamen; dass dies nur 1487 geschehen sein kann, geht 
schon aus einer flüchtigen Betrachtung der Sachlage hervor, wird 
aber auch ausdrücklich bezeugt 3). Fast unmittelbar nachher 
aber (nur die Wilsnacker Verhandlungen erwähnt er dazwischen, 
indem er sie mit Jam quidem ante einführt) berichtet Krantz 
von dem Auszug der Universität aus der Stadt, der ebenfalls 
ins Jahr 1487 fieH). Als die Wismarer schiedsrichterlichen Ver- 
handlungen stattfanden, war die Universität schon längst wieder 
nach Rostock zurückgekehrt^); da aber Krantz das Jahr derselben 
nicht angiebt, so müss der Leser nothwendig die Meinung be- 
kommen, sie hätten in derselben Zeit, wie jene anderen Er- 
eignisse, die vorher und nachher berichtet werden, stattgefunden. 



1) H.-R. 2. Nr. 75 § 34/ 45; 7^^ 79- 

2) Vgl. Papist. Mecklenburg S» 2403, 2456; Wöchentliche Lieferung 
1760, S. 121, 164. 

3) Rostocker Veide S. 6f. ; vgl. auch Wöchentliche Lieferung 1760, 
S. 89» 

4) Papist. Mecklenburg S. 2403 — 10. Dass in dem hier abgedrackten 
Privilegium Innocentii Pontificis Romani de reditu professomm etc. am 
Schluss statt 1487 zu lesen ist 1488, hat schon Rudloff, Pragm. Handb. der 
mecklenburg. Gesch. 2, S. 864 Anm. i nachgewiesen. 

5) Papist. Mecklenb. a. a. O. und S. 2467; Krantz a. a. O.: sed 
postea, quum res in treugis esset, locum suum repetentes redierunt. 



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— 75 - 

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Angabe der Wandalia 
über die Einmischung des Bischofs von Schwerin in den Streit. 
Krantz berichtet XIII, 39 von dem Plan der Herzöge, ein 
Kollegiatstift zu gründen , imd von der Missstimmung der Ro- 
stocker darüber. Dann fährt er fort: »Praecesserant causae 
aliae, quae animos principis a civibus, urbicorum averterant a 
principe«, und gleich darauf sagt er: »Id ut suspicione coUigerent, 
effecere priores, quae inciderant, perturbationes« . Unter diesen 
»priores perturbationes« werden zunächst angeführt die Hinrich- 
tung des Gherd Frese, der durch die Befreiung des Strassen- 
räubers Wengelyn veranlasste nächtliche Kampf der Rostocker 
mit den Herzoglichen und der Streit über die Landgüter Ros- 
tocker Bürger (XIII, 40). Im ersten Kapitel des folgenden Buchs 
erwähnt Krantz dann die Erneuerung des wendischen Städte - 
bündnisses, erzählt nochmals die Geschichte von Gherd Frese 
und berichtet über die von den Herzögen zur Berathung über 
das Verfahren gegen die Städte einberufene Adels Versammlung. 
Nachdem er darauf in den folgenden Kapiteln von anderen An- 
gelegenheiten gesprochen, kommt er erst XIV, 6 auf die Ein-» 
mischung des Schweriner Bischofs (Sed episcopus Zwerinensis, 
a duce Magno commonitus, poenale monitorium decrevit etc.); 
dann fährt er fort: »Objecere Rostockcenses appellationem qua- 
lemcunque; et in ea conquiescentes episcopi mandata neglexere. 
nie exercebat in eos ecclesiae gladium«. Nun fallen aber alle 
diese hier erwähnten Ereignisse, das erste Eingreifen des Bischofs, 
die Appellation Rostocks nach Bremen und der Bann des er- 
zürnten Kirchenfürsten, in's Jahr 1484^). Die Vereinbarung der 
Stadt Rostock mit ihrem Klerus , die Krantz gleich darauf er- 
wähnt (XIV, 6 : invenere derum, qui illis adhaereret), gehört dem- 
selben Jahre 1484 an»). Dagegen kann die Hinrichtung des 
Schwaaner Vogts, die doch so viel früher erzählt wird, erst 
na£h dem 11. Jan. 1485, also mindestens ein Jahr nach dem 
Vorgehen des Schweriner Bischofs gegen Rostock, stattgefunden 



i) H.-R. I, Nk. 495 (wonach das Momtorinm des Bischofs und die 
darauf folgende Citation sogar schon vor den 20. Januar 1484 zu setzen 
sind), 497, 501 §§ 3» 7 ; 547 § 45)- ' ' 

2) Wöchentliche Lieferung 1759, S. 25 ff. 



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- 76 - 

haben, da erst damals auf dem wendischen Städtetage zu Lübeck 
der Beschluss gefasst wurde, auf den sich die Rostocker bei 
ihrem harten Einschreiten gegen Gherd Frese stützten *). Ebenso 
wurde die von den Herzögen einberufene Adelsversammlung erst 
im Februar 1485 abgehalten*). Der nächtliche Kampf mit den 
Herzoglichen (XIII, 40) fand allerdings schon 1483 statt 3); der 
Streit über die Landgüter dagegen (ebenfalls XIII, 40) ent- 
brannte erst im Anfang des Jahres i486*). So ist denn auch 
hier die Reihenfolge der Begebenheiten eine ganz andere, als 
sie nach Krantz' Berichte zu sein scheint, und besonders für 
die XIII, 40 erzählten Vorgänge, welche mit den Worten: »Prae- 
cesserant causae aliae« eingeleitet und gleich darauf als 
priores perturbationes bezeichnet werden, kann man aus der 
Darstellung der Wandalia unmöglich ersehen, dass sie erst nach 
dem XIV, 6 Berichteten fallen. 

Aber nicht nur indirekt, durch unrichtige Reihenfolge der 
Ereignisse, wird der Leser von Krantz zu falschen Anschauungen 
verleitet , sondern auch direkt , durch unrichtige Darstellung der- 
selben. Die Entstehung des Plans zur Gründung eines Kollegiat- 
stiftes erzählt er XIII, 39 mit folgenden Worten: »Erant per 
haec tempora viri boni ecclesiastici in consilio ducis Magno- 
polensis domini Magni, qui optimo zelo propagandi divini cultus 
suggererent magnificentiae ejus optimum factu esse, si in oppido 
illustri Rostockcio ... de parochiali sancti Jacobi curaret fieri 
collegiatam ecclesiam .... Placuit res principi. EfFervescit in 
re, quam divinus cultus et splendor religionis omnibus facit com- 
mendabilem«. Das kann man nicht anders verstehen, als der 
Plan sei unter den geistlichen Rathgebem des Herzogs Magnus 
entstanden; dieser sei von ihnen dafür gewonnen worden und 
habe sich nun der Sache mit Eifer angenommen. Aus einem 



x) H.-R. i, Nr. 582 § 26. Den tenninus ante quem für die Hin- 
richtung des Vogts giebt der in den Jahrbüchern des Vereins für mecklenb. 
Gesch. 16, 238 abgedruckte, vom i. April 1485 datirte Brief Rostocks an 
Heinrich , Bischof von Münster und Administrator in Bremen. Vgl. auch 
Chronicon Sclavicum, herausg. von Laspeyres S. 367, 369» 

a) Chron. Sclav. S« 367. 

3) Chron. Sclav. S. 359. 

4) H.-R. 2, Nr. 26 § 77, 78; Nr. 28, 29. 



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— 77 — 

Briefe Lübecks an Rostock vom 21. Febr. 1484 geht aber 
hervor, dass die Sache sich wesentlich anders verhielt, dass der 
Plan schon aus der Zeit des Herzogs Heinrich III., des Vaters der 
Herzöge Magnus und Balthasar (f 1477), stammte: »dat sodanes 
(das Kollegiatstift) mannichmael by erer gnedigen herrn vader 
van merkliken personen ock ledematen der universiteten bynnen 
juwer Stadt (Rostock), to Dobberan unde andern wegen wer ge- 
sunnen»)«. Heinrichs ältester Sohn und Nachfolger, Albrecht VI. 
(f 1483), hatte die Ausführung während seiner Regierung ver- 
hindert, dann aber in seiner letzten Krankheit seinen Sinn geändert 
und auf dem Todtenbette noch seinen Brüdern Magnus und 
Balthasar das Versprechen abgenommen, das Kollegiatstift zu 
gründen: »unde wowol hertoge Albrecht seliger dat vortydes 
Yorhindert, so hadde he doch na in syner latesten kranckheidt 
ensodanes vor eyn selegerede to funderende begert, dat de 
hochgebornen forsten, hern Magnus und Baltazar, em so ge- 
lovet und deshalven in juwe Stadt by juwen raedt gekomen 
wem«. 

Bei Gelegenheit der nachträglichen Erwähnung der Wils- 
nacker Verhandlungen vom Oktober i486 sagt Krantz (XIV, 14): 
»Jam quidem ante . . . dominus marchio in Wilsenaco ad prae- 
sentiam ducum memoratorum ac Rostockcensium \qui in suam 
partem consulares oratores de Lubica, Hamburgo et Luneburgo 
adesse rogarunt) causam omnem controversiarum inter memo- 
ratas partes tractabat«. Nun ist es aber unrichtig, dass ausser 
Rostock nur Lübeck, Hamburg und Lüneburg in Wisnack ver- 
treten gewesen seien. Denn in dem von Krantz selbst aufge- 
zeichneten Bericht») ist zu lesen: »Aderant Rostoxenses . . . 
quibus assistebant velut amici legati 5 civitatum stagnahum 
Lubek, Hamburgh, Sundis, Luneburgh, Wismarie«, und ferner: 
«ex Sundis duo consulares . , ., ex Wismaria dominus Johannes 
Hoppenacke proconsul, dominus Otto (Tancke) consul et do- 
minus Hermannus Gropeling legum doctor, sindicus«. 



x) H.-R. I, Nr. 497. Vgl, auch die Reimchronik über die Rostocker 
Händel , herausgegeben von E. Sass , in : Jahrbücher und Jahresbericht des 
Vereins f. mecklenb. Gesch.- und Altertumskunde 45 (1880), Zeile 7—32. 

a) H..R. 2, Nr. 75 § 3. 



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- 78 — 

Unrichtig ist auch die Darstellung der Vorgänge unmittelbar 
vor der Einweihung des Kollegiatstiftes (XTV, 7). Nach der- 
selben hätte Herzog Magnus, nachdem die Rostocker den päpst- 
lichen Anordnungen gehorchen zu wollen erklärt hatten, in der 
Hoffnung, dass die leidenschaftliche Abneigung der Bürger gegen 
die geplante Stiftung allmählich nachlassen werde, sich noch 
eine Zeit lang hinhalten lassen (dux ipse cessit, nihil properans) ; 
die Stimmung in Rostock sei aber im Gegentheil immer schlimmer 
geworden ; niemand in der Stadt habe von dem verhassten Plane 
auch nur zu sprechen gewagt (sed expertus est [dux] in urbe 
omnia in diem fieri deteriora etc.). Auf das Drängen des Her- 
zogs habe man immer nur erwidert, das Volk sei nicht soweit 
zu beruhigen, dass man den Plan zur Ausführung bringen könne ; 
die grössten Gefahren würden daraus entstehen, und man könne 
nur hoffen , dass sich die Verhältnisse allmählich doch noch 
bessern würden (non posse tamen redigere populum in quietem, 
ut patiatur exequutionem. Quae si intentata fuerit, omnium fore 
commune periculum et qui exequantur et qui patiantur. Sperari 
posse, quod fervor ille tempori immoriatur). Der Herzog aber 
sei des ewigen Zögerns müde geworden und habe beschlossen, 
der Sache dadurch ein Ende zu machen, dass er selbst nach 
Rostock ging und die Einweihung der Stiftung vornahm (Sed 
non jam diutius sibi passus illudi princeps . . . constituit urbem 
ipse ingredi etc.). Diesen Entschluss habe er auch Anfang 1487 
ausgeführt. Der Rath habe sich fügen müssen, sei aber dauernd 
von den schlimmsten Befürchtungen erfüllt gewesen (jam formi- 
dante senatu pessimos exitus . . .; mens omnibus male omina- 
tur). Aber in Wirklichkeit kam Herzog Magnus nicht allein 
nach seinem eigenen Entschluss und trotz der Abmahnung des 
Rathes zur Einweihung des Domes nach Rostock, sondern dieser 
Schritt war auf einem Tage zu Güstrow, am 14. Nov. i486, in 
Gegenwart von Abgesandten Wismars zwischen den Vertretern 
Rostocks und der Herzöge vereinbart worden'), und Herzog 
Magnus behauptete auf dem Tage zu Schönberg, 1487 April 24, 
nach dem von Krantz selbst aufgezeichneten Bericht, die Ro- 
stocker hätten ihm die besten Hoffnungen auf einen guten Aus- 



x) H.-R. 2, Nr. 102 § 4. 

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-- 79 — 

gang der Sache gemacht, ihm sicheres Geleit zugesagt und ihm 
versichert, dass die Gemeinde schon viel ruhiger über die Sache 
denke (Interlocuti [Rostoxenses] etiam cum principe optimam 
spem future rei dabant promittentes commune suum jam meliori 

consilio adquievisse Responderunt omnia esse pacifica 

rogantes, ut principes non faciles aures haberent ad vanos 
rumores de contrariis)*). 

Von dem Aufruhr, zu dem es in Folge der Einweihuivg der 
Domstiftung kam, erzählt Krantz XIV, 9. Nach seinem Berichte 
verliessen beide Herzöge erst nach dem Ausbruch des Aufruhrs 
am Sonntag den 14. Januar flüchtig die Stadt (Die Dominico, 
quum .... duces . . . abire pararent) und weiter unten: (Prin- 
cipes audito tumultu exire properabant) ; aber allen anderen 
Nachrichten zufolge hatte Balthasar bereits tags zuvor die Stadt 
verlassen «). 

Des Vermittlungsversuches, den die Städte trotz des Eintritts 
dieser Krisis unternahmen, erwähnt die Wandalia XIV, 10. Aber 
die betreffende Stelle (Lubicenses nihil, quod sui esset officii, inter- 
misere, mittentes nuncium ad principes, qui placidis verbis moUiret 
justas iras) verleitet zu der falschen Anschauung, dass die Lübecker 
auf eigene Faust einen Boten an die Herzöge gesandt hätten, wäh- 
rend vielmehr ein solches Vorgehen von den Städten gemein- 
schaftlich beschlossen worden war^). In dieser falschen Anschauung 
wird man bestärkt durch den im nächsten (11.) Kapitel der Wan- 
dalia folgenden Satz: »jam caeterae civitates in castra mittebant 
oratores, causam controversiae coeperunt contrectare« , der 
doch nur den Sinn haben kann: »Nun mischten sich auch die 
anderen Städte ein«. Aber auch abgesehen von jener Botschaft 
ist dieses »coeperunt« anstössig; denn die betreffende Stelle be- 
zieht sich auf die Zeit der Belagerung Rostocks durch die 
Fürsten, während doch schon lange vor Ausbruch des offenen 
Kampfes, der ja erst 1487 fallt, die wendischen Städte sich 



i) Vgl. auch Reimchronik über die Rostocker Händel Z. 137 — 146. 

a) Vgl. Rostocker Veide S. i: An dem Sonnavendt dar nha reth 
hertoch Baltazar mit sinen prelatenn vann dar, wente he vornam dit 
snrrenth. 

3) H.-R. 2, Nr. 981 Stralsund freilich war, wie sich aus diesem Schrei- 
ben ergiebt, bei diesem Beschlüsse nicht betheiligt gewesen. 



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— 8o — 

ausserordentlich lebhaft der Rostocker Händel angenommen und 
sogar die von Krantz selbst, freilich erst nachträglich (XIV, 14), 
erwähnten Wilsnacker Verhandlungen vorher, im Jahre i486, 
stattgefunden hatten. Auffällig ist ferner, dass unser Autor 
gerade von diesem Versuch, den Streit zu schlichten, berichtet 
und als Resultat angiebt: »Sed tum civitatum oratores frustra 
abierunt« , ohne hinzuzufügen , dass kurz darauf eine neue Ge- ^ 
sandtschaft, an der er wiederum selbst betheiligt war, wenigstens 
den Erfolg hatte, dass Waffenstillstand geschlossen wurde»). In 
Bezug auf den Ausbruch des offenen Kampfes mag noch er- 
wähnt werden, dass Krantz XIV, 1 1 nur den Herzog Bugislaw X. 
von Pommern als Bundesgenossen der Herzöge nennt, während 
ausserdem auch Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg, Herzog 
Heinrich der Aeltere von Braunschweig-Wolfenbtittel und der 
Graf von Ruppin am Kampf theilnahmen »). 

Endlich finden sich verschiedene Unrichtigkeiten in dem, 
was Krantz XIV, 17 über die Bedingungen des im Jahre 1491 
abgeschlossenen Vergleichs angiebt (In quintum annum extracto 
hello . . . tandem . . . terminatur . . . . Ea vero lege componitur, ut 
collegio in suo statu permanente aliquot milia principibus darentur ; 
pulsi e statu reciperentur et cum iis, qui in novum erant allecti 
concilium, considerent). Zunächst übergeht er die Abtretung der 
zwei Dörfer Fahrenholz und Nienhusen, über die man sich zu Wismar 
einigte^) ; ferner verschweigt er ausser der minder wichtigen erneuten 
Eidesleistung die Demüthigung der Bürgermeister und Rathsherren 
vor den Herzögen, die ebenfalls zu Wismar beschlossen wurde ^) 



i) Rostocker Veide S. 6 f . ; H.-R. 2, Nr. 200 § i. Von Waflfen- 
stillständen wird in der Wandalia nur XIV, 11 a, E. ganz im allgemeinen 
gesprochen : »saepe deinde treugae, renovata bella extraxerunt aliquot annos«. 

3) H.-R,. 2, Nr. 199 § 5 ; Rostocker Veide S. 5. 

3) H.-R. 2, Nr. 364: dar to twe dorppe, benomliken Nyenhusen unde 
Warmholt, wo de mit erer tobehoringe an allen eren enden (unde) scheden 
belegen unde tegrepen zindt etc. 

4) Item scholen de upgenanten borgermeister unde raitmanne mit den 
borgeren vor deme d6re vor der Stadt den genanten heren ein demotige bede mit 
enem knS up de erden roren(de) d6n, sick otmodigen gnade to bidden, so 
se eren gnaden entegen ged&n hebben, van allen mishegelicheiden , umme 
Codes willen ene dat tho vorgeven. 



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— 8i — 

und, wie aus einem Briefe Rostocks an Lübeck hervorgeht ^)^ 
auch wirklich (1491 Juni 11) stattfand. Wenn er dagegen eine 
solche Demüthigung einige Jahre später eintreten lässt, nachdem 
über eine von den Rostockern eigenmächtig eingeführte Accise 
und über die Landgüter Rostocker Bürger neue Streitigkeiten 
entstanden waren, im Verlauf derer die Stadt den Herzögen, 
als sie Rostock betreten wollten, die Thore verschloss (Wandalia 
XIV, 19: »eo res rediit, ut constituto die urbem egressi primores 
senatus cum civibus projecti ad pedes principum veniam pre- 
carentur«), so wird wohl bei der Unwahrscheinlichkeit der An- 
nahme, dass damals eine solche Demüthigung wiederum statt- 
gefunden habe"), die Meinung gerechtfertigt sein, dass Abbitte 
und Fussfall von Krantz in eine falsche Zeit verlegt sind. End- 
lich giebt die Wandalia unter den Bedingungen des Friedens 
mit an: »[ut] pulsi e statu reciperentur et cum iis , qui in 
novum erant allecti concilium, considerent«. Davon aber sagt der 
Vergleich 3) nichts. Vielmehr war bereits, als die Streitigkeiten 
zwischen der Stadt und den Herzögen noch fortdauerten, am 
17. Dez. 1490 auf dem wendischen Städtetage zu Lübeck ein 
Sühnevertrag zwischen dem alten und dem neuen Rath abge- 
schlossen und dabei bestimmt worden, dass nach Beendigung 
des Streites mit den Herzögen den alten Rathsherren das Ihre 
wieder erstattet und sie »in den raetstoel to Rosteke wedder 
ghesath werden« sollten^), — eine Abmachung, welche beim 
Friedensschluss , wo stets vom alten und neuen Rath geredet 
wird, vollkommen als feststehende Thatsache behandelt wird. 



i) H.-R. 2, Nr. 569. 

a) Traziger, Chronika der Stadt Hamburg, herausgegeben von Lappen- 
berg, S. 244, erzählt dasselbe, folgt aber nur Krantz' Berichte. 
3) H.-R. 2, Nr. 564. 
^) H.-R. 2, Nr. 425. 



Hansische Geschichtsblätter. XIV. 



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— 82 — 



2. Die Streitigkeiten zwischen Riga und 
dem Deutschen Orden. 

Der Deutsche Orden hatte mit der Geistlichkeit von Riga 
von jeher in Streit gelebt. Lange Zeit hatten die Bischöfe und 
Erzbischöfe dieser Stadt (Riga war Erzbisthum seit 1255) die 
Oberhoheit über den Deutschen Orden in Livland in Anspruch 
genommen ; denn ein Bischof von Riga, Albert, war es gewesen, 
der 1202 den Schwertritter-Orden ins Leben gerufen hatte, und 
dessen Rechte und Pflichten hatte der Deutsche Orden über- 
nommen, als jener in ihm aufging. Naturgemäss suchte der 
Orden dieses Abhängigkeitsverhältniss zu lösen, und in langen 
Kämpfen erreichte er dieses Ziel: 1366 musste der Erzbischof 
von Riga allen seinen Hoheitsrechten entsagen. Aber der Streit 
war damit keineswegs zu Ende. Denn der Orden war mit dem 
erlangten nicht zufrieden, sondern wollte mehr. Und wirklich 
setzte der Hochmeister Konrad von Jungingen es durch, dass 
Papst Bonifaz IX. (1389 — 1404) bestimmte, niemand solle im 
Rigischen Erzstift ein Kirchenamt erlangen, der nicht dem Deut- 
schen Orden angehöre (1394), und der Erzbichof selbst solle 
ein Bruder des Ordens sein (1397). Darüber brachen neue 
Kämpfe aus, in denen besonders auch die Kleidung der Rigischen 
Stiftsgeistlichkeit eine wichtige Rolle spielte. Der Orden ver- 
langte nämlich für dieselbe das weisse Gewand, dessen Farbe 
der Ordenstracht entsprach, während die Geistlichkeit die schwar- 
zen Kutten und Kappen tragen wollte, die früher, bis 1209, ihr 
Gewand gewesen waren. Den erwähnten päpstlichen Bestimmun- 
gen Gehorsam zu verschaffen, gelang dem Orden um so weniger, 
als Papst Martin V. (1417 — 1431) dieselben im Jahre 1426 
wieder aufhob. Johann Habundi, der von 14 18 — 1424, und 
Henning Scharfenberg, der von 1424 — 1448 auf dem erzbischöf- 
lichen Stuhl sass, gehörten dem Deutschen Orden nicht an. 
Dagegen wurde nach Henninngs Tode dank den eifrigen Be- 
mühungen des Ordens der Ordenskanzler und Kaplan des 



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- 83 - 

Hochmeisters, Sylvester Stodewäscher , Erzbischof von Riga 
(1448 — 1479). Nun schien die Stunde gekommen, die Stadt zu 
demüthigen, die bisher fast immer vereint mit ihrem Erzbischof 
und der Geistlichheit gegen die Ansprüche des Ordens ange- 
kämpft hatte. Wie schon einmal, im Jahre 1330, sollte sie wie- 
der gezwungen werden, den Deutschen Orden, ihren Feind, 
neben dem Erzbischof geradezu als Herrn anzuerkennen. Wirk- 
lich gestand Sylvester im Vertrage zu Kirchholm 1452 dem 
Orden die Mitherrschaft über Riga zu; aber da die Stadt davon 
nichts wissen wollte, benutzte der Erzbischof, der auch lieber 
allein, als mit dem Orden regieren wollte, diese Stimmung, um 
den Vertrag zu brechen. Der Orden, der in ihm nur sein Werk- 
zeug gesehen hatte, fand sich bitter getäuscht, und die alten 
Streitigkeiten begannen abermals und dauerten, obwohl gerade 
damals Livland durch die Russen heftig bedroht wurde, Jahr- 
zehnte fort. Trotz aller immer wieder aufgenommenen Ver- 
handlungen kam es 1479 — ^^ diesem Jahre starb Sylvester — 
zum offenen Kriege, und erst €491 wurde der Kampf beendet: 
Riga musste sich den Ansprüchen des Ordens fügen»). 

Krantz, welcher über diese Streitigkeiten, mit der Zeit Syl- 
vesters beginnend, berichtet (Wandalia XIII, 16, 41; XIV, 5, 15), 
war über die Ereignisse, von denen er zuerst erzählt, da sie 
vor seiner Zeit lagen, vielleicht weniger gut unterrichtet. Von 
den späteren Vorgängen aber musste er ganz genaue Kenntniss 
haben«). Denn die wendischen Städte, voran Lübeck, nahmen 
sich seit 1481 der livländischen Streitigkeiten eifrig an, und 
Krantz war (seit Michaelis i486), auf all' den zahlreichen Tagen 3), 
auf denen jene Dinge noch zur Sprache kamen, anwesend, 
wurde sogar (Ende 1490) selbst nach Livland gesandt, um dort 



*) Vgl. K. V. Schlözer, VcrfaU und Untergang der Hansa und des 
Deutschen Ordens in den Ostseeländern, Berlin 1853, S. 103 ff.; Bergmann, 
Magazin für Russlands Geschichte, Länder- und Völkerkunde Band i u. 2. 

a) Auch die Ereignisse der unmittelbar vor i486 liegenden Jahre 
mussten ihm bekannt sein ; jedenfalls kamen sie bei den späteren Hansetagen 
und auf seiner Gesandtschaftsreise oft genug zur Sprache. 

3) Hansetag zu Lübeck 1487 Mai 24 — Juni 20. ; Wendische Städte- 
tage zu Lübeck am 1488 Juli 28, 1489 März 12, 1490 Mai 24, Okt. 11 ; 
Verhandlungen zu Antwerpen 1491 Mai i. 

6* 



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~ 84 — 

die streitenden Parteien zu versöhnen*). Es ist demnach un- 
zweifelhaft, dass Krantz imstande sein musste, eine richtige 
Schilderung des Streites, mindestens in seiner letzten Periode, zu 
geben. Das hat er aber nicht gethan; wir finden vielmehr in 
seinem Bericht ganz dieselben Mängel, wie in dem,, was er über 
die Rostocker Domhändel überliefert hat. 

Was die Dürftigkeit in den Angaben unsers Historikers 
über die livländischen Streitigkeiten betrifft, so darf man ihm 
nach der Aufgabe, die er sich gestellt, allerdings nicht übel 
nehmen, dass er keine ausführliche Schilderung giebt und vieles 
nicht erwähnt, was für den Verlauf des Streites immerhin von 
Wichtigkeit war: wenn er z. B. XIII, ,i 6 nur sagt: »Per idem 
tempus — er hat vorher von den Kämpfen zwischen Mathias 
Corvinus und Kaiser Friedrich III. gesprochen — in Livonia ab 
fratribus ordinis Teutonicorum controversia excitatur archiepi- 
scopo Rigensi Silvestro« , ohne mit einem Worte anzudeuten, 
dass der Streit zwischen dem Orden und dem Erzbisthum Riga 
fast so alt war, wie dieses selbst; wenn er femer nicht alle die 
zahlreichen Verhandlungen aufführt, auf denen man die Streitig- 
keiten beizulegen suchte, oder wenn er manche nicht unwichtige 
kriegerische Ereignisse, wie den Sieg der Rigaer bei Dünamünde am 
2 2. März 1484*), ebenso mit Stillschweigen übergeht, wie z. B. 
die Kriegserklärung des Hochmeisters Hans von Tiefen an Riga 
vom 14. Juni 14902). Weniger entschuldbar ist es schon, dass 
Krantz XIV, 15 von den Bedingungen des endlich 1491 ab- 
geschlossenen Friedens^) nur zwei nennt (Reddita est ordini ärx 
Dunemunde; ipsa, quae in urbe fuit, renovanda non in arcis, 
sed domus formam praefinitam, accoepit in laudo consistentiam). 
Noch auffälliger aber ist die Dürftigkeit der Wandalia in anderen 
Fällen. So berührt Krantz erst ganz am Schluss seiner Dar- 
stellung der livländischen Streitigkeiten (XIV, 15) die Einmischung 
der wendischen Städte: »miserant tum Wandalicae urbes oratorem 



i) H.-R. 2, Nr. 409—". 414, 514 § 17; 515 §• 28. 
3) H.-R, I, Nr. 533; Chronicon Sclavicum S. 360. 

3) Monumenta Livoniae antiqua IV. p. CCXLII Nr. 137. 

4) Die sogenannte wollmarsche Afspröke , Arndt, Liefl. Chron. 2, 
167—173- 



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- 85 - 

in eam provinciam« ^). Gemeint ist die Sendung Krantz' selbst 
vom Jahre 1490«). Aber die wendischen Städte und mit ihnen 
Danzig hatten sich schon seit vielen Jahren mit der livländischen 
Angelegenheit befasst; bereits auf dem wendischen Städtetage zu 
Lübeck am 16. Sept. 1481 kam sie zur Sprache 3) und blieb 
seitdem auf der Tagesordnung; immer und immer wieder such- 
ten die Städte zu vermitteln, wandten sich brieflich an die Strei- 
tenden und erboten sich schon lange vor 1490, eine Gesandt- 
schaft nach Livland zu schicken^) und auf einem abzuhaltenden 
Tage die Vermittlerrolle zu übernehmen 5). Von alledem be- 
richtet uns Krantz kein Wort^). 

Auch von der doch immerhin sehr wichtigen Einmischung der 
Schweden sagt er nichts. Riga rief, nachdem schon Erzbischof 
Sylvester und sein Erzstift 1477 ein Bündniss mit dem Erz- 
bischof von Upsala, dem Bischof von Strengnäs und anderen 
schwedischen Herren geschlossen hatte ^), im Jahre 1485 von 
neuem Schwedens Hilfe an^), und am 24. Dez. desselben Jahres 
kam zu Riga zwischen Kapitel und Ritterschaft des Erzstiftes 
und der Stadt Riga einerseits und den genannten Kirchenfürsten, 
dem schwedischen Reichsvorsteher Sten Sture und dem ganzen 
geistlichen und weltlichen Reichsrath andererseits ein Bünd- 
niss gegen den Orden in Livland zu stände^). Die Schweden 
unterstützten nun einige Jahre hindurch die Stadt mit Hilfs- 
truppen und mischten sich auch, wie sie dies übrigens vor dem 
Abschluss des Bündnisses schon gleichfalls gethan, in die Ver- 



i) Vorher wird nur Lübeck einmal erwähnt (XIII, 41), und zwar bei 
der Erzählung von der Schleifung der Burg von Riga : »cives arcem demo- 
liuntur ; ex lapidibus lateribusque mittunt Lubicam pro gratulatione«. 

a) H.-R. 2, Nr. 409 ff. 

3) H.-R. I, Nr. 334 §§ 3-7, 15- 

4) Vgl. z. B. H.-R. I, Nr. 482 § 10; 489; 2, Nr. 13—15; 18. 

5) Vgl. H.-R. 2, Nr. 241, 244 ff. 

6) Die wiederholt unternommenen Vermittelungsversuche der Bischöfe 
von Kurland , Oesel und Dorpat , sowie anderer geistlicher und weltlicher 
Herren erwähnt er an zwei Stellen (XIII, 41 und XXV, 15). 

< 7) Index corporis historico-diplonmtici Livoniae , Esthoniae , Curoniae 
II, Nr. 2127. 

8) H.-R. 2, Nr. 4. Ind. corp. II, Nr. 2228. 

9) Urkunde im Reichsarchiv zu Stockholm; vgl. H.-R. 2, S. 11 Anm 4. 



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— 86 — 

Handlungen ein»). Krantz hat für diesen Bund mit Schweden 
kein Wort; ja XIV, 5, wo er von dem nach den Verhandlungen 
vom Juli und August 1484 erfolgten Wiederausbruch des Krie- 
ges im Jahre 1485 handelt»), sagt er sogar: »Quid faceret civi- 
tas, quae cum capitulo sola manebat?«, während gerade damals 
die Unterhandlungen mit den Schweden, die zum Abschluss des 
Bündnisses führten, begannen. 

Im Verschweigen und Uebergehen der zahlreichen Ver- 
handlungen und Vermittlungsversuche zur Beilegung der Streitig- 
keiten geht Krantz ebenfalls zu weit. Nachdem er XIII, 41 
über die Verhandlungen vom Juli und August 1484 3) berichtet 
hat, fahrt er XTV, 5, wo er den Bericht über die livländischen 
Händel wieder aufnimmt, folgendermassen fort: »Bellum vero, 
quod tum in Livonia conquievit, non sunt diu passi jacere fratres 
Teutonici ordinis, quod arcibus et prediis suis spoliati deteriorem 
fovere conditionem viderentur. Audito ergo, quod suus, quem 
voluere, archiepiscopus prosperaretur, bellum renovare conantur: 
presertim jam aucti viribus tantis, quod dioecesis Rigensis plena 
militaribus viris, qui hactenus ecclesie inservierint contra ordi- 
nem, nunc essent illis accessuri. Quid faceret civitas, quae cum 
capitulo sola manebat? Jam enim postulatus rem infiniti sumptus 
et laboris posthabuit. Defensionis finibus constiterat civitas jam 
arbitrata ad plenam libertatem pervenisse sublatis duabus ar- 
cibus, quarum altera ad portum in Dunemunde, altera in ipsa 
urbe constituta sepe, quod noUent videre, faciebant. Varie diu 
conflictatum est : sed cives intra urbem se continuere usi ex com- 
modo navigatione. Ordo autem, ut aditum maris navigaturis 



x) H.-R. 2, Nr. 319, 321 , 413 ; A. W. Hupel, Neue Nordische Mis- 
cellaneen St. 3 und 4, S. 259 ff. und S. 709 ff. 

3) Dass Krantz hier wirklich von dieser Zeit und nicht von der Wie- 
dererneuerung der Streitigkeiten im Jahre 1488 nach den Verhandlungen von 
i486 spricht, geht einmal daraus hervor, dass er XIII, 41 , an welches Ka- 
pitel XIV, 5 anknüpft, mit dem Bericht über die erwähnten Friedensverhand- 
lungen des Jahres 1484 schliesst; sodann aus den Worten: »audito ergo, 
quod suus, quem voluere, archiepiscopus prosperaretur«, die nur auf diese 
Zeit passen. 

3) Die betreffende Urkunde in den Neuen Nord. Mise. St. 3 und 4, 
S. 668 ff.; vgl. auch H.-R. i, Nr. 601 §48; 603. 



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- 87 - 

interciperet , infra arcem Dunemunde ad eandem fluminis ripam 
communivit presidium ex suppositis invicem roboribus (trabalem 
vocant domum) eaque pro arce sunt usi ad frenandam liber- 
tatem enavigandi; sed parum profecit; eo enim presidio non 
obstante preternavigavere, qui volebant*)«. Er erwähnt dann noch 
kurz, dass sich der Krieg noch Jahre lang hinzog, und berichtet 
XIV, 15 beiläufig, dass Michael Hildebrand — derselbe wurde 
nach dem Tode Stephans von Gruben vom Ordensmeister zum 
Erzbischof von Riga vorgeschlagen und von Sixtus IV. bestätigt ; 
das Kapitel dagegen postulirte Heinrich von Schwarzburg, der 
später, nachdem er schon angenommen hatte, wieder verzich- 
tete — das Erzbisthum erlangte und vergeblich den Streit bei- 
zulegen suchte. Das ist alles, was uns Krantz von den Ereig- 
nissen der Jahre 1484 bis Ende 1489 mittheilt! Er übergeht 
also, von minder wichtigen Verhandlungen abgesehen, völlig 
den ewigen Frieden, der nach der Anerkennung Michael Hilde- 
brands von Seiten Rigas*) am 2. Mai i486 zwischen den beiden 
Parteien abgeschlossen wurde 3), der unzweifelhaft viel wichtiger 
war, als die von ihm berichteten Verhandlungen von 1484, welche 
über die wichtige Frage, wer Erzbischof sein solle, noch gar keine 
Entscheidung gebracht hatten. Nach seiner Darstellung zu Anfang 
von XIV, 5 (Bellum vero, quod tum in Livonia conquievit, non 
sunt passi diu jacere fratres Teutonici ordinis) muss man also 
annehmen, dass der kurz nach 1484 wieder ausgebrochene Krieg 
ohne Unterbrechung fortgedauert habe, während doch der i486 
abgesschlossene »ewige« Friede in den Streitigkeiten einen der 
wichtigsten Einschnitte macht und wirklich auf zwei Jahre Ruhe 



x) Von diesem Versuch des Ordens, die Dünamündung zu sperren, ist 
sonst nichts bekannt. Wir kennen von solchen Versuchen nur den von 
Krantz übergangenen von 1484 (H.-R. i, Nr. 530) , der zu dem schon er- 
wähnten Kampf bei Dünamünde (1484 MKrz 22) führte , und den von 1490 
oder frühestens Ende 1489 (H.-R. 2, Nr. 349), welchen er Wandalia XIV, 15 
erwähnt. Trotz der nicht unerheblichen Abweichungen ist es wohl möglich 
dass Krantz an der oben mitgetheilten Stelle dasselbe Ereigniss (von 1490, resp. 
Ende 1489) meint, das er XIV, 15 behandelt. 

*) Neue Nord. Mise. St. 3 und 4, S. 690 ff. 
. 3) Das Friedensinstrument in den N. Nord. Mise. a. a. O. S. 701 ff. ; 
vgl. auch H.-R. 2, Nr. 160 §§ 232 f., 251 ff. 



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— 88 — 

schaffte. — Damit hängt zusammen, dass Krantz, der überhaupt 
das wichtige Eingreifen Roms') fast ganz unberücksichtigt 
lässt, auch darüber vollkommen schweigt, dass nach dem Frie- 
den von i486 Papst Innocens VIII., dessen Vorgänger Sixtus IV. 
einst sehr scharf gegen den Ordensmeister Bernhard von der Borch 
eingeschritten war, der Stadt Riga bei Strafe des Bannes befahl, 
trotz des Friedens dem Orden alles, was sie ihm entzogen hatte, 
zurückzugeben, die zerstörten Schlösser wieder aufzubauen etc., 
und dass die Stadt, da sie diesem Befehle nicht gehorchte, in den 
Bann gethan wurde (1487 Juli 28)»), nur mit Mühe dem Interdict 
entging und erst 1489 vom Bann wieder losgesprochen wurde 3). 
Direkte Unrichtigkeiten lassen sich Krantz hier nicht nach- 
weisen, wohl aber mehrfach irreführende Ungenauigkeiten. So 
erzählt er XIII, 16, nach dem Tode des Erzbischofs Sylvester 
(1479 J^^^ ^2) sei vom Kapitel ein Nachfolger fiir ihn gewählt 
worden; vom Papst aber sei ein »vir primarius et doctus in 
urbe Roma, ordinis dicti procurator« — gemeint ist Stephan von 
Gruben — mit dem Erzbisthum betraut worden, und damit sei 
dann Rigas Geistlichkeit sowohl, wie der Orden zufrieden gewesen 
(non repugnantibus utrinque partibus tam ecclesie, quam ordinis, 
quod sperarent ambe , suum in eo praelatum invenire ; nam habuit 
ecclesia nonnuUos in urbe Roma, qui auribus novi archiepiscopi 
rem omnem detegerent ; ut facile fiderent, qui pro ecclesia stabant 
illum ecclesie non defuturum et cum esset ordinis in urbe pro- 
curator, illi quoque commendatus erat, ut bene de illo speraret. 
Utrisque ergo visus est idoneus , qui pacem rebus daret). In 
Wirklichkeit fügte sich allerdings Riga dem päpstlichen Befehl, 
aber keineswegs der Orden. Vor allem war der livländische 
Ordensmeister Bernhard von der Borch der erbittertste Gegner 
Stephans; er erkannte, solange er sein Amt behielt, Stephan 
nie als Erzbischof an, sondern bekämpfte ihn auf alle Weise und 



i) Vgl. besonders die Bulle Sixtus IV, vom 11. Dezember 1481; Ind. 
corp. II, Nr. 2160. 

3) Ind. corp. II, Nr. 2238; vgl. H.-R. 2, Nr. 238. 

3) »Fragmente zur Gesch. Lieflands u. s. w. aus einer noch un- 
bekannten Handschrift« in den Nord. Mise. St. 26, S. 235 f. 



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- 89 - 

zog sich dadurch sogar den Bann zu ^). Auch der Hochmeister^ 
der freilich mit dem Vorgehen des Ordensmeisters durchaus 
nicht einverstanden war 2), war ungünstig gegen Stephan ge- 
stimmt"*). Nach dem Tode Stephans (1483) postulirte Riga, wie 
schon oben erwähnt, den Grafen Heinrich von Schwarzburg, 
den Bruder des Bischofs Heinrich von Mtinster, zum Erzbischof*) ; 
der Hochmeister schlug zuerst seinen Kaplan Nikolaus Creuder 
vor 5), erklärte sich aber dann mit der Einsetzung des Michael 
Hildebrand einverstanden, für den sich der Ordensmeister Freitag 
von Loringhoven verwandte ^) ; dieser erhielt auch wirklich das 
Erzbisthum. Dass Krantz den Nikolaus Creuder nicht erwähnt, 
ist nicht auffällig. In Bezug auf Heinrich von Schwarzburg er- 
zählt er: »Ille — Heinrich — dum secum deliberat, quod difficile 
«sset in longinquam provinciam ire ad bellum gravissimum, rem 
et laboris et sumptus infiniti, non prompte est assensus. Interea 
. . . ordo quendam ex suis asseclis, dominum Michaelem . . . 
commendatitiis principum literis mittit in urbem; qui, quod 
nemo veniret, qui electionem praeferret, tamquam de vacante 
ecclesia provisionem accepit«. Das klingt^ als sei damit die Kan- 
didatur Heinrichs abgethan gewesen. Dem war aber nicht so. 
Vielmehr nahm Heinrich, wie er dies der Stadt Lübeck am 
4. Juni 1484 berichtete 7), die Postulation an und verzichtete erst 



i) Ind. corp. II, Nr. 2145, 2148, 2 161; ferner die päpstliche BuUe 
vom 31. Juni 1482 in den N. Nord. Mise. St. 3 u. 4, S. 660 ff. Vgl. auch 
■das Schreiben des Papstes an Kaiser Friedrich III. vom 2$. Mai 1482 (N. 
Nord. Mise. St. 3 u. 4, S. 656 ff., in dem er den Kaiser ermahnt, Bernhard 
von der Borchj, den er (der Kaiser) mit der Stadt Riga sammt anderen Be- 
sitzungen beschenkt hat, nicht mehr zu unterstützen, sondern die Schenkung 
zu widerrufen und sich der Rigischen Kirche gegen Bernhard anzunehmen. 

a) Vgl. Ind. corp. II, Nr. 2168. • 

3) Vgl. Ind. corp. II, Nr. 2187. 

4) H.-R. I, Nr. 531 , 582 § 55 mit Anm. 3 ; S. 550 Anm. i. Ind. 
corp. II, Nr. 2216, 2217. 

5) Ind. corp. II, Nr. 221 1. 

6) Ind. corp. II, Nr. 2222, 2223. 

7) Wöchentliche Rostocker Nachrichten 1758, S. 30; vgl, auch Frag- 
mente u. s. w. in den Nord. Mise. St. 26, S. 204. Von demselben Tage ist 
zufällig die päpstliche Bestätigungsbulle für Michael Hildebrand datirt , vgl. 
Cod. dipl. regni Pol. Tom. V, Nr. LXXXIX S. 159. 



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— 90 — 

später, weil verschiedene Bedingungen, die er nachträglich stellte, 
von Riga nicht angenommen wurden'). Nachdem erzählt wor- 
den ist, dass Michael in Rom bestätigt wurde, heisst es pCIII, 41) 
weiter: »Objecerunt se quidam in urbe, sed sine viribus, sine 
nervis ad causas in urbe agendas«. Danach muss man annehmen, 
Michael habe, nachdem er einmal vom Papst bestätigt war, in 
Riga nur einen ganz schwachen Widerstand gefunden. In Wirk- 
lichkeit aber hielt Riga an seinem Kandidaten hartnäckig fest»); 
selbst als dieser verzichtete, fügte es sich nicht, sondern wollte 
zur Wahl eines andern Erzbischofs in der Person des bisherigen 
Propstes Heinrich Hilgenfeld schreiten, und nach den »Frag- 
menten zur Geschichte Livlands« ^) hat die Wahl am Michaelis- 
tage 1485 auch wirklich stattgefunden. Erst am 2. März i486 
kam ein Vergleich zustande, in dem auch Riga den Erzbischof 
anerkannte^). 



3. Die hansisch-englischen Verhältnisse. 

Schon um die Wende des i. und 2. Jahrtausends gelang 
es dem deutschen Handel, sich in England bestimmte Rechte 
zu verschaffen. Damals war es Köln, das sich die grössten Ver- 
dienste erwarb ; ihm mussten sich die anderen deutschen Städte, 
die dieselben Freiheiten gemessen wollten, unterordnen. Aber 
im 13. Jahrhundert begann Lübeck an der Spitze der Ostsee- 
städte mit ihm zu wetteifern, und nach kurzer Zeit war Köln 
in den Hintergrund gedrängt. Die Macht der Hansen und ihre 
Privilegien in England, wie anderwärts, wuchsen immer mehr. 
Am I. Februar 1303 gewährte Eduard I. (1272 — 1307) in der 
Charta mercatoria volle Handelsfreiheit in England. Allerdings 



») Nord. Mise. St. 26» S. 212, 215. 
a) H.-R. I, S. 550 Anm. i. 

3) A. a. O. S. 218; vgl. Ind. corp. II, Nr. 2235. 

4) Neue Nord. Mise. St. 3 u. 4, S. 690 ff. 



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— 91 — 

ward dieselbe den Hansen nicht allein bewilligt, sondern ebenso 
allen anderen fremden Kaufleuten ; aber jene allein wussten sich 
die gewährten Rechte durch mehr als zwei Jahrhunderte zu er- 
halten. Freilich gelang ihnen dies nicht mühelos; vielmehr be- 
gannen sehr bald, schon im 14. Jahrhundert, die Versuche Eng- 
lands, die Privilegien der Hansen zu verkürzen. Schon 1377 
wurden ihnen dieselben durch Parlamentsbeschluss aberkannt, 
und erst 4 Jahre später erhielten sie sie zurück. Von dieser 
Zeit an hörte der Kampf um die Vorrechte der Deutschen nicht 
mehr auf. Die englischen Kaufleute, die im hansischen Gebiete 
nicht gleiche Rechte genossen, wie die Hansen in England, und 
sich ausserdem durch den lebhaften Zwischenhandel der Deut- 
schen zwischen England und den Niederlanden beeinträchtigt 
sahen, stritten unablässig gegen ihre Rivalen, und König und 
Parlament konnten » ihre Klagen nicht unberücksichtigt lassen. 
Noch einmal freilich wurden im Utrechter Frieden 1473, der durch 
Eduard IV. 1474 ratificirt wurde, alle Rechte der Hansen an- 
erkannt; aber auch dadurch konnte der Zusammenbruch ihrer 
Macht nur verzögert, nicht verhindert werden. Bald klagte der 
deutsche Kaufmann in London wieder über Verletzung seiner 
Rechte, und die feindselige Gesinnung der Engländer wuchs, als 
in dem dänisch -englischen Kaperkriege während der ersten Re- 
gierungsjahre Heinrichs VII. (1485 — 1509) die Engländer durch 
Deutsche, die zwar in dänischen Diensten standen, von jenen 
aber ohne weiteres als Hansen betrachtet wurden, so manchen 
Schaden zur See erlitten, für den sie dann wieder an hansischen 
Schiffen und Gütern Repressalien nahmen. Beide Theile be- 
schuldigten sich demnach der Beraubung, und die Hansen hatten 
noch ausserdem fortdauernd über Privilegien- Verletzung zu klagen. 
Es wurden nun wiederholt Tage abgehalten, um über die strei. 
tigen Punkte zu entscheiden und ein friedlicheres Verhältniss 
herzustellen. Das Ergebniss dieser Verhandlungen, soweit die- 
selben hier in Betracht kommen, war stets das gleiche : die end- 
gültige Entscheidung wurde auf eine spätere Zeit verschoben. 

Auch über diese Angelegenheiten war Krantz sehr gut unter- 
richtet. An den Antwerpener Verhandlungen vom i. Mai bis 28. Juni 
1491 nahm er noch als Syndikus von Lübeck theil; schon hier 
war er, obwohl auch der Lübecker Bürgermeister Hermann von 



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— 92 — 

Wickede gegenwärtig war, der Wortführer und das geistige Haupt 
der Gesandten der Hansa 0- Nicht lange danach siedelte er nach 
Hamburg über; aber auch bei den Verhandluiigen vom 28. Juni 
bis 4. Juli 1497, die ebenfalls in Antwerpen stattfanden, war er 
der Vertreter der Hansestädte, und ausser ihm nahmen, abge- 
sehen von einigen hansischen Kaufleuten aus Brügge und Lon- 
don, nur noch drei Kölner Gesandte an den Besprechungen 
teil»). Als dann 1498 auf dem Hansetage zu Lübeck über eine 
neue, mit den englischen Gesandten abzuhaltende Tagfahrt be- 
rathen ward, wurde der Beschluss gefasst: »derhalven an den 
werdigen heren meister Alberde Crantz doctor domheren to 
Hamborch etc. to schrivende, ene fruntliken biddende de reyse 
raitsempt etliken anderen antonemende unde sick der gemey- 
nen anzestedere wegen darmete to belastende« 3). Krantz nahm 
den Auftrag an und ging mit dem Lübecker Syndikus Mathäus 
Pakebusch 1499 nach Brügge, wo ausser ihm noch je drei 
Vertreter von Köln, Danzig, Brügge und London an den Ver- 
handlungen vom 13. Juni bis 20. Juli t heilnahmen*). Als in 
Brügge von den hansischen Gesandten beschlossen wurde, einen 
Brief an den König von England zu richten mit der Bitte, ihre 



i) H.-R. 2, Nr. 496 §§ 16, 47, 65, 131, 137, 149, 160, 166, 175, 
191, 234. 

2) Recess in den Stadtarchiven zu Köln und Kampen: »Eadem fere 
hora reversus ex Frantia dominus Albertus Krantz theologie et decretorum 
doctor nuntius et orator civitatum Wandalicarum, urbis Coloniensis oratoribus 
domino Johanni Vastrard legum doctori, Johanni Ring et Arnolde Wester- 
barch consulibus se conjunxit«. Herr Professor Schäfer, dem ich dafür zum 
grössten Danke verpflichtet bin , war so gütig , mir das für die Herausgabe 
des 3. Bandes der Hanse-Recesse gesammelte Material für die vorliegende 
Arbeit zur Verfügung zu stellen. Ein genaueres Citiren war, da der Band 
noch nicht erschienen ist, natürlich unmöglich. 

3) Recess des Lübecker Hansetags von 1498 in den Stadtarchiven zu 
Bremen, Stralsund, Köln, Goslar, Reval, Danzig. 

4) Brügger Recess in den Stadtarchiven zu Köln , Danzig , Kampen : 
«Anno salutis 1499 ad primam Junii Brugis comparituri cum Anglie regis 
oratoribus inibi tractaturi nomine tocius anze Teutonice deputati Albertus 
Crantzs theologie ac decretorum, Matheus Pakebusch legum doctores Ant- 
werpiam pervenerant . . . et . . . substiterunt eo loco, donec adesse Anglicos 
Brugis intellegerent«. 



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— 93 — 

Privilegien gegen die Parlaments- Akten zu schützen, war es 
Krantz, der diesen Brief abzufassen ersucht wurde'). Damit ist 
wohl erwiesen, dass Krantz über die Händel der Hansen mit 
England sehr genau unterrichtet sein musste*). Ueber die Ant- 
werpener Verhandlungen von 1491 berichtet die Wandalia 
XIV, 16 Folgendes: »Erat jam annus XCI post mille qua- 
drigentos , quum inter Anglicos et oratores urbium consulares de 
Lubica, Hamburg©, Colonia, Gdano omnium de communione 
Hansae Theutonicae nominibus ageretur in Antwerpia. Venerant 
eo Lubicenses et Hamburgenses, ut voluere, mercatores magno 
apparatu et sumptu usi jumentis supra L. Tractavere cum An- 
glicis fere per mensem, quum ante etiam totum ibi mensem, ante 
adventum Anglicorum, ociosi contrivissent. Sed nihil tum potuit 
concludi, quod paria paribus semper Anglici referrent atque ob- 
jicerent. Damna sunt irrogata post initam pacem nostris ab 
Anglicis in rnari. Rejecerunt illis damna, quae accepissent An- 
glici a Danis : nee fuit constantia reluctari, quum ea res de more 
conjicitur«. Was zunächt die Aufzählung der auf dem Tage 
vertretenen Städte betrifft, so fehlen Münster und Deventer, 
Deputirt waren eigentlich die Städte Lübeck, Köln, Bremen, 
Hamburg, Danzig, Münster und Dortmund^). Dortmund aber*) 
und Bremen 5) blieben aus. Dagegen erschienen am* 5. Mai Ge- 
sandte von Münster^), die ausser ihrer Heimathsstadt noch 
Minden vertraten 7), und schon vorher waren auch von Deventer 
Gesandte erschienen^) die auch von Zwolle, Kampen und Gro- 
ningen bevollmächtigt waren ^). Allerdings verliessen diese Raths- 



i) Rogatus Albertus conclpere non recusat. 

9) Der Irrthum von Schanz , Engl. Handelspolitik gegen Ende des 
Mittelalters i , S. 190, dass Krantz auch 1494 Verhandlungen mit den Eng- 
ländern geführt habe, ist von Schäfer in seiner Recension dieses Buchs 
(Jahrb. für Nationalökonomie u. Stat. N. F. 7, S. 112 f.) berichtigt worden. 

3) H.-R. 2, Nr. 496 § I. 

4) H.-R. 2, Nr. 515, §§ 15, 79. 

5) H.-R. 2, Nr. 514, §§ 17, 28. 

6) H.-R. 2, Nr. 496 §§ 33. 34- 

7) H.-R. 2, Nr. 496 § 40. 

8) H.-R. 2, Nr. 496 § 16. 

9) H.-R. 2, Nr. 496 § 40. 



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— 94 — 

sendeboten Münsters und Deventers Antwerpen bereits vor Schluss 
der Verhandlungen, die ersteren am 22. Juni»), die letzteren 
zwei Tage später *) ; aber da sie bis dahin an den Verhandlungen 
theilgenommen hatten und diese nach ihrem Weggang nur noch 
kurze Zeit, bis zum 28. Juni, fortdauerten 3) , so war kein Grund 
vorhanden, ihre Anwesenheit mit Stillschweigen zu tibergehen. — 
Wenigstens erwähnt mag werden, dass Krantz sowohl bei diesen 
Verhandlungen, wie bei denen von 1497 und 1499, auch der 
Gegenwart einiger Vertreter des Brügger und des Londoner 
Komptoirs nicht gedenkt. 

Mindestens ungenau sind die Worte: »Sed nihil tum potuit 
concludi«. Es wurden in Antwerpen zuletzt doch gewisse Ar- 
tikel) vereinbart und ausgewechselt 5); bis zum 8. Dezem- 
ber sollten beide Theile darüber berichten, ob diese Artikel 
ratificirt worden seien oder nicht, und bis zum i. Mai 1492, 
wo ein neuer Tag abgehalten werden sollte, um das begonnene 
Werk zu vollenden, sollten alle Streitigkeiten ruhen ^); auch soll- 
ten die Bestimmungen des Utrechter Friedens durchaus in Gültig- 
keit bleiben 7). Die Städte hielten Wort und sandten rechtzeitig 
ihren Bescheid zur Auswechselung gegen den des Königs nach 
Antwerpen 8) ; von diesem aber traf daselbst kein Schreiben ein^) ; 
die Städte deuteten jedoch solches Schweigen als Zustimmung 
zu den Antwerpener Beschlüssen^''). So blieb denn die Tagfahrt 
zu Antwerpen, auf der doch immerhin eine Reihe von Be- 
schlüssen gefasst und den Parteien zur Bestätigung mit heim- 
gegeben wurde, nur durch die Schuld des englischen Königs 
ohne rechtes Ergebniss. 



H.-R. 2, Nr. 496 § 271. 
a) H.-R. 2, Nr. 496 § 281. 

3) H.-R. 2, Nr. 496 § 298. 

4) H.-R».2, Nr. 497. 

5) H.-R. 2, Nr. 496 § 298. 

6) H.-R. 2, Nr. 498 § 6. 

7) H..R. 2, Nr. 498 § i; vgl. auch §§ 2-5, 9. 

8) H.-R. 2, Nr. 547. 

9) H..R. 2, Nr. 550, 551. 

»o) Brief der wendischen Städte an den König von England von 1492, 
ohne Datum, St.-A. zu Lübeck. 



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— 95 — 

Der neue Tag, den man am i. Mai 1492 hatte abhalten 
wollen , wurde auf Veranlassung theils der Hansen , theils des 
englischen Königs von Jahr zu Jahr verschoben. Auch nach- 
dem man endlich übereingekommen war, die Verhandlungen 
am I.Juni 1497 wiedjer aufzunehmen*), bat der König in einem 
Schreiben vom 29. November 1496 wegen des Krieges mit 
Schottland um abermalige Verlegung der Tagfahrt. Die zu Lübeck 
versammelten Rathssendeboten der wendischen Städte antworteten 
darauf am 13. Januar 1497, dass sie nur sehr ungern darein willig- 
ten, und baten den König, zum i. Juni wenigstens eine kleine 
Gesandtschaft (»non magno numero nee apparatu gravi«) nach 
Antwerpen zu schicken, die dort mit einer gleichen Gesandtschaft 
der Hansen über die seit dem letzten Tage erhobenen Klagen 
verhandeln sollte, damit der Grund für weitere Verhandlungen 
gelegt und vielleicht auch aller Zwiespalt beigelegt werde. 
Darauf ging der König ein =*), und so kam es denn zu den Ant- 
werpener Verhandlungen des Jahres 1497. Wo Krantz über 
dieselben berichtet (Wandalia XIV, 21), sagt er von alledem 
kein Wort, erwähnt er vor allem nichts davon, dass diese Be- 
sprechungen von vornherein einen mehr provisorischen Charakter 
tragen sollten. Hier zeigt sich also so recht die Dürftigkeit seiner 
Erzählung. — Auch was er über die Besprechungen selbst be- 
richtet, ist sehr kurz und ungenau, ja zum Theil geradezu falsch. 
»Eodem tempore, erzählt er, quum annus ageretur XCVII, per 
eundem civitatum Wandalicarum . . . nuncium adjunctis dominis 
Coloniensibus, qui in Antwerpiam illi constituto die concurrerunt, 
actum est cum Anglicis de perpesso damno in mari, deque in- 
fractione et violatione libertatum et privilegiorum in Anglia 
nostris hominibus indultorum. Sed posteaquam per mensem 
integrum verbis sunt reddita verba, nihil tum poterat concludi, 
quod Anglici causarentur sufficiens de parte civitatum non esse 
mandatum. Promissa cautio sufficiens de rato non est accep- 
tata. Ita tum disceditur rebus ad treugas solitas in duos annos 



1) Brief der zu Lübeck versammelten Rathssendeboten der wendischen 
Städte an Heinrich von England vom 13. Mai 1496; Antwort Heinrichs 
vom 15. Juni 1496. 

a) Brief vom 20. März 1497. 



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- 96 - 

rejectis«. Die Verhandlungen dauerten längst nicht einen Monat. 
Obwohl eigentlich der i. Juni für den Beginn der Verhandlungen 
festgesetzt worden war, trafen die englischen Gesandten doch erst 
am 24. Juni in Antwerpen ein'). Ungefähr gleichzeitig kam 
Krantz an»). Der 26. und 27. Juni vergingen unter Besprechungen 
der hansischen Abgeordneten und der anwesenden Gesandten 
von Brügge und London, und erst Mittwoch den 28. Juni fand 
die erste gemeinsame Berathung statt 3). Zwei Tage darauf er- 
klären die Engländer die Vollmacht der Hansen für ungenügend^). 
Am Sonnabend (Juli i) fordern die Engländer die Hansen auf, 
ihre Klagen aufzusetzen und ihnen zu übergeben. Das thun 
dieselben am darauf folgenden Montag 5); am Dienstag (Juli 4) 
fanden dann die letzten Verhandlungen statt, und wohl noch an 
demselben Tage reisten die Engländer nach Calais ab^). Der 
Aufenhalt der englischen Gesandten hatte also nur 11, die Ver- 
handlungen mit den Hansen nur 7 Tage gedauert. Allerdings 
blieben die Abgeordneten der Städte noch in Antwerpen; denn 
sie hatten, als ihre Vollmacht von den Engländern nicht als 
genügend anerkannt worden war, sogleich einen Eilboten nach 
Lübeck geschickt, um ein vollgültiges Mandat herbeizuholen, und 
warteten nun auf seine Rückkehr. Sowie er eintraf (es war am 
18. Juli), sandten sie den Brügger Sekretär Gerard mit der Voll- 
macht und einem doppelt ausgefertigten Recess zur Unterschrift 
für die Engländer diesen nach Calais nach. Der Recess enthielt 



i) Bericht über die Antwerpener Verhandlungen von 1497 im Stadt- 
archive zu Köln: »Ipso die natalis baptiste in vesperum oratores Serenissimi 

regis Anglie ingressi Antwerpiam proxima die, que fuit dominica, 

quieverunt«. 

2) »Eadem fere hora reversus ex Frantia dominus Albertus Krantz 

urbis Coloniensis oratoribus se conjunxit.« 

3) »Die Mercurii, que fuit apostolorum Petri et Pauli vigilia hora tertia- 
rum , que more nostro computatur octava, praemisso ad Anglicos nuntio 
insinuavimus illis accessum etc.«. 

4) »Die Vcneris, que fuit ultima Junii, ad regios oratores regressi tale 
accepimus responsum . . . explorati juris esse credentiarum literas ad tractandas 
causas minime sufficerec 

5) »Die lune redeuntes ... ad Anglicos obtulimus articulosc. 

6) Im Bericht steht am Schluss der letzten Verhandlungen vom 4. Juli 
nur »Itaquc amplexati more Anglicano invicem amicissime discessimus«. 



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— 97 — 

folgende Punkte: Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes, 
Sicherheit der Hansen in England, freien Gebrauch der Privi- 
legien und Abhaltung einer abermaligen Tagfahrt im folgenden 
Jahre. Als aber Gerard am 26. Juli in Calais eintraf, waren 
zwei der englischen Gesandten soeben nach England abgereist. 
Der Recess wurde also nicht unterschrieben, und die hansischen 
Abgeordneten kehrten unverrich teter Sache nach Hause zurück. 
Sie hatten allerdings einen ganzen Monat in Antwerpen zuge- 
bracht; aber nicht dies berichtet Krantz, sondern er sagt aus- 
drücklich, die Verhandlungen selbst (»verbis sunt reddita verba«) 
hätten so lange gedauert. — 

Auch die schon angeführten Worte: »Promissa cautio suf- 
ficiens de rato non est acceptata. Ita tum disceditur« sind 
wenigstens ungenau. Denn es kam, nachdem die von den Hansen 
angebotene Kaution von den Engländern abgelehnt worden war, 
nicht sogleich zum Abbruch der Verhandlungen, sondern die 
Hansen schlugen den englischen Gesandten vor, sie wollten ent- 
weder eine Kaution stellen oder sich bemühen, ein gültiges Mandat 
noch zur Stelle zu schaffen, ehe sie Antwerpen verliessen ; unterdess 
sollten die Verhandlungen fortgesetzt und nach Eintreffen der 
Vollmacht abgeschlossen werden»). Auf den zweiten Vorschlag 
gingen die Engländer, obwohl die Hansen die Annahme des 
ersten lieber gesehen hätten, ein, reisten dann aber doch ab, 
als sie erfuhren, wie lange Zeit bis zum Eintreffen der Voll- 
macht vergehen würde. 

Lässt sich diese Ungenauigkeit unsers Geschichtschreibers 
durch die Kürze seiner Darstellung zur Noth rechtfertigen, so 
muss die Zeitbestimmung: »Ita tum disceditur rebus ad treugas 
solitas in duos annos rejectis« als durchaus falsch bezeichnet 
werden. Denn entweder hätte Krantz mit Rücksicht darauf, 
dass der den Engländern nachgesandte Recess von diesen nicht 
unterschrieben wurde , sagen sollen, es sei gar nichts beschlossen, 



c) »Cautionem . .. exhibuimus aut, si id mallent, daremus operam, ut 
priusquam loco cederemus, mandatum appareret; spem nobis esse medio 
tempore factam diligentiara super colligendo consensu civitatum ; interim tarnen, 
ne tempus inaniter laberetur, tractaretur in causa suspensa conclusione in 
tempus apparentis mandati«. 

Hansische Geschichtsblätter. XIV. 7 



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- 98 - 

oder er hätte die Zeitdauer als ein Jahr bezeichnen müssen ; 
denn von einer zweijährigen Frist ist nirgendwo die Rede. 
Als die Hansen von den Engländern wenigstens darüber Aus- 
kunft verlangen, wie es bis zur nächsten Tagfahrt, die im fol- 
genden Jahre stattfinden solle, zu halten sei, antworten diese, 
es sei des Königs Wille, dass so lange alles ruhig und die Privi- 
legien in Gültigkeit bleiben sollten»). Und dem entspricht genau 
der Inhalt des erwähnten, nach Calais gesandten Recesses^). 

Nachdem Krantz über die Antwerpener Verhandlungen be- 
richtet hat, fährt er fort: »Per idem tempus missus est idem ille 
Wandalicarum urbium nomine, qui supra, nuntius (er selbst) in 
Franciamc. Diese Erwähnung seiner Sendung nach Frankreich 
erweckt den Schein, als ob er erst nach den Antwerpener Verhand- 
lungen dahin gegangen sei; aber aus dem Recesse selbst geht 
deutlich hervor, dass er erst von Frankreich nach Antwerpen 
kam 3) und schon Mitte April von der Heimath abgereist war'^). 

Die Fortsetzung der 1497 resultatlos gebliebenen Verhand- 



1) »Unum tarnen esse peropus intelligere . . . quid renuntiare debeamus 

. . super statu medii temporis ex hoc die in futuram dietam, de privilegiis 

et de securitate nostrorum in Anglia et de ipsa dieta, ut quoniam in novissimo 

hujus loci ante annos sex tractatu conclusum fuit, omnia pacata manere usque 

in proximam dietam, que dilata est per annos aliquot usque in hanc diem 

et ex hoc tempore in annum sequentem. An eodem statu etiam per 

proximum annum res sint permansure. Interlocuti benigne responderunt 
•esse voluntatem regis sui, ut omnia quieta permaneant. Privilegia, libertates 
et communicationes nostrorum in Anglia in securitate perdurarent , . . . deni- 
que ipsam dietam in annum sequentem et diem literis regiis comprehensum 
de regia voluntate firmaverunt*. 

3) In den Stadtarchiven zu Köln und Kampen : »Concordarunt in hec 
que sequuntur capita : Primum , ut anno proximo sequente videlicet 
nonagesimo octavo ad mensem et diem in primis literis regiis super hac re 

comprehensum servetur tractatus Antwerpiensis Item , quod ex 

hoc die in annum et mensem memoratum omnia conquiescant in eo 
statu, quo dimissa sunt anno nonagesimo primoor. 

3) »Eadem fere hora reversus ex Frantia dominus Albertus Krantz 

urbis Coloniensis cratoribus se conjunxit« . Trazigcr, Chronika der Stadt 

Hamburg, erzählt denn auch S. 244 nach dem Bericht über die Verhand- 
lungen in Antwerpen: »Fol gen ts verrucket gemelter doctor Albertus Crantz 
aus befelich der stette in Frankreich« u. s. w. 

4) »ad medium aprilis, cum domo egrederer, ait orator Lubicensis«. 



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— 99 — 

lungen zwischen England und den Hansen sollte zuerst am 24. Juni 
1498 stattfinden, wurde aber dann erst auf den 14. September 
desselben Jahres und hernach auf den i. Juni 1499 verschoben. 
Davon erwähnt Krantz wieder nichts. Dagegen berichtet er 
XIV, 24 kurz über den Tag zu Brügge, auf dem die hansischen 
Abgeordneten während und nach den Besprechungen mit den 
Engländern auch mit Brügge verhandelten. Der Anfang seines 
Berichtes (Interea mittunt civitates Wandalicae omnium nominibus 
legationem suam in Flandriam .... Aderant Gdanenses , super- 
veuere Colonienses. Primum cum Anglicis Bruggis agebatur), 
kann nicht wohl anders aufgefasst werden, als so: »als die Ver- 
handlungen begannen , waren auch von Danzig Gesandte an- 
wesend; später kamen dazu auch noch Kölner«. Aber zur fest- 
gesetzten Zeit waren weder die Danziger, noch die Kölner Abge- 
sandten zugegen. Am 6. Juni baten deshalb die hansischen 
Gesandten die Bevollmächtigten des englischen Königs, noch 
einige Tage mit dem Beginn der Verhandlungen zu warten^). 
Da sich indess die Ankunft ziemlich lange verzögerte, beschloss 
man am 13. Juni, die Verhandlungen einstweilen zu beginnen*). 
Erst am Abend des folgenden Tages erschienen die Säumigen, 
und zwar sowohl die Kölner wie die Danziger 3). 

Im Uebrigen ist der Bericht über die Brügger Verhandlungen 
zwar sehr kurz und dürftig, aber richtig. Dagegen enthält das 
25. Kapitel noch eine Ungenauigkeit , deren Nachweis freilich 
eigentlich nicht hierher gehört. Krantz beginnt dasselbe mit 
den Worten: »Quum ad regem Anglie iret nuncius, ne quid 
temporis infructuose labatur, causa Florentinorum mercatorum 
longo circuitu est acta« und berichtet dann ziemlich ausführlich 



>) Recess der Brügger Tagfahrt: »Die Jovis, que fuit sexta Junii, civi- 

tatum oratores duo adierant regios purgabant suam illam qualemcun- 

que ac suorum de Colonia et Gdano moram, quod Colonienses hello vicino 
detinerentur , Gdanenses per mare venirent incerto itinere , orabant , ut pau- 
corum dierum patientiam praestarent«. 

2) »Die Jovis, que fuit Junii 13., convenerant in locum deputatum 

regii oratores ; Albertus quoque et Matheus civitatum Anze oratores 

coram illis comparuere«. 

3) Die veneris in serum vesperum venerunt de Colonia 

de Gdano 

7* 



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lOO 

über die Verhandlungen mit Brügge, giebt aber nicht an, dass 
dieselben nicht nur in der Zeit geführt wurden, wo die Ver- 
handlungen mit den Gesandten König Heinrichs ruhten, sondern 
auch nach der Beendigung derselben Quli 20) noch lange 
fortdauerten und zwar, wie aus dem Recess ersichtlich ist, bis 
zum 5. November. Abgesehen* von diesem Flüchtigkeitsfehler 
giebt er aber über die Verhandlungen mit Brügge, an denen er 
bis zu ihrer Beendigung theilnahm, einen richtigen Bericht. 

Fassen wir das Ergebniss unserer immerhin etwas minutiösen 
Untersuchung kurz zusammen, so finden wir in den betreffenden 
Stellen der Wandalia im allgemeinen der Wirklichkeit entspre- 
chende, sachgemässe Berichte eines mit den Verhältnissen genau 
vertrauten Zeitgenossen, deren Glaubwürdigkeit nirgendwo durch 
ein absichtliches Abweichen ihres Verfassers von der Wahrheit 
beeinträchtigt wird , die aber in ihrer Knappheit zuweilen auch 
wichtige Dinge mit Stillschweigen übergehen, in Folge ihrer Kürze 
oder durch ungeschickte Anordnung der Thatsachen mehrfach zu 
Irrthümern verleiten und wenn auch selten geradezu falsche, so 
doch häufig ungenaue und irreführende Angaben enthalten. 



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IV. 
ZUR GESCHICHTE 

DER 

MEKLENBÜRGISCHEN KUPPHÄFEN. 

VON 

KARL KOPPMANN. 



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JtlfS ist ein im Allgemeinen wohl bekanntes, doch wenig 
näher untersuchtes Gebiet, auf das ich tair hier den Leser dieser 
Blätter zu fuhren erlaube. Amtliche Arbeiten haben mich ihm 
zugeführt, der Reichthum des Stoffs hat mich festgehalten, bei 
der Bearbeitung ist er mir lieb geworden. Seinem eigentlichen 
Wesen nach gehört der Gegenstand dem grossen Bereiche des- 
jenigen an, was heutigen Tages Wirthschaftsgeschichte genannt 
wird, denn in der Hauptsache handelt es sich um die Frage,, 
welches Recht den Städten Rostock und Wismar in ihrer Eigen- 
schaft als meklenburgischen Seestädten in Bezug auf die von und 
nach Meklenburg betriebene Seeschiffahrt zustand und was sie bei 
der VerlheidiguDg dieses Rechtes gegenüber den Niederländern, 
gegenüber den Landesherren, dem Adel und der übrigen Land- 
schaft, gegenüber den Hansegenossen von der Ostsee und Westsee 
und selbst wohl einmal einander gegenüber beanspruchten und auf- 
rechthalten konnten oder aufgeben mussten : eine von den vielen 
Fragen, die meiner Ansicht nach noch gestellt und thunlichst 
beantwortet werden müssen, ehe man zu einem sicheren Urtheil 
über die wirthschaftliche Bedeutung des hansischen Städtebundes 
gelangen kann. Auf die allgemeinen politischen Verhältnisse 
habe ich, wie auch auf die Territorial- und Lokalgeschichte, immer 
nur soweit einzugehen gesucht, als es mir des Verständnisses 
und der Beurtheilung wegen durchaus noth wendig zu sein schien. 
Die von mir gewählte Form ist das Referat unter Beobachtung 
der Zeitfolge; die Quellen sind grösstentheils Korrespondenzen 
und Landtagsverhandlungen. 



Am 21. Oktober 1393 schreibt Rostock an die preussischen 
Städte : es thue ihm leid, wenn irgend einem Biedermann Schade 
geschehe, und es sorge nach Kräften dafür, dass die Seinen den 



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— I04 — 

Preussen kein Arges zufügen; aber, fügt es hinzu, es fahren in 
unsers Herrn und unserm Kriege mancherlei Leute auf ihr 
eigenes Abenteuer aus, derer wir nicht mächtig sind und denen 
wir nicht steuern können; auch giebt es in den Landen unsers 
Herrn wohl mancherlei Häfen, in die sie einsegeln und von denen 
sie abzuhalten wir nicht die Macht haben (ok so sin dar wol 
mengherleye havene yn uses heren landen, dar se in zeghelen, 
der wie en nicht mechtich sin tho kerende)'). Mit diesen 
mancherlei Leuten sind die Vitalienbrüder gemeint, mit den 
m^cherlei Häfen diejenigen, welche nicht, wie Rostock und 
Wismar, als Handelshäfen privilegirt sind. 

Solche nicht privilegirte Häfen Meklenburgs waren die 
Golwilz — zwischen der Insel Pol und dem meklenburgischen 
Festlande — , der Bug — Küstenstrich zwischen Wustrow und Arens- 
see — mit Alt-Gartz und Bukow, die Doberaner Wiek mit Bruns- 
haupten, Swante-Wustrow, das jetzige Fischland, mit Wustrow 
und dem Darsser Kanal. 

Am frühsten bekannt war die Golwitz»). Im Jahre 1345 liefen 
die zur Beschirmung der Kauffahrer von den Städten Lübeck, 
Rostock und Wismar ausgerüsteten Friedeschiffe in den Hafen 
Golwitz ein (in portum Gholvitze)^). 1377 hatten die livlän- 
discben Städte vereinbart, dass ihre Schiffe, bevor sie sich in 
den Sund hineinwagen würden, sich in der Golwitz (in Golvitze) 
versaipmeln sollten^). 1381 wurde der Hafen Golwitz (portus, 
qui (Mcitur Gholvicze) den hansischen Friedeschiffen zum Ver- 
sammlungsort angewiesen 5). 1396 wurden die preussischen 
Schiffshauptleute durch den Sturm genöthigt, in die Golwitz ein- 
zulaufen (also daz wir van wyndes halben in dye Golvitze 
queipen)^). Von der Golwitz aus (ud der Golvisse) fuhr 1396 



H. R. I, 4, Nr. 163. 

a) 12S9 Mai 27 ertrank Fürst Johann III. von Meklenburg nach 
Kifchberg (Mekl. Jahrb. 25, S. 62) auf der Fahrt von Wismar nach Pol, 
nach Detmar (Städtechroniken 19, S. 381) in der Liepz bei Pol (vgl. daxu 
Mekl. Jahrb. 31, S. 39 — 44), nach einer Ueberlieferung des Grauen Klosters 
zu Wismar (das. 6, S. loi) in der Golwitz. 

3) M. U. B. 9, Nr. 6564. 

4) H. R. I, 2, Nr 145. 

5) H. R. I, 3, Nr. 137. 

6) H. R. I, 4, Nr. 375, 376. 



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— I05 — 

Herzog Erich, des Schwedenkönigs Albrecht Sohn, nach Gotland 
hinüber, um hier sein Vitalienbrüder-Königthum zu errichten«). 
1427 brachten Wismarsche Auslieger ein Danziger Schiff in die 
Golwitz"). 1428 benachrichtigte Rostock die Lübecker, dass 
mehr als 2000 Freibeuter in der Golwitz lägen 3). In demselben 
Jahre erhielt Lübeck die Kunde, dass 30 preussische Schiffe von 
den Ausliegern in die Golwitz gebracht seien*). In der Golwitz 
(Goldfizze) ward J435 Danziger Kaufgut durch den ausgewichenen 
Rostocker Rath mit Beschlag belegt 5). 1443 wurde der Bremer 
Auslieger Grote Gert niit seiner Beute durch die Stadt Wismar 
aus der Golwitz vertrieben^). 

Die Insel Pol, welche durch die Golwitz vom meklen- 
burgischen Festlande geschieden wird, war der kirchlichen Gewalt 
des Bischofs von Lübeck unterstellt und dem Lübecker Dom- 
kapitel zehntpfiichtig ^) \ Lübische kirchliche Stiftungen hatten oder 
erwarben hier Grundbesitz^); Lübische Bürger kauften Kornrenten 
aus Pol von dem Fürsten. Um solches Korn von Pol abzuholen, 
kamen Lübische Schiffe nach der Golwitz : auch in Theurungs- 
tmd Kriegszeiten sollten die Rentenkäufer ihr Korn nach ihrem 
Belieben verführen dürfen 9). Aus diesem Abholen des eigenen 
Korns entwickelte sich erklärlicher Weise, erst vielleicht zufällig 
und gelegentlich, dann plan- und regelmässig, der Einkauf fremden 
Getreides, das der mittelalterlichen Anschauung gemäss nach den 
meklenburgischen Städten auf den Markt gebracht und eventuell 
aus Rostock oder Wismar hätte verschifft werden sollen. Ein 
solches Aufkaufen auf dem Lande mit Umgehung des Marktes 
war sogenannte Vorkäuferei, Häfen, welche zur Ein- und Aus- 
schiffung von Kaufmannsgut gebraucht wurden, ohne dazu privi- 



H. R. I, 4, Nr. 413 § II. 

2) Ltib. U. B. 7, Nr. 47. 

3) Das. 7, Nr. 183, 

4) Das. 7, Nr. 277. 

5) Hirsch, Handels- und Gewerbsgesch. Danzigs S. 195 Anm, 721. 

6) H. R. n, 3, Nr. 49, S^ 

7) M. U. B. I, Nr. 78; vgl. I, Nr. 197; 4, Nr. 2479. 

8) M. U. B. I, Nr. 78, 167; 4, Nr. 2480; I, Nr. 592. Mekl. Jahrb. 
48, S. 2-3. 

9) M. U. B. 3, Nr. 2381 ; 4, Nr. 2536. 



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— io6 — 

legirt zu sein, wurden als ungewohnte Häfen, Klipp-, Pflück- oder 
Winkelhäfen bezeichnet. 

Von vornherein wird man solcher *Klipphafen- Schiffahrt ein 
hohes Alter zuschreiben dürfen. Ernstere Massregeln gegen die- 
selben wurden zunächst wohl nur dann ergriffen, wenn es galt, 
der bedrohlichen Konkurrenz auswärtiger Kaufleute entgegen- 
zutreten oder wenn in Theurungszeiten die Kornausfuhr in den 
Seestädten verboten und deshalb der Schleichhandel besonders 
schädlich war. Der erstere Grund bewog die Hansestädte, gegen 
die Holländer einzuschreiten, die im Gefolge der Lübecker auch 
die meklenburgischen Klipphäfen früh benutzt haben werden. 
Auf der Tagfahrt, die am 20. Jan. 141 7 zu I-,übeck stattfand, ward 
verhandelt »wegen der Holländer, die das Korn vorkaufen und 
in ungewohnten Häfen verschiffen»*), und es wurde der Beschluss 
gefasst, dass durch den Sund und durch den Belt, aus der Elbe 
und aus der Weser bei Verlust des Gutes nur solches Korn ge- 
führt werde, das in einer Hausestadt gekauft worden sei*). Auch 
der Bestimmung der Wismarschen Bursprake von 26. Mai 1435, 
dass Niemand seine Waaren anderswo verschiffen solle, als im 
Hafen der Stadt, da es bei Verlust der Güter und bei will- 
kürlicher Strafe des Rathes verboten sei, in der Umgegend Wis- 
mars neue Häfen zu suchen und einzurichten 3), liegt vermuthlich 
die gleiche Absicht zu Grunde*). 

Im Jahre 1482 aber, mit dem die Klipphäfen- Akten des 
Rostocker Rathsarchivs beginnen, waren es die in Flandern 
herrschenden hohen Kompreise, welche den Korn- Vorkauf und 
die Klipphafen Schiffahrt ungewöhnlich vermehrten. Die Adligen 
in diesen Landen, erzählt die Lübische Chronik, und die gierigen 
Kaufleute wurden Kornhändler, sandten das Korn zu Schiffe nach 
Flandern und steigerten dadurch den Preis des Scheffels Roggen 



1) Burmeister, Bürgersprachen und Btirgerverträge der Stadt Wismar 
S. 62 Anm. *. S. auch dessen Beiträge zur Gesch. Europa's S. 106 Anm. **. 

*) GrautofF, Lüb. Chroniken 2, S. 22. Vgl. Burmeister, Bürgersprachen 
S. 84 und S. 67—68 § 16. 

') Burmeister, Bürgersprachen S. 62 § i. 

♦) So interpretirt Burmeister, Bürgersprachen S. 62 Anm. *. Ein Ver- 
gleich der Hansestädte mit den Holländern war am 10. Mai 1435 abgeschlossen 
worden; s. H. R. II, i, Nr. 399. 



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— I07 — 

in Lübeck auf 7 Schilling und darüber^). Im September dieses 
Jahres hatte Rostock wegen des Aufkaufs von Korn und der zu 
befürchtenden Einschiffung desselben auf dem Bug an Wismar 
geschrieben. Wismar antwortete Sept. 13, es habe bisher noch 
Nichts davon erfahren, wolle sich aber fleissig danach erkundigen. 
Am 23. September berichtete es dann, dass in Gartz und dessen 
Umgegend die Häuser mit Korn angefüllt seien und zur Ver- 
sendung desselben Schiffe erwartet werden. Sept. 25 kamen die 
Eathssendeboten Rostocks und Wismars zusammen. Auf ein 
gemeinschaftliches Schreiben beider Städte an den Lübecker Rath 
antwortete dieser Sept. 28, er habe die Bürger und Bürgerknechte, 
wegen deren Aufkauf von Korn und Verschiffung aus ungewohnten 
Häfen auf dem Bug bei Gartz zwischen ihren beiden Städten sie 
ihm geschrieben, vor sich gehabt ; es sei ihm nicht lieb, dass 
durch solches Beginnen Andere neue Häfen kennen lernen (so 
is uns, leven heren, sodane anwysinghe und leringhe der nyen 
havene nicht leff); er habe die Seinen deshalb ernstlich getadelt 
und sich von ihnen versprechen' lassen, sich dessen enthalten zu 
wollen; die nun einmal gekauften 7 — 8 Last aber bitte er sie 
nach Lübeck verschiffen zu lassen. 

Wenn sich Lübeck in diesem Schreiben, freilich nicht grund- 
sätzlich, sondern aus praktischen Rücksichten, gegen die Klipp- 
hafen-Schiffahrt seiner Bürger ausspricht, so ist davon in den 
späteren Zeiten nicht mehr die Rede. In der Städteversammlung 
vom 14. Oktober 15 13 zu Lübeck beschwerten sich die Rathssende- 
boten Rostocks darüber, dass man von Travemünde aus nach 
Meklenburg in ungewohnte Häfen fahre, um Korn zu kaufen; 
der Lübecker Rath entgegnete jedoch, dass Schiffahrt und Korn- 
kauf dieser Art, wie es von den Seinen gehört, seit 30 und mehr 
Jahren frei gewesen sei. In einem undatirten Schreiben aus etwa 
gleicher Zeit meldete Rostock an Lübeck, dass Travemünder 
Schiffer in die Golwitz, nach Bukow und anderen ungewohnten 
Häfen kämen, um Korn aufzukaufen und nach der Trave zu 
führen, und begehrte, dass Lübeck seinen Travemünder Unter- 
thanen dies verbiete. Auf ein späteres Schreiben Rostocks ähn- 
lichen Inhalts antwortete der Lübecker Rath am 6. März 1527, da 



x) Grautoff. Lüb. Chroniken 2, S. 430. 

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— io8 — 

es seine Pflicht sei für freie Hantierung und Kaufhandlung seiner 
fiürger aller Orten zu sorgen, so gebühre es ihm nicht, denselben 
die Wege, auf denen sie ihre Nahrung suchen, hier oder dort 
zu verschliessen ; auch sei der betreffende Komhandel in der 
Golwitz von geringer Bedeutung und deshalb wenig beschwerlich \ 
was aber die Holländer betreffe, so habe er, sobald er von deren 
Absicht in der Golwitz und im Fürstenthum Meklenburg Korn 
zu kaufen gehört, denselben erklärt, dass sie ihr Korn in Stral- 
sund und jenseit, aber nicht diesseit desselben kaufen sollen, 
wozu sie sich auch eidlich verpflichtet haben. 

Auf das Verhältniss der Holländer zu den Hansestädten, 
speziell in Bezug auf die Befahrung der Ostsee, des Näheren 
einzugehen, ist hier nicht der Ort. Offenen Kämpfen zwischen 
den Holländern und den Hansestädten hatte im Jahre 1441 ein 
zehnjähriger Stillstand ein Ende gemacht *), der nach mehrfacher 
Erneuerung 1479 ^^^ 24 Jahre verlängert wurde ^); nach einigen 
Zwischenfällen wurde dann wieder 15 14 ein Stillstand auf 10 Jahre 
geschlossen 3). Die Flucht König Christian II. von Dänemark 
nach den Niederlanden (1522 April 13)^) schien Lübeck die 
willkommene Gelegenheit zu bieten, den Niederländern mit der 
Unterstützung des Königs auch den Verkehr mit Dänemark und 
die Fahrt durch den Sund zu untersagen ^) ; aber der neue König, 
Lübecks Verbündeter, Friedrich III., ging im Interesse seines 
Landes 1524 einen Vertrag mit den Niederländern ein und 1525 
kam auch zwischen diesen und den Hansestädten ein Abkommen 
auf 2 Jahre zu Stande^). 

Wie sich das den Holländern auferlegte Verbot diesseit 
Stralsunds Korn zu kaufen rechtfertige oder erkläre, muss vor- 
läufig auf sich beruhen bleiben. Als bald nach Erlass desselben 
wieder ein holländisches Schiff um Korn einzunehmen in die 
Golwitz kam, liess Wismar dasselbe anhalten und in seinen 
Hafen bringen. Im Zorn darüber gestattete Herzog Albrecht 



») H. R. H, 2, Nr. 491. Waitz, Lübeck unter Jürgen WuUenwever 
und die europäische Politik i, S. 10, 254. 
») H. R. III, I, Nr. 228, 230—33. 

3) Waitz, WuUenwever i, S. 17—18, 253^—55. 

4) Das. I, S. 22. 

5) Das. I, S. 23—24, 255. 

<') Das. I, S. 27—29, 356—59. 



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— I09 — 

von Meklenburg, wie Wismar am i8. Juni 1527 an Rostock 
berichtet, dass ein Adliger Hans von Daldorf mit Gewaltthätig- 
keiten gegen Wismar vorging, und verlangte, dass die Stadt 
das Schiff wieder in die Golwitz bringen lasse und ihm selbst 
eine Strafe von 4000 Gulden bezahle. 

Zweifelsohne erklärt sich solcher Zorn des Herzogs dadurch, 
dass er selbst in diesem holländischen Schiffe Korn zu versenden 
Willens gewesen war. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts waren 
nämlich die meklenburgischen Herzoge darauf bedacht gewesen, 
ihr Korn des zu erzielenden höheren Preises wegen auf aus- 
wärtige Märkte zu schicken, waren aber dabei auf einen ener- 
gischen Widerstand ihrer Hafenstädte Rostock und Wismar ge- 
stossen. Am 7. Mai 1503 schreiben die Herzöge Magnus IL 
und Balthasar an den Rostocker Rath: sie haben einen Schiffer, 
der ein Schiff von 30 Last besitze, aufgefordert, mit einer Ladung 
von ihrem eigenen Korn nach Amsterdam zu fahren und ihnen 
für den Erlös Gegenstände zu ihrem eigenen Gebrauch von 
dorther zurückzubringen (dat hie dat schip mit unseme eigenen 
roggen mochte beladen, und den beth to Amsterdamme schepen, 
darsulvest uns ruckelakcn und anders to unseme behove darvor 
to haiende); da jedoch der Schiffer sich beklage, dass er das 
ohne Genehmigung des Rathes nicht thun dürfe, so ersuchen sie, 
gedachtem Schiffer ihnen zu Gefallen (uns to leffmode und ge- 
fallen) solches zu gestatten und sie nicht durch eine abschlägige 
Antwort zu schädigen (und uns solks in keynem wege weigeren 
noch verseggen, dar durch wy des roggen nicht to schaden 
kamen. Dar ane don gy uns dancknhemens gefallen, in sundern 
gnaden to bedencken). Der Rath lehnt aber am 10. Mai dieses 
Begehren ab, weil die Segelation und die Verschiffung aus Stadt 
und Hafen Rostock bisher nur von den dortigen Einwohnern 
und Kaufleuten ausgeübt worden sei und ihnen allein zustehe. 
Auch am 1 2 . Oktober 15 1 o wird ein Gesuch der Herzöge Heinrich Y. 
und Albrecht VlL, ein Schiff von 30 — 40 Last zur Au»ftrhr 
einiger Waaren nach Dänemark und zur Einfuhr von Lebens- 
mitteln von dorther miethen zu dürfen, vom Rostocker Rath 
abgeschlagen. 

Durch diese Weigerung der Seestädte, den Herzögen die 
Benutzung ihrer Häfen, das jus navigandi, zu gestatten, waren die- 



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HO — 

selben den Klipphäfen und zwar zunächst der Golwitz zugeführt 
worden, und Herzog Albrecht VII., der Schöne, der mit dem 
älteren Bruder Heinrich V., dem Friedfertigen, damals noch 
zusammen regierte, nahm an der Kornausfuhr nach den Nieder- 
landen ein lebhaftes Interesse. Gleich seinem Schwiegervater, 
Kurfürst Joachim von Brandenburg, war er fortwährend bemüht, 
dessen Schwager, dem entthronten König Christian II., zur 
Wiedergewinnung seines Reichs oder doch zur Erlangung einer 
Entschädigung zu helfen. König Christian aber, in Folge seiner 
Vermählung mit Isabella von Spanien, der Schwester Kaiser 
Karls, der Nichte der Statthalterin Margaretha, wenigstens des 
Schutzes und der Verwendung des kaiserlichen Hauses sicher, 
leitete seine Unternehmungen von den Niederlanden aus. 

In schneller Entscheidnng fasste Herzog Albrecht den Ent- 
schluss, sich eigene Schiffe bauen zu lassen. Am i8. Juli 1527 
protestiren Bürgermeister und Rath zu Rostock, dass sie vor noch 
nicht zehn Tagen erfahren haben, Herzog Albrecht habe befohlen, 
einige Schiffe in der Golwitz zu erbauen, dass sie, weil solche 
Neuerung gegen Herkommen, Gewohnheit, Privilegien und ge- 
meines Recht sei, dem gemeinen Besten, dem konfirmirten Hafen 
und der Stadt Rostock zum Verderben gereiche und niemals 
vorher von der Landesherrschaft unternommen worden sei, nicht 
stillschweigend darein willigen können, und dass sie sich zu ge- 
richtlichem Verhör und Erkenntniss an gebührlichen Orten er- 
bieten. Gleichzeitig schreibt die Stadt an Herzog Albrecht, sie 
habe in Erfahrung gebracht, dass — über die bisherigen mannich- 
fachen Beschwerungen und Neuerungen in der Golwitz hinaus — 
der Bau von Schiffen durch ihn befohlen sei; sie könne nicht 
glauben, dass von ihm als Landesherrn die Benachtheiligung 
seiner eigenen Unterthanen anderen Leuten gestattet werde, ge- 
schweige denn selbst ausgehe, und bitte daher, dass er von solchem 
Unternehmen abstehe; eventuell aber unterwerfe sie sich, wie sie 
darüber protestirt habe und hiermit protestire, richterlichem Er- 
kenntniss und vertraue darauf, dass bis dahin der Herzog Nichts 
unternehmen werde. In einem weiteren Schreiben Rostocks vom 
31. Juli heisst es, dass die Stadt von Anfang an zumeist darauf 
begründet sei, »dass ihr gebannter und konfirmirter Hafen und 
Hantierung unverrückt bleibe und nicht an andere ungewohnte 



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Orte verstreut werde«. Darauf antwortet der Herzog am 
7. August: da seine Vorfahren und er den Golwitzer Hafen zu 
ihrer eigenen Schiffahrt zu gebrauchen in Uebung und Gewähr 
gewesen, so hege eine Neuerung nicht vor; ohnehin aber habe 
er als Landesfürst das Recht und die Macht, seiner Regalien, 
Lande und Leute ohne Jemandes Widerspruch zu gebrauchen; 
Rostock, dem ein merklicher Schade oder Verderb nicht daraus 
erwachse, werde nicht nachzuweisen vermögen, dass solches durch 
die Reichsordnung verboten sei; vermeine es aber, durch Privilegien 
dagegen geschützt zu sein, so werde er, durch solche Priviliegien 
genugsam erinnert, sich fürstlich und untadelhaft zu bezeigen wissen. 
Für mündliche Verhandlungen, welche seine Sendeboten mit 
Herzog Albrecht und vorher mit dem Rath zu Wismar führen 
sollten, ertheilte der Rostocker Rath am 16. August den Bürger- 
meistern Hinrich Goldenitz und Bernd Krön folgende Instruktion. 
In Wismar sollen sie berichten, was Rostock von Herzog Albrecht 
begegnet ist, und sich mittheilen lassen, was Wismar von Herzog 
Heinrich erlangt hat; dann sollen sie sich erkundigen, ob Wismar 
Privilegien besitze, welche ausdrücklich von der Golwitz handeln ; 
wenn das aber auch nicht der Fall sei, so müsse doch die Sache 
mit Billigkeit und Recht gefördert werden; Rostock wolle in 
Bezug darauf mit Wismar zusammengehen, finde aber für diesmal 
eine Mitbesendung Herzog Albrechts von Seiten Wismars nicht 
gerathen ; was Rostock dem Herzog vortragen lassen will, soll 
Wismar klärlich dargelegt werden; solche Verhandlung soll vor 
dem ganzen Rathe stattfinden. Herzog Albrecht soll gebeten 
werden, die Neuerung in der Golwitz abzustellen oder, wenn er 
etwa, wie man nicht hoffe, über Rostock der Bede halber sich 
zu beschweren habe. Verhör und Erkenntniss zuzulassen; will 
der Herzog in die Abstellung nicht willigen, so sollen die Ge- 
sandten sich auf weiteres Verhandeln nicht einlassen, sondern 
auf Verhör dringen; einen bestimmten Termin für das Verhör 
sollen sie weder vorschlagen, noch definitiv anzunehmen er- 
mächtigt sein, weil man einerseits nicht wissen kann, wann Herzog 
Heinrich und die übrige Landschaft zusammengebracht werden 
können, und weil andrerseits Herzog Albrecht vielleicht einen 
allzu langen Termin vorschlägt ; eine etwaige Frage des Herzogs, 



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ob sein Bruder, Herzog Heinrich, bei dem Rechtsspruch betheiligt 
sein solle, haben sie nicht zu beantworten. 

lieber den Verlauf der Verhandlungen mit Herzog Albrecht, 
denen unmittelbar darauf auch Verhandlungen mit Herzog Heinrich 
sich anschlössen, sind wir leider nicht unterrichtet. Am 29. August 
meldete aber Wismar an Rostock, dass Herzog Albrecht dem 
Gerüchte nach Korn in dem bewussten Holländer zu verschiffen 
gedenke, und am i. Sept. schrieb Herzog Albrecht an den Rostocker 
Rath: er habe ein Schiff mit selbstgewonnenem Korn in der 
offenen See, das nach den Niederlanden bestimmt sei; der Rath 
möge seinen etwaigen Ausliegern befehlen, dieses dem Herzog 
allein gehörige Schiff ungehindert passiren zu lassen. 

lieber neue Verhandlungen, die im Februar oder März 1528 
mit den Herzogen zu Doberan stattfanden, fehlt uns wieder die 
nähere Kunde. Am 19. März erwiederte Herzog Albrecht dem 
Rostocker Rath, sein heftiges und unsinniges Verlangen in der 
Golwitzer Angelegenheit, über den Abschied hinaus, der ihm 
jüngst von seinem lieben Bruder Herzog Heinrich und ihm selbst 
zu Doberan ertheilt sei, befremde ihn nicht wenig; doch wolle 
er sein Schreiben in Erwägung ziehen und hernach beantworten. 
Herzog Heinrich antwortete am 22. März, auf Rostocks Schreiben 
wegen der Neuerung, welche Herzog Albrecht seit dem Doberaner 
Abschiede in der Golwitz vorgenommen haben solle, wolle er 
binnen Kurzem durch eine besondere Botschaft antworten lassen. 
Im Juni fand auf der Sagsdorfer Brücke bei Stemberg ein Land- 
tag statt, auf welchem die Rostocker Sendeboten die Golwitzer 
Angelegenheit vor die Stände brachten und Herzog Albrecht 
einwilligte, die Sache zum Verhör kommen zu lassen. Auf die 
Nachricht davon sprach Wismar am 27. Juni dem Rostocker Rath 
seinen Dank aus, meinte aber, in diese Einwilligung des Herzogs 
kein Vertrauen setzen zu dürfen (dath under deme schine de 
sake thor vorhore kamen to latende unsers ermetens nicht anders 
den vuste frig vortan myt gewalt vorttofarende unde derhalven 
to drengende willen to makende gementh werth). Jedenfalls 
verzögerte sich die Sache sehr lange. Am 16. Juli antwortete 
Herzog Heinrich auf ein Schreiben Rostocks, es werde demnächst 
ein allgemeiner Rechtstag ausgeschrieben werden, auf dem auch 
die Beschwerden Rostocks, namentlich wegen der Golwitz, zum 



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— 113 — 

Verhör kommen können und den er deshalb zum Termin be- 
stimme. Zwei Monate später, am 13. September, erwiderte er auf 
ein neues Schreiben bezüglich der Golwitz und anderer Be- 
schwerden, er wolle dasselbe Herzog Albrecht bei dessen Zurück- 
kunft zustellen lassen, und unter gleichem Datum antwortete 
Herzog Albrecht, er sei ausserhalb des Fürstenthums beschäftigt 
gewesen und müsse sich wiederum hinwegbegeben; wenn er 
wieder heimkehre, werde er Rostock antworten lassen. Zum 
12. Oktober aber wurden Rostock und Wismar vom Herzog 
Heinrich nach Güstrow gefordert; am 9. Oktober erklärte sich 
Wismar gegen Rostock bereit, seine Sendeboten dorthin abzu- 
fertigen; am IG. Oktober versprach es, die Privilegien, welche 
in der Golwitzer Sache etwa dienlich sein könnten, nach Güstrow 
mitzuschicken. Ueber den Verlauf und den Ausgang des Rechts- 
tages sind wir nicht unterrichtet. 

Im Jahre 1530, als die Herzoge Albrecht und Heinrich am 
Reichstage zu Augsburg theilnahmen, gab die Golwitz zu Be- 
sorgnissen Anlass. Am 23. Juli wandte sich die Herzogin Anna, 
Albrechts Gemahlin, an Rostock : nach Bericht des Küchenmeisters 
zu BukoW seien drei Jachten mit Volk und- vielem Geschütz in 
die Golwitz gekommen ; die Absicht derselben sei noch unbe- 
kannt; Rostock möge jedoch seine Knechte und Unterthanen 
bereit halten und, sobald es feindliche Absichten merke, mit 
aller Macht herbeiziehen und jener Gegend Hülfe und Rettung 
bringen. 

Zwei Jahre darauf, im Juni 1532, ist zuerst von einem Plan 
Herzog Albrechts die Rede, auf Pol einen Bau aufführen zu 
lassen, der von ihm selbst für ein harmloses Lustschloss aus- 
gegeben, von den wendischen Städten aber für eine Festung ge- 
halten wird. 

Der vertriebene König Christian II. hatte sich am 24. Ok- 
tober 1531 zu Medenblick eingeschifft, in der Hoffnung, die ver- 
lorene Herrschaft wiederzugewinnen ; im Kattegat aber war seine 
Flotte von einem heftigen Sturm überfallen und theilweise ver- 
nichtet worden ; mit dem Rest derselben war er nach Norwegen 
gekommen^). Hier fand er Anerkennung; aber das Schloss 



») Waitz, Wullenwever i, S. 121. 
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 



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— 114 — 

Aggeishuus widerstand seiner Belagerung. Zum Entsatz desselben 
fahr im Mai 1532 eine däntsch*Hibische Flotte nach Norwegen; 
ihrem Oberbefehlshaber Knud Gyldenstjera, erwähltem Bischof von 
Odensee, gelang es, den König am i. Juli zu bewegen, sich 
adbst nach Kopenhagen zu begeben, um mit König Friedrich 
persöalidi zu rerhandelQ >). An> 24. Juli kam Christian im Ver- 
trauen auf das ihm verbriefte sichere Geleit nach Kopenhagen«); 
am 28. Juli liess ihn König Friedrich als Gefangenen nach 
Soiiderburg abflihren^). 

Da Christian seine Flotte in de» Niederlanden zusammen- 
gebracht hatte, verlangte König Friedrich am 1 1. Januar 1532, dass 
die Holländer die Fahrt nach Norwegen und nach der Ostsee bis 
zum 7. April völlig einstellen und alsdann Gesandte zu Ver- 
handlungen nach Hamburg schicken sollten^). Im April wurde 
der Termin bis zum 24. Juni verschoben und Kopenhagen zum 
Verhandlungsort besthnrot^). Durch dieses Verbot fühlten sich 
die Niederländer schwer betroffen; alle Waaren des Ostens stiegen 
im Preise^ die Last Roggen von 20 auf 46 Goldgulden^). Es 
wurde eine Flotte von 60 Schiffen au^^gerüstet, die, wemi die 
Verhandlungen nicht zum Ziete föhren würden, mit Gewalt in die 
Ostsee dringen und eine Kornladung aus Danzig zurückbringen 
sollte 7). Am 9. Juli kan» jedoch zu Kopeohagen zwischen den 
Niederländern einerseits und den Reichen Dänemark und Schweden 
und den wendischen Städten andererseits ein Vertrag zu Stande, 
in welchem den Niederländern gegen das Versprechen, König 
Christian in keiner Weise unterstützen zu wollen-, das Abkommen 
von r52'5 bestätigt wurde 8). 

Als nun die Gefangennahme König Christians erfolgte, suchte 
Lü^beck, das den Vertrag widerwillig eingegangen war, nach 
einem Ausweg, um demselben zu entgehen. König Friedrich 



») Waitz, Wullenwever i, S. 170 — 73, 353 — 55. 

») Das. I, S. 176. 

3) Das. I, S. 179. 

♦) Das. I, S. 131. 

5) Das. I, S. 136—37. 316—17. 

<>) Das. I, S. 154. 

7) Das. I, S. 157. 

8) Das. I, S. 162—64, 340 — ^42. 



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— 115 — 

willigte ein, dass eine dänisch-lübische Gesandtschaft die hollän- 
dischen Städte um Schadensersatz ansprechen sollte. Da aber 
die Niederländer diese Forderung abwiesen, wollte der König 
von dem von Lübeck verlangten Kriege nichts wissen. Auch 
König Gustav von Schwede» und' selbst die Wendischen Städte 
verhielten sich ablehnend '). Da entschloss sich Lübeck, wo eben 
der bisherige Worthalter der Vierundsechziger, Jürgen Wüllen- 
wever, in den Rath gewählt worden war und die Bürgeriweister- 
würde erlangt hatte*), in der Hoffnung die Verbündeten doch 
mit sich fortzureissen, den Krieg allein anzufangen. Aber ehe 
noch die gegen di^ Holländer ausgerüsteten Schilfe den Hafen 
verlassen hatten, starb König Friedrich am lo. April 1533^). 

Die Insel Pol, wo mitten in diesen Kämpften um die Ostsee 
Herzog Albrecht v<m Meklenburg sich angeblich ein Lustschloss 
bauen lassen wollte, war im Jahre 13 18 von Fürst Heinrich II. 
der Familie von Stralendorf zu voMem Eigenthum verkauft worden ^) ; 
zu Anfang des x6. Jahrhunderts aber wurde das Jagckeckt von 
den Landesherren in Anspruch genommen und tbatsächlich aus- 
geübt. Auf einem Stücke Landes, die Drenow gdieissen, das 
einer Vikarie zu St. Nikolai in Wismar, deren Patronatsrccht 
den Landesherren zustand, gehörte, lag ein Haus, in welchem 
bei Jagd-Gelegenheiten die Jäger der Fürsten herbergten (darinne 
der Fürsten jacht lach, wenner se dor Jagden efft jagen leten 
dar up deme lande); Heinrich von Stralendorf aber hatte das 
Haus niedergerissen, die Drenow zu seinem Kruge gelegt und die 
Jagdherberge auf eine seiner Käthen übertragen (und de jacht 
in sinen katen gekcht)^). Ob nun durch gütliche Auseinander- 
setzung mit Heinrkh von Stralendorf oder wie sonst das Terrain 
zu dem beabsichtigten Bau von Herzog Albrecht gewonnen 
worden war, wissi&n wir nicht; auch über die Lage desselben 
ist Näheres nicht bekannt. 

Als der Rostocker Rath von der Absicht Herzog Albrechts 
Nachricht erhielt, erregte dieselbe lebhaft seihe Besorgniss. Alsbald 



>) Waitz, WuUenwever i, S. 183—88. 
a) Das. I, S. 198—99. 

3) Das. I, S. 189. 

4) Mekl. Jahrb. 48, S. 3. 

5) Das. 41, S. HO— 12; 48, S. 4—5. 



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— ii6 — 

machte er dem Herzog Vorstellungen und setzte Wismar von 
dem Unternehmen sowohl, wie von seinem Schreiben an Herzog 
Albrecht in Kenntniss. Am 30. Juni 1532 antwortete Wismar^ 
es habe ebenfalls von dem beabsichtigten Bau Kunde erhalten 
(dath sich de dinge mid thohopeforinge averswindigen vieleir 
Buwholtes darsulvest thor stede in der warheit also begeven 
schollen), wolle in gleicher Weise, jedoch mit anderen Worten an 
Herzog Albrecht schreiben und sei damit einverstanden, dass auf 
der bevorstehenden Zusammenkunft in Güstrow die Angelegenheit 
gemeinsam erwogen werde. Auch Herzog Heinrichs Vermittelung 
wurde von Rostock angerufen; am 22. Juli antwortete der Herzog, 
er sei bereit, Rostocks Anliegen seinem Bruder zu berichten und 
das Beste der Stadt zu fördern. Insbesondere aber setzten 
Rostock und Wismar ihre Hoffnung auf eine gemeinschaftliche 
Einsprache der wendischen Städte und sprachen deshalb den 
Wunsch aus, dass Lübeck im Namen ihrer aller ein Schreiben 
an Herzog Albrecht ergehen lasse. Die Städte erklärten sich 
damit einverstanden, Stralsund Juli 26., Hamburg und Lüneburg 
Juli 31., Lübeck Aug. 2. Stralsund freilich fügte hinzu, im 
Uebrigen wisse es Rostock wenig zu rathen ; denn seinerseits 
vermöge es die Neuerungen, welche von den ihm benachbarten 
Adligen zum Schaden der Städter eingeführt werden, mit allen 
Mitteln und Geldaufwendungen nur selten abzuschaffen und würde 
es stillschweigend ertragen, wenn sein Landesherr solche eben- 
falls vornehmen würde. Das uns nicht erhaltene Schreiben 
Lübecks an Herzog Albrecht machte offenbar demselben böses 
Blut. Als Wismar am 20. August in anderen Angelegenheiten seine 
Rathsverwandten zu ihm nach Pol sandte, fragte er sie, ob 
Wismar zu dem Briefe, welchen ihm Lübeck im Namen der 
wendischen Städte geschrieben, seinen Konsens gegeben habe; 
die Abgeordneten räumten dies ein; was aber dann der Herzog 
über diesen Brief geäussert, war nach einem Schreiben Wismars 
vom 24. August der Feder nicht anzuvertrauen. Eine Zeitlang 
gab wenigstens Wismar der Hoffnung Raum, dass der Bau ein- 
gestellt werde. Die Deputirten vermochten nicht sicher zu er- 
kennen, ob der Herzog von seinem Vorhaben abstehen wolle 
oder nicht; ihres Bedünkens aber war Aussicht, dass der Bau 
unterbleibe (eres bedunckendes hedde id sich ja laten ethlicher 



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— 117 — 

raathe vormercken, als solde id wol vorbliven mögen). Als Rostock 
auf Grund entgegengesetzter Nachricht an Wismar schrieb, ant- 
wortete dieses am 24. August, es habe gleich nach Empfang des 
Rostocker Schreibens einen Boten nach der Golwitz gesandt, um 
Erkundigung einzuziehen; nach Bericht desselben werde aber 
kein Holz mehr herangeführt, nichts Neues mehr vorgenommen 
und mit dem Begonnenen nicht fortgefahren (dath dar kein holt 
mehr thogeforeth, ock nichts furder angericht werdt edder mit 
deme donde vortgefaren). In einem neuen Schreiben vom 
10. September meldete es jedoch, dass Herzog Albrecht gegen 
alles Erwarten weiteres Bauholz herbeiführen lasse (dath unse 
gnediger here, hertoch Albrecht, flux mher buwholtes aldarhen 
tho sulcheme schedtlichen buwende leth foren und bringen), das, 
wie es heisse, über Rostock aus der Heide gebracht werde. 
Vielleicht ist daraufhin eine neue Abmahnung Lübecks an Herzog 
Albrecht ergangen oder doch von den meklenburgischen Städten 
nachgesucht worden. Am 23. November berichtet Lübeck an 
Rostock : obwohl es in dem Schreiben, das es im Namen der 
wendischen Städte an Herzog Albrecht gerichtet, um definitive 
Antwort gebeten habe, so sei ihm doch unlängst nur die Er- 
widerung geworden, dass der Herzog seinen beiden Städten Rostock 
und Wismar antworten wolle, bei denen Lübeck sich nach seiner 
Meinung erkundigen könne; wenngleich aber Lübeck nicht be- 
zweifele, dass Rostock ihm zum Zwecke weiterer Berathung 
solche Antwort mittheilen werde, so habe es doch dem Herzog 
nochmals geschrieben, dnss der beabsichtigte unleidliche und 
schädliche Bau nicht nur Rostock und Wismar, sondern ebenso 
sehr auch Lübeck und die anderen Städte angehe, und dass es 
deshalb nochmals um gnädige und definitive Antwort ersuchen 
müsse. 

Zum 3. Januar 1530 waren Abgesandte Rostocks vor Herzog 
Albrecht nach Güstrow gefordert. Die Rostocker Deputirten 
wurden instruirt, falls die Verhandlungen die Golwitz betreffen 
würden, so sollten sie erstens die Theilnahme von Sendeboten 
Wismars verlangen, zweitens den Herzog von dem Bau abzu- 
stehen bitten und drittens die Sache ad referendum an den 
Rath und an Lübeck und die übrigen wendischen Städte nehmen. 
Nach dem uns erhaltenen Bericht erledigte sich der erste Punkt 



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— Ii8 — 

dadurch, dass Abgesandte Wismars ebenfalls eingeladen und zu- 
gegen waren. 

Die Verhandlungen fanden am Freitag, dem 3. Januar, Abends 
spät, auf dem Schlosse zu Güstrow statt. Nach gnädiger Hand- 
reichung hiess der Herzog die Deputirten sich setzen, dankte 
ihnen für ihr Kommen und eröffnete ihnen dann seine Meinung: 
wie ihnen wohl bekannt sei, wolle er auf Pol ein Lusthaus 
bauen-, bisher habe er, wenn er dort gewesen, bei den Bauern 
einliegen müssen: »da schreien die Kühe, da blöken die Schafe, 
da quiken die Schweine, da schreie Alles zusammen und lärme 
durcheinander, dass man Niemand hören könne«; auch müsse 
der Strohdächer wegen immer Feuersgefahr befürchtet werden; 
sei er doch neulich erst zu Bukow mit seiner Gemahlin einem 
Brande nur mit genauer Noth entkommen; ein Lusthäuschen, in 
welchem er und seine Gemahlin sich in Bequemlichkeit aufhalten 
können, sei alles, was er beabsichtige ; nun aber habe ihm Lübeck 
geschrieben , es könne nicht dulden, dass er auf Pol eine Festung 
bauen wolle; demgemäss bitte er also, ihm zu rathen, was 
I^übeck geantwortet werden solle. Nachdem sich die Sendeboten 
der beiden Städte berathen, nahm zunächst Bürgermeister Bernd 
Krön von Rostock das Wort: zwar habe der Herzog dem 
Rostocker Rath nicht mitgetheilt, weshalb er das Erscheinen von 
Abgesandten begehre ; doch sei der Rath sich . schon vorher 
schlüssig gewesen, den Herzog, wo immer man ihn antreflfe, zu 
bitten, dass er den beabsichtigten Bau aufgebe; solle er dem 
Herzog getreulich rathen, so könne er nur rathen, den Plan 
fallen zu lassen; der Herzog lasse sich zwar vernehmen, dass 
es nur ein Lusthaus werden solle, aber der Bau könne sich auch 
zu einem Unlusthause gestalten, wenn auch nicht unter der 
Regierung des jetzigen Herzogs, so doch unter seinen Nachfolgern ; 
und was für eine Lust könne es dort wohl auch geben, beim Strande 
und an der See? er sei selbst zur See gewesen, habe aber keine 
Lust dabei verspürt, sondern Gott gedankt, wieder ans Land zu 
kommen; seinerseits ziehe er einem Lusthause an der See ein 
solches vor, das 10 bis 20 Meilen landeinwärts liege, und wolle 
auch dem Herzog getreulich dazu gerathen haben; im üebrigen 
aber bitte er, da der Herzog aus hohem fürstlichen Verstände 
solches selbst zu erwägen wisse, die Gesandtschaft des Rath- 



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— 119 — 

gebens wegen gnädiglich zu verschonen. In gleichem Sinne 
antworteten auch die Rathssendeboten Wismars. Der Herzog 
entgegnete darauf in längerer Rede : es sei nicht seine Meinung, 
eine Festung zu bauen oder ein Unlusthaus für die Zukunft; 
weder von ihm selbst, noch von seinen Nachkommen werde 
Böses beabsichtigt werden, man möge also auch nichts Böses von 
ihnen argwöhnen; müsste doch, was von ihm und seinen Nach- 
kommen zum Verderben seiner Städte gethan würde, ihnen selbst 
zum Verderben gereichen; Lübeck aber solle von Rostock und 
Wismar geschrieben werden, es möge ihren Herzog auf seinem 
Grund und Boden nach seinem Belieben bauen lassen, wie ihr 
Herzog es leiden könne, dass Andere auf dem ihrigen bauen. Die 
Abgesandten erwiderten jedoch allseitig, dass sie solche Antwort 
den Lübeckern nicht geben könnten, baten nochmals, dass der 
Herzog von seinem Plan abstehe, und nahmen endlich das An- 
liegen desselben ad referendum*). 

Schon zwei Tage danach, am 5. Februar, verlangte Herzog 
Albrecht von Wismar, dass die Stadt wiederum eine Gesandtschaft 
zu ihm nach Güstrow schicke, welche aus zwei Bürgermeistern 
und zwei Mitgliedern der Gemeinde bestehen und bevollmächtigt 
werden sollte, über dringliche Angelegenheiten mit ihm zu ver- 
handeln. Einestheils betrafen diese Angelegenheiten den Kanal 2), 
der nach einem, schon von Albrechts Vater, Herzog Magnus 
(f 1503 Nov. 20), gefassten Plape^) Wismar mittels des Schweriner 
Sees und der Eide mit der Elbe verbinden sollte^); andemtheils 
bezogen sie sich auf drei Schiffe, die der Herzog in Wismar mit 
Korn befrachtet hatte und deren Auslaufen der Rath nicht zu- 
geben wollte. Was ihm von Seiten Wismars zugesagt sei, schreibt 



') Das Protokoll dieser Verhandlung ist gedruckt bei Pötker, Neue 
Sammlung Mecklenb. Nachrichten Stück 4, S. 20 — 22 ; das Original befindet 
sich im Rathsarchiv zu Rostock. 

a) S. Pötker Stück 4, S. 23—33. 

3) Das. S. 24 — 25 : »und ist diese neue Fahrt allbereit vor hundert 
Jahren, nemlich Anno 1480. von Hertzog Magno, den altem, löbl. Gedächt- 
niss, vor die Hand genommen, aber doch nichts würckliches darinnen be- 
schaffet wordene. 

♦) S. Hamb. Chroniken in niedersächs. Sprache, herausg. v. Lappen- 
berg, S. 288, 428 zum Jahre 1530. 



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I20 

der Herzog, danach möge sich der Rath bei denjenigen erkun- 
digen, die über die SchiflOfahrt in der Golwitz mit ihm verhandelt 
und sich verglichen haben; wolle Wismar diese Zusage nicht 
halten, so werde auch für ihn der Vertrag nichtig sein; was der 
Rath keinem seiner Bürger verwehre, dürfe er seinem Landes- 
herrn, dem die Stadt mit ihrem Grund und Boden eigne, viel 
weniger verweigern ; wolle aber der Rath, der ihm immer zuge- 
sagt, dass Jedermann in der Stadt frei handeln und wandeln 
könne, seinem Landesherm, dem er mit Eiden und Pflichten ver- 
haftet, seiner eigenen Zusage entgegen, die drei Schiffe nicht nach- 
geben, so könne er solches gewaltthätige, freventliche und muth- 
willige Vornehmen nicht für billig ermessen. Am 8. Februar 
theilte Wismar dieses Schreiben Rostock mit und ersuchte um 
eine gemeinschaftliche Besprechung zu Klützbeck. 

Unmittelbar nach dem Tode König Friedrichs (April lo) 
berief Lübeck die wendischen Städte zu einer Zusammenkunft, 
die am 13. Mai stattfinden sollte. Nach dem Einladungsschreiben, 
das Lübeck am 25. April an Rostock richtete, sollte auch über 
den Bau Herzog Albrechts in der Golwitz verhandelt werden*). 
Hauptsächlich aber handelte es sich darum, ein gemeinsames 
Auftreten der wendischen Städte gegen die Holländer zu erzielen. 
Dazu aber vermochte Lübeck die übrigen Städte nicht zu be- 
wegen ^). 

Durch den Widerstand, den Herzog Albrecht gefunden, ist 
er bewögen worden, das Pöler Lusthaus-Projekt, wenigstens vor- 
läufig, aufzugeben. Sofort aber hat sich seinem findigen Geiste 
ein neuer Weg gezeigt, ihm die Ostsee, unabhängig von dem 
guten Willen seiner Seestädte, zugänglich zu machen. 

Am 5. März 1533 beurkundet Herzog Albrecht zuRibnitz: 
nachdem er Willens geworden, Hafen und Tief der Stadt Ribnitz 
aufräumen und herstellen zu lassen, habe ihm seine Schwester, 
die Aebtissin Dorothea, berichten lassen, dass sie zwar mit solchem 
Vorhaben einverstanden sei, ihre Klosterunterthanen aber dadurch 
nicht geschädigt sehen möchte; diesem Wunsche gemäss ver- 
spricht der Herzog, dass dem Kloster und dessen Unterthanen 



») Waitz, Wullenwever i, S. 389. 
*) Das. I, S. 222, 389. 



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kein Schade aus seinem Unternehmen erwachsen, sondern ihnen 
auch gestattet werden solle, ihr Vieh zollfrei über die neue 
Brücke zu treiben, die er über den Hafen hin anlegen lassen 
werde. 

Mit diesem Hafen und Tief der Stadt Ribnitz verhält es sich 
folgendermaassen. Nach der Darlegung von Peters ^) ist Swante- 
Wustrow, das jetzige Fischland, als Insel entstanden 2) und von 
Anfang an vom alten Darss und vom Festland Meklenburg durch 
Wasserläufe getrennt gewesen; der nördhche Wasserlauf ist der 
jetzt sogenannte Darsser Kanal bei Ahrenshoop 3) ; der südliche 
hat den Namen Permin geführt^); dieser südliche Wasserlauf ist 
aber nach und nach versandet und der Ribnitzer Binnensee hat dann 
— abgesehen von einer engen Mündung neben dem jetzigen 
Kirchdorf Wustrow beim Rönnebaum ^) — hier nur noch mittels 
schmaler Rinnen mit der Ostsee in Verbindung gestanden; zwei 
dieser Rinnen sollen sich noch jetzt in der Steinsbeck und im 
sogenannten alten Hafen erkennen lassen^). Dieser alte Hafen 
ist aber in Wirklichkeit nur ein künstlich gezogener Graben, der 
Anfang eines schmalen Durchstichs, der zwischen zwei 10,7 Meter 
auseinander liegenden Wällen vom Ribnitzer Binnensee auf den 
Strand zugeht 7). Nördlich von ihm befindet sich der mehr als 
doppelt so breite neue Hafen, ebenfalls ein Durchstich, vom 
Binnensee aus bis nahe an die Dünen, zwischen zwei 23 Meter 
auseinander liegenden Wällen 8). Das Terrain, auf dem diese 
Durchstiche unternommen worden sind, ist gemeint, wenn von 
einem Ribnitzer Hafen die Rede ist^). Nach den bisher be- 



x) Peters, Das Land Swante- Wustrow oder das Fischland. Zweite Auf- 
lage, Rostock, 1884. 

») Das. S. 5. 

3) Das. S. 8 — 12. Mekl. U. B. 5, Nr. 3483: uncus, qui vulgariter 
Arneshop dicitur. 

♦) Das. S. 12 — 14, 46. 1442 by dem vlote der olden Praminen: das. 
S. 1.17. 

5) Das. S. 7. Nach Latomus bildet die Reknitz »unter Damgarten einen 
See, welcher beym Dorfe . . . Wustrow . . . durch einen engen Strohm 
von der Ostsee unterschieden wird« : das. S. 12. 

6) Das. S. 7. 

7) Das. S. 59: »Dieser angefangene schmale Durchstich«. 

8) Das. S. 59. 

9) Das. S. 45. 



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kannten Zeugnissen zu urtheilen, geschieht aber von Zeitgenossen 
niemals eines wirklich vorhandenen, sondern immer nur eines 
einst vorhanden gewesenen Ribnitzer Hafens Erwähnung*). 

Nach einem noch genauer mitzutheilenden Bericht vom Jahre 
1595 war damals der Ribnitzer Hafen für Wagen .und Pferde, 
aber nicht für Schiffe befahrbar; wie es schien, hatte es früher 
zwei Häfen gegeben, den einen bei Ahrenshoop, wo Rudera eines 
Baues vorhanden waren, den andern unterhalb Wustrows, wo bei 
stillem Wetter noch Pfähle in der See sichtbar sein sollten ; keinen 
Büchsenschuss von diesem letzteren entfernt war vor undenk- 
liehen Jahren ein neuer Hafen angefangen worden, aber, trotzdem 
nur noch eine Strecke von etwa 1 50 Klaftern auszugraben übrig ge- 
wesen wäre, unvollendet geblieben. 

Was nun zunächst die Rudera bei Ahrenshoop anbelangt 2),. 
so gehen dieselben offenbar auf einen Bau zurück, von dem uns 
der Lübische Franziskaner-Lesemeister Detmar als Zeitgenosse 
berichtet. »Um St. Margarethen (Juli 13), so erzählt er zum 
Jahre 13952), zogen die von Rostock mit tausend Wehrhaften 
aus und brachen einen festen Bergfried bei Ahrenshoop nieder, 
das auf der Scheide von Swante-Wustrow zwischen den Herr- 
schaften Rostock und Stralsund liegt. Dieses Ahrenshoop hatte 
der Herzog von Stralsund (Barnim VI., Sohn des 1394 gestorbaien 
Wartislaw VI.) befestigt mit Bergfrieden und mit Gräben, zu denen 
ein Tief hatte führen sollen. Nun kamen die Rostodcer und 
brachen es nieder, wie sie vorher schon zweimal gethan hatten, 
und dämmten die Gräben wieder zu bis auf den Erdboden«. 
Der etwas jüngere Dominikaner Hermann Korner giebt diese 
Nachricht etwas nüancirt folgendermaassen wieder: 1395 um 
Juli 13 sind die Rostocker mit tausend Gewappneten ausgeritten 
und haben das Schloss Ahrenshoop niedergebrochen, das Herzog 



*) Die Angabe Reimar Kocks (Grautoff i, S. 494): »De forste leth 
deme gelick uthropen, dat de Haven Ribbenize unde Golwetzc scheiden, 
apen sin aUen denjennen, wol up de vorbenomden Rike wolde voren unnd 
nehmen«, kann hier nicht in Betracht kommen. 

*) Genauer thut ihrer Tilemann Stella (Peters S. 11) Erwähnung, nach 
dem hier bei Ahrenshoop »die von Ribnitz von alters ihre Schiffarth durch- 
gehabt«. 

3) Grautoff i, S. 368. 



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— 123 — 

Bogislaw von Wolgast erbaut und mit tiefen Gräben befestigt 
hatte und wo er zu grossem Nachtheil filr die Rostocker einen 
neuen Schiflfshafen hatte anlegen wollen. In dieser Form, auch 
mit dem Irrthum in der Person des Herzogs, ist die Nachricht 
durch die Vermittlung der späteren Chronisten allgemein bekannt 
geworden. 

Die beiden Durchstich-Arbeiten unterhalb Wustrows werden 
nur in der Weise zu erklären sein, dass man die jüngere für das 
Werk Herzog Albrechts, die ältere für das Unternehmen eines 
seiner Vorgänger hält'). Immer aber bleibt es auffällig, dass 
von einem Einspruch Rostocks gegen solche Arbeiten keine Nach- 
richten kund geworden sind. 

Wegen der Klipphafen-Schiflffahrt in der Golwitz nehmen die 
Streitigkeiten im Jahre 1534 ihren Fortgang. Am 17. Februar 
schreibt Wismar an Rostock: mit dem Schreiben, das beide 
Städte wegen des Kom-Vorkaufs an Lippold von Oertzen gesandt 
haben, sei es nicht gethan: man müsse auch anderweitig mit 
Ernst vorgehen; einige Schuten und, Kreier von vielen Lasten 
seien bereits aus Travemünde in die Golwitz gekommen — 
andere liegen noch in Travemünde bereit — , um von Edelleuten 
und Bauern Korn einzunehmen ; vielleicht sei es rathsam, dass 
die in Hamburg sich aufhaltenden Rathssendeboten beider Städte 
mit Lübeck und eventuell auch mit den übrigen Städten über 
diese Angelegenheit reden. Am 25. März») berichten die Ab- 
gesandten Wismars an ihren Rath: sie haben gestern nach Em- 
pfang seines Schreibens sowohl mit den Sendeboten von Lübeck, 
Rostock und Stralsund, als auch mit den Bürgermeistern Ham= 
burgs, wegen der beiden Hamburgischen Schiffe gesprochen, die 
aus der Trave in die Golwitz eingelaufen sind; die Sendeboten 
haben erklärt, solche Schifffahrt gereiche nicht nur Wismar und 



») Peters S. 59 denkt an Albrecht VI. und Gustav Adolf (1636— 1695), 
Letzteren macht der Bericht von 1595 unmöglich. Gegen Johann Albrecht 
(l547"*— 157^) spricht, dass man den neaeren Durchstich 1595 als vor undenl> 
lipben jAhren gemacht ansah. 

*) Die Kostocker Absehrift ist datirt: ahm dage Conceptionis Marie 
(Dez. 8); auf der Rückseite steht aber als Datum des Einganges in Rostock: 
feria 2 post palmarum (März 30); offenbar ist der Tag Annuntiationis Mariae 
gemeint. Vgl. Waitz, WuUenwever S. 243, 394 — 95, 400. 



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— 124 — 

Rostock, sondern auch Lübeck und allen Nachbarstädten zum 
Schaden, und die Bürgermeister haben ihnen nach Besprechung 
mit ihrem Rathe geantwortet, die Sache sei ihnen unbekannt 
gewesen und thue ihnen leid; nach der von ihnen eingezogenen 
Erkundigung seien die beiden Schiffe von Danzig gekommen, 
haben in der Trave überwintert und haben das Korn von den 
Landesherren eingenommen; der Rath werde aber dafür sorgen, 
dass in Zukunft über die Seinen keine Klage komme. Gegen 
solche Verschiflfung von Korn von Seiten der Landesherren ist 
dann Rostock, wie sieben Jahre früher Wismar, mit Arrest ein- 
geschritten. Am 15. April antwortet Herzog Albrecht auf die 
betreffende Anzeige Rostocks: er habe sein Fürstenthum mit 
Land und Leuten als dessen natürlicher erbgeborener Fürst und 
Herr sammt allen Regalien in ruhigem Possess und Gebrauch, 
und sei Rostock einer Gerechtigkeit in Bezug auf die Golwitz, 
deren es der Wahrheit entgegen sich berühme, ohne sie bisher 
erwiesen zu haben, mit nichten geständig ; es befremde ihn daher, 
dass Rostock sich unterfange, ihm wegen der in seinem Fürsten- 
thum Amts Bukow gelegenen Golwitz Vorschriften zu machen 
und die Verschiflfung seines eigenen Korns anzufechten, und er 
begehre, dass Rostock sich solcher Uebergriffe gegen ihn und 
die Seinen enthalte, ihnen das Geraubte ersetze und gebührlichen 
Abtrag thue. Trotz dieses gelegentlichen Einschreitens und jener 
Erklärung der wendischen Städte ist aber die Klipphafen-Schiflffahrt 
nicht unterblieben. Am 25. August berichtet Wismar, ausser 
dem Ltibischen Schiffer, von dem es neulich geschrieben, sei 
jetzt auch ein Bremischer Schiffer mit einem Kreier von 40 Last 
aus der Trave, um Korn einzunehmen, in die Golwitz gekommen. 
Völlig geändert wird jedoch das Verhältniss der meklen- 
burgischen Städte zu Herzog Albrecht — freilich nur zeitweilig — 
durch die sogenannte Grafenfehde. Rostock und Wismar schliessen 
sich der von Jürgen Wullenwever geleiteten Politik Lübecks an, 
die jetzt in der Befreiung und Wiederherstellung des gefangenen 
Christian II., beziehentlich in dem Sturz Christians III. von Däne- 
mark, das Mittel sieht, die Niederländer doch noch von der 
Ostsee auszuschliessen. Herzog Albrecht, dem erst Dänemark, 
dann Schweden, endlich die Wahl zwischen beiden Reichen an- 
geboten wird, schiflft sich nach langem Zögern als Verbündeter. 



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— 125 — 

der Städte Lübeck, Rostock und Wismar') am 8. April 1535 
in Rostock ein und kommt am 16. April nach Kopenhagen»). 
Der Verlauf des Unternehmens ist bekannt. Am 11. Juni er- 
ficht Johann Rantzau den Sieg am Ochsenberg bei Assens ^) und 
am 24. Juli beginnt die Belagerung Kopenhagens*). Nachdem 
dann WuUenwever gestürzt (Aug. 26)^) und durch den Erzbischof 
von Bremen gefangen genommen ist (November)^), macht Lübeck 
am 14. Februar 1 536 zu Hamburg seinen Frieden mit Christian III 7). 
Rostock und Wismar aber treten diesem Frieden nicht bei, und 
der Kampf in Dänemark dauert fort. Am 27. Mai muss jedoch 
Marx Meyer Warberg übergeben^), und am 29. Juli übergeben 
Herzog Albrecht von Meklenburg und Graf Christoph von Olden- 
burg dem Könige Christian auch das ausgehungerte Kopenhagen ^) ; 
erst am 25. Oktober 1537 und nur gegen eine Zahlung von 
IG 000 Gulden gelangen dann Rostock und Wismar zum Frieden 
mit Dänemark'''). 

Der Hamburger Friede erfüllte die meklenburgischen Städte 
mit Bitterkeit gegen Lübeck, das sie erst in das unglückliche 
Unternehmen hineingezogen und sich nun von ihnen getrennt 
hatte, durch das sie auf der einen Seite der Feindschaft des 
Königs von Dänemark, auf der anderen der Ungnade Herzog 
Albrechts überlassen waren"). Am 2. März 1536 hatte Wismar 
Herzog Heinrich schriftlich gebeten, dem Vogt zu Bukow und 
wo es sonst nöthig sein möge den Kornverkauf an die Lübecker 
zu untersagen "). Von den Rostocker Ausliegern wurden Schiffe 
angehalten, welche Lübischen Bürgern gehörten '3). Am 5. Mai 



>) Vertrag von 1535 Febr. 13 bei Burmeister, Beiträge zur Gesch. 
Europa's S. 181—83; Waitz, WuUenwever 2, S. 202. 
*) Waitz 2, S. 227, 228. 

3) Das. 2, S. 237. 

4) Das. 3, S. 36, 134. 

5) Das. 3, S. 107, 114. 

6) Das. 3, S. 184. 

7) Das. 3, S. 161. 

8) Das. 3, S. 225. 

9) Das. 3, S. 306. 
»°) Das. 3, S. 343. • 

") Das. 3, S. 287, 550. 

") Im Original steht Herzog Albrecht, vermuthlich ein Schreibfehler. 

M) Waitz, WuUenwever 3, S. 550. 



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126 — 

befiehlt Herzog Heinrich auf Ansuchen Wismars, dass die AusUegef 
dem Danziger Gesellen Gert Valke seinen Stangen-Kreier zurück- 
geben sollen, den sie ihm auf der See abgenommen und in die 
Golwitz gebracht haben; am 7. Mai sendet Wismar diesen Befehl 
nach Rostock, da inzwischen das Schiff aus der Golwitz weg- 
geführt ist und nun vor der Warnow oder in deren Umgegend 
liegen soll. 

Ehe Herzog Albrecht sich persönlich an der Kriegfilhrung 
betheiligte, hatte er vofi der Gelegenheit zu vortbeilhaften Handels- 
geschäften, wie der Krieg sie darbot, eifrig, (gebrauch gemacht. 
Freilich hatte er sich Rostock gegenüber am 27. Det. 1534 erboteö, 
wenn man ihm ein Gelddarlehn bewillige, so wolle er alle uii« 
nöthige Kaufmannschaft abthun und sein Korn, Mehl und Salz 
nur in Rostock und Wismar auf den Markt bringen; von der 
Stadt aber war solches Ansuchen am 22. Febr. 1535 nach längeren 
Verhandlungen ablehnend beantwortet worden'). Der Kanzler 
Joachim von Jetzen, der am 5. Januar 1535 mit WuUenwever 
nach Kopenhagen gekommen war, um das Interesse des Herzogs 
wahrzunehmen, schrieb ihmi am 8. dieses Monats, dass das Salz 
und die anderen Waareny^ auf deren Erlös der Herzog ihn an- 
gewiesen habe,, noch nicht verkauft seien"). In seinem Schreibe» 
vom 20. Janaar heisst es: Eure fürstlichen Gnaden müssen sich 
vor allen Dingten der Kaufmannschaft enthalten, denn um deren 
willen wird der Add von dem gemeinen Mann gehasst, und 
wenn Emre Gnaden dieselbe gebrauchen wollten, so würde» Sie 
dadurch die Sache alsbald verderben; wolle der Herzog Erfolg 
haben, schreibt er weiter, so müsse er die alten Ceremonieen 
aufgeben, die Kaufmannschaft einstellen und die Befreiung des 
gefangenen Königs Christian II. als sein einziges Ziel darstellen^). 
Am I. Februar schreibt er nochmals, der Herzog müsse die 
alten Ceremonieen fallen lassen, von aller Kaufmannshandluiig ab- 
stehen und sich von seinen eigentlichen Absichten gegen Niemand 
etwas merken lassen^). Trotz solcher Mahnungen aber hat 



') Waitz, WuUenwever 2, S. 184 Anm. 3. 

*) Paludan-Müller, Aktstykker til Nordens Historiie i Grevefeidens Tid 
S. 310. 

3) Das. I, S. 322. 

4) Das. I, S. 337—38. 



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— 127 — 

Jetzen am 4. März aus Wordingborg von einem Boiert mit 
Korn, za berichten, dessen Ertrag der Herzog erst bei seiner 
Herüberkunft nach Dänemark in Empfang nehmen kann, und 
begehrt, dass der Herzog ihm die beiden Sehnten schicke, damit 
er sie mit Gerste befrachte; denn das bittere Gustrowsche Bier, 
das man daraus brauen könne, gelte dortigen Ortes für eitel 
Mumme und der gemeine Wein für eitel Poitou- und Rheinwein*). 
Dusch dais verunglückte Unternehmen waren dem Herzog 
grosse Kosten verursacht, die er auf nicht weniger als 300 000 
Gulden berechnete und um deren ErsÄtz er bald beim burgundischen 
Hofe, bald bei Lübeck, bald bei den meklenburgisehen Ständen 
nachsuchte. Ein im Jahre 17 10 abgefasster Schweriner Archival- 
bericht, die »Gründliche Benachrichtigung von der sogenannten 
Hispanischen Schuld-Forderung der Herren Hertzoge zu Mecklen- 
burgc «), giebt uns von undatirten Privilegienentwürfen Kunde, 
die auf eine Befriedigung Herzog Albrechts wegen dieser Forderung 
Bedacht nehmen^). Da dieselben nach der Ansicht des Ver- 
fassers >der Hand- und SchrifFt-Art nach aus der Kayserl. oder 
Mayntzischen Cantzeley zu seyn scheinen«, so stellt er die Ver- 
muthung auf, dass solche Privilegien dem Herzog von Karl V., 
um ihn »etlicher maassen zu vergnügen«, 1546 auf dem Reichs- 
tage zu Regensburg bewilligt und nur deshalb unvoUzogen ge- 
blieben seien, weil Herzog Albrecht «wegen zugestossener und 
anhaltender Krankheit«, an der er bald darauf (1547 Jan. 5) 
gestorben, den Reichstag habe verlassen müssen. Zweifelsohne 
haben wir* es aber nur mit Entwürfen von Privilegien zu thun, 
die der Herzog^ einmal — auch das Jahr ist doch erst festzu- 
stellen — von Karl V. bewilligt zu sehen wünschte, aber nicht 
bewilligt erhielt*). Einer dieser Privilegienentwürfe giebt nun 
Herzog Albrecht die Erlaubniss, »zweene Hafen, einen in der 
Göldenitz, den andern auf der Rekenitz anzulegen* : offenbar 
hat sich also der Herzog nicht für befugt erachtet, aus eigener 



«) Paludan-M-üller, Aktstykker i, S. 353, 352. 

a) Bei Gerdes, Nützliche Samlung S. 582—605,. Vgl. Waitz, Wullen- 
wever 3, S. 341—42. 

3) A. a. O. S. 597—98, 

♦) Das ist auch von Schirrmacher, Johann Albrecht I,, Bd. i, S. 21—722 
nicht deutlich erkannt oder doch nicht klar genug ausgedrückt. 



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— 128 — 

Machtvollkommenheit befestigte Häfen in seinem Lande anzu- 
legen, sondern die Erlaubniss des Kaisers für nothwendig ge- 
halten; der Versuch, dieselbe bezüglich zweier Häfen in der 
Golwitz und auf Fischland zu erhalten, ist aber fehlgeschlagen. 

Im Jahre 1538 war die Golwitz der Sammelplatz für Aben- 
teurer, die auf der See Beute zu machen suchten. Ueber ein? 
Schiff, das unter Pol lag, hatte Rostock gehört, dass es vonr 
einem Bruder des hingerichteten Marx Meyer zum Seeraub be- 
stimmt sei. Lübeck berichtete aber am 7. Juni, dass nach dea 
von ihm eingezogenen Erkundigungen der Hauptmann desselben 
ein Oldenburger, Otto Bonning, sein solle. Auch Wismar hatte 
nach einem Schreiben vom 19. Juli sowohl über das bewusste,. 
in seinem Hafen liegende Schiflf, als auch wegen der anderen. 
Jachten und Schuten, die eine Zeitlang in der Golwitz gelegen,. 
Nachforschungen angestellt und dadurch in Erfahrung gebracht,, 
dass Gottschalk Remlingrode der Leiter des ganzen Unternehmens 
war; ein aus der Trave ausgelaufenes Schiff, das dem Vorgeben 
nach Proviant nach Kopenhagen hatte bringen wollen, sollte dem 
Vernehmen nach den Jachten und Schuten in der Golwitz Proviant 
und Geschütz gebracht haben, und Gottschalk Remlingrode hatte 
denselben 2 Tonnen Pulvers gesandt, die ihm auf dem gewöhn- 
lichen Lübischen Fuhrwagen zugegangen waren. Diese Besorgniss 
erregenden Nachrichten wurden von Wismar an Rostock, von 
Rostock an Lübeck mitgetheüt ; aber irgend eine Maassregel, den 
Absichten Remlingrodes vorzubeugen, wurde nicht ergriffen. Am 
5. Oktober 1538 schreibt Lübeck an Rostock: Christopher von 
Drontheim und Gottschalk Remlingrode haben englische Schiflfe 
auf der Westsee weggenommen und in die Golwitz gebrächt, um 
ihre Beute dort zu verkaufen und zu repartiren; Rostock möge 
sowohl seinen Bürgern, wie den Anwohnern der Golwitz den 
Verkehr mit ihnen untersagen, sie eventuell anhalten und sofort 
die meklenburgischen Landesfursten ersuchen, Fürsorge zu 
treffen, dass weitere Beschwerde verhütet werde. In seiner 
Antwort hat Rostock unter Hinweis auf seine frühere Meldung 
von Remlingrodes Zurüstung den Lübeckern Vorwürfe gemacht. 
Lübeck erwiderte aber am 16. Oktober: da die Ausrüstung der 
Schiffe von Rostock und Wismar viel leichter als von ihm hätte 
verhindert werden können, so würde die Schuld von dem, was 



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— 1^9 — 

geschehen, keineswegs ihm zuzuschieben sein; habe es doch 
dafür, dass es oft und vielfach mit eigenen Kosten anderer Leute 
sich angenommen, nur Ungnade und Missgunst neben Schaden 
und Nachtheil erfahren und selbst in gemeinsamen Angelegen- 
heiten wenig Htilfe und Beistand gefunden; nichtsdestoweniger 
aber sei es, wenn weiterem Schaden vorgebeugt werden könne, 
zur Mitwirkung bereit, falls sich auch Andere der Sache an- 
nehmen wollen. Am 3. Februar 1539 wandte sich Herzog 
Albrecht wegen des Mathias Pfannkuche, eines Bürgers zu Kopen- 
hagen, an Rostock mit dem Begehren, dass es die Güter, die 
derselbe »aus dem Schiffe in der Golwitz« gekauft und für Schuld 
angenommen, aus dem Arrest loslasse. Diese Güter waren auf 
Anhalten des englischen Abgesandten Gilbert Dirick in Warne- 
münde angehalten, demselben aber nicht, wie er verlangt hatte, 
ohne Weiteres ausgeantwortet, sondern von Rostock arrestirt 
worden und wurden erst am 6. April 1541 auf vielfaches Begehren 
des Königs von Dänemark, nachdem sie zu einem Gesammtwerth 
von 47 2 Mark i o Schilling Lübisch wardirt und dessen eventueller 
Ersatz gewährleistet worden, dem Pfannkuche zurückgegeben. 

Am II. Juni 1539 hat Wismar Nachricht, dass bei Rostock 
in der Prerow *) oder deren Umgegend sich Freibeuter versammeln. 
Am 12. Juni ist auch von Lübeck in Erfahrung gebracht, dass 
Freibeuter, vielleicht Gottschalk Remlinkrode und seine Genossen, 
mit einer gekaperten Jacht und einigen Böten in der Golwitz 
liegen; Rostock soll als die nächstgelegene Stadt fleissig Acht 
darauf geben, seinen Landesfürsten die Schädlichkeit und Un- 
leidlichkeit solcher Unternehmungen auseinander setzen und seinen 
Bürgern, Einwohnern und Gästen die Betheiligung an denselben 
bei höchster Strafe verbieten. Durch ein inzwischen einlaufendes 
Schreiben Rostocks in Betreff der Plackerei in der Golwitz wird 
Lübeck bewogen, sofort die beiden meklenburgischen Landes- 
herren zu beschicken. Am 22. Juni meldet Lübeck: da es er- 
fahren, dass abermals, wie im vergangenen Jahre, in der Golwitz 
eine Zurüstung beabsichtigt werde, so hat es im Interesse seiner 
selbst und der übrigen wendischen Städte einen Rathssekretär 

>) Der Prerowsche Strom trennt in Folge einer Sturmfluth vom Jahre 
1625 den Darss von dem Zingst; Peters S. 8. 

Hansische Geschichtsblätter. XIV. 9 



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— i3<y — 

zu Herzog Heinrich und zu den Statthaltern und Käthen Herzog 
Albrechts gesandt und ihnen Vorstellungen machen lassen, so- 
wohl über den Schaden, der daraus den wendischen und anderen 
Hansestädten erwachsen, als auch über die nachtheiligen Folgen, 
die es für die meklenburgischen Lande und Leute haben könne; 
aber die erhaltene Antwort ist wenig tröstlich ; denn wenn auch 
Herzog Heinrich und die Räthe angeblich solche Beschwerde 
ungern erfahren und zur Abstellung derselben sich höchlich er- 
boten haben, so ist doch die Sache bis zur Rückkehr Herzog 
Albrechts hinausgeschoben, und bis dahin können die in der 
Golwitz mit ihren Vorbereitungen fertig sein; Rostock soll daher 
alle Vorgänge in der Golwitz beobachten lassen und Lübeck mit- 
theilen, was man zur Verhinderung des Vorhabens thun kann ; 
auch soll es den Fürsten oder deren Räthen ebenfalls mündlich 
oder schriftlich Vorstellungen machen. Nach einer von Sartorius 
beiläufig gegebenen Nachricht') ist auch »auf der Versammlung 
der Wendischen Städte, von den Jahren 1538 und 1539, zu 
Lübeck« von Rostock über Goslich Remlingrode, »der mit einigen 
westwärtigen Seefahrern zerfallen«, Klage erhoben worden, »dass 
er mit Wissen des Landesherrn auf Golnitz und Ribbenitz Schuiten 
und Jagden ausrüste, womit er auch ihre Schiflfe aufbringen könne 
und werde; da ihr aber als Meklenburgischen Stadt die Hände 
mehr gebunden wären, so begehrte sie, dass Lübeck sich ins 
Mittel schlüge, welche Stadt denn auch an den Herzog von 
Meklenburg schrieb, um dem Gosslich die Seeräuberey zu 
untersagen. Wismar hatte eines seiner Schiffe, welches er in 
ihrem Hafen ausbessern Hess, an sich gekauft und ihn so ver 
trieben. Allein er hatte Wege gefunden, heimlich Lebensmittel 
und Ammunition zu Lübeck einzukaufen. Lübeck war dafür ein 
Placat anzuschlagen, dass alle, die an den Plackereyen Thei 
nähmen, an ihrem freyen Höchsten gestraft werden sollten; 
Hamburg sagte, man sollte mit dem Herzoge handeln und Schiffe 
kreuzen lassen; Rostock, es müsse dem Herzoge und Statthalter 
gedroht werden«. 

Auch in den nächsten beiden Jahren waren wenigstens Ge- 
rüchte über ähnliche Unternehmungen in der Golwitz im Schwange. 



*) Sartorius, Gesch. des hanseat. Bundes 3, S. 504 Anm. i. 



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— 131 — 

Am 26. Mai 1540 meldet Wismar, es habe auf Rostocks Nach- 
richt hin, dass in der Golwitz oder deren Nähe zwei Jachten 
ausgerüstet würden, sofort zwei Diener, den einen nach der 
Golwitz, den andern nach Gartz, auf Nachforschung ausgesandt; 
dieselben haben aber berichtet, dass dort seit langer Zeit weder 
Schiffe noch Knechte gesehen seien, von denen man eine Schädigung 
des gemeinen Kaufmanns zu befürchten habe. Am 13. April 
154I bittet Stralsund um Auskunft über Absicht und Stärke der 
Jacht, die, wie man höre, mit Landsknechten, Geschütz und 
anderm Bedarf in der Golwitz ausgerüstet werde. 

Nachdem dann die Freibeuterei aufgehört, sucht Wismar der 
wieder beginnenden Klipphafen-Schifffahrt mit Gewalt zu steuern. 
Gegen Ende des Jahres 1541 hat es durch seine Auslieger zwei 
Schiffe einholen lassen, die zu Gartz Korn eingenommen haben. 
Nun aber ist dieses Korn für Rostocker Kaufleute bestimmt 
gewesen, und Rostock hat sich seiner Bürger angenonimen. Am 
31. Dezember antwortet Wismar auf das betreffende Schreiben 
des Rostocker Raths : Rostock werde sich zu erinnern wissen, 
dass Wismar mannichfach bei Lübeck, Rostock, bei den wendischen 
Städten und bei den gemeinen Hansestädten über die beschwerliche 
Neuerung in den Häfen zwischen Rostock und Wismar Klage 
erhoben habe; nicht nur die Adligen, sondern auch die Bauern 
treiben Kaufmannschaft, kaufen und verkaufen Hering, Salz, 
Osemund, Butter, Rotscher und dergleichen Waaren; das ganze 
Jahr hindurch nehmen die Hausleute, was sie gebrauchen, in 
Wismar auf Borg ; wenn sie aber geerntet haben, so schicken sie 
ihr Korn in die Fremde, ausserhalb Landes, und denken nicht 
an die Bezahlung ihrer Schulden; des Weiteren werde Rostock 
unvergessen sein, welche Mühe und Unlust beiden Städten da- 
durch erwachsen sei, dass in vorigen und unlängst vergangenen 
Zeiten Abenteurer ihren erbeuteten Raub in diese Häfen gebracht 
haben ; könne nun Wismar nicht in Abrede stellen, dass kürzlich 
bei Gartz zwei mit etwa 9 oder 9^/2 Last Korn geladene Schiffe 
nach erhaltener Warnung von den Seinen eingeholt worden seien, 
so habe es doch nicht gewusst, dass die Bauern, die sich übrigens 
billig der Segelation enthalten und ihr Korn zu Lande auf den 
Markt bringen sollten, solches Korn nach Rostock hätten bringen 
wollen; aus den eingezogenen Erkundigungen ergebe sich auch 



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— 132 — 

das Gegentheil ; denn trotzdem , dass die Schiffe schon seit Langem 
ihre Ladung eingenommen, haben doch die Bauern den »lieblichen 
Südwind«, der eine Zeitlang geweht, nicht benutzt, sondern 
in Erwartung von Ostwind ihr Korn nass werden und in Folge 
dessen durch die Säcke wachsen lassen; Rostock möge daher 
darauf bedacht sein, der Schifffahrt der Bauern in den ungewöhn- 
lichen Häfen, aus der den Städten Schaden und Verderb er- 
wachse, gemeinsam mit Wismar ein Ende zu setzen. Einestheils 
meint sich Wismar für solches Einschreiten auf die am 4. Ok- 
tober 1542 von den Herzogen Heinrich und Albrecht veröffent- 
lichte Polizeiordnung, die übrigens nur eine neue Redaktion der 
von ihnen schon im Jahre 1 5 1 6 publicirten Ordnung ist '), be- 
rufen zu können; andemtheils sucht und findet es Rückhalt bei 
Herzog Heinrich. Am 31. Oktober 1543 schreibt Wismar, es 
müsse täglich erfahren, dass nicht nur Adlige und Bauern in 
der Golwitz sowohl, wie auf Wustrow und sonst in der Doberaner 
Wiek bis nach Brunshaupten hinauf ihr Korn nach Lübeck schiffen 
und Osemund, Salz, Hering und allerlei andere Waaren zurück- 
bringen, sondern dass auch holsteinische Schuten dorthin kommen, 
um Korn von weither, wie z. ß. von Alt-Karin, aufzukaufen und 
hinwegzuführen; €olche Neuerung sei der gemeinen Bürgerschaft 
Rostocks und Wismars nachtheilig und widerstreite der von beiden 
Landesfürsten verkündigten gemeinen Landesordnung; Wismar 
habe deshalb Herzog Heinrich in dieser Angelegenheit beschickt 
und nicht anders vermerken können, als dass demselben die 
Neuerung missfalle; auch habe er, wie schon früher geschehen, 
dem Rathe die Einholung der Kornschuten gestattet, da er nicht 
dulden könne, dass mehr als zwei Häfen in Meklenburg seien 
(unnd overmals, wo och vorher geschein, uns vorheten lathenn, 
desulven Schuten mit dem körn ahn uns halen tho lathen, den 
ehre F. G. nicht mher haven wen twe in ehrer G. lande ge- 
dulden konen) ; demgemäss habe Wismar einige Schuten aus der 
Golwitz und anderswoher einholen lassen und ersuche Rostock, 
auch seinerseits solche schädliche Schifffahrt zu verhindern. Darauf 
antwortet Rostock am 13. November: es habe sich lange Zeit 
schriftlich und mündlich, auch in Versammlungen der wendischen 



») Glöckler in Mekl. Jahrb. 16, S. 342—49. 



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— 133 — 

Städte, über solche Schifffahrt bei Lübeck beklagt, ohne dadurch 
Wandel schaffen zu können; Schiffe und Schuten mit dem ein- 
genommenen Korn wegzunehmen, halte es nicht für rathsam, da 
durch die landesherrliche Ordnung nicht sowohl die auswärtigen 
Käufer, als die einheimischen Verkäufer gebunden seien und 
solche Maassregeln eine Klage der Geschädigten beim Reichs- 
Kammergericht wegen Landfriedensbruchs, Störung der Freund. 
Schaft mit den Nachbarn und Repressalien zur Folge haben 
können; wenn aber die Landesherren ihre Ordnung ernstlich ge- 
halten wissen wollen, so empfehle es sich, sie zu bitten, wegen 
Kornverkaufs an Auswärtige gegen Adlige und Bauern mit strengen 
Strafen vorzugehen ; sei das nicht zu erlangen, so wisse Rostock 
keine Mittel und Wege; nach denjenigen, die zu Brunshaupten 
Korn eingenommen, sei bei den Warnemündern vergeblich nach- 
geforscht worden; falls Wismar dieselben kenne, solle mit ernst- 
licher Strafe gegen sie eingeschritten werden. Am 8. März 1545 
antwortet Wismar auf ein Schreiben Rostocks in Betreff der täg- 
lichen Zunahme des Kornaufkaufs und der Schifffahrt in der 
Golwitz und einer deshalb von beiden Städten vorzunehmenden 
Beschickung beider Landesherren am 1 1. März zu Güstrow : es habe, 
nachdem es über solchen Handel sich mannichfach bei Rostock 
beklagt und den Beistand desselben zu Vorstellungen bei den 
Landesherren und bei den wendischen Städten angerufen, diesen 
letzteren auf der letzt vergangenen Tagfahrt durch seine Abge- 
sandten vortragen lassen, dass es zu anderen Mitteln zu greifen 
verursacht worden sei, habe auch vor Kurzem die mit Korn ge- 
adene Schute eines Lübischen Bürgers Augustin Hövesche ein- 
holen lassen und dadurch Lübecks Unmuth erregt, sei aber 
trotzdem bereit, seine Rathssende boten zu dem vorgeschlagenen 
Tage nach Güstrow zu senden. 

Damit brechen die Rostocker Klipphäfenakten ab, um nach 
zwölf Jahren genau an derselben Stelle wieder einzusetzen. 
Wiederum war Wismar gegen die ungewöhnliche Hantierung auf 
dem Lande Pol und zu Gartz mit Gewaltmaassregeln vorgegangen, 
und wiederum war es — bezeichnend genug für die Erfolglosigkeit 
auch solcher Maassregeln — der Lübische Bürger Augustin 
Hövesche, dessen Schute eingeholt worden war. Nach einem 
Schreiben Wismars vom 25. Februar 1557 hatte aber Lübeck 



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— 134 — 

dies mit einer Arrestirung Wismarscher Schuten vergolten, und 
am i6. März bat Rostock, dass Lübeck diesen Arrest aufhebe, 
da Rostock sich dafür verbürge, dass Wismar einem Schiedssprüche 
der wendischen Städte in allen Stücken gehorsamen werde. 

Inzwischen waren auf Herzog Albrecht VII. von Güstrow, 
der am 5. Januar 1547 gestorben war^), seine drei mündigen 
Söhne Johann Albrecht I., Ulrich und Georg gefolgt. Ulrich, der 
nach dem am 28. Januar 1550 erfolgten Tode seines Vetters 
Magnus Administrator des Bisthums Schwerin geworden war*), 
trat am 2. April desselben Jahres seinen Antheil fan der Re- 
gierung Johann Albrecht auf 10 Jahre ab 3); Georg stand, ohne 
sich an der Regierung zu betheiligen, in kaiserlichen Diensten 
und fiel am 20. Juli 1552 vor Frankfurt am Main ^). Da nun aber 
kurz vorher auch Albrechts VII. Bruder, Herzog Heinrich V. von 
Schwerin, ohne regierungsfähige Nachkommen zu hinterlassen, 
am 6. Februar 1552 gestorben war^), so erhob neben Johann 
Albrecht natürlich auch Herzog Ulrich Anspruch auf die Erbschaft, 
und im Wismarschen Vertrage vom 11. März 1555 wurde be- 
stimmt, dass die Brüder die Regierung des Landes gemeinsam 
führen, die Einkünfte aber in derselben Weise, wie die Herzöge 
Albrecht und Heinrich, zu gleichen Theilen beziehen sollten^). 
Ueber die Art der Theilung entstanden jedoch »furstbrüderliche 
Irrungen«, die weder durch den Alt-Ruppiner Machtspruch vom 
I. August 1556^), noch durch den Sternberger Vergleich vom 
19. August 1557^) völlig beseitigt werden konnten. 

Die ersten fünfzehn Regierungsjahre des Herzogs Johann 
Albrecht gingen vorüber, ohne dass die Klipphafen-SchifFfahrt — 
soviel wir wissen — zum Gegenstande des Streites zwischen ihm 
und den Seestädten Rostock und Wismar geworden wäre. Dann 



Wigger in Mekl. Jahrb. 50, S. 283 ; Schirrmacher, Johann Albrecht I. 
Bd. I, S. 15. 

*) Wigger a. a. O. 50. S. 285; Schirrmacher i, S. 39—44. 

3) Schirrmacher i, S. 42; 2, S. 3—5. 

♦) Lisch in Mekl. Jahrb. 18, S. 36; Schirrmacher i, S. 197. 

5) Wigger a. a. O. 50, S. 278; Schirrmacher i, S. 168. 

6) Gerdes, Nützliche Samlung ungednickter Schrifften und Uhrkunden. 
S. 177 — 97, Schirrmacher i, S. 266 — 69, 

7) Gerdes S. 198 — 207; Schirrmacher i, S. 329—31. 

8) Schirrmacher i, S. 356 — 57. 



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— 135 — 

aber erneuert sich der Kampf, und es ist von Interesse zu sehen, 
wie Johann Albrecht genau dieselben Wege einschlägt, die vor 
ihm Albrecht VII. beschritten hat. 

Im Jahre 1562 hatte der Herzog, der am 8. Februar eine 
Reise nach Königsberg angetreten hatte, von der er am 25. Juni 
nach Schwerin zurückgekommen war'), einem Königsberger 
SchijQfer Korn verkauft; Wismar aber weigerte sich, die Aus- 
führung desselben zu gestatten. Am 26. August bedankt sich 
die Stadt für den treuen Rath, den Rostock in Betreff der be- 
schwerlichen Schifffahrt Herzog Albrechts ihren Rathssendeboten 
ertheilt hat, erklärt sich bereit, morgen Abend zwei ihrer Raths- 
mitglieder in Güstrow eintreffen zu lassen, und bittet, dass die 
beiden Sendeboten Rostocks auch den Dr. Lorenz Kirchhof, ihren 
Syndikus, in ihrem Wagen mitbringen. Ein Schreiben vom 
12. September meldet, dass der Rath nach den fruchtlosen Ver- 
handlungen zu Güstrow die Gemeinde versammelt und mit deren 
Zustimmung dem Herzog sein Verlangen abgeschlagen hat und 
dass darauf der betreffende Schiffer ohne Ladung weggesegelt 
ist; heute ist ein Sekretär des Herzogs erschienen und hat sich 
dahin vernehmen lassen : da der Rath den Schiffer das ihm vom 
Herzog verkaufte Korn abzuführen verhindert, ihn drei Wochen 
lang aufgehalten und ihm dadurch Kosten und Schaden verursacht 
habe, so befehle der Herzog, dass der Rath sich mit demselben 
sofort über einen Ersatz seines Schadens vergleiche, falls er nicht 
wolle, dass der Herzog mit Repressalien vorgehe; der Rath hat 
darauf Frist bis zum 15. September erbeten und ersucht nun 
Rostock, ihm schriftlich zu rathen, was er dem Herzog ant- 
worten solle. 

Mit diesem Widerstände Wismars wird es zusammenhängen, 
dass Herzog Johann Albrecht, den Plan, den sein Vater, 
Herzog Albrecht, 1533 aufgegeben hatte, wieder aufnahm 
und durch den Bau eines Schlosses »im Fleckenhagen«, 
südlich von Kirchdorf am Kirchsee, zur Ausführung brachte*). 
Ueber die Geschichte dieses Baues, der nach Wigger seit dem 
Jahre 1562 vor sich gegangen ist 3), fehlt uns die nähere Kunde. 



i) Mylios bei Gerdes, Nützliche Samlung S. 273 ; Lisch in Mekl. Jahrb. 
18, S. 79—80; vgl. Schirrmacher i, S. 403 Anm. 2. 
a) Mekl. Jahrb. 48, S. 5—8. 
3) Das. 48, S. 5. 



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— 136 — 

Auch über einen etwaigen Widerspruch der Städte Rostock und 
Wismar haben wir keine Nachricht^). 

Nach der Ansicht Wiggers*) hatte das Schloss »nur die 
Einrichtung eines Jagdhauses, in welchem der Herzog vielleicht 
auch im Sommer einige Wochen verweilen mochte, um auf der 
Insel der frischen Seeluft zu geniessen«. Jedenfalls war es im 
Jahre 1565 nicht mit grösserem Geschütz versehen. Während 
des Krieges, den Dänemark und Lübeck gegen Schweden führten 3), 
lief damals ein Revalsches Schiff, von einer Lübischen Pinke ver- 
folgt, in die Golwitz ein; Herzog Johann Albrecht Hess dasselbe 
»auf S, F. G. Ströhme durch etliche der seinen annehmen und 
besetzen, auch näher der Golwitz am Strande eine Schantze auf- 
werffen, auch etliche Stück Büchsen von Schwerin in Eyle dahin 
bringen« ; als dann die Lübische Pinke sich zwischen das Revalsche 
Schiff und die Schanze legte und auf das Schiff zu schiessen 
begann, »seynd aus der Schantze in die Pincke etliche Schuss 
auch abgangen und die Pincke wieder abgelauffen« ^). 

Vermuthlich stand jedoch die Ausführung eines zweiten Plans, 
den einst Herzog Albrecht gehegt hatte, mit dem Pöler Schloss. 
bau in innerem Zusammenhange. Herzog Johann Albrecht, der 
im fahre 1563 vom 12. November bis zum 29. Dezember 
in Königsberg verweilte, benutzte solchen Aufenthalt, um sich 
»zwei grosse schöne Schiffe« in Memel bauen zu lassen, die 
trotz der von Herzog Alhrecht von Preussen gewährten Unter- 
stützung an Holz, Hanf, Theer und andern Dingen »unglaub- 
liche Unkosten« verursachten; am 15. Dezember begab er sich 
selbst nach Memel »zu Besichtigung der Schiffe und Bestellung 
dero Nothdurfft« ^). Aber es dauerte länger als drei Jahre, ehe 
diese Schiffe vollendet wurden. Erst nachdem der Herzog am 
21. März 1566 nochmals nach Memel gereist war, diesmal in 



x) Wiggers Bemerkung (das. 48, S. 6) : »Mochte Wismar auch zu 

diesem neuen Schlossbau von 1562 scheel sehen : es war nicht im Stande, 

denselben zu hemmen«, hat wohl keine aktenmässige Grundlage. 

2) Das. 48, S. 8. 

3) Becker, Gesch. der St. Lübeck 2, S. 1 62—64. 

4) Mylius bei Gerdes, Nützliche Samlung S. 280. 

5) Mylius a. a. O. S. 278; Lisch in Mekl. Jahrb. 18, S. 82; Schlrr- 
macher i, S. 644 Anm. 2. 



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— 137 — 

Begleitung seiner Schwester Anna und ihres Gemahls, des Herzogs 
Gotthard Kettler von Kurland, deren Beilager kurz vorher zu 
Königsberg stattgefunden hatte ^), kamen im Jahre 1567 die 
beiden Schiffe glücklich in Meklenburg an ; zu ihrer Besichtigung 
fuhr Herzog Johann Albrecht nach Brandenhusen auf Pol, süd- 
westlich von Kirchdorf«). Eine weitere Nachricht über diese 
Schiffe, die ihren Untergang betrifft, lehrt uns den Zweck kennen, 
zu dem sie bestimmt waren: »So seynd auch dieses Jahres«, ge- 
richtet Mylius zu 15713), »die zwey herrlichen schöne Schiffe 
in Preussen erbauet und mit Waaren nach T^issabon abgefertiget, 
in der Wiederreise zu unterschiedenen Zeiten und Oerthern mit 
allen innehabenden Gtithem untergegangen. Die Leute seynd 
dem mehren theil in einem Bothe zu Lande kommen«. 

Auch den dritten Plan seines Vaters, die Einrichtung eines 
Hafens auf Fischland, hat Herzog Johann Albrecht ins Auge 
gefasst. In einem Schreiben^ das er im Jahre 1572 an den 
damals in Venedig sich aufhältenden Christoph von Schöneich 
richtet^), sagt der Herzog, der Hafen vor,Ribnitz sei vor langer 
Zeit (vor etzlichen vielen Jaren) mit Schiffen versenkt und hernach 
durch den angetriebenen Sand so flach geworden, dass er nicht 
mehr befahren werden könne; weil er nun erfahren habe, dass 
die Venetianer es verstehen, den Triebsand aus ihrem Hafen 
herauszuwinden, so begehre er, da er gern den Ribnitzer Hafen 
aufräumen und die dortige Schifffahrt in Schwang setzen wolle, 
dass Schbneich einen Sachverständigen befrage, mit was für 
welchen Instrumenten man den Sand und die Rudera heraus- 
bringen könne, da der in die See fliessende Wasserstrom, der 
den dortigen Hafen bilde, zwar seinen Lauf behalten, aber durch 
das Zusenken sich ausgebreitet und sein Tief verloren habe; 



x) Als Datum des Beilagers nennt Mylius a. a. O. S. 284 den 10. März; 
Wigger in Mekl. Jahrb. 50, S. 289 entscheidet sich mit Rücksicht auf die 
»Einladungen« für den 24. Februar; Schirrmacher i, S. 655 Anm. 4 fuhrt 
ebenfalls eine »Einladung zur Hochzeit« an, giebt aber im Text das Datum 
März IG. 

9) Mjlius a. a. O. S. 286. 

3) A. a. O. S. 293 — 94. Beselin's Auszüge aus Chemnitz berichten (das 
S. 652) über Bau und Untergang der beiden Schiffe zum Jahre 1563. Vgl. 
V. Rudioff, Meckl. Gesch. 3, i, S. 192. 

4) Peters, Swante-Wustrow S. 48—49. 



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- 138 - 

auch bitte er, ihm sowohl einen Abriss des betreffenden Instru- 
ments, wie auch ein Holzmodell desselben anfertigen zu lassen. 
Weitere Nachrichten fehlen bisher. Im Jahre 1595 wurde in 
Ribnitz behauptet, der Herzog habe ein halbes Jahr vor seinem 
Tode (1576 Februar 12) den Ribnitzer Hafen auf Wunsch 
seiner Tante, der Aebtissin Ursula, in Augenschein genommen 
und seine Wiedereröffnung durch holländische Meister verheissen *). 
Ob das richtig ist oder auf einem Irrthum in der Zeitrechnung 
beruht, weiss ich nicht zu entscheiden. 

Mit dem Jahre 1572 beginnt dann die Klipphafen-Schifffahrt 
auch auf den Landtagsverhandlungen eine Rolle zu spielen. Eines- 
theils geht dabei die Anregung von der Ritterschaft aus, die sich 
durch die von den Landesherren erhobene Rekognition für die 
Benutzung von Klipphäfen, beziehentlich durch die Verbote der 
Kornausfuhr beschwert fühlt. Am 25. März 1572 zu Güstrow 
reicht die Landschaft eine Beschwerde der Gebrüder von Oertzen 
ein 2), welche unter Anderem auch die vom Amte Bukow ge- 
forderte Abgabe für die Verschiffung von Korn betrifft und 
von Herzog Johann Albrecht dahin beantwortet wird, dass ihm 
solche Hebung als stehende Einkunft von seinem Herrn Vater 
überkommen und in der Erbtheilung mit seinen Brüdern in Rech- 
nung gesetzt sei, weshalb er sie denen von Oertzen zu Gefallen 
nicht abschaffen könne 3). — Diese Rekognition wird bezeichnet 
als »die Tonne Salz und einen Thaler von jeder Schute« und 
betrug also wohl für jede Schutenladung verschifften Korns eine 
Tonne Salz und einen Thaler. Am 22. April 1607 wird ab. 
Seiten der Adligen im Bukower Ort auf dem Deputationstage zu 
Güstrow gebeten, dass Serenissimus ihnen ihre Gerechtigkeit 
wegen der Schifffahrt konfirmiren und den Beamten befehlen wolle, 
ihnen nicht mehr abzuverlangen, als von Altersher üblich gewesen 
sei. Hier wird als die herkömmliche Rekognition angegeben: 
»I Tonne Salz aufs Amt und i Rthlr von einem jeden aufs 
Jahr Amts-Gebtihrniss«, also von Jedem, der in dem betreffenden 
Jahre Korn verschiffen will, eine einmalige Leistung von einer 
Tonne Salz und einem Thaler. Eine Rostocker Aufzeichnung 



«) S. unten. 

«) Spalding, Mecklenb. Landes- Verhandlungen i, S. 81 § 8. 

3) Das. I, S. 94 ad 8 c. 



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— 139 — 

vom 30. Oktober 1623 besagt: »Dess Burgermeisters Schute von 
der Newstatt auss dem Lande zu Holstein (welcher Bürgermeister 
Moritz Nieman genandt) hat zu zweien mahlen Korn von Poele 
abgeholt, so Jasper Parleberg ihm zu gutte aufgekaufFt, hatt dafür 
dem HofFmeister zum KoldenhofFe gegeben vor eine jede Schute 
eine Tonne Saltz benebenst i Reichsthaler, inmassen ich von 
desselben Hoffmeisters Frawen und Sohne berichtet worden«. 

Anderntheils sind es die Klagen der Landstädte bezüglich 
des Vorkaufs und des Betriebes bürgerlicher Gewerbe von Seiten 
der Adligen, welche den Seestädten Veranlassung geben, ihre 
mit dem Vorkauf eng zusammenhängende Spezialbeschwerde über 
die Klipphafen-Schifffahrt zur Sprache zu bringen. Am 25. März 
1572 beschweren sich die Landstädte darüber, dass die fürst- 
lichen Beamten allerlei Waaren aufkaufen und an ausländische 
Kaufleute verkaufen*). Serenissimi antworten darauf, dass solche 
Vor- und Aufkäuferei in den von jedem Amtmann und Küchen- 
meister zu beschwörenden Amtsordnungen verboten sei und dass 
jeder Uebertreter dieses Verbots dermaassen von ihnen bestraft 
werden solle, dass sich Andere daran spiegeln können»). Am 
25. März reicht die Landschaft auf dem Landtage zu Güstrow 
einige Beschwerden der allgemeinen Landstädte ein 3), auf welche 
die Fürsten am 4. Juni zu Stemberg antworten, dass der Vorkauf 
in der neuen Polizeiordnung strenge verboten sei und ernstlich 
geahndet werden solle ^). 

In der revidirten Polizeiordnung, welche vom 2. Juli dieses 
Jahres datirt ist^), wird allen Unterthanen, »sonderlich denen 
vom Adel«, befohlen, die Waaren, welche sie zu verkaufen haben, 
Korn, Wolle u. s. w., nach der nächsten Kaufstätte auf den 
Markt zu bringen, beziehentlich sie dort zu dem gleichen Preise, 
für den sie dieselben nach auswärts verkaufen können, anzubieten : 
finden sie zu diesem Preise keinen Abnehmer, so können sie 



») Spalding 1, S. 50 § 20b. 
») Das. I, S. 67 ad 20b. 

3) Das. I, S. 81 § 15. 

4) Das, I, S. 96 ad 15a. 

5) Uebcr die beiden Ausgaben mit der Jahreszahl 1572 s. Wichmann, 
Meklenburgs altniedersächsische Literatur i, S. 191 — 92. 



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— 140 — 

ihre Waaren nach ihrem Belieben innerhalb oder ausserhalb des 
Landes verführen»). 

Diese Polizeiordnung war für die Städte Rostock und Wismar 
nicht verbindlich. In der ursprünglichen Redaktion von 15 16 
hatten die Herzoge Heinrich und Albrecht ausdrücklich erklärt, 
dass die Städte Rostock und Wismar, da dieselben bereits der- 
gleichen Ordnung haben, die Landesordnung fleissig erwägen, 
berathen und — soweit es thunlich und möglich — befolgen 
oder nach alter Gewohnheit selbst Ordnung machen, jedoch in 
Bezug auf diejenigen Artikel, welche alle Stände angehen, sich 
ebenmässig verhalten sollten»). Bei der Revision von 1542 war 
dieser Passus beibehalten worden 3); die Redaktion von 1562^) 
hatte ihn freilich ausgelassen; aber in dem am 21. September 
1573 zu Güstrow zwischen den Herzogen Ulrich und Johann 
Albrecht einerseits und der Stadt Rostock andererseits abge- 
schlossenen Erbvertrage wurde bestimmt, dass der Rostocker 
Rath eine Polizei- und Gerichtsordnung nach der Gelegenheit der 
Stadt und »so viel sich immer leiden wil und müglich sein wird« 
der von den Landesfürsten ausgegangenen Polizei- und Gerichts- 
ordnung gemäss und gleichförmig alsbald abfassen und drucken 
lassen sollte *). 

Trotz dieses Ausnahmezustandes, in dem sich die beiden 
Städte der Polizeiordnung von 1572 gegenüber befanden, zweifelten 
dieselben nicht daran, sich bei einer Beschwerde über Vorkäuferei 
auch auf diese Ordnung berufen zu dürfen. Am i. September 
1575 erklärt sich Wismar Rostock gegenüber damit einverstanden^ 
dass man wegen des verfänglichen Kornaufkaufs, der von dem 
Lübischen Bürger Jaspar Klausen zwischen Wismar und Kröpelin 
geschehe, die Landesherren beschicke, sobald dieselben in Schwerin 
zusammenkommen werden; Gott wolle nur, fügt es hinzu, dass 
man mehr ausrichte, als in den bisherigen Verhandlungen, die 
man mit den Fürsten und selbst mit der ganzen Landschaft 



i) Policey und Landtordenunge S. LXXXIII— LXXXIV. 
a) Bärensprung, Sammlung alter u. neuer Herz. Meckl. Landes- Gesetze 
4, S. 36—37. 

3) Glöckler in Mekl. Jahrb. 16, S. 349. 

4) Bärensprung 4, S. 38 — 130. 

5) Erb vertrag von 1573. 



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— 141 — 

mannichfach und noch im vergangenen Jahre mit Johann Albrecht 
(bey unserm gnedigen Landtfursten) auf Pol gehabt habe. Am 
6. September berichtet Wismar, dass die beiden Landesherren 
heute in Schwerin zusammenkommen werden. Am 7. September 
beglaubigt Rostock seine Abgeordneten Bürgermeister Christopher 
Bützow und Dr. Markus Lüschow bei den Fürsten und instruirt 
sie, die Herzoge als Väter des Vaterlandes um Maassregeln gegen 
Jaspar Klausen zu bitten, der jährlich im Herbst in der Vogtei 
Bukow und den umliegenden Aemtern zwischen Wismar und 
Doberan die Gerste aufkauft. Am 10. September resolviren sich 
die Fürsten folgen dermaassen : da die Städte Rostock und 
Wismar sich in ihrer Werbung auf des heil, Reichs Konstitution, 
die geschriebenen Rechte und die landesherrliche Polizeiordnung 
beziehen, der natüriichen Billigkeit und den geschriebenen Rechten 
nach aber Jeder, der ein Recht gegen einen Andern gebrauchen 
will, demselben auch seinerseits nachleben niuss, so sollen erst 
die beiden Städte die publicirte meklenburgische Polizeiordnung 
annehmen, dann werden auch die Fürsten dafür sorgen, dass 
sich Adlige und Bauern ihnen gegenüber derselben gemäss ver- 
halten; Rostock, dem freilich im Güstrowschen Erbvertrage die 
Einführung einer eigenen Polizeiordnung zugestanden worden sei, 
könne dieses Recht, nachdem es fast zwei Jahre darüber habe 
vergehen lassen, jetzt nicht mehr ausüben, sondern sei gleich 
Wismar gehalten, die fürstliche Polizeiordnung anzunehmen. Am 
13. September schreibt Rostock an Wismar, da seine Gelegenheit 
es nicht erfordere, diesen Bescheid mit Stillschweigen zu über- 
gehen, so habe es den Fürsten durch gegenwärtigen Boten seine 
schriftliche Resolution zugesandt, von der es Wismar nach dessen 
Begehr eine Abschrift zustelle. 

Diese Resolution Rostocks ist leider bisher noch nicht auf- 
gefunden worden. Jedenfalls wurde darin die Forderung, dass 
die Stadt die Landesordnung einführe, mit Entschiedenheit 
abgelehnt. Am 14. April 1576 ist dann die Rostocker Polizei- 
ordnung, am 24. April desselben Jahres die Rostocker Gerichts- 
ordnung veröffentlicht worden. 

Herzog Johann Albrecht freilich hat den Druck dieser Gesetze 
nicht mehr erlebt; am 12. Februar 1576 ist er gestorben. Für 
seinen ältesten Sohn Johann VII., der ihm in der Regierung 



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— 142 — 

nachfolgen sollte, führte der Oheim Herzog Ulrich die Vormund- 
schaft bis zum 12. September 1585. 

Während solcher Vormundschaft baten >die Städte insgemeinc 
auf dem Landtage zu Stemberg am 18. Juni 1584, dass sie bei 
ihren Privilegien und Gerechtigkeiten, auch ihrer Nahrung und 
Hantierung geschützt und dass das Vorkaufen und das Brauen 
auf dem Lande, wo letzteres nicht von Altersher ausgeübt worden, 
abgeschafft werden möchte^), und Herzog Ulrich erklärte sich 
bereit, der Polizeiordnung nach das Vorkaufen und das Brauen 
und Mülzen auf dem Lande, wo es nicht hergebracht sei, zu 
verbieten"). 

Nachdem dann Herzog Johann VII. sich mit seinem jüngeren 
Bruder Sigismund August abgefunden (1586, Mai 20) 3) und die 
Huldigung des Landes (1588) entgegengenommen hatte ^), reichten 
die Landstädte im Jahre 1589 wiederum eine Beschwerde über 
das Vorkaufen, Brauen und Mülzen auf dem Lande ein, und die 
Herzöge antworteten darauf am 27. November auf dem Land- 
tage zu Güstrow: sie wüssten sich ihrer bei der Erbhuldigung 
gethanen fürstlichen Zusage wohl zu erinnern und wären gemeine 
Landstädte bei ihren wohlhergebrachten und von ihnen konfir- 
mirten Privilegien zu schützen erbötig; insbesondere sollten 
wegen des Vorkaufens, Brauens und Mülzens, welches Alles der 
fürstlichen Konstitution, der Polizeiordnung und den 1574 er- 
lassenen gemeinen Ausschreiben zuwider wäre, nicht nur die 
Landstädte von dem, was ihnen in der Konstitution und den 
Ausschreiben erlaubt worden, fleissig Gebrauch machen, sondern 
Serenissimi wollten auch ihren Amtleuten ernstlich befehlen, auf 
die Anforderung der Städte hin den Bestimmungen der Kon- 
stitution, Polizeiordnung und Ausschreiben unweigerlich nach- 
zukommen 5), 

Gleichzeitig mit dieser Beschwerde der Landstädte waren 
auch Gravaraina der Ritterschaft aufgesetzt worden, in denen 
dieselbe unter Anderm verlangte, dass es ihr gestattet würde, 

») Spalding i, S. 151 ad II. 
») Das. I, S. 153 ad II. 

3) Rudloflf 3, 2, S. 52. 

4) Das. 3, 2, S. 55. 

5) Spalding 1, S. 188. 



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— 143 — 

Schuten zu bauen und ihr Korn selbst zu verschiffen ; auf dem 
Landtage zu Stemberg vom i. Oktober 1589 wurde jedoch von 
den Landräthen nicht flir rathsam erachtet, solches Gravamen 
Serenissimis zu übergeben, und von Seiten der Städte Rostock 
und Wismar ward dagegen Protest erhoben»). 

Am 22. März 1592 starb Herzog Johann VII., und wiederum 
hatte Herzog Ulrich, diesmal flir die Grossneffen, Adolf Friedrich I. 
und Johann Albrecht II., die Vormundschaft zu übernehmen. 
Dieser Zeit gehört die Korrespondenz über eine angebliche Klipp- 
hafen-Schififahrt auf Fischland an, auf die wir ihres mannichfach 
interessanten Inhalts wegen etwas häher einzugehen haben. 

Im Oktober 1595 war ein holländischer Schiffer Anna 
Tonnies nach Stralsund gekommen, um Korn einzukaufen. Da 
der Rath sich dem widersetzte und ihm nur etwas Mehl aus- 
zuführen gestattete, einigte sich Tonnies mit einem Sundischen 
Bürger Valentin Ruche dahin, dass dieser ihm für 300 Thaler 
Korn auf dem Lande aufkaufen und nach Ribnitz liefern sollte. 
Die Kämmereiherren untersagten zwar Ruche solchen Handel ; 
Ruche aber begab sich nach Meklenburg und schloss verschiedene 
Lieferungsgeschäfte ab. Am 20. Oktober wurde dem Rostocker 
Kaufmann Elias Arnim geschrieben, dass Valentin Ruche am' 
vergangenen Sonnabend bei denen von der Luhe, von Zepelin 
und von Kardorff gewesen sei und um die Lieferung von 60 Last 
Roggen geworben habe; diese seien für einen Preis von 15 Schüling 
Lübisch für den Scheffel Rostocker Maass darauf eingegangen 
und werden zum 27. Oktober die ersten 15 — 16 Last nach 
Ribnitz liefern, die, wie es heisse, nach Lübeck bestimmt seien. 
In Folge dessen sandte am 22. Oktober der Rostocker Rath ein 
Beschwerdeschreiben nach Stralsund. Der dortige Rath antwortete 
darauf am 26. Oktober, wenn Ruche, der zur Zeit nicht orts- 
anwesend sei, dem Befehl der Kämmereiherren nicht nachgelebt 
habe, so solle er bei seiner Rückkehr bestraft werden ; übrigens aber 
habe auch Stralsund sich darüber zu beschweren, dass vor ungefähr 
drei Wochen einige Rostocker Bürger in der Umgegend von Stral- 
sund etwa 50 Last Roggen aufgekauft und mit 15 Schilling Lübisch 
für den Scheffel bezahlt haben, wodurch der Preis auch für die 



x) Spalding i, S. 177. 

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— 144 — 

Stralsunder Bürger, die vorher zu 12, höchstens zu 13 Schillinge 
haben einkaufen können, zu gleicher Höhe gesteigert sei. Nach- 
dem dann der Rostocker Rath in Erfahrung gebracht, dass bereits 
ein mit Roggen beladenes holländisches Schiff von Wustrow ab- 
gefahren sei^ berieth er sich darüber, was man gegen solche 
Klipphafen-Schifffahrt thun könne. Beschlossen wurde, in Rück- 
sicht auf die Zeitumstände nicht, wie die Vorfahren »für etliche 
hundert Jahr gethan«, solches de facto zu verhindern und das 
Korn einzuholen, sondern bei dem Landesherrn um Abstellung 
anzuhalten. Am 4. November wurde demgemäss bei Herzog 
Ulrich Beschwerde darüber erhoben, dass Valentin Ruche aus 
Stralsund von einem holländischen Schiffer einige hundert Thaler 
aufgenommen und damit bei ^denen von der Luhe, Kardorff, 
Zepelin und andern Adligen in der Umgegend von Ribnitz 
etwa 60 Last Roggen aufgekauft habe, dass auch von Heinrich 
Küster und Lieffert aus Ribnitz, zweifelsohne ebenfalls mit 
fremdem Gelde, ein Gleiches geschehen und dass von allen dreien 
solcher Roggen mit kleinen Prähmen oder Böten über den Grund 
und Boden des Klosters Ribnitz (über den Ribnitzischen Bodem) 
durch den von den Vorfahren der Rostocker versenkten Hafen 
in ein holländisches Schiff gebracht sei, welches vor demselben 
unterhalb Wustrows (vor der berurten Hafe unter Wustrow) ge- 
legen habe. Diese Sache sich angelegen sein zu lassen, wurde 
am 5. November der Kanzler Professor Dr. Jakob Bording gebeten. 
Am II. November befahl Herzog Ulrich dem Ribnitzer Rath, 
nicht mehr zu gestatten, »das einig Korn von dannen mit Kähnen, 
Prämen oder Boten durch die vorsenckte oder verwüste Hafe ge- 
fuhret unnd in einige Schuten oder Schiffe gebracht werden 
muege«, beziehentlich seine Einwände binnen 14 Tagen ein- 
zuschicken. Am 28. November sprach der Rostocker Rath dem 
Herzog Ulrich für diesen Befehl seinen Dank aus, berichtete, dass 
wiederum vor dem versenkten und verwüsteten Hafen, dem 
gegenüber Rostock nach den Berichten des Albert Krantz und 
des Verfassers der Pommerschen Historien sein jus prohibendi 
seit dem 13. Juli 1395 ausgeübt habe, ein fremder Schiffer liege, um 
von Ribnitz her Korn einzunehmen, und bat um die abermalige 
Erlassung eines solchen Verbotes. Nach Empfang dieses Schreibens 
befahl Herzog Ulrich, da die Antwort des Ribnitzer Rathes 



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— 145 — 

damals noch nicht eingegangen war, am 30. November den 
herzoglichen Beamten zu Ribnitz, Amtmann Joachim von Olden- 
burg und Küchenmeister Jakob Hidde, die Sache zu untersuchen 
und eventuell das durch Vorkäuferei zusammengebrachte Korn mit 
Arrest zu belegen. — Inzwischen hatte am 29. Nov. der Ribnitzer 
Rath einen ausführlichen Gegenbericht abgesandt. Vor wenigen 
Wochen, heisst es hier, sei Valentin Ruche, jetzt Bürger zu 
Stralsund, früher Bürger zu Ribnitz, Sohn des weiland dortigen 
Bürgermeisters Hans Ruche, nach Ribnitz gekommen und habe, 
nicht von den in der Beschwerdeschrift Rostocks genannten 
Adligen, sondern von Ribnitzer Rathmannen und Bürgern Korn 
gekauft und Angeld darauf gegeben; solches Korn, 25 Last 
Roggen und Weizen, sei ihm geliefert auf 2 Boierte, mit denen 
er von Stralsund auf den pommerschen Strömen bis nach Ribnitz 
vor das dortige Fischerthor gekommen sei, erst 15 Last auf den 
einen, dann etwa 14 Tage später 10 Last auf den andern; mit 
diesen Boierten, die keineswegs holländischen Schiffern, sondern 
Sundischen Bürgern gehören, sei er dann denselben Weg zurück- 
gefahren, »durch die gedachte Pommerische Strome bei dem 
Darsse, so den Fürsten unnd Hertzogen zu Pommern, Hertzogk 
Bugschlaffen itziger Zeit zustendig, auch volgendts durch des- 
selben Strome nach dem Jollen hinauss in die offenbare Sehe« ; 
weil aber beim Darsse eine Untiefe (eine kleine flecke) vorhanden, 
über welche die beladenen Boierte nicht wohl hätten fliessen 
können, so habe Ruche zwei barthische Schuten bestellt, um den 
Boierten hinüber zu helfen. Von den genannten Adligen aber, 
heisst es weiter, wie auch von den Amtleuten zu Dargun und 
Gnoien, habe Ruche vor etwa 6 Jahren, da er noch Bürger zu 
Ribnitz gewesen, Korn gekauft, das er einem Lübecker Kauf- 
mann, der damit ebenfalls durch die pommerschen Ströme in 
die offene See gefahren, zu Ribnitz aufs Schiff geliefert habe; 
ob er damals mit fremdem Gelde gehandelt oder von dem Kauf- 
mann Angeld erhalten habe, sei zwar nicht bestimmt zu wissen; 
doch sei Beides unter Kaufleuten überhaupt und insbesondere 
auch in Rostock gebräuchlich. Von einer ungewöhnlichen und 
neuen Schifffahrt sei aber auch in diesem letztgenannten Falle 
nicht zu reden; denn seit Menschen-Gedenken haben nicht nur 
Ribnitzer Bürger Korn und Holz aufgekauft und durch die 

Hansische Geschichtsblätter. XIV. lO 



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— 146 — 

pommerschen Ströme nach Stralsund und auch wohl nach Lübeck 
verschifft und Malz und andere Waaren von Stralsund zurück- 
gebracht, sondern auch die verstorbene Aebtissin habe häufig 
Korn und Butter in grossen Böten nach Lübeck geschickt, manch- 
mal mittels der pommerschen Ströme, manchmal auch von Müritz 
aus; auch von Bürgermeister Heinrich Köster seien noch vor 
wenig Jahren 10 Last Roggen bei Müritz verschifft und einem 
Brauer in Lübeck, Jürgen Strauch genannt, zugesandt worden. 
Dass aber solche Schifffahrt schon vor langen Jahren und in viel 
grösserem Maasse betrieben worden sei, werde durch die an 
einigen Orten erhaltenen Rudera erwiesen. Wie also Ribnitz den 
Rostockern bezüglich der Schifffahrt eines juris prohibendi nicht 
geständig sei, so meine es auch durch seinen Kornhandel nicht 
wider die Polizeiordnung zu Verstössen; denn wenn derselbe 
als Vorkäuferei aufgefasst werden solle, so mache sich Rostock 
einer solchen in viel höherem Maasse schuldig; komme doch 
hiesigen Ortes kein Haupt Vieh, kein Lamm, keine Gans und 
kein Huhn zu Verkaufe, ja, werde doch kaum ein Fisch ge, 
fangen, ohne dass die Rostocker damit Handel, Wucher und 
Vorkäuferei treiben. Die Behauptung Rostocks, dass den Land- 
städten keine Schiflffahrt und Kaufmannschaft zukomme, sei unbe- 
gründet; denn der Kaufhandel sei den Landstädten weder in 
Meklenburg noch sonst irgendwo verboten, und kleine Schiff- 
fahrten seien bei Menschen-Gedenken, ja vor wenig Jahren, in 
Parchim, Schwerin, Neustadt, Grabow, Bützow, Dömitz und 
anderswo zu ihrem Gebrauche neu eingerichtet worden. Was 
aber den Hafen unterhalb Wustrows auf dem Grund und Boden 
des Klosters betreffe, so sei derselbe von solcher Beschaffenheit, 
dass man jetzt mit Pferden und Wagen fahren könne, wo vordem, 
wie der Augenschein beweise, ein ansehnlicher Hafen gewesen 
sei; werde dieser Hafen wiederhergestellt, was mit geringen 
Unkosten geschehen könne, da man nicht über 130 Klafter zu 
' graben und zu bollwerken brauche, so könne man von Ribnitz, 
das jetzt gegen 9 Meilen von der See entfernt sei, in einer 
kleinen Meile an den offenen Strand laufen; Herzog Johann 
Albrecht habe etwa ein halbes Jahr vor seinem Tode auf An- 
suchen der verstorbenen Aebtissin die Gelegenheit desselben be- 
sichtigt und sich dahin ausgesprochen, dass er sachverständige 



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— 147 — 

Holländer verschreiben und den Hafen wieder in Stand setzen 
lassen wolle, sei aber durch den Tod daran verhindert worden. 
Die Versenkung des Hafens durch die Rostocker sei unglaublich 
und gewiss nicht rechtmässig geschehen ; wahrscheinlicher sei es, 
dass er entweder bei der Verarmung, welche die Stadt Ribnitz 
in Folge zweier grosser Feuersbrünste betroffen, vernachlässigt 
und verfallen oder aber von anderer Seite — von den Landes- 
herren — zugedäramt worden sei (oder aber sonsten, durch 
Gottes Allmacht, wie an mehren orttem geschehen und denen 
von Rostock selber woU wiederfahren, gedempfet unnd bewellet 
worden). Seine Wiedereröflfnung aber werde nicht nur der Stadt 
Ribnitz zu merklichem Nutzen gereichen, sondern auch für ganz 
Dänemark und selbst für die Rostocker erspriesslich sein; denn 
gerade an diesem Orte laufen die meisten Schiffe auf der Fahrt 
von Dänemark nach Rostock auf den Strand ; seien doch bei 
Zeiten des jetzigen Küchenmeisters, also in 7 Jahren, etwa 20, 
theils dänische, theils Rostockische Schiffe gescheitert, die sich 
hätten bergen können, wenn der Hafen in Stand gewesen wäre. 
Demgemäss bittet also der Rath, der Herzog wolle Dietrich 
Bevernest als mitverordneten Provisor des Klosters, Amtmann 
Joachim von Oldenburg, Volrad von der Luhe zu Fahrenhoop 
und Volrad von der Luhe zu Schulenberg beauftragen, die Ge- 
legenheit des Hafens zu untersuchen und nach günstigem Bericht 
die Wiedereröffnung desselben anordnen. — Unter dem 19. Dezbr. 
erstatten dann auch Amtmann Joachim von Oldenburg und 
Hauptmann und Küchenmeister Jakob Hedde den verlangten 
Bericht. Unter Bezugnahme auf den Gegenbericht des Rib- 
nitzer Rathes erklären sie kurz, dass der ehemalige Hafen 
wohl mit Wagen und Pferden, aber nicht mit Schiffen 
befahren werden könne, >ess wehre dan sache, das sie auff 
trucken Lande siegelen konten« *, dass die Waaren, welche see- 
wärts nach Ribnitz kommen oder von dort verschifft werden, 
etwa 9 Meilen durch die pommerschen Ströme gehen müssen ; 
dass trotzdem, namentlich zu den Jahrmärkten, allerlei Waaren 
von Stralsund, Stettin und andern Orten nach Ribnitz gebracht 
werden ; dass sowohl die verstorbene Aebtissin, als auch Kibnitzer 
Bürger von Ribnitz und von Müritz aus Korn nach Lübeck 
und anderswohin verschifft haben, und dass demgemäss von einer 



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— 148 — 

neuen Schifffahrt nicht die Rede sein könne. Was aber den 
versenkten Hafen betreffe, so seien vormals wohl zwei Häfen, 
vielleicht zu verschiedenen Zeiten, vorhanden gewesen, die sich 
in den Ribnitzer Binnensee erstreckt haben, der eine auf dem 
Ländchen Wustrow, der andere zwischen Wustrow und dem 
Darss beim Ahrenshoop; möglicherweise seien beide zerstört 
worden; denn von dem ersteren sollen nach dem Bericht der 
Einwohner bei klarem und stillem Wetter noch einige Pfähle in 
der See zu sehen sein, und beim Ahrenshoop scheinen die vor- 
handenen Rudera zu beweisen, dass dort ehemals ein gemauertes 
Gebäu gestanden habe; weshalb sie zerstört worden seien, wisse 
man nicht; die Sage aber begründe die Zerstörung des Wustrower 
Hafens mit dem Aufenthalt der Seehähne Störtebeker und Gödeke 
Michel, die nach der Meinung der Leute auf Land Wustrow zu 
Hause gehört haben, und wahrscheinlich sei auch der Hafen beim 
Ahrenshoop, um die Seeräuber zu vertilgen, nicht um den Rib- 
nitzern die Schifffahrt zu wehren, von den Rostockern zerstört 
worden. Jedenfalls sei es wtinschenswerth, dass wieder ein Hafen 
eingerichtet werde ; der Anfang dazu sei vor undenklichen Jahren 
gemacht, indem man, keinen Büchsenschuss von dem versenkten 
Wustrower Hafen ab, einen neuen Hafen zu graben begonnen 
habe; aber das Unternehmen sei, als nur noch etwa 150 Klafter 
zu graben und zu bollwerken übrig gewesen, wie man meine 
wegen der durch Brandschäden verursachten Verarmung der 
Ribnitzer, unfertig liegen geblieben; Herzog Johann Albrecht 
solle dasselbe wieder aufzunehmen beabsichtigt haben; wolle 
Herzog Ulrich darauf zurückkommen, so werde er ein gemein- 
nütziges Werk unternehmen; in die von den Ribnitzem gewünschte 
Kommission aber bittet Joachim Oldenburg ihn nicht zu deputiren. 
In einem Schreiben vom 27. Dezember antwortet Joachim Olden- 
burg dem Rostocker Rath, wegen der Vorkäuferei zu Ribnitz 
sei er Willens gewesen, Herzog Ulrich vor den heiligen Tagen 
Bericht zu erstatten; da ihm aber die Zeit zu kurz gewesen sei, 
so denke er nach Verlauf derselben sich an den Hof zu be- 
geben und dem Herzog darüber Relation zu thun. Am 23. Januar 
1596 schickt dann Herzog Ulrich dem Rostocker Rath den Be- 
richt der Ribrtitzer Beamten und weist ihn an, die Ribnitzer in 
ihren hergebrachten Rechten nicht zu hindern. 



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— 149 — 

Herzog Ulrich starb am 14. März 1603, ohne männliche 
Leibeserben zu hinterlassen. In der Regierung des Güstrowschen 
Landestheils, wie in der Vormundschaft der unmündigen Gross- 
nefFeii, folgte ihm sein jüngster Bruder Herzog Karl I. 

Während dieser Vormundschaft beschwerten sich die Land- 
städte am 25. Juni 1606 auf dem Landtage zu Sternberg über 
vielfaches Vorkaufen und unerlaubtes Mülzen und Brauen und 
baten um eine Renovation der im Jahre 1589 von Herzog Ulrich 
erlassenen Dekrete ^). Herzog Karl erwiderte darauf am 2 2 . April 
1607 auf dem Deputations-Tage zu Güstrow, er müsse zunächst 
darüber die Ritterschaft hören*). Die Landstädte wiederholten 
ihre Bitte, indem sie nicht zu bezweifeln erklärten, dass Serenissi- 
mus sie bei den gemeinen Kaiserrechten, der Polizeiordnung und 
den früher ergangenen Abschieden von 1555, 1574, März 16 
und 1589 schützen und handhaben werde 3). Der Herzog 
entgegnete am 27. April, er erwarte die Resolution der Ritter- 
schaft, hoffe auf einen Vergleich zwischen ihr und den Städten 
und wolle eventuell auf Mittel und Wege zur Abhelfung der 
städtischen Beschwerde bedacht sein'*). Am 28. April erklärt 
die Ritterschaft, sie sei damit einverstanden, dass das Vorkaufen 
der Adhgen als dem Adelstande zuwider ernstlich verboten werde ; 
doch solle damit nicht gemeint sein, dass nicht jeder Hauswirth 
das auf seinen Gütern gewonnene Vieh und Korn nebst dem 
von seinen Bauern erhobenen Pachtkorn an Orten und Enden, 
da es ihm beliebe, frei verkaufen könne ; das Brauen und Mülzen 
dagegen werde von den Adligen grösstentheils nur zu eigenem 
Gebrauche betrieben und • könne ihnen ihres Ermessens nicht ver- 
boten sein \ Serenissimus möge auch bedenken, welche Ungelegen- 
heit ihnen daraus entstehen würde, wenn sie ihr Korn, falls sie 
dafür in den Städten keinen Absatz finden, nicht auf ihren Gütern 
gebrauchen dürften; auch müssen sie erinnern, dass die Polizei- 
ordnung, auf welche sich die Städte beziehen, weder pure an- 
genommen sei, noch auch von den Städten selbst in allen Punkten 
gehalten werde; damit wollen sie aber nicht billigen, dass 



i) Spalding i, S. 300 § 3« 
a) Das. 2, S. 338 ad 3, 4, 8. 

3) Das. I, S. 339 — 40 ad 3. 

4) Das. I, S. 341 ad 3, 4, 8. 



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— ISO — 

einer von ihnen fremdes Korn aufkaufe oder über den Bedarf 
seiner eigenen Güter hinaus braue*). In ihrer Erwiderung vom 
29. April sagen die Städte, das Bierbrauen gehöre zur mercatura, 
die dem Adel von den gemeinen Kaiserrechten verboten sei ; im 
Uebrigen acceptiren sie, dass sich die Ritterschaft des schädlichen 
Vorkaufens begebe, ohne jedoch die Restriktion zu annektiren, 
dass dieselbe ihr eigenes Korn und andere Waaren verschiffen 
könne, wohin sie wolle, und bitten nochmals, sie bei ihren Ge- 
rechtigkeiten zu schützen»). 

Dieses Gravamen wegen des Mülzens, Brauens und Vor- 
kaufens wurde, nachdem inzwischen die jungen Herzöge Adolf 
Friedrich I. und Johann Albrecht II. am 28. April 1608 die selbst- 
ständige Regierung des Landestheils Schwerin gemeinschaftlich 
angetreten hatten, auf dem von Herzog Karl gehaltenen Land- 
tage zu Wismar am i. November 1609 von den Landstädten 
wiederholt. Die beiden Seestädte adhärirten demselben und be- 
klagten sich insbesondere über die Aufkäuferei und die seit 
einiger Zeit vorgenommene ungewöhnliche Schiflffabrt von Gartz 
und Güstrow aus 3). Am 12. Juni 16 10 antworten Serenissimi: 
wegen des Mülzens, Bierbrauens und anderer bürgerlicher Nahrung 
lassen sie es, sowohl in Betreff der Priester, Müller und Schäfer» 
als auch bezüglich der Ritterschaft, sofern diese nichts Triftiges 
dagegen einzuwenden haben, bei der Polizeiordnung von 1572; 
wegen der Verschiffung des Korns von Seiten der Ritterschaft 
sei es billig, diese zuvor zu hören; die von Seiten Lübecks und 
Anderer geübte Vorkäuferei aber und damit zusammenhängende 
Verschiffung des Korns solle mit Ernst abgeschafft werden^). 
Nach der Erwiderung der See- und Landstädte nehmen dieselben 
zwar dankbar an, dass es wegen des Mülzens und Brauens bei 
der Polizeiordnung von 1572 verbleiben soll, fühlen sich aber 
dadurch beschwert, dass dieselbe, die doch keineswegs die Schäfer, 
Müller und Priester allein betreffe, nur hinsichtlich der Schwächsten 
als Recht anerkannt werde, während bezüglich des Adels erst 
Dispute stattfinden sollen ; zwar habe sich die Ritterschaft darauf 



') Spalding i, S. 343 Anm. a. 
») Das. I, S. 343—45 ad 3. 

3) Das. I, S. 369—70 ad 3. 

4) Das. I, S. 381—82 ad 3 und 4. 



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— 151 — 

berufen, dass die Polizeiordnung von den Städten selbst nicht 
in allen Punkten gehalten werde; die Städte wissen sich aber 
einer Verletzung derselben nicht zu erinnern ; was die Ausführung 
des Korns anlange, so haben die Seestädte das Recht, dass nur 
aus ihren Häfen Güter verschifft werden dürfen, und an der 
Aufrechterhaltung dieses Rechtes müsse Serenissimis und dem 
ganzen Lande gelegen sein; denn wenn allen Adligen gestattet 
sein sollte, sich eigene Häfen zu machen und ihr Korn zu ver- 
schiffen, so würden dadurch die commercia in allen Städten sehr 
gesperrt werden, der Handel in Abgang kommen und besonders 
die Seestädte nicht allein an ihren Privilegien gefährdet, sondern 
auch in äusserstes Verderben gebracht werden^ weil nun diese 
Städte des ganzen Landes Schlüssel, propugnacula und promp- 
tuaria seien, auch Serenissimi niemals ihr Korn aus besonderen 
Häfen zu verschiffen sich unterstanden haben und kein Adliger 
sich eines Privilegs oder rechtmässigen Besitzes werde rühmen 
können, so wollen alle Städte, sammt und sonders, solche be- 
schwerlichen Eingriffe abzustellen gebeten haben ; hinsichtlich der 
Vorkäuferei Lübecks und Anderer endlich wird das fürstliche 
Erbieten, dieselbe mit Ernst abzuschaffen, von allen Städten accep- 
tirt ^). In ihrer schliesslichen Resolution antworten die Fürsten am 
26. Juni auf dem Landtage zu Stemberg : in Bezug auf das 
Mülzen und Brauen haben die Städte sich nicht zu beschweren, 
da dieses Gravamen nicht die Fürsten direkt betreffe, sondern 
von dem einen Stande gegen den andern erhoben werde, wobei 
die Fürsten nicht mehr thun können, als ergehen zu lassen, was 
Rechtens sei; auf den fürstlichen Aemtem aber wollen sie das 
Brauen und Mülzen, soweit dieselben nicht von Altersher diese 
Gerechtsame gehabt, hinfort nicht mehr gestatten ; wegen der 
Ausführung des Korns werde von den Städten selbst zugestanden, 
dass sie darin von den Fürsten nicht beschwert werden; was 
aber den Adel angehe, so können sie sich nicht weiter resolviren, als 
die Angeklagten zu hören und richterliches Erkenntniss ergehen 
zu lassen; wegen der Vorkäuferei lassen sie es bei ihrer vorigen 
Resolution bewenden^). Die See- und Landstädte erklären in 

1) Spalding i, S. 392—94 ad 3 und 4. 
») Das. I, S. 403 — 4 ad 3 und 4. 



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— 152 — 

ihrer Repetitio gravaminum sich nochmals dankbar dafür, dass 
auf die Befolgung der Polizeiordnung gehalten werden solle ; sie 
hätten wohl gehofft, dass Serenissimi das darin enthaltene Ver- 
bot des Brauens und Mülzens auf dem Lande auch der Ritterschaft 
gegenüber aufrecht erhalten würden, und bitten um Erwägung der 
dafür in der Polizeiordnung angeführten Gründe; Rostock und 
Wismar seien stattlich damit privilegirt, dass ausser ihren Häfen 
keine portus gemacht und kein Verschiffen geduldet werden solle ; 
die Vorfahren der Fürsten haben darauf gehalten, und die beiden 
Städte seien im Besitz; jetzt aber lassen sich die am Seestrande 
wohnenden Adligen verlauten, es stehe ihnen frei, ihr Korn nach 
ihrem Gefallen zu verschiffen, und weil dadurch die Privilegien 
der Seestädte durchlöchert werden, so bitten sie nochmals, der 
Ritterschaft solche Verschiffung ernstlich zu verbieten^). 

Am 2 2. Juli 1610 starb Herzog Karl. Da er un vermählt 
geblieben war, so fiel den Söhnen Johanns VII. auch der 
Güstrowsche Landestheil zu. 

Am 27. September erklären die See- und Landstädte auf 
dem Landtage zu Sternberg, sie hätten gehoJ0ft, dass Serenissimi 
die zwischen der Ritterschaft und den Landstädten obwaltenden 
Misshelligkeiten in Güte oder durch Rechtsbescheid abgestellt 
haben würden; gestern aber haben sie erfahren, dass die Sache 
durch einen von den fürstlichen Räthen mündlich gegebenen Be- 
scheid zum Prozess verwiesen sein solle ; da nun ihr ganzes An- 
liegen nur darauf hinausgehe, bei der Polizeiordnung und den 
fürstlichen Assekurationen geschützt zu werden, so sei ihnen ein 
langwieriger Prozess beschwerlich, und sie halten dafür, dass es 
Serenissimis freistehe, die Polizeiordnung auch ohne fernere 
Kognition und neuen Prozess zu konfirmiren=*). Am 2. November 
bitten die Landstädte auf dem Landtage zu Güstrow, dass einem von 
Serenissimis auszustellenden Assekurations-Revers die Bestätigung 
der den Städten von den früheren Fürsten gegebenen Assekura- 
tionen und der mit Beliebung der Landschaft publicirten Polizei- 
ordnung inserirt werde, beschweren sich darüber, dass ihre vor- 
nehmsten Gravamina wegen des Brauens, Mülzens und Vorkaufen s 

i) Spalding i, S. 414—15. 
a) Das. I, S. 433. 



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— 153 — 

in dem Entwurf dieses Reverses sicco pede übergangen seien, 
und ersuchen um ausdrückliche Hinzufügung der Resolution 
vom 12. Juni, dass die schädliche Vorkäuferei mit Ernst abge- 
schafft werden solle ^). Die Fürsten stellen in ihrer Resolution 
in Abrede, an dem betreffenden Punkte sicco pede vorbeigegangen 
zu sein ; sie haben vielmehr sowohl die Ritterschaft wie die Städte 
ermahnt, ihre Streitigkeiten in Güte beizulegen; geschehe das 
aber nicht, so seien sie den einen Stand ebensowohl wie den 
andern zu schützen gemeint; jedoch wollen sie sich reserviren, 
dass auf den fürstlichen Aemtem und bei Bauern, Priestern, 
Müllern und Schäfern, sofern nicht die Gerechtigkeit zu brauen 
hergebracht sei, die Polizeiordnung gehalten werden solle 2). In 
ihrer Protestation vom 4. November sagen die Landstädte, die 
Erklärung Serenissimorum wegen des Brauens, Mülzens und Vor- 
kaufens sei ganz generell, obskur und derartig beschaffen, dass 
ihre Deutung zweifelhaft sei und zu Streitigkeiten Veranlassung 
geben könne 3). Unter gleichem Datum erklären die Seestädte: 
in Bezug auf das Mülzen, Brauen und Vorkaufen müssen sie den 
Landstädten adhäriren, und sie vertrauen darauf, dass Serenissimi 
die Gravamina erwägen und erledigen, insonderheit den Revers 
von 1555 konfirmiren und dabei die Aufrechthaltung der 
Polizeiordnung auf dem Lande und in den Landstädten klärlich 
ausdrücken werden; Bedenken werden Serenissimi dabei um so 
weniger haben, als sich dieselben am 1 2 . Juni dahin erklärt haben, 
dass ihre Beamten ebensowohl wie die Müller, Bauern, Priester 
und 'Schäfer sich des Brauens und Mülzens enthalten sollen; die 
Ritterschaft sei inzwischen gehört worden, habe aber keine 
Gründe vorbringen können, und da keine ratio diversitatis zu 
befinden sei, weshalb die fürstlichen Aemter.der Polizeiordnung 
unterworfen, die Ritterschaft aber von derselben eximirt sein 
solle, so seien zwar die Städte nicht gemeint, sich mit der 
Ritterschaft in weitläufige Rechtfertigung einzulassen, hoflfen aber, 
dass Serenissimi es ihnen nicht verdenken, wenn sie sich der 
erlaubten Rechtsmittel bedienen werden ; was das Special-Gravamen 
der Seestädte, die Verschiffung des Korns, anlange, so haben sie 



1) Spalding i, S. 449. 
a) Das. I, S. 452. 
3) Das. I, S. 457. 



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— 154 — 

ihre stattlichen Privilegien aufzuweisen, in denen ihnen die 
alleinige Verschiffung koncedirt und alle Klipphafen-Schifffahrt 
verboten sei, und hoffen daher, dass Serenissimi ihre Seestädte, 
des Landes Meklenburg herrliche Zier und Kleinodien, bei 
ihrer Nahrung erhalten werden^). Daraufhin resolviren sich die 
Fürsten: es sei ihnen nicht zuwider, dass die Seestädte wegen 
des Brauens, Mülzens und Vorkaufens den Landstädten adhäriren 
wollen, da sie sämmtliche Stände und also auch die Städte bei 
ihren Gerechtigkeiten und der bürgerlichen Nahrung zu schützen 
gemeint seien ; wegen des Special-Gravamens der Seestädte seien 
sie entschlossen, den veris et justis possessoribus beizustehen 
und sie bei ihren Rechten und Gerechtigkeiten zu handhaben"). 
In der Antwort der Landstädte anerkennen dieselben als eine 
besondere Gnade, dass Serenissimi sowohl den einen wie den 
andern Stand bei seinem Besitz, Rechten und Gerechtsamen 
schützen und handhaben wollen; da sich nun die Städte in 
notoria possessione des Brauens und Mülzens befinden, so be- 
zweifeln sie nicht, dass Serenissimi sie auch darin zu schützen 
gemeint seien, und wollen in diesem Sinne die fürstliche Re- 
solution feierlich acceptirt haben; auch acceptiren sie mit Dank, 
dass die Bestimmung über das Halten der Polizeiordnung auf 
den fürstlichen Aemtem und von Seiten der Priester, Müller und 
Schäfer dem Assekurations-Revers inserirt werden solle, und 
bitten nur, die Klausel von dem alten Herkommen auszulassen 
da die Städte Niemanden ein solches Herkommen zugestehen 3). 
Die Seestädte acceptiren ebenfalls feierlich die Erklärung Sere- 
nissimorum, dass sie die Städte bei ihren Rechten und in specie 
bei der bürgerlichen Nahrung zu erhalten gemeint seien, und 
hoffen, dass dadurch den gemeinen Beschwerden der See- und 
Landstädte in effectu abgeholfen sei; denn nicht die geringste 
bürgerliche negotiatio sei das Brauen und Mülzen, und die Städte 
seien billig pro veris et legitimis possessoribus zu erachten; in 
specie bitten sie noch, auch den Punkt von der Vorkäuferei, wie er 
am 1 2 . Juni erledigt worden, in den Assekurations-Revers zu bringen ^). 

t) Spalding i, S. 458—59. 

2) Das. I, S. 459. 

3) Das. I, S. 464 — 65. 
*) Das. I, 466. 



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— 155 — 

Mit diesen feierlichen Annahme-Erklärungen vom 4. November 
1610 kamen die Verhandlungen über die Gravamina der See- und 
Landstädte vorläufig zur Ruhe; denn am 6. November ging der 
Güstrower Landtag auseinander, ohne dass eine vollständige 
Einigung über den Assekurations-Revers erzielt worden wäre, und 
es verstrich ein volles Jahrzehnt, bevor die Verhandlungen wieder 
aufgenommen wurden. 

Am 21. Juli 1611 kam dagegen zu Fahrenholz ein vor- 
läufiger Theilungsvertrag zwischen den Herzögen zu Stande, nach 
welchem jeder der Brüder »die portus am Meere, als Ribnitz 
imd dergleichen«, welche an seine Aemter stossen würden, für 
sich gebrauchen, verbessern und auf eigene Kosten einrichten 
und dagegen auch des daraus erwachsenden Vortheils zu gemessen 
haben sollte. Da das Loos Herzog Adolf Friedrich die Schwerinsche, 
Herzog Johann Albrecht die Güstrowsche Hälfte zutheilte, so fiel 
Pol an den älteren, Ribnitz an den jüngeren Bruder. 

Herzog Adolf Friedrich nahm im Jahre 161 2 den Bau- 
meister Gert Evers, genannt Pilot, aus Emden in seinen Dienst 
und beauftragte ihn insbesondere mit dem Bau einer neuen 
Festung auf Pol ; denn der Bau Herzog Johann Albrechts war 
»injuria temporum et incuria hominum« verfallen. Neujahr 161 6 
begann die Bauarbeit, 16 18 war die Festung vollendet: nach 
der Absicht des fürstlichen Bauherrn sollte sie ein Denkmal seiner 
Verehrung gegen den Grossvater sein und »Anseeburg« genannt 
werden. — Auch der Schiffe, die einst Johann Albrecht in 
Memel hatte bauen lassen, mochte der Herzog sich erinnern. 
Pilot machte ihm den Vorschlag, einen Dreimaster von 60 Fuss 
Länge mit 12 Kanonen, eine Jacht mit 3 Kanonen und ein 
kleines Boot von 1 8 Fuss Länge zu bauen ; der Herzog entschied 
sich aber am 28. Novembfer 16 16 für 2 Jachten von 45 und 
^6 Fuss Länge und ein Lastschiffe). Am 3. April 1619 bestellte 
er Pilot »für unsem Capitein auff unser Vestung Pole unnd über 
unsere Schiflfe, auch für unseren General-Bawmeister und Ingenieur 
in tmserm Furstenthumb und landen« ; als Schiffskapitän sollten 
ihm »unsere Schiffe, so wir bereit erbawen und etwa noch 



') Mekl. Jahrb. 48, S. 17. 



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- .56 - 

kunflftig erbawen lassen möchten, hiemit anvertrawet und be- 
fohlen sein« '). 

Am 14. Dezember 1620 suchte die Ritter- und Landschaft 
auf dem Landtage zu Güstrow um die Vollziehung des Asse- 
kurations-Reverses nach, der den Städten ehemals im Koncept 
übergeben sei*), und die Städte fühlten sich gedrungen, Serenissi- 
mis ihre jetzigen Pressuren und Bedrängniss in unterschiedlichen 
Schriften zu erkennen zu geben 3). Auf die letzteren erwiderten 
die Herzoge am 11. Januar 162 1, da sie befanden, dass des 
Brauens, Mülzens und Vorkaufens halber sich fast alle Städte 
beschwerten, so wollten sie beschaffen, dass der Polizeiordnung 
nachgelebt werde ^). Die Landstädte antworteten am 16. Januar, 
sie bedankten sich wegen solcher Resolution und bäten, dass 
Serenissimi auf Anhalten der Seestädte mit Exekution gegen die 
Ungehorsamen einschreiten möchten 5). Am 13. Februar resol- 
virten sich die Fürsten: was das Mülzen, Brauen und die Vor- 
käuferei beträfe, so Hessen Serenissimi es bei ihrer der Ritter- 
und Landschaft ertheilten Erklärung bewenden^). In dem am 
selben Tage den Ständen überreichten Entwurf des Assekurations- 
Reverses lassen die Fürsten wegen des Mülzens, Brauens und Vor- 
kaufens es nochmals bei der Polizeiordnung bewenden und er- 
klären, wider solche Missbräuche gebührende Verordnung machen 
und mit der Exekution einschreiten zu wollen 7). Die Ritter- 
und Landschaft replicirt freilich am 14. Februar, da sich über 
diesen Punkt die Städte und die Ritterschaft nicht völlig einig 
seien, so wolle jeder Stand sein Gesuch besonders vortragen ^). In 
den Assekurations-Revers vom 23. Februar 1621 ist aber die Be- 
stimmung in der Fassung vom 13. Februar als 40. Artikel unver- 
ändert aufgenommen worden. 

Damit hatten denn die Städte erlangt, dass die Bestimmung 
der Polizeiordnung bezüglich des Mülzens, Brauens und Vor- 



i) Mekl. Jahrb. 48, S. 19, 42—48. 
a) Spalding i, S. 483. 

3) Das. I, S. 488. 

4) Das. I, S. 503 — 4. 

5) Das. I, S. 524. 

6) Das. I, 551. 

7) Das. I, S. 562 § 38. 

8) Das. I, S. 570. 



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— 157 — 

kaufens nicht nur für die Bauern, Priester, Müller und Schäfer, 
für die Beamten auf den fürstlichen Aemtern mit der Klausel 
vom alten Herkommen, sondern im Allgemeinen, voll und ein- 
schränkungslos — also auch für den Adel — bestätigt ward. Frei- 
lich aber kam Alles darauf an, dass diese Bestimmung, nachdem 
sie bestätigt worden, auch ernstlich aufrecht gehalten wurde. 

Schon am 17. Mai desselben Jahreä reichten die See- und 
Landstädte auf dem Landtage zu Sternberg den Fürsten ein 
Memorial ein, in welchem dieselben unter Hinweis auf das im 
Assekurations- Revers enthaltene Versprechen, »dass die eine Zeit 
her auf dem Lande bey den von Adel, Beamten, Krügern, 
Bauren und andern wider die publicirte Fürstl. Policey-Ordnung 
eingeschlichenen Missbräuche mit Vorkäuferey, Mülzen und Brauen 
ernstlich abgeschafft und sie bey ihrer bürgerlichen Nahrung ge- 
schützet werden sollten«, sich darüber beschwerten, dass solcher 
Missbrauch immermehr zunähme, indem von unterschiedlichen 
Amtleuten, Junkern und Bauern nicht nur auf den Aemtern, 
Gütern und Dörfern nach wie vor gebraut, sondern auch Vor- 
käuferei getrieben und die aufgekauften Waaren ausserhalb Landes 
verführt würden; weil aber die Städte auf Handel und Wandel 
und bürgerliche Nahrung fundirt und ihnen vordem erlaubt wäre, 
sich wider alle monopolas, Vorkäufer, Brauer und Mülzer zu 
schützen, so bäten sie, »dass Serenissimi gedachten Missbräuchen 
durch eine ernste hochverpoente Constitution remediren und 
ihren Beamten und allen andern auf dem Lande Wohnenden bey 
namhafter Strafe demandiren mögten, sich aller bürgerlichen 
Nahrung, in specie der Vorkäuferey, Brauens und Mülzens zu ent- 
halten« ^). Eine Antwort der Fürsten auf diese Eingabe liegt 
uns leider nicht vor. Am 14. Oktober 1623 erliess aber Herzog 
Adolf Friedrich ein Edikt, in welchem er allen Beamten, Adligen, 
Unterthanen auf dem Lande und städtischen Magistraten befahl, 
in Gemässheit der Polizeiordnung die Vorkäuferei und Aus. 
führung von allerlei Waaren, insbesondere des lieben Getreides, 
nicht zu gestatten, den Uebertretern dieses Verbotes die gekauften 
W^ren, von denen ein Drittheil den Beamten oder der Ortsobrig- 
keit verfallen sein sollte, wegzunehmen und eine Geldstrafe von 
1 5 Gulden aufzuerlegen und bei Adligen und Bauern sowohl auf 

x) Spalding 1, S. 611 — 12. 

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' — 158 — 

solchen Unterschleif, wie auch auf das Milizen, Brauen und 
Schenken mit ernstem Fleiss Achtung zu geben, da solches 
Alles gänzlich abgeschafift sein sollte — »so lange die auf ver- 
schienem Landtage gewilligten Landhülfen wehrenc »). 

Inzwischen war, unmittelbar nach dem Zustandekommen 
des Assekurations-Reverses, am 3. März 162 1 zu Güstrow die 
definitive und totale Landestheilung erfolgt. In derselben heisst 
es, dass die Meer-Porten jedem Fürsten in seinem Lande aus- 
schliesslich verbleiben sollen und dass Herzog Johann Albrecht 
sich vorbehalte, bei Ribnitz eine Schifffahrt einzurichten, wenn 
dieselbe auch zum Theil durch die Güter des Klosters gehen möchte. 

Das Kloster Ribnitz war am 2. Juli 1572 von den Herzögen 
Johann Albrecht I. und Ulrich den Landständen zugewiesen und 
ihnen am 18. Dezember 1599 wirklich übergeben worden*). 
Doch hatten sich die Herzoge Adolf Friedrich und Johann 
Albrecht II. schon im Fahrenholzer Vertrage von 161 1 dahin ge- 
einigt, dass derjenige, dem das Amt Ribnitz zufallen würde, er- 
mächtigt sein sollte, das Kloster an sich zu bringen und der 
Landschaft dafür Ersatz zu leisten^). Nach längeren Verhand- 
lungen ertheilten nun am 17. Mai 162 1 die Stände 6 Mitgliedern 
der Ritterschaft und 6 Städten die Vollmacht, ihrerseits eine 
solche Permutation vorzunehmen^). Die Seestädte wollten frei- 
lich die Klausel eingeschoben wissen, dass kein neuer Hafen zum 
Präjudiz der Städte Rostock und Wismar angelegt werden dürfe 5) ; 
Herzog Johann Albrecht erklärte jedoch, in Bezug auf Anlegung 
des neuen Hafens, als auf ein Regal, sei er, auch wenn die 
Permutation mit dem Kloster nicht geschehe, Niemanden Etwas 
geständig^). Ueber diese Permutation wurde dann 1623 und 1625 
verhandelt, ohne dass eine Einigung zu Stande gekommen wäre. 

Im Jahre 1626 schloss Herzog Johann Albrecht IL unter 
Zustimmung seines Bruders einen Kontrakt über die Aufräumung 
des Ribnitzer Hafens mit dem Holländer Cornelius Claussen ab ^), 



i) Bäreospning 4, Supplement S. 21 — 23. 

2) Mekl. Jahrb. 26, S. 89; Peters S. 31. 

3) Gerdes S. 339 § 49. 

4) Spalding i, S. 609—10. 

5) Das. I, S. 610. 

6) Das. I, S. 613. 

7) Peters S. 51. 



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— 159 — 

Eine Denunciation beim Kaiser bewirkte jedoch, dass dieser am 
2. März 1627 ein scharfes Abmahnungsschreiben an Herzog 
Adolf Friedrich gegen die Erbauung neuer See-Porten zu Ribnitz, 
Gartz und Klütz, sowie auch gegen den Abschluss eines Handels- 
vertrages und Bündnisses mit den Staaten von Holland erliess. 
Herzog Adolf Friedrich wies die Beschuldigung, Letzteres beab- 
sichtigt zu haben, als unbegründet zurück und berief sich bezüg- 
lich des Ersteren anf sein Recht, als Reichsstand und Landes- 
herr in seinen freien Seehäfen und Meerporten zuträgliche 
Ordinanz anzustellen. 

Unmittelbar darauf haben dann aber Reichsstandschaft und 
Landesherrlichkeit der raeklenburgischen Herzoge wenigstens zeit- 
weilig ein trauriges Ende genommen. Im Juli 1627 rückte der 
Wallensteinsche Oberst Hans Georg von Arnim ins Stargardsche 
ein, und zu Ende des Monats überschritt Tilly die Elbe; am 
10. Oktober musste Wismar eine kaiserliche Besatzung aufnehmen, 
und am 21. November wurde die Kapitulation über die Festung 
Pol abgeschlossen^). Wallenslein, dem Meklenburg am 19. Januar 
1628 überwiesen worden war«), bestand darauf, dass vor seinem 
Einzüge die bisherigen Fürsten seine Herrschaft räumen müssten, 
»denn zween Hanen auf einem müst taugen nicht zusammen« ^). 
Am 13. Mai verliess Herzog Adolf Friedrich, am 17. Mai Herzog 
Johann Albrecht das Land^), und am 17. Juli nahm Wallenstein 
seinen Wohnsitz in Güstrow s). 

Rostock, das sich am 18. September 1626 der Werbung 
des kaiserlichen Rathes Heinrich Husan gemäss verpflichtet hatte, 
keine fremden Völker aufzunehmen, wenn es nicht durch Gewalt 
dazu gezwungen würde ^), musste am 15. November, um einer 
Besatzung der Kaiserlichen zu entgehen, dem Oberst von Arnim 
gegenüber in eine Kontribution von 140,000 Thalern willigen^). 
Am 1*5. Februar 1628 wurde sein Hafen, Warnemünde, auf 
Wallensteins Befehl von Oberst San Julian besetzt und durch 



t) Mekl. Jahrb. 48, S. 48—50. 
a) Das. 17, S. 197. 

3) Das. 40, S. 95. 

4) Das. 17, S. 197. 

5) Das. 35, S. 47. 

6) Das. 51, S. 291—92. 

7) Das. 51, S. 308. 



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— i6o — 

Anlegung einer Schanze befestigt*); am 9. März wurde der 
Hafen durch dänische Schiffe blokirt =*). Eine von der Stadt am 
23. Februar an Wallenstein abgeschickte Gesandtschaft, welche 
unter Anderm auch darum nachsuchte, dass die Wamemünder 
Schanze der Stadt eingeräumt würde, dass die Schiiffahrt Jeder- 
mann, auch Dänen und Schweden, frei bliebe und dass ausser 
den privilegirten Häfen Rostock und Wismar kein heimlicher und 
verbotener portus benutzt werden dürfe ^), war natürlich in dieser 
Beziehung gänzlich erfolglos, brachte aber ein Schreiben Wallen- 
steins an San Julian mit, nach welchem, sofern nicht ratio belli 
es anders erfordern würde, die Stadt mit ihren Hospital- und 
Landgütern von der Landeskontribution befreit und mit Ein- 
quartierung verschont, sowie auch wegen der Bezahlung der 
noch restirenden 90,000 Thaler bis zu seiner Ankunft befristet 
werden sollte^). Am 9. April leisteten Rath und Bürgerschaft 
vor den Kommissarien Wallensteins den Huldigungseid s). Am 
8. October Hess Wallenstein den Rath durch den Statthalter 
Wingiersky benachrichtigen, er beabsichtige — von der frucht- 
losen Belagerung Stralsunds aus — durch Meklenburg nach Hol- 
stein zu ziehen; am 12. rückte er zwischen Damgarten und 
Ribnitz in Meklenburg ein; am 13. marschirte er nach Schwan, 
wo er am 14. und 15. Halt machte^); in der Nacht vom 15. 
auf den 16. brach er von Schwan auf; am 16. Morgens 3 Uhr 
stand er vor Rostock 7); am 17. Oktober Abends 6 Uhr zog 
eine Besatzung von 1000 Mann in die Stadt ein^). 

Durch das schwere Geschick, welches die meklenburgischen 
Lande und ihr angestammtes Herrschergeschlecht heimsuchte, 
wurden die Streitigkeiten, deren bisherigen Verlauf wir zu schildern 
versucht, auf längere Zeit zum Schweigen gebracht. Als sie 
nach Jahrzehnten wieder auflebten, waren Wismar und das Amt 
Pol schwedische Besitzungen. 



i) Mekl. Jahrb. 51, S. 312 — 13. 
a) Das. 51, S. 316. 

3) Das. 51, S. 322 — 23. 

4) Das. 51, S. 327 Anm. i. 



5) Das. 51, S. 322. 

6) Das. 51, S. 331. 

7) Das. 51, S. 332, 

8) Das. 51, S, 339, 



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V. 

DIE CHRONISTIK ROSTOCKS. 

VON 

K. E. H. KRAUSE. 



Hansische Geschichtsblätter. XIV 



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Die Chronistik Rostocks entspricht keineswegs den Er 
Wartungen, welche man von vornherein von einer Stadt von solch 
historischer Bedeutung glauben sollte hegen zu dürfen; weder 
die Stadtregierung noch die Gelehrsamkeit, über welche die 
Universität verfügte, hat bis zur 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts 
uns historische Aufzeichnungen über die reich bewegte Geschichte 
der Stadt hinterlassen»). 

Eine Original-Chronik besitzt Rostock erst aus der Zeit von 
1488 — 1491 von der »Domfehde« oder dem »Quartus tumultus«. 
AUes Aeltere verdient den Namen nicht. 

Freilich existirt für die Jahre 1310 — 1314 eine Darstel- 1 
lung des Rostocker Aufstandes gegen den Dänen- j 
könig Erich Menved mit einzelnen Notizen bis 132 9, welche 
in der Abschrift des Dr. jur. Valentin Gerdes») von 1558 er- 
halten, aber erheblich älter ist ^). Der Verfasser oder ein früherer 
Abschreiber nannte sie am Schlüsse »de manstritlike und grot- 
lavige, werdige Cronica der loffliken Stadt Rostock« ; dass aber 
das von Gerdes copierte Exemplar im Besitze des Bürgers Hinrick 
Wedemann, welches anscheinend verschollen ist, nicht das 
Original war, lehren schon die am Schlüsse stehenden hoch- 
deutschen Verse: 



1) S. Hans. Geschichtsbl. Jahrgang 1884, S. 50. 

2) Zu Rat gekoren 1555, abgesetzt durch die Sechziger am 10. Mai 
1565, auf fürstlichen Befehl nach Dömitz abgeführt; nachher wieder eingesetzt, 
suspendiert am 6. Febr. 1580, weil er sich weigerte die ihm zuerteilten 
Ratsämter zu übernehmen. S. Rost. Gymn. Progr. 1880 (Nro. 546), S. V Anm. 3. 
— Dr. Hans Rud. Schröter, Beitr. z. Meckl. Geschichtskunde I. i (einziges 
Heft), Rostock u. Schwerin 1826, 4. S. XIV. 

3) Rostock. Univ. Bibl. Mss. Meckl. O. 55. 4. fol. 1— 11. Der alte, 
von Schröter genannte, kostbare Pergamentumschlag (Pergamentdruck des 
Psalters von 1457) ist jetzt abgelöst. 



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— 164 — 

»Ach, trewe du Got mit Fleiss, 
So uberkumpst du sein Ewiges Reich, 
Trcwe den uberherenn wol zu masse. 
Gibestu was du ihnen phlichtich bist, 
So machstu gehenn deine Strasse.« 

Diese Chronik ist jedoch nicht eine selbständig verfasste. 
Schon von dem ersten Herausgeber Schröter, von Lisch, BoU 
und Wigger, später von Koppmann '), ist bemerkt, dass der Ver- 
fasser auf Ernst v. Kirchbergs Schultern stehe; von mir ist dann 
im Eijizelnen nachgewiesen«), dass der Verfasser die Wismar- 
Rostockschen Wirren von 13 10 — 1314^) auch im Einzelnen ganz 
genau aus Kirchberg ausschreibt. Sogar aus seinen mannigfachen 
Missverständnissen ist das zu erkennen. Wir wissen freilich 
kaum etwas von Kirchbergs specielleren Quellen'^), und einmal 
klingt eine Stelle unseres Chronisten sogar an die Doberaner 
Genealogie an ; trotzdem kann er nicht etwa nur gemeinsame 
Quellen benutzt haben, sondern hat seine Vorlage direkt aus- 
geschrieben. Nur eine Wismarsche Lokalität und die Rostocker 
Aufstandspraxis hat er aus besserem Wissen zugegeben und einen 
Eigennamen korrigiert ; 2 Data giebt er selbst an, aus der Lübecker, 
der Detmar - Chronik, »welche de barvote Monnike bescreven 
hefft«, entnommen zu haben: 13 12 und 1323 wegen des Turms 
zu Warnemünde. Wismarer und Rostocker Urkunden kennt er 
speciell nicht; doch mag er Einzelnes gesehen oder gehört haben. 
Augenscheinlich schreibt er, um das Volk gegenüber den Rat- 
sässigen, die er schon »de beslechteden« nennt s), herunter- 
zureissen; eine gewisse Bösartigkeit im Auftreten gegen die 

x) Schröter a. a. O. Lisch schliesst sich Jahrb. 8, S. 183 f. Schröter 
ohne bestimmte Angabe an. Boll in Lisch Jahrb. 13, S. 239. Wigger im 
M. U.-B. 5, Nr. 3481 Anm. und S. 609 unten. Wigger und Koppmann in 
Hans. Geschsbl. 1872, S. 162. 

») Rost. Gymn.-Progr. 1873. 

3) 1305 (statt 13 10) ist Schreibfehler des Ms. 

4) H. Thoms, Die Meckl. Reimchronik des Ernst von Kirchberg und ihre 
Quellen, bei Schirrmacher, Beiträge z. Gesch. Meckl. Bd. 2, und Schirrmacher, 
Ernst V. Kirchberg, ebenda. 

5) Lisch, Jahrb. 11, S. 177, hat daraus für das Patriziertum Rostocks 
viel zu weit gehende Schlüsse gezogen. — Es ist unerklärlich, woher der 
Verfasser den Kirchberg erhalten habe, wenn er sich nicht zeitweise am Hofe 
König Albrechts aufgehalten hat. 



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- i65 - 

Aemter und die kleineren Bürger ist nicht zu verkennen. Das 
Alles weist auf die »Sechzigerc -Unruhen in den Städten im An- 
fange des 15. Jahrhunderts. Da es nun nahe gelegen hätte, die 
Rostocker Tumulte zu nennen, wenn sie schon wieder aus- 
gebrochen gewesen wären, so setze ich die Abfassung vor 1409; 
vielleicht ist 1408, wo die Unruhen sich in Lübeck erhoben, das 
richtige Jahr. — Neues bietet also diese Chronik nicht; nicht 
einmal zur Bestätigung von älter Bekanntem kann sie dienen. 
Heinrich II. von Mecklenburg erhält freilich einen neuen Beinamen 
»mit der platen« (dem Harnisch), ich denke aber, nur aus Ver- 
wechselung mit einem gleichzeitigen Pommer Henricus cum 
thorace und dessen Vermengung mit dem fürstlichen Beinamen 
bellicosus, den die Parchimsche Genealogie wohl von Doberan 
übernommen hatte. Früher wäre dieser durch »Borwy« wieder- 
gegeben ; das 14. und 15. Jahrhundert setzte dafür Leo, »den 
Louwen«»). — Die Ausgabe dieser Chronik von Hans Rud. 
Schröter hat einige Verlesungen und Missverständnisse, ist aber 
im ganzen korrekt und gut. 

Schon länger bekannt war aus derselben Handschrift Ms. 
O. 55 (fol. 12 — i8a) eine früher für wertvoll gehaltene Kom- 
pilation") von Notizen zur Geschichte Norddeutsch.,^ 
lands, besonders der Wendischen Städte und der; 
Hanse. Schröter (a. a. O. S. XIV) hat sie bereits ungefähr 
richtig charakterisiert; Lisch meinte, sie seien »wegen Mangels an 
Erkenn tniss ihrer Herstammung ohne grossen Wert« ^) ; sie haben 
thatsächlich kaum irgend welchen. Nach der Stellung im ge- 
nannten Ms. habe ich sie früher als »der Rostocker Chronik 
zweiten Teil« bezeichnet und genauer untersucht^). Sie haben 
sich darnach herausgestellt als eine recht mangelhafte Varietät 
jenes »Kort Uttoch der wendeschen cronicon van ethken Scheften 
diser Lande und stede«, welche Lappenberg unter den Ham- 



1) Rost. Gymn.-Progr. 1880, S. 24. 

2) Mantzel im Etwas von gelehrten Rostockschen Sachen, dem s. g. 
»Rostocker Etwas« 1740, S. 680 ff. 

3) Jahrb. 8, S. 183 f. 

4) Rost. Gymn.-Progr. 1873, S. 9 — 13. 



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— i66 — 

burger Chroniken nach fünf Handschriften abdrucken Hess'). 
Die von ihm gesuchte sechste (von Kelp) ist von mir als Kelps 
eigenes Ms. im Kön. Archiv zu Stade wieder aufgefunden und 
1866 in der Zeitschr. f. Hamb. Gesch. beschrieben worden»). 
Eine später erweiterte und fortgesetzte Form davon ist bis zum 
Ende des 15. Jahrh. auch Gyseke's Hamburger Chronik, gleich- 
falls bei Lappenberg 3) gedruckt. Die Rostocker Handschrift ist 
ebenfalls von Valentin Gerdes 1558 aus der Wedeman'schen 
Vorlage abgeschrieben ; und aus derselben oder einer fast gleichen 
stammt die von Lisch a. a. O. erwähnte nachher noch zu be- 
sprechende »Bouchholtzsche« Abschrift^) der Grossh. Regierungs- 
Bibliothek zu Schwerin von 1583 in dem betreffenden Teile- 
nur dass das Rostocker Exemplar reicher ist und einige Data 
am Schlüsse mehr hat. Die älteste Angabe der letzteren betrifft 
das Jahr 801, die späteste 1485, die älteste der Schweriner 840, 
die jüngste 1438, richtiger 1439. Der Hamburger Titel und der 
Kern des Inhalts erweisen gleichmässig, dass wir bei dieser 
ganzen Gruppe es mit Auszügen aus der um 1485 gedruckten 
deutschen Uebersetzung des Chronicon Slavicum (»de wendesche 
Kroneke«) des sog. parochus Suselensis^) zu thun haben, welche 
je nach Ort oder Geschmack des Bearbeiters excerpiert, mit 
anderen Lesefrüchten vermehrt und später vielfach fortgesetzt 
wurden. Dass die Rostocker und Schweriner Form, beide nieder- 
deutsch, auf ein Urexcerpt zurückgehen, beweist der beiden ad 
{421 gemeinsame Beiname des Erzbischofs Johann Slamstorpe 
von Bremen: »March«, die gleichmässige Angabe von dem An- 



«) Hamburgische Chroniken in niedersächs. Sprache. S. XXXVIII bis 
XLIV und 229 ff. 

3) Vermutlich ist sie jetzt im K. Archiv zu Hannover. 

3) A. a. O. S. XLV f. und i— 17. 

4) Nach Angabe von Lisch vom in der Handschrift ist sie aus dem 
Nachlasse des weil. Reg.- und Lehnsüskals F. A. Bouchholtz in die Gross- 
herz. Reg.-Bibl. gekommen. Die Univers.-Bibl. zu Rostock hat davon eine 
(nicht ganz vollständige) Abschrift von Dr. Wiechmann^s Hand. Eine voll- 
ständige Abschrift ist in meinem Besitz. 

5) Herausg. von Dr. E. A. Th. Laspeyres, Lübeck 1865. Vergl. Jahrb. 
f. d. Landeskunde von Schlesw.-Holst. und Lauenburg. 9 (1867), S. 161 
bis 225. 



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— i67 — 

griffe auf Rostock am Laurentiustage (lo. Aug.) 1430 (wofür 
der Boucholtzsche Schreiber 1403 setzt)*), und der sonst unbe- 
kaiinte Ueberfall der Stadt am Tage Crispini und Crispiniani 
(25. Oct.) 1433''). — So ist diese Chronik also überhaupt keine 
Rostocker, sondern wäre in Betracht zu ziehen bei einer etwa zu 
imtemehmenden neuen Edition jener von Lappenberg heraus- 
gegebenen Sippe. Im Uebrigen wird es genügen, auf mein schon 
angeführtes Programm zu verweisen. 

Die volle Bedeutung eines Originals hat dagegen die Chronik 
der rostocker Domfehde oder »van der Rostocker Veide«, 
von 1487 — 1491, obwohl die Original-Handschrift nicht erhalten 
ist. Es ist eine gleichzeitige, niederdeutsche, tagebuchartige Auf- 
zeichnung eines dem Interesse des Rates nahestehenden, aber auch 
der Gegenpartei nicht von vornherein abgeneigten, verständigen 
Laien oder, wie ich nach seiner Kalender-Kenntnis annehmen 
möchte, niederen Geistlichen oder Fraters. Diese Arbeit desj 
schlichten Mannes ist äusserst wertvoll und ist in solcher Be-] 
deutung auch von Dietrich Schäfer gewürdigt und für den! 
2. Band seiner ELanserecesse (3. Serie) benutzt. Der damalige 
Rostocker Aufstand zog, wie natürlich die Mecklenburger Fürsten 
und die Hansestädte, so auch den König von Dänemark und den 
Markgrafen von Brandenburg in Mitleidenschaft und reichte in 
seiner Bedeutung weit über die gewöhnlichen städtischen Zwistig- 
keiten hinaus. — Die älteste erhaltene Handschrift ist wieder die 
des Dr. Valentin Gerdes^) von 1558. Das von ihm benutzte 
Exemplar Wedeman's ist ebenso verschollen, wie ein zweites, 
das Gerdes' Schwager, der Kaufmann und Gastgeber Hans Ber- 
man, besass, und ebenso eine daraus genommene Abschrift des 
Lüneburger Syndicus Dr. Johann Tussenrath (Dutzenradt). Ich 
habe mich vergeblich danach hier, in Schwerin, Hamburg, Lübeck 
und Lüneburg bei den Herren Bibliothekaren erkundigt. Nach 



1) Nicht bei Lappenberg, im Chron. Slav. nur die darauffolgende Ver- 
bindung Rostocks und Stralsunds mit Erich, dem Pommer. Vergl. Detmar 
Forts, ad. a. und Krantz Wandalia XI cap. 21. 

3) Die einzige bis dahin unbekannte Rostocker Notiz der Handschr., aus 
der sie die späteren hochdeutschen Bearbeiter entlehnten. S. Rost. Prog.^ 
1873 S. 12. 

3) Das genannte Ms. Meckl. O. 55. 



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— i68 — 

dem Berman'schen Manuscript hat aber Gerdes selbst seine Ab- 
schrift 1562 mit penibler Genauigkeit verglichen und die ge- 
ringen Abweichungen, selbst wenn sie nur in Buchstaben be. 
standen, am Rande kenntlich verzeichnet, so dass sein Exemplar 
nun für 2 gute und alte Abschriften gelten kann. Ich habe daraus 
den Text zum ersten Male 1 880 herausgegeben '). — Eine Ver- 
sion dieses Textes von absonderlicher Beschaffenheit hat das 
obengenannte Bouchholtz*sche Exemplar»), die sich selbst als eine 
höchst eilige »Abschrift« von 1583 angiebt. Lisch, der zuerst 
darauf aufmerksam machte, hat sie augenscheinlich fiir eine Copie 
gehalten ; sie weicht aber im Texte so auffallend ab, dass ich erst 
bei dessen genauer Durchschreibung in den Gerdes' sehen meiner 
Ausgabe hinter die Mache kommen konnte. Der Abschreiber über- 
trug in grösster Hast (»mit hast«); er las daher in seiner Vor- 
lage je einen Absatz durch und warf ihn dann aus dem Sinne, 
so gut es gehen wollte, aufs Papier. Es sind daher grosse 
Aenderungen, Kürzungen etc. entstanden. Bei der ganz ausser- 
gewöhnlichen Genauigkeit des Valentin Gerdes ist daher diese 
Version unbrauchbar; aber sie gerade ist nachher für die hoch- 
deutschen Bearbeitungen benutzt. Einen gewissen, aber sehr 
beschränkten Wert hat sie indessen durch eine kritische Ein- 
schiebung, welche den Schreiber als 1543 in Rostock befindlich 
ausweist und vielleicht einmal zu dessen sicherer Erkenntnis bei- 
tragen kann. Lisch hat diese, für die Chronik der Domfehde 
aber nicht erhebliche Kritik abdrucken lassen 3). Auch sie war 
mit in einen Teil der hochdeutschen Bearbeitungen eingelaufen 



i) Rost. Gymn.-Progr. 1880 (Nr. 546) S. 1—24. 

a) Fol. 5a — fol. 28a, d. h. die Abschrift geht bis fol. iia unten; dort 
steht der custos von fol. 13b, wo die Erzählung fortgeht. 12a; 12b und 13a 
waren also freigelassen, um den von Lisch Jahrb. 8, S. 186 — 188 daraus ab- 
gedruckten »Nachtrag« aufzunehmen, den der »Abschreiber« nachtragen wollte. 
Er schrieb also erst von I3b-^28a die Fehde zu Ende und trug später seine 
Kritik ein, fing damit, querschreibend 13a an, fuhr dann iib und 12a damit 
fort; I2b blieb leer. 

3) S. Anm. 2; dazu: Krause im citierten Progr. 1880 S. i f., wo irrig 
Johann Huber für den Verf. dieser Notiz angesehen ist. (Bei Lisch S. 186 
Z. 5 v. u, ist gelopen st. gelogen und S. 187, Z. 19 slachtinge statt fluchting 
zu lesen, laut dem Original.) 



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— 169 — 

und ist in dieser Form, wegen vermeinter Wichtigkeit, von 
Ungnad veröffentlicht*). 

Zeitgenosse und als Lübecker Syndikus theilweise Augen- 
zeuge und mitthätig an den Ereignissen der Domfehde war der ^, 
berühmte Dr. Albertus Krantz. Da dieser als früherer 
Rostocker Professor auch lokalkundig war, so ist seine Erzählung 
in der Wandalia immerhin als Quelle ersten Ranges anzusehen, 
wenn auch nicht Alles bei näherer Prüfung sich als stichhaltig 
ergiebt. Des weiteren ist seinetwegen auf die Untersuchung 
Dr. Langes =) zu verweisen. 

Eine kurze chronikalische Notiz über den Tod des 
ersten Dompropstes Johannes Rode von i486— 1487, 
lateinisch, hat Lisch aus einem Copialbuche der Universität 
Rostock von 153 1 abdrucken lassen 3); eine ähnliche Notiz aus 
der Greifswalder Univ.-Bibl. brachte Pyl und danach Lisch ^). 

Es gab eine verschollene kleine lateinische Reim-j 
c hr o ni küber die Domfehde mit dem Anfange »Ördior I 
acta ducum«, vermutlich von Dr. Heinrich Boger s); sie ist in 
metrischer niederdeutscher Uebersetzungmit 2 andern 
hinten in der Prachthandschrift des Ernst v. Kirchberg im Grossh* 
Geh. Haus- und Staatsarchiv zu Schwerin enthalten. Lisch 
nannte sie wiederholt Marschalckische kleine Chroniken, obwohl 
Marschalcus Thurius überhaupt kein Niederdeutsch kannte. Dr. 
Ernst Sass hat von dieser Domfehden -Reimchronik eine gute Aus- 



1) Ungnaden Amoen. S. 736 f. (Der Name heisst Ungnad; Ungnaden 
ist der Dativ.) Im Ms. Meckl. O. 46 der Univ.-Bibl., früher in Beselin'scher 
Hand, 1797 im Besitze v. G. G. Detharding, ist dieselbe Notiz der Geschichte 
Johann Hubers einverleibt, doch hat Ungnad nicht aus dieser Handschr. 
drucken lassen. 

2) S. oben S. 63 — 100, besonders S. 64 — 81. Von früheren vgl. man 
über ihn Krabbe, U niv. Rostock, und Bertheau in der Allg. Deutschen Biogr. 
i7i S. 43 f.; jetzt auch Ludw. Daae, Nogle Bemaerkninger om Historie- 
skriveren Alb. Kranz. (Histor. Tidsskrift R. II, B. V, Heft 2, S. 187«". 

3) Jahrb. 8, S. 197. Kleine Brömse'sche Notizen das, S. 195 f. 

4) Th. Pyl in 38. und 39. Jahresber. der Rügensch.-pomm. Abt. d. 
Gesch. f. Pomm. Gesch. S. 30. Lisch, Jahrb. 43, S. 187, 188. 

5) Krause, Dr. theol. Heinrich Boger etc. in Meckl. Jahrbb. 47, S. Iii ff. 
Er würde das Gedicht dann nach dem Drucke seines «Etherologium«, etwa 
1506, verfasst haben. S. das. S. 126. Ein kurzes latein. Gedicht auf 
Thomas Rode's Tod steht im Etherolog. fol. 154b. 



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gäbe veranstaltet'); dass der Schreiber nicht, wie früher ange- 
nommen, Nicolaus Baumann gewesen sei, hat er dabei erwiesen ; 
ich habe den Tilemann Heverling für den wahrscheinlichen Be- 
arbeiter gehalten*). 

Der wegen der Verbrennung des Peter Dene nach Rostock 
reichende Sternberger Judenmord gehört dennoch eigentlich nicht 
hierher, weshalb ich dessen Litteratur hier übergehe 3). 

Die nächsten 60 Jahre bieten eine traurige Oede Aus der 
Zeit der Reformation der Stadt und der Betheiligung an der 
Grafenfehde, welche anderswo so vielfach zu chronistischen Auf- 
zeichungen mannigfachster Art den Anlass boten, besitzt Rostock 
gar nichts. Die specielle Geschichte unserer hiesigen Reformation 
ruht daher noch voll im Dunkel der Tradition und ist von einer 
Mythenwolke umlagert, welche nicht einmal gestattet einen 
Originalbrief Luthers im Ratsarchive, mit Sicherheit zu deuten, 
und aus welcher ganz vor Kurzem sogar zum ersten Male der 
Name des zuerst hier evangelisch Predigenden, Sylvester Tegt- 
meier, in Riga auftauchte*). Auch den vorreformatorischen^ 
hussitisch gefärbten M. Nicolaus Rutze hat Dr. Hofmeister erst 
jetzt von dem geglaubten Datum 15 16 in das letzte Viertel des 



i) Dr. E. Sassj die Reimchronik über die Rostocker Domhändel. Meckl. 
Jahrbb. 45, S. 33—52 und S. 314. 

a) Mekl. Jahrb. 47, S. 126 und 133 f. 

3) Weil von Lisch a. a. O. nicht angegeben, folge hier aus dem Bouch- 
boltzs'chen Ms. fol. 28b die Notiz: Anno 149 1 wordt de walfard thom 
Sternbarg ym Meckeleborch ersten angevangen, welker thon hilligen blöde 
ward genomet. Dar ock vele Volkes uth vernen landen henlep. Fol. 37 b folgt 
dann eine Notiz über das 1383 aufgenommene heilige Blut »to der Wylsnak«» 
»Ego non credo, yk loves gar woU, fügt der Schreiber spottend zu, und ferner 
»dar den lestlyk de pawest, de hillige vader, grot, grodt, groden afflat hedde 
tho geven, de wyle ydt grot gelt brocht yn der prester handt«. 

4) H. J. Böthführ, Einige Bemerkungen zu Sylvester Tegtmeiers Tage- 
buch in Mitt. a. d. livländischen Geschichte 13 (Riga i88i), S. 61—84, 
Vergl. Hist. Jahresber. 1881, III., S. 50 und 60. Fr. Bienemann, Sylv. 
Tegetmeiers Tagebuch. Sitzungsb. d. Ges. für Gesch. u. Altert, der Ost- 
seeprovinzen Russlands. 1876, S. 20. Böthführ das. 1877, S. 159 ff. und 
1882, S. 38. »Noch etwas über die Familie Tegetmeiers«, s. Böthführ Vortrag 
vom 12. Jan. 1883 (erst als Scpar.-Abdr.). Nur Gryse (s. u.) nennt M, Syl- 
vester N. um 1523 zu St. Jacobi und Ungnad einen Sylvester, aber als 1531 
erwählt. Böthführ, Mitt. a. d. livl. Gesch. XIII, 4, S. 479—483, 



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— 171 — 

15- Jahrhunderts zu bringen vermocht und ihm den richtigen 
Namen, statt des bisher umgelaufenen M. Nicolaus Rus, wieder- 
gegeben *). Die im voll laudatorischen Stile am Ende des Jahr- 
hunderts von dem trefflichen und gelehrten Nicolaus Gryse ver- 
fasste Geschichte Joachim Slüters, des Rostocker Refor- 
mators *), bedarf einer gründlichen kritischen Revision. Dr. Johannes 
Oldendorp, hiesiger Syndicus und eigentlicher Durchsetzer der 
Reformations-Einführung, hatte anderes zu thun als chronistische 
Aufzeichnungen zu machen^). Der 1546 hier seine hanseatische 
Laufbahn beginnende Adam Thraciger*), eigentlich Dratzieher, 
dachte an Rostocker Geschichte nicht. So vergessen und ver- 
schollen waren schon um 1590 diese Jahre, dass Peter Linde- 
berg, doch sicherlich ein sehr gelehrtes Haus für jene Zeiten^ 
die ganze Reineke-Vos-Frage durch den von ihm zum Verfasser, 
nebenbei auch' zum Professor gemachten Nicolaus Baumann 
auf den Kopf stellen konnte, was Georg Rollenhagen dann ver- 
breitete ; — ein Spuk, der sich bis auf Lisch in der deutschen 
Litteraturgeschichte erhielt, ja noch nicht ausgestorben ist. 

Fast proteusartig folgt dann für die Jahre 1555 — 1573, öfter 
fortgesetzt auch bis 1583, 1589 u. s. w., ein Chroniken Gewirre, 
eine Masse leicht veränderter, viel verbreiteter, fast sämmtlich 



x) C. M. Wiechmann, Mecklenburgs altniedersächs. Litt., Bd. 3 von 
Dr. Ad. Hofmeister, S. 183—187, wo die älteren Quellen. Des Nie. Rutze (Rus) 
>dat Bokeken van deme R6pe« hat Dr. K. Nergen herausgeg. im Rost. Gymn.- 
Progr. 1886 (Nr. 594). 

2) Historia Van der Lere, Levende und D8de, M. Joachimi Slüters 
des ersten Evangelischen Predigers tho Rostock etc. Dorch Nicolaum Grysen 
etc. Rostock, Steffen Müllmann, 1593, 4. Die Notiz des Titels, welche eine 
kirchliche Chronik bis 1593 erwarten lassen sollte, führt irre; es ist nichts 
chronikalisch Brauchbares da. Vgl. Wiechmann, M^ckl. ahniedersächs.Xitt. 2, 
S. 124 ff. 

3) Ueber ihn s. G. Waitz, Lübeck unter Jürgen Wullenwever (an vielen 
Stellen). R. Stintzing, Gesch. d. deutschen Rechtswissenschaft. Abt. i. Die 
gegen Waitz* Auffassung mehr panegyrische Lebensbeschr. steht S. 310 — 338. 
Vcrgl. noch Wiechmann a. a. O. i, S. 126, 128. 161. 1523— 1524 war 
Oldendorp in Greifswald. S. Kosegarten, Gesch. der Univ. Greifswald ad. a» 

4) Er schrieb bekanntlich später eine Chronik Hamburgs, die Lappen - 
berg herausgab. 



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— 172 — 

überaus fehlerhafter Abschriften und Uebersetzungen von Dar- 
stellungen, die alle mehr oder weniger auf einen Kern zurück- 
zuführen scheinen, ohne dass dieser doch sich hinlänglich klar 
erkennen Hesse, obwohl eine Anzahl derselben sogar Verfasser- 
Namen trägt. Es ist die Zeit wilder Unruhen in der Bürger- 
schaft wegen der fürstlichen Forderung der Zahlung von 80,000 fl. 
als Schuldenabtrags-Quote für Kriegskosten von der Grafenfehde 
her; wegen des Strebens nach Herrschaft der Gemeine (6oer) 
gegen den Rat; wegen der unbotmässigen Herrschlust der 
lutherischen Geistlichkeit, des erbärmlichen Haders in der Uni- 
versität zwischen rätlichen und herzoglichen Professoren bis 1563. 
Und hinter dem allen steht der Versuch eines jeden der unter 
sich hadernden Herzöge, Johann Albrecht und Ulrich, durch 
Benutzung der Stadtparteien die Stadt selbst sich zu unterwerfen. 
Eine unglaubliche Kurzsichtigkeit und Kleinlichkeit, ein völliges 
Loslösen von aller nur irgend grösseren Politik, auffällig bei der 
sonst allbekannten »Practicirlichkeit« Johann Albrechts, eine Eigen- 
sucht sonder Gleichen, zu der sich sogar ein vornehmes Hoch- 
staplertum') gesellt, finden wir fast ausnahmslos bei allen 
Mithandelnden, auf allen Seiten; ebenso bei den Chronisten: es 
lag im Zuge der Zeit. In Bezug auf ihre Kirchen (die Superin- 
tendenten-Ernennung) und auf die Universität, namentlich die 
Zahlungen an dieselbe, wurde die Stadt völlig vergewaltigt«). 
Der Rat gab nach, weil er irrig glaubte, sich dadurch der 
Sechziger erwehren, zu können. Aus demselben Grunde Hess er 
den Herzog Johann Albrecht in die Stadt, dem wider dessen 
eigentlichen Willen alsbald Herzog Ulrich folgte, in dessen Hand 
die Marionetten Drähte zur Leitung der Sechziger ruhten. Der 
kurze Traum des Triumphes beim Rate, den die Kirchhoffs 
lenkten, schlug arg in den Ruin beider Parteien um. Die 
völlige Wehrlosmachung der Stadt, die Erbauung einer Zwing- 



1) Der »Eques auratus« Friedrich von Spedt vor allen Dingen. 

a) O. Krabbe (»Gesch. der Univ. Rostock« und >pavid Ch ytraeus g^ 
sieht vom geistlichen und Universitätssiandpunkte di^ Sache natürlich anders 
an. Was der fromme, hochgestellte Pommer v. Wedel »Der Pfaffen Heucheln 
und Schmeichelei« nannte (S. Hans. Gesch. -Bl. 1884, S. 50.), ziert er mit der 
Gloriole. 



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— 173 - 

bürg ') und nach jahrelangen Wirren die Herstellung eines Schaukel- 
systems in der Stadtverwaltung, welches diese den Fürsten gegen- 
über widerstandsunfähig machte, war das Ende vom Liede^). 
Die Stadt erkannte diese Handhabe nicht einmal und freute sich des 
wiedergewonnenen Friedens. Einen sicheren, aber hinterhaltigen 
Willen in Bezug auf Rostock scheint nur Ulrich gehabt zu haben. 
Zu dem Chroniken-Materiale dieser Zeit gehört für die 
Rostocker Verhältnisse auch des David Chytraeus Saxonia, 
insofern dessen Nachrichten ebenfalls nicht aus jenem Wirrsal 
als original ausgeschieden werden können ; dass ich aber auf sie, 
als ein weitergreifendes und bekanntes Quellenwerk, hier nicht 
weiter eingehe, wird der Rechtfertigung nicht bedürfen 3). Da- 
gegen hebt sich des späteren Superintendenten Lucas Bac- 
meister*) lateinisch geschriebene »Historia ecclesiae 
Rostochiensis seu narratio de initio et progressu Luthera- 
nis mi in urbe Rostoch, die bis zum Universitätsausgleich (der 
»Formula Concordiae«) und zur ersten Wahl eines Rectors aus 
den fürstlichen Professoren, am 7. Juni 1563, reicht, scharf aus 
der Menge ab 5). Seine Nachrichten von der Reformation, die 
er nicht erlebte, sind freilich unbedeutend und bis auf einige 



i) Dazu wurde das nach L. Bacmeisters Beschreibung schöne Johannis- 
kloster an der Steinstrasse z. T. niedergerissen. 

2) Meine Darstellung weicht damit freilich weitab von dem Urteile Schirr- 
macher's (»Johann Albrecht I. Herzog von Mecklenburg«); ich stütze mein 
Urteil aber unmittelbar auf die von ihm selber reichlichst gelieferten That- 
sachen und auf die ganz andere Auffassung, welche sich z. B. bei Lucas 
Bacmeister nach der Einnahme der Stadt und deren gewaltthätiger Behand- 
lung ausspricht. 

3) Schirrmacher a. a. O. S. 507 nennt des Chytraeus Bericht »eine sehr 
parteiische Darstellung der rostocker Sachec, was doch bedenklich. In Einzel- 
heiten ist aber Chytraeus ebenso wenig ängstlich, wie Krantz es war. Vergl. 
L. Daae a. a. O. S. 259 f. 

4) Vgl. Allg. Deutsche Biogr. i, S. 758. Die Lebensbeschr. (von 
Fromm) giebt nur die äusserlichsten Daten. 

5) V. Westphalen, Mon. ined. i, S. 1553—1563- Fromm citiert den 
Titel irrig. Die bei v. Westphalen 3, S. 781 ff. abgedruckte Ausarbeitung 
der »Antiquitates Rostochienses« hat der Grosssohn des Lucas, Sebastian Bac- 
meister, besorgt, ein Sohn des jüngeren Lucas, der 1638 als Superintendent 
in Güstrow starb. Zu des Sebastian Ms. hat dann noch dessen Sohn 
Johannes (der Tübinger Prof. der Medizin) Verbesserungen gefiigt. S. v. West- 
phalen 3, S. 140. 



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— 174 — 

Namensangaben unbrauchbar; aber er war seit 1561 in Rostock, 
welches er schon früher kannte, und nahm seit 1562 einen be- 
stimmenden Anteil an den Vorgängen und Verhandlungen. 
1563 hat er diese »Chronikc abgeschlossen'). Als aber am 
14. Oktober 1565 die ersten Warnungen vor dem Anzüge des 
Herzogs Johann Albrecht in die Stadt kamen, begann Bacmeister 
sich ein lateinisches Tagebuch über die nun beginnenden Wirren 
zu machen, welches er bis 1570 fortsetzte, dann 1573 beim Be- 
ginn der neuen Berennung Rostocks wieder von Neuem begann. 
Schon diese Unterbrechungen beweisen, dass er des Zusammen- 
hanges der Dinge sich nicht klar war. Er gab seinem Tage- 
buche den Titel: Historica narratio eorum, quae in 
obsidione Urbis Rostochiensis et Principe Johanne 
Alberto in eam intromisso acciderunt, per D. Lucam 
Backmeister»), und Historia obsessae urbis per equites 



i) Wie mangelhaft unser Quellenmaterial über die Geschichte dieser 
Zeiten trotz der grossen Anstrengungen Schirrmachers a. a. O. noch heute ist, 
beweist ein mir als Chronikbruchstück in die Hand gefallenes »Diarium 
Rostoch. ao. 1559 (Rost. Rathsarchiv mit Rothstift, als Nr. 3064 bezeichnet), 
welches aber ein Manualbruchstück von unbekannten Hansischen Verhand- 
lungen mit den Fürsten in Rostocker Sachen ist. Für den heutigen Zweck 
genügt die Angabe der vorkommenden Namen: Lübeck, Wismar, Dr. Tussen- 
radt (Synd. von Lüneburg), Dr. Jenschow, Bürgermeister Goldenisse, Her 
l^awel Wübbeking, »Kerkhoff«, Simon Leopold (vorgeblich wismarscher Ab- 
gesandter). Die Handlung betrifft »Moltaccise« ; Doberanschen Hof; städt. 
Jurisdiction ; Zahlungsfähigkeit ; die Befugnis von Rostock uud Wismar, 
Steuern aufzulegen; die Gefangenhaltung von Parkow und Clawes Grote. 
Auch die Zahlung von 400 Pfund flemisch durch einen Lud ecke Wal. 
hoff kommt vor. Auf eine freie Seite hat sich mit einer Federübung 
Johannes Steinkamp I^ubecensis eingeschrieben, der in Rostock als Secretarius 
vorkommt. Vgl. Schirrmacher a. a. O. S. 433, unten. Dieselbe Unkunde 
erhellt für uns aus den von Dr. F. Crull in Meckl. Jahrbb. 44, S. 43, ange- 
gebenen fremden Gesandten in Rostock im Jahr 1564, von denen 
Schirrmacher a, a. O. S. 485 nur 2 kaiserliche (von den anwesenden 4) 
nennt; unter den dänischen steht bei Crull (wie in Lindeberg, Chron. Rost. 
S. 124 f.) der bremische Domdechant Dr. Joachim Hincke, den Schirrmacher 
S. 538 »Hüeke« nennt. Vgl. AUg. D. Biogr. 13, S. 490 v. Hyncke. 
Uebrigens war die Gesandtschaft, welche die Chronisten der Rostocker Un- 
ruhen wegen hier gegenwärtig sein lassen, thatsächlich wegen des dänisch- 
schwedischen Krieges erschienen oder geblieben. 

2) So steht in der Rathsabschrift »ex autographo«, obwohl er selbst 
sich nachweislich nur Bacmeister schrieb. 



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— 175 - 

certis in locis qui commeatuni in urbem devehi 
prohibuerunt omnesquevias ad urbem obsederant. 
Diesen Chroniken ist es eigen ergangen. 1742 waren sie in 
einer Abschrift') in den Händen der Herausgeber des »Etwas«; 
der so emsig spürende Heinrich Nettelbladt hat sie bis 1745 
nicht zu sehen bekommen, sondern giebt den Titel nur nach 
dem »Etwas«. Schirrmacher») hat sie vergeblich gesucht. 
Aber Nettelbladt hatte sie 1760, genau im heutigen Zustande 3) 
und H. R. Schröter*) besass 1826 beide vollständig in Abschrift 
»ex Cod. mspto. chartaceo autographo«, und im Rostocker 
Rathsarchiv hat sich von der Chronik von 1565 — 70 eine 
solche Abschrift »ex avtographo« für die Zeit vom 14. Oktober 
1565 bis zum 28. Mai 1566 (Nr. 114)^) die Chronik von 1573 
aber vollständig ebenfalls in Abschrift (Nr. 116) erhalten. Das 
Wiederfinden auch des Restes der ersteren wäre sehr erwünscht. 
Diese Bacmeister' sehen Chroniken, welche übrigens Chytraeus 
sicher kannte und auch benutzt zu haben scheint, stimmen viel- 
fach mit dem übrigen Material; doch hat der Verfasser dieses 
sicherlich nicht gebraucht; wie weit andere ihn, ist noch nicht 
festzustellen gewesen. Auch Bacmeister sieht immer nur das 
Nächste; aus den zahlreichen Referaten über seine Predigten in 
der Zeit der Not lernen wir den Gang der Gedanken in der 
Stadt von weniger bekannter Seite. Wir müssen anerkennen, 
dass er sich von der Kanzel auch über die Fürsten und nachher 



x) »Etwas« 1742 S. 289 f., von Nettelbladt citirt als Collect, rer. lit. 
Rost. an. 1742. Dass der Herausg. nur eine Abschrift hatte, ergiebt sich daraus, 
dass er (wie Nettelbladt und Schirrmacher) statt der Worte des Titels »in 
eam intromisso« (bei Schröter und im Rathsarchiv): »praesente« setzte. 

2) Succincta notitia script. S. 106. Ueber ihn s. Allg. Deutsche Biogr. 
23, S. 466. — Schirrmacher a. a. O. i, S. 418 Anm. 

3) Verzeichn. allerhand etc. z. Gesch. u. Verfassung der Stadt Rostock 
gehöriger Schriften etc. S. 6. Er giebt den Inhalt als vom 14. Okt. 1565 
bis 1566 und die Historia obsessae urbis. Er besass also die im Rathsarchiv 
vorhandenen Exemplare. 

4) Beitr. z. Meckl. Gesch.-K. a. a. O. S. VIII.. 

5) Schön geschrieben und gut erhalten. Die Chronik war äusserst um- 
fangreich; der erhaltene Teil umfasst 8 Lagen zu 4 Bogen und noch 
2 Bogen, es sind 132 beschriebene Folioseiten. Nettelbladt a. a. O. S. 6 nennt 
noch eine geschriebene »Nachricht von der Belagerung der Stadt Rostock 1566c. 



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— 176 — 

gegen deren Räte') freier Sprache bediente. Dass er genau 
Bescheid wissen musste, ist an sich klar, nahm er doch wieder- 
holt an den Verhandlungen teil; er giebt aber auch genau an, 
wenn er Erkundigungen eingezogen hat oder nur durch Gerede 
etwas weiss. So meldet er auch die Erhaltung des von Johann 
Albrecht eingezogenen Bürgerbrief-Originales *) richtig, was ausser 
ihm aus dem ganzen Chroniken- Wust nur eine kurze, auch sonst 
sich von jenem abhebende chronikalische Notiz über das Ein- 
reiten des Herzogs von 1565 im Grossh. Archiv zu Schwerin 
thut. Diese giebt sich selbst als eine Abschrift aus dem Archive 
Revier. Minist, zu Rostock an und kennzeichnet einen der 
städtischen Verhältnisse Unkundigen als Verfasser oder Ab- 
schreiber. Denn sie nennt die ^Sostige« stets »Bostige«, hält 
dieses auch für ein von Johann Albrecht gebrauchtes Schimpf- 
wort und verwendet sogar den Singular »ein Bostich«. AuffölHg 
ist, dass trotz der Anführung mehrerer Todesfälle Bacmeister der 
sonst so oft betonten Pest kaum Erwähnung thut. Sie soll ja 



t) Unter den Räten Herzog Ulrichs hat 'Bacmeiser wiederholt einen 
Joachim Holste. Schirrmacher nennt ihn ständig, übereinstimmend mit Lisch, 
Jahrb. (vergl. Reg.) Joachim Krause, Er scheint demnach in den Urk. 
schon verhochdeutscht zu sein, denn sicher ist er ein v. Kruse, deren Stamm 
mit denen der Holste, v. Holstein, derselbe war. S. Lisch a. a. O. 29, 
S. 263—73. 

2) Das Original dieses »Bürgerbriefes«, merkwürdigerweise hochdeutsch, 
hat Schirrmacher a. a. O. 2, S. 229 — 34 abdrucken lassen. Dieser ist aber nicht 
der alte Bürgerbrief de anno 1428 S. Petri, der ganz anderen Inhalt hat. 
Er steht im Ms. der Rost. Univ.-Bibl. K. 1. 159. Varia Rostochiensia (Nr. 35) 
und ist natürlich plattdeutsch. Er sei wieder versiegelt 1489 die St. Petri 
den Sechzigern und 1535 Mittwoch nach Invoc. den Vierundsechzigern. Junk- 
her und die anderen Sechziger hätten die Versiegelung abermals vergeblich 
1563 und 1565 vom Rate verlangt und deshalb »Hans Blabhart, der Bürger- 
schaft zu Rostock Anwaldthaber« (Johann Blaffert nämlich) zum Kaiser ge- 
sandt. Diesen Bürgerbrief habe Johann Albrecht 1565 der Bürgerschaft ge- 
nommen und verbrannt. Derselbe steht auch im Ms. Meckl. O. 46 (Nr, 3), 
auch O. 60 hinter der Uebersetzung des Lindeberg; abgedruckt bei v. West- 
phalen Mon. ined, 4, S. 1044 — 1052 und bei D. Franck 7, S. 234 ff. 
Nettelbladt, Verzeichn. allerhand etc. zur Gesch. und Verfassung der Stadt 
Rostock gehöriger Schriften etc. S. 6, nennt eine handschriftl. »brevis narratio 
historica Tumultuum seditiosorumque motuum occasione litterarum tribunitium (1) 
sie dictarum »Bürger-Briefe« praecipue an. 1563 actorum, welche ich nicht 
kenne. 



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— 177 — 

freilich wesentlich schon im Juni gewütet, aber doch bis zum 
Spätherbst angedauert und nach Chytraeus über 9000, nach 
Gryse und Lindeberg 8000 Menschen weggerafft haben*). 

Von 1566 hat sich aus dem bürgerlichen Streite, der sich 
bei den kleinen Leuten schliesslich auf den Widerstand gegen 
die Accise und die Forderung des 100. Pfennigs, also einer 
directen, procentualen Vermögenssteuer gegenüber der vom Rath 
begünstigten indirekten Abgabe, längst zugespitzt hatte, ein den 
glühenden Hass gegen die Patrizierfarailie Kerkhoff athmendes 
Spottgedicht erhalten'*). Femer ist, um in der Buntheit der 
Chroniken eine sichere Führung zu behalten, von grosser Wich- 
tigkeit ein altes, auch zuweilen als Chronik angesprochenes 
chronologisches Repertorium der Rathspro tokolle 
von 1558 — 1599, das sich in die Universitäts-Bibliothek (Ms. 
Meckl. O. 76 Fol.) verlaufen hat und nach und nach in den 
Neuen Wöchentl. Rostock'schen Nachrichten Jahrg. 1838 — 1840 
bis zum Jahre 1588 incl. von Karsten zum Abdruck gebracht wurde. 

Von den Chroniken dieser Zeit muss eine wohl dem Prof. 
und fürstlichen Rat BartholomaeusCling^) zugeschrieben 
werden ; sie ist verschollen. Ungnad hat sie, oder eine daraus 
abgeleitete, im vorigen Jahrh. noch gehabt; sie ging nach seiner 
Angabe (Amoen. S. 1045) von 1555 bis 1589^). Ungnad 



i) S. Schirrmacher a. a. O. i, S. 498. DerRector Dr. med. Nennius starb 
am 3. Apr. 1566, offenbar nach Bacmeister's Bericht nicht an der Pest. In 
den beiden Semestern 1565 wurden 78 und 26 Studenten immatrikuliert, 1566 : 
42 und 102, trotz Pest und Unruhe. Michael Boldewan, des Bürgermeisters 
Sohn und Haupträdelsführer gegen den Rath, starb an der Pest. Ist es der 
M. Boldewan, den Stintzing a. a. O. S. 336 Oldendorps »Schüler M. von 
Boldewan, Sohn des Bürgermeisters von Rostock« aennt? Dessen Loci juris 
communes hatte Oldendorp 154S in Marburg herausgegeben. 

*) Von mir herausgegeben Jahrb. d. V. f. Niederd. Sprachforsch. 1875. 
S. 57 — 65. Schirrmacher a. a. O. S. 495 legt die Heu-Wegfuhrung irrig 
nach Warnemünde , sie gehört nach Kassebohm, das in der Hand der Kirch- 
hoff' s war. Die betr. Stelle gehört noch heute zur Kassebohmer Weide. — 
Die älteste Rostocker Verordnung wegen des hundertsten Pfennigs (niederd.) 
von 1563 ist abgedruckt bei Wiechmann a. a. O. 2, S. 52 ff. 

3) S. AUg. d. Biogr. 4, S. 332. 

4) Schirrmacher a. a. O. S. 418 sagt irreführend: »Wettkens Gesch. 
der Stadt Rostock, und zwar die von Ungnaden nach dem Ms. des Dr. Bar- 
thol. Cling 1754 herausgegebene». Cling f 5. Dec. 1610; Wetlken f 1716. 

Hansische Geschichtsblätter. XIV. 12 



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- 178 — 

bemerkt, dass dieses alte Cling'sche Manuscript mit der Wettken- 
schen Geschichte von Rostock (s. u.) für diese Jahre überein- 
stimmend sei, und giebt in den Anmerkungen an, wo der Autor 
sich selbst nenne oder in der ersten Person rede. Dieser wäre 
danach eine Quelle ersten Ranges. Da die angeblich aus sehr 
altem Ms. stammende Sprache aber die hochdeutsche des 17. 
oder 18. Jahrhunderts ist, da femer dieser Teil der Wettken- 
schen Chronik, der doch mit der Cling'schen stimmen soll, also 
daraus abgeschrieben wäre, wieder mit der des Thomas Linde- 
mann und des Joh. Huber, welche alle hochdeutsch sind, ja mit 
der plattdeutschen (Bouchholtz' sehen) Übereinkommen, so muss 
das Ms. Ungnad's entweder schon überarbeitet gewesen sein, mit 
Beibehalt des »Ich«, und dann wären alle anderen hochdeutschen 
Chroniken aus ihm geflossen : oder aber auch Cling hat eine 
■ der landläufigen Chroniken jener Jahre benutzt gehabt, um mit 
Eintragung seines Anteils an den Ereignissen sie für sich aus- 
zuarbeiten. Fast scheint das letztere der Fall. Cling war frei- 
lich seit 1554 als Student in Rostock. Ein Räthsel bleibt aber 
immer der Zusammenhang mit der plattdeutschen Chronik; und 
<ier darin erwähnte Hochzeitstag des Autors (11. Sept. 1559) 
kann nicht der Clings sein, wie Lisch anzudeuten scheint^); 
denn dieser Koblenzer war sicher des Niedersächsischen nicht 
mächtig. 

Von nun an folgen die Chroniken, welche zunächst alles 
ältere vorhandene oder bekannte Material sammelten, als 
»Rostocker Chronik« bezeichneten und dann fortführten. Da- 
hin gehört zunächst »Thomae Lindeman's Chronicon 
Rostochiense oder Beschreibung der Begebenheiten zu Rostock 
von 13 IG bis 1573«'). Die Chronik geht aber bis zum 30. Dec, 



') Jahrb. 8, S. 188. 

») Mss. Mekl. A. 44, Handschr. des i8. Jahrh. Fol. Nr. 4 des Sammel- 
bandes der Univ. Bibl. — Thomas Lindemann der Aeltere, studierte noch 1580 
in Rostock, f als Rector der Universität am 14. Mai 1632. S. Allg. deutsche 
Biographie 18, S. 679 f. Westphalen3, S. 1380 ff. giebt das Geburtsjahr wechselnd 
als 1575 und 1570 an, die zum Schlüsse genannte Lebenszeit, d. h. bei Er- 
nennung zum Prof. (1605), ergiebt aber 1570. — Einen Bericht über die 
erste Wahl der 100 Männer enthalten: Ms. Kl. 159 (varia Rostochiens. Nr. 6), 
Ms. Mekl. O. 46, S. 305, und einen wahrscheinlich gleichen erwähnt v, 
Westph. 3, S. 141. 



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— 179 — 

1583. Diese hochdeutsche Chronik,- die nur in Abschrift des 
18. Jahrhunderts vorhanden ist, bringt nun A. i) eine Ueber- 
setzung der alten Chronik von 13 10 — 14, dann 2) der chroni- 
calischen Auszüge, 3) der Domfehde, 4) auch hochdeutsch, und 
gewiss nicht Original: die Data von 1556 — 30 Dec. 1583. Fast 
genau entsprechend bis hierher (nur um einen Absatz: 31. Dec. 
vermehrt) und genau so abschliessend ist die als » Huber' sehe« 
überlieferte Chronik (s. u.), die hier gleich verglichen werde. Beide 
sind unfraglich aus einer Quelle abgeschrieben, beide strotzen 
von fast unmöglichen Verdrehungen, Verwechselungen, namentlich 
auch Namensänderungen abenteuerlichster Art. Beide haben die 
obengenannte Kritik der Domfehde-Chronik von 1543 aus der 
plattdeutschen Chronik so, als stamme sie von dem Verwandten 
ihres Verfassers'), beide die Worte des Schiffers Albrecht Eick- 
holt von 1565 über Fürstenbriefe und die Antwort des Dr. Simon 
Pauli 2) aus der plattdeutschen Chronik, dazu beide vor dem 
4. Dec. 1583 wieder Worte über Fürstenglauben: »Der Teufel 
hat seinen Ahitophel und Issabel alle Wege mit bei Hoffe«. 
Darauf folgt aber als neuer Zusatz nur bei Lindemann : B. i) »Ver- 
trag zwischen Hertzog Johann Albrecht und der Stadt Rostock«, 
d. h. die Versicherung des Herzogs vom 27. Oktober 1565 zu 
Pölchow^); 2) eine chronistische, abweichende, an Lucas Bac- 
meister zuweilen erinnernde, aber nicht mit ihm übereinstimmende, 
hochdeutsche, in der Abschrift arg verderbte Darstellung vom 
28. Okt. 1565 bis Mich. 1566 (Reichstag zu Speier), eine Notiz 
von 1572, dann 1573 vom Januar bis i. September. Diese nicht 
unwichtige Darstellung ist die einzige chronikalische'*), welche den- 



1) Aus dem kritisierenden alten »Vedder« des Plattdeutschen macht die 
Lindemann' sehe wie die Huber* sehe Chronik »von meinem alten Vater, da- 
mahls 70 Jahr alt«. 

a) Schirrmacher a. a. O. i, S. 520» DassEickholt ein Schiffer war, erhellt 
aus Bacmeister, der ihn aber an dieser Stelle ebenso wenig nennt, wie seine 
oder Pauli's Worte. Lindemann B. führt die Namen der 3 Universitäts-Unter- 
händler (Schirrmacher S. 516) richtig an und lässt diese drei die »gemeine 
Bürgerschaft bereden«, »es würde der Hertzog wie ein Vater zu ihnen in die 
Stadt kommen«. 

3) Schirrmacher hat das Schriftstück nicht abgedruckt, sondfern auf 
D. Franck HI, S. 145 (d. h. Buch X, S. 145) verwiesen. 

♦) Schirrmacher i, S. 550 Anm. 2. 

12* 



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— i8o — 

Ritter Spedt als »Friedrich Spiesen« erwähnt und 'den Namen 
des am lo. December 1565 begnadigten Schneidergesellen als 
»Peter Tup« ') enthält. 

Der genannten Verwandtschaft oder Gleichheit wegen muss 
hier sofort die vielabgeschriebene Chronik des johann Hu ber^ 
auch Hüber genannt, erwähnt werden. Sie ist durchaus gar 
nichts anderes, als was so eben unter »Lindemann A. i — 4« 
beschrieben wurde. Wahrscheinlich hat Huber überhaupt nichts 
weiter gethan, als diese Chronik mit »den beiden Erb vertragen«^ 
d. h. den Verträgen von 1573 und 1583, abzuschreiben und 
seinen Namen i6i6 oder 1617 eben nur als Abschreiber 
daraufzusetzen, während man darin später den Verfasser suchte. 
Der Titel lautet: 1 Rostocker Geschichte von Anno 13 10 biss 
nun her. Darinnen die Rostocker Fehde von Anfang biss zum 
Ende beneben beiden Erb- Verträgen gäntzlich beschrieben von 
Johann Hubern, Schul-Schreibem =*) hieselbsten Anno i6i6«3). 

i) Schirrmacher i, S. 544 nennt ihn nach dem Verhörsprotokoll »Tuchse« ; 
Cling (Ungn. a. a. 0. S. 1077 Anm.) Peter Tutze. — Die Erwähnung des 
Mannes bei Lindemann scheint zu beweisen, dass dieser eine plattdeutsche 
Quelle hatte; denn »Schneider« scheint aus »Schroter« verändert zu sein. 

*) Ueber die Persönlichkeit ist nichts bekannt. Unter dem Personal 
der «Grossen Stadtschule« bei Bachmann, Rost. Gymn. Progr. 18^5, erscheint 
er nicht. Dagegen enthält Ms. Meckl. O. 68 den Zusatz »Verfasser war 
Schreibmeister der Grossen Stadtschule zu Rostock«. 

3) Exemplare: Univ. Bibl. Ms. Meckl. O. 46. (Nr. 93 des Sammelbandes, 
S. 1047 ff.), O. 64, O. 65, O. 66, O. 67, O. 68 bis 1661 ; ferner im Besitz 
der Familie Beselin (Sammdb. 18. Jahrh. Mecklenburgica Rostochiensia 
Manuscr. 4., 122 1 beschriebene Seiten, i Menge leerer Blätter, dann Register ; 
darin Nr. 91, S. 489 ff. ; ein ähnliches im Rathsarchiv (Schluss von 1583 fehlt) ; 
mehrere Exempl. scheinen in Schwerin zu sein, Lisch Jahrb. 8, 185 Anm. 
4. In der Landesbibl. zu Rostock; M, 221 (verkürzt, ohne Namen); M. 
264 (Nr. 39) daselbst »Johann Albertus etc.« ist eine unbedeutende Notiz von 
1/2 Seite V. J, 1565/66. Gedruckt mit allen Fehlem: Ungnaden Amoenit S. 
715 — 50.795 — 818, Dasselbe ist auch > Chronica der Stadt Rostock und deren 
Urspr. und Erbauung ad 11 60 etc.«, Rathsarchiv (Nr. 56) in 4, und Abschrift 
davon in Folio. Sie geht bis 1584, setzt dann 1620 mit Notizen ein, bringt 
ausführlich und genau den Tod Hatzfeldt's und läuft bis 1661. Dieses Exempl. 
nennt Nettelbl. Succ. not. S. 105. — Auszüge aus dieser Chronik machte 
Hermann Wedige (== Wettke; geb. zu Hamburg, in den Rat gekoren 
1649, t II. Aug. 1666. Sein Sammelband, der wie es scheint auch Scharf- 
fenberg'sche Hausbuchnotizen aus dem 17. Jahrh. enthält, kam in Erbschaft 
an Johann Georg Wettke und ist jetzt in der Grossherz. Reg. Bibl. zu 
Schwerin. Ich verdanke diese Kunde der Güte des Hrn. Archivar Dr. Sass. 



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— i8i — 

Das »biss zum Ende« bedeutet in den älteren Formen der Hand- 
schrift: bis 1583, gerade wie bei Lindemann A. und Ms. O. 46. 
Das »Biss nun her« hat aber dann veranlasst, die Chronik 
weiterzuführen, namentlich Accisestreitigkeiten, Abgaben-Zank, 
dann die Ermordung des Wallenstein sehen Obersten v. Hatzfeldt 
kürzer oder ausführlicher hinzuzusetzen. So kenne ich deren 2, 
die bis 1661 fortgesetzt sind. 

Diese unter dem Namen Joh. Huber laufenden Stücke sind 
dann in 2 schon auf gelehrte Geschichtschreibung Anspruch er- 
hebende Werke übergegangen oder darin benutzt: des Joh. 
Friedr. Chemnitz (f 1686)') grosses »Chronicon«, das 
sich im Grossherzogl. Archiv befindet, und aus dem der 
wirkl. G. R. Johann Christian Beselin (f 1705)») die 
Rostochiensien wieder auszog und verarbeitete 3) , und Johann 
Georg Wettkens Geschichte der Stadt Rostock*). In 



») S. Allg. D. Biogr. 4, S. 116. Abschriften des Chron. in der 
Rostocker Univ.-Bibl. 

a) S. Allg. D. Biogr. 2, S. 298. Art. »Bekelin« am Schlüsse. Es ist 
^abei zu bemerken, dass nach Auffindung eines Bekelin' sehen Wappens durch 
Dr. CruU- Wismar die Bekelin nicht zur Familie der Beselin (Barzelin), 
sondern der Bagel (Baggel) gesören werden. 

3) Gedruckt in: Joh. Meno Pötker, Neue Samml. etc. Meckl. Urk. I 
(Dantzig. 1744 in 4.), S. i flf. und Ungnad. Amoen. S. i — 5; 75 — 100; 155 
bis 185; 235—291; 315—366. Sie gehen bis 1631. Nettelbladt a. a. O. 
zitiert diese Auszüge als »Annales Rostoch.«. Augenscheinlich eine ähnliche 
Arbeit ist das von Beselin neben Lindeberg wiederholt citierte Chron. Rost., 
ohne Frage dasselbe, welches Westph. 3, S. 141 anführt als Anonymi bist, 
-civit. Rostoch. tribus partibus absoluta, und Nettelbladt, Verzeichniss etc. S. 4, 
■danach als Gesch. der St Rostock in dreien Teilen. Er selbst sah das 
Opus nicht. Bei der Unsicherheit des Ausdrucks bei Westph. ist möglicher 
Weise der Sebast. Bacmeister zu verstehen; sonst ist es die von demselben 
a. a. O. als ihm unbekannt genannte Arbeit des Bürgermeisters Christoph 
Redeker. Dieser, gebürtig aus Osnabrück, wurde zu Rat gewählt und sofort 
zum Bürgermeister 1693, f 15. Jan. 1704. Gleichzeitig war in Rostock Dr. 
Heinrich Rudolf Redeker als fürstl. Prof. jur. 

4) Ein handschr. Exemplar, anscheinend das Original, befindet sich 
im Beselin'schen Besitz (in 4., auf weissem Schild die Ziffer 124; eingeklebter 

(Auctions-)Zettel mit Nr. 3562. Gedruckt; Ungn. Amoen. S. 955 — 1002; 
1035— 1082; 1115 — 1162 (bis 1586); 1195 — 1242; 1275 — 1299 bis zum grossen 
Brande von 1277; S. 1300 — 1330 Anhänge. Ein Theil der Anmerkungen 
ist von Ungnad. Danach erschien »Die Geschichte Rostocks« auch als 
Separat- Abdruck in 4. 1754. — Johann Georg Wettken, auch We'^' "" 



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l82 — 

letztere sind die wüstesten Huber'schen Missverständnisse mit 
aufgenommen ')• 

Die wichtigste und rätselhafteste Chronik dieser Gruppe ist 
diejenige, welche Lisch als Bouchholtz'sche Handschrift 
bezeichnet, beschrieben und, wie schon nachgewiesen, irrig für 
das Original der Cling'schen Tagebücher gehalten hat. Lisch 
hat das in plattdeutscher Sprache gehaltene Manuscript, zweifel- 
los ein Original, in den Jahrb. 8, S. i86 — 189 richtig beschrieben- 
Wahrscheinlich ist das Stück 13 10 — 13 14 (1329) vom abge- 
rissen; auf die »Annalistischen Notizen« folgt die 1583 »mit Hast« 
in der oben charakterisierten Weise abgeschriebene und durch 
die originale Kritik von 1543 vermehrte Geschichte der Dom- 
fehde (s. o.); dann die Notiz über das H. Blut von Stemberg 
(s. o.); Bl. 29 — 36 sind leer geblieben; Bl. 37b steht die Notiz, 
von 1383 (s. o.) über Wilsnack; dann folgen, etwas anders als 
Lisch angiebt, Blatt 38 — 48a mit einzelnen, bald früher, bald 
später — aber nie gleichzeitig — eingetragenen Chronikalien"),. 



Wedke, "Wettig, Wettge, Wittke, Wetcke geschrieben, stammte nach Ms^ 
Meckl. O. 46 aus Hamburg, wenn das nicht eine Verwechselung mit seinem 
älteren, dort geborenen Vorfahren Hermann W. (s. oben) ist. Er wurde zu 
Rat gekoren 1703, f 1716. Seine Collectanea nennt schon Nettelbladt, 
Succincta not. S. 106. 

1) Die tollste Verdrehung ist wohl ad a. 13 14, wo aus den Worten 
>mit stüringe«, = mit Lärm, gemacht ist »ihren Capitain Sürling«, Ungn- 

S. 976. 

*) Lisch hat Bl. 38a a. a, O. 8, S, 192 — 195, aber nicht in der rich- 
tigen Blattfolge, abgedruckt. Die Folge ist so: Bl. 38a: 1529 (Belagerung, 
von Wien), Bl, 38b: 1536 (Wiedertäufer-Hinrichtung in Münster). Bl, 39a: 
1529 (englischer Schweiss und Belagerung von Wien); 1535 (Einnahme von. 
Münster. Uebergabe Kopenhagens durch Herzog Albrecht); 1537 (Chri- 
stians III. Krönung in Dänemark. »Und den 20. December wordt gebaren 
Johan der ytzige Koninck yn Sweden«. Also nicht vor' 1568 geschrieben I);. 
1543 (Abbrennen des Petriturmes durch den Blitz); 1546 (Luthers Tod); 
1549 (grosse Pestilenz); 1550 (Belagerung von Braunschweig und Magde- 
burg); Bl. 39b: 1551 (Sturm); 1552 (Herzog Heinrich von Meckelnburg f, 
Frankfurt belagert ; Herzog Georg erschossen ; Sturm ; Austreibung der Mönche 
aus Marienee und Doberan ; 1559 (Abbruch von Marienee). Bl. 40a: 1555 
(Heirat Herzog Johann Albrechts); 1558 (Karl V. f). 45b: 1559 (Lic, jur,. 
Grypeswoldt erschossen). 46a: 1556 (mit Randbemerkung 1554. Forderung 
der Schuldentilgung seitens der Herzoge. Mit Zusatz 1561 : Bürgermeister 
Briimmer f). 46b: 1559 (Gotthart Ketteier Coadjutor in Livland. Seine 



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- i83 - 

in keiner Weise »als wenn diese Nachrichten später aus der Er- 
innerung oder bei einem unstäten Leben niedergeschrieben 
wären«, sondern einfach als annectierte Lesefrüchte, mit solcher 
Papierverschwendung, dass die Absicht erhellt, Raum zum 
späteren Nachtragen zu behalten, was einzeln auch geschehen 
ist. Wichtig ist die Notiz: »1546 starff Martinus Lutter in godt. 
de tydinge brachten de prior und schafFer von Marien -E ersten 
in Rostock yn mynes veddern Huss« ; dann 1569: »In dissem 
yar quam yck tho wanen den XI. September«, d. h., nach 
Rostocker Ausdruck, verheiratete ich mich. — Erst von Blatt 
48a an folgen chronologisch richtig die Aufzeichnungen; die 
kleinliche Heugeschichte des Spottliedes scheint den Anstoss 
zu regelmässigeren Aufzeichnungen von 1563 an gegeben zu 
haben, d. h. nicht gleichzeitig, sondern, wie aus manchen ein- 
gesprengten Ausdrücken sich ergiebt, nachträglich '). Bl. 48b ist 
nämlich eine Bemerkung über den „muskowitischen" Krieg, wie 
schon Wiechmann bemerkte, fast wörtlich aus Russow's in Rostock 
1578 erschienener »Chronica der Provintz LyfFlandt« (91b ff.)') 
entnommen, also frühestens 1578 eingetragen. Ebenso kann 
fol. 48b die Nachricht über Herzog Christophs Befreiung aus 
der polnischen Gefangenschaft nicht vor 1569 geschrieben sein. 
Fol. 6sa ist eine Todesnotiz von 1585 zugefügt. Eine zusammen- 
hängende nachträgliche Abfassung bekundet auch die Erschei- 



Hochzeit am 11. Sept. Christian II (sie; statt III) f am i. Jan. Unter- 
werfung der Dithmarschen). 47a : schwedisch-dänischer Krieg, Der angezogene 
Absagebrief ist nicht abgeschrieben. 1560 (Wilhelm Fürstenberg auf Vellin- 
von den Russen gefangen. Gustav von Schweden f , Philipp von Pommern f , 
Philipp Melanchthon f). 47b: 1561 (Gotthardt Ketteier Herzog. Pastor 
Andreas Martini f); 1562 Qohann von Finlandt heiratet Katerina von 
Polen). 48a: 1560 (Berathung über Zahlung der 80,000 fl., loostr Pfennig. 
Die Heuwiese! Ein Bürger erhängt). 

x) Das bestätigt auch das Papier, wefches im ganzen Buche (auch im 
Anhängsel mit der Kritik zur Domfehde) dasselbe ist. Nur i Bogen (Fol. 
38 — 41), der ausser den Lagen einzeln, aber gleich beim ersten Binden, ein- 
gebunden ist, trägt ein anderes Wasserzeichen: ein verschlungenes gekröntes 
UE. Herzog Ulrich verheiratete sich mit Elisabeth am i. Febr. 1556, sie 
starb 1586. 

2) Wiechmann, Mecklenburgs altnieders. Lit. 2. S. 86 — 88. Die 
Chronik druckte Augustin Ferber. 



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— i84 — 

nung, dass fol. 68b beim Jahre 1570 deutlich auf fol. 48b zu- 
rück- und auf fol. 69a im Voraus hingewiesen wird. Dieser 
ganze Teil der Chronik, der mit der Wahl der 100 Männer 
1583 auf fol. 84b abschliesst, macht den unabweislichen Ein- 
druck, als sei 1583 zunächst der ältere Teil bis zum Schluss 
der Domfehde abgeschrieben, dann erst nachträglich alles Andere, 
allerdings nicht später als 1585, teils stossweise und einzeln, 
teils schon nach vorhandenen chronikalischen Vorlagen, auch 
nach Büchern aufgezeichnet. So ist eine Menge fremdes Material 
neben kleinlichst Lokalem mit aufgenommen; jedenfalls ist von 
Letzterem Alles bis 1573 nicht original abgefasst. Der Verfasser 
dieses Teils der Chronik war nicht im Rate, nicht unter den 
Sechzigern, auch kein Professor, Geistlicher oder nur Gelehrter, 
er gehört nicht zu den Grossen der Stadt; aber er scheint mit 
einigen in Verwandtschaft zu stehen, und zwar Häusern, die 
den Volksstrebungen nicht abgewandt waren. Er ist ursprüng- 
lich den Sechzigern geneigt gewesen, hat sich von ihnen in 
ihrer Gewaltherrschaft abgekehrt; beiden Fürsten steht er miss- 
trauisch gegenüber, am meisten Herzog Ulrich. Er ist kirchlich 
gesinnt, aber kein Nachtreter der Pastoren. 1543 war er schon 
in Rostock; sein alter der Gemeinde nahestehender Vetter stand 
in Beziehung zum Prior der Karthause zu Marienehe, Marquard 
Behr^). Die erste Kunde von Luthers Tode brachte dieser dort- 
hin. Das lässt den Vetter anscheinend als den Bürgermeister 
Berendt Krohn erscheinen, dessen Tod auch später auffallend 
hervorgehoben wird. Ist es nicht dieser, so gehört er zu dem 
ihm verwandten Hause der Luscow oder Lüschow. Der letzte 
Krohn, Jochim, und ein Luscow waren unter den ersten Sechzigern. 
1559 hatte der Schreiber sich verheiratet; er hat den Rats- 
und Universitäts-Buchdrucker Lucius gekannt, dessen Abzug nach 
Helmstädt er meldet ; er hat gute Freunde unter den Buchführern, 
erhält allerlei Nachrichten aus fernem Auslande, welche viel- 



i) -j- 1553 um Michaelis. Ueber ihn und seine Rostocker Freundschaft 
s. Lisch, Jahrb.27, S. I — 84, namentlich S. 34. Eine Masse der Krohn'-, 
Luscow-' und Cling' sehen Personalien verwahrt die Univ.-Bibl. unter dem 
Namen der Agneta Krohn, geb. Smedes. 



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- i85 - 

leicht fiir die Zeitungen des Chyträus*) kamen, er copiert aus 
der livländischeu Chronik des Russow. So muss man ihn nach 
seinem ganzen Wesen für einen des Latein mächtigen, den ge- 
lehrten Kreisen recht nahestehenden Geschäftsmann halten : Buch 
-drucker, Buchhändler oder Buchbinder, dem jene Sachen neu 
und nur hastig zu Gesicht kamen. 

Mit 1583 auf Bl. 84b hört diese Aufzeichnung auf. Es ent- 
spricht gewissermassen dem Charakter des Buches, dass nach- 
Leerbleiben von Bl. 85 und 86a eine neue Lesefrucht, eine geogr. 
Uebersicht von Holstein, auf 86b und 87a eingeschrieben ist, 
•dann von 87b bis 103 alles wieder frei bleibt, 104a aber »A. 
1584« (weiter nichts) eingeschrieben wurde, als solle nun wieder 
angefangen werden, nachzutragen. 104b steht dann: 

»Anno 1603, 14. Martii starb der Hochloblich vnnser 
^ediger Landesfurst Hertzoch Ulerich zu Güstrow, wurdt den 
14. Aprilis begraben, den Gott eine fröhliche Auferstehung ver- 
leihe«. 

Dieses scheint schon die folgende Hand eingetragen zu haben, 
die aber voll erst Bl. 105a mit dem 14. September 1602 einsetzt 
und chronikalische, meist aber personelle Nachrichten bis 30. Okt 
1607 einschreibt. 1603 ist der Tod Ulrichs in- der Reihe wieder- 
holt; von da an ist gleichzeitig geschrieben. Dieser neue hoch- 
deutsch schreibende Besitzer nennt den Buchführer Jochim Sege- 
badt: »mein lieber gefatter unndt gutter freund«, den Stadt- 
physicus Dr. med. Henricus Warenius^): »mein sehr gutter 
freundt und • föderer« ; Bildschnitzer Michel Meyer: »mein lieber 
Schwager«; Heinrich Syryx: »meiner frauen Styffvatter, ein Buch- 
binder«. Diese alle starben 1604 an der Pest. 1605 starb »der 



x) S. darüber Rieh. Hausmann, Stud. zur Gesch. d. Königs Stephan 
von Polen. Dorpat. Laakmann 102 S. in 8. 1880. Vergl. Hist. Jahres- 
berichte 4, III, S. 61. Ein Hauptzusender war der bis 1579 in Rostock 
studirende spätere Prediger in Kowno, Paul Oderborn. — Der Drucker 
Augustin Ferber wurde vom Rate am 24. December 1575 gefänglich ein- 
gezogen »weil er ein Lied vom Könige in Polen unter der Stadt Colberg 
Namen gedruckt«. N. Wöchentl, Rostock'sche Nachr. u. Anz. 1839, S. 39. 

a) Als Stadtphysicus und Dr. med. bisher unbekannt; fehlt bei Blanck, 
Meckl. Aerzte; als Prof. der Math, und Inspektor der Burse zum Adler bei 
Krey, Andenken VIII, S. 10. 



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— t86 — 

Ehrveste unndt hochgelahrte Dr. Bartoldus Kichler mein gefather«^ 
Es ist also dieselbe Art der Bekanntschaft wie beim erstea 
Schreiber. Der zweite aber fährt nach einigen leeren Seiten 
Bl. HO fort: 

»Anno 1613 den 18. Juny ist mir mein gekaufft Hauss 
oder Buden in der Rostocker Heide*) in das Stadtbuch ge- 
schrieben worden«. 

Verfasser baut dort die Bude neu und hat von iioa bis 
114a genau die Kosten dieses Baues gebucht. Von 115 — ii7l> 
folgen anscheinend von derselben Hand wieder Nachrichten von 
1628 — 1631: Die Ueberrumpelung durch Wallenstain 1628, der 
Rückzug des kaiserlichen Obersten v. Hatzfeldt aus Pommern 
vor Gustav Adolf nach Rostock 1630, die Ermordung des 
Obersten 1631 durch den Lic. jur. Varmeyer und die folgenden 
Schrecken. Die Anmassungen der Soldaten führen den gequälten 
Bürger zu dem herzlichen Wunsche: »Gott vergelde ihnen wider^ 
wie sie es verdienen, mit einer vollen gerutelten aufFgeheuften 
Mass. Amen« . 

Dieser Chronist hat sich durch die Angabe seines Haus- 
kaufes glücklich nachweissen lassen. Herr Senator Brummer 
hatte die Güte das Stadtbuch daraufhin nachzusehen, wo sich 
ergab : 

»Neustädter Hausbuch. Den 18. Juny 16 13. Bartholomeus 
Kohne hatt seine Bude in der Rostocker Heide, zwischen seiner 
orttbude und den Dobberanschen Hoff belegen, Michael Schei- 
teren! vor acht hundert Mk. sundisch vorkaufft. Er hat ihme 
dieselbe überlassen, abgetretten und erb und eigenthümblich zu- 
schreiben lassen. Gelobet warschafft und sol sein und bleiben 
zu Bürgerrechte«. (Die Bude war dem Kohne zugeschrieben am 
13. Sept. 161 1 und ist weiter aufgelassen 17. Oct. 1657.) 

Wir haben diesen Teil der Chronik also als Scheiterer' sehen 
zu benennen. Michael Scheiterer war nach Dr. A. Hof- 
meister's Bericht über die Verschleuderung alter Papiere, Perga- 



^) Rostocker Strasse, Verlängerung der Garbräterstr. nach der jetzigen 
Blücherstr., also alter Zugang zum Fraterkloster und später zum Bauhof, jetzt 
zum Gymn. und Gerichtshause vom Neuen Markte her. Name vielleicht von 
einem alten Wirtshause. 



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- i87 - 

mente und Bücherbeschläge Buchbinder'). M. Paulus Petrejus, 
1592 Diaconus und 1609 Archidiaconus an der Marienkirche, 
auch a. o. Professor der Theologie, der von 1597 — 1605 die 
Marienbibliothek verwaltete, verkaufte nach einander Pergamente 
in Massen zuerst an den Buchbinder Christian Kohl, dann an 
dessen Witwe, dann an Michel Scheiterer. Wäre anzunehmen, 
dass der Handel in einem Geschäfte blieb, so wäre Christian 
Kohl der Verfasser der Chronik bis 1583. Sein Geschäft müsste 
die Witwe behalten, diese dann den Buchbinder Syryx wieder 
geheiratet haben. Scheiterer hätte dann Kohl's Tochter, des 
Syryx Stieftochter, gefreit. Beweisen lässt sich das zunächst 
nicht weiter; die Zeiten aber stimmen. 

Eine hochdeutsche Bearbeitung dieser ganzen (Kohl- 
Scheiterer' sehen Chronik Hess Prof. Victor Aim^ Huber 1835 ab- 
drucken ") ; eine ähnliche ist nach Lisch in Schwerin. Ein »Tage- 
buch über Rostocker Ereignisse von 1600 — 1625«, abgedruckt 
18413), ist das Scheiterer'sche Tagebuch von 1600 — 1607, mit 
einer notdürftigen Fortsetzung bis 1625. Einen Auszug 
druckte Raabe, Mecklenburg II (1845), S. 175 — 205. 

Es bleibt noch übrig, das früher weit über seinen Wert ge- 
priesene, auch jetzt noch über Gebühr geschätzte Werk des 
Petrus Lindeberg kurz zu besprechen. Es ist unter dem 
Titel »Petri Lindebergi P. L. Civis Rostochiensis Chronicon 
Rostochiense Posthumum Quinqe libris absolutum«, nach des 
Verfassers Tode, am 16. Juli 1596, von M. Nicolaus Petraeus 
noch 1596 in recht lüderlichem Druck herausgegeben^). Linde- 



Petzholdt's Neuer Anz. f. Bibl. und Biblioth. 1879, S. 278—281. 
a) In: Meckl. Blätter, I (einziger B.), Parchim. 1834. Nr. 18, S. 265 ff. 
V. A. Huber meint, schon Wettken habe diese Chronik benutzt; wohl irrig. 

3) N. Wöch. Rostock' sehe Nachrichten u. Anzeigen. 1841. Nr. 66 ff. 

4) Rostochii Imprim. typis Stephani Myliandri (MüUmann). in 4. 174 
S., angehängt Exsequiae Petri Lindebergi etc. 16 unpaginierte Seiten. Vergl. 
Nettelbladt a. a. O. S. 107. Gewissermaassen ein Abfall beim Verfassen ist 
die 1594 in Rostock erschienene, dann in Georg Braunius, Civitates orbis 
terrarum (V, n. 47) aufgenommene : Petri Lindenbergii Topographica Rostochii 
etc. descriptio. Fol. mit dem bekannten grossen Kupferstich. S. Nettelbl. a. 
a. O. und Etwas 1737 S. 22. Peträus war später Superintendent in Ratze- 
burg. 



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— i88 — 

bergs Biographie habe ich in der AUg. Deutschen Biographie') 
hinlänglich besprochen, wo auch seine litterarischen Arbeiten an- 
gegeben sind. Als Freund oder Hofgelehrter des »prorex Cim- 
briae«, Heinrich Rantzau, hatte er Ruf erlangt; er schrieb voll- 
ständig in dem uns widerlichen lobrednerischen Geschmacke der 
Zeit; so konnte es nicht ausbleiben, dass die erste gedruckte 
Chronik Rostocks von einem so gefeierten Manne den grössten 
Ruf erlangte. Sie wurde deshalb alsbald auch übersetzt und in 
dieser hochdeutschen Form mannigfach abgeschrieben"). Von 
Rostocker Geschichte handelt eigentlich nur Buch 2, Kap. VI — IX, 
(XII— XIV über die Vitalienbrüder), XV— XVI; Buch 3, Kap. 
I— XIII; XV und XVII (Nicol. Rus); Buch 4, Kap. I (Refor- 
mation) 3) bis zum Schlüsse, der mit 1584 gemacht ist. Das 
12. Kapitel redet von der Pest des »französischen Seh weisses« 
oder »spanischen Pips« 1576, der dann bis 1580 alle Länder 
durchzogen habe. Lindeberg giebt seine Diagnose (S. 135): 
»catarrho praecipiti in pectus dilabente, cum febricula conjuncto« ; 
nach der altbekannten Geflügelkrankheit des »Pips« wäre an 
eine Diphtherie zu denken. In Rostock seien daran ca. 100 
Personen gestorben.' Das 5. Buch berichtet »de hodiemo urbis 
statu, ejusque praecipuis partibus« und enthält nur einzelne 
wenige brauchbare Notizen. 

Da wir uns hier nur mit der Rostocker Geschichte beschäf- 
tigen, so kommt es uns auch nur auf Lindebergs Quellen für 
diese an; Tetzner hat den gesammten Text, wenn auch nicht 
auf alle, doch die meisten fleissig untersucht. Seine Resultate 
können wir fast sämmtlich anerkennen. Wesentlich ist Linde- 
berg ein Abschreiber, einzeln ein üebersetzer gewesen, der mosaik- 



i) AUg. D. Biogr. 18, S. 672 f. Vergl. noch Melchior Adam, Vit. Philol. 
ed. 3 p. 194. Die Biographie Robert Tetzner s in »Peter Lindeberg und seine 
Rostocker Chronik« ist dagegen mit grosser Vorsicht zu gebrauchen; macht 
er doch sogar den lutherischen Superintendenten Draconites von 1557 zum 
Führer der Katholiken in Rostock und ist seltsam gering orientiert (S. 22; 
über die Topographica descriptio. S. Hist. Jahresber. 1878 S. 488. 

2) Auf der Univ. Bibl. sind 3 solche Exemplare, 2 in Fol. Ms. Meckl. O 
58 und O. 59; I in 4. O. 60. Landesbibl. in Rostock: M. 221 B. 18. Jahrb. 

3) Wie er die Einführung der Reformation in Lübeck, Hamburg, Stral- 
sund, Wismar und Lüneburg behandelt, vergl. Lindeberg S. 113, Rand- 
bemerkung. 



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— i89 — 

artig zusammenzustellen verstand. Wenn seine Chronik verloren 
ginge, so hätte die Geschichte Rostocks nichts verloren. Vor 
allem hat er Krantz, dann David Chytraeus, Trazigers Hamb. 
Chronik, das Chron. Slav. parr. Susel. und den Nicolaus Gryse aus- 
geschrieben, auch den Hermannus Bonnus und 3 laudatorische 
Reden des Nathan Chytraeus, des Lucas Bacmeister und des 
altern Jo. Posselius') benutzt. Einzeln nennt er Handschriften 
als Quellen. Es geschieht für die Zeit von 1310— 1314 und 
1323; augenscheinlich ist es die von Schröter herausgegebene 
Chronik in irgend einer Form*). In Buch II Kap. 15 (S. 70) 
citiert er einen Liber manuscriptus H. R. (d. h. Hinrici Rungii) 
gelegentlich des Verbrennens einer frommen Frau als Ketzerin 
1404, welcher unbekannt ist. Dagegen ist der Codex manuscr. 
zum Jahre 1430 (S. 82) wieder deutlich der schlecht ausgenutzte 
s. g. 2. Teil der Rostocker Chronik, d. h. die Annalistischen 
Notizen. Für Rostocks traurige Vorkommnisse aus der Pest 
von 1463 wird S. 86 auf einen »magnae dignationis viri codex 
manuscriptus« verwiesen, wohl unfraglich den des Hinricus Runge 
und eben dasselbe Manuscript wird es sein, welches (S. 88 f.) 
die Geschichte mit den fürstlichen Vögten Thun, Frese und 
Oldeschwager 1483 enthalten hatte. Dagegen ist für die Dom- 
fehde (S. 95 ff.) augenscheinlich wieder die Rostocker Chronik 
benutzt 3). Die Geschichte von Nicolaus Rus (Buch III, 
Kap. 17) hat Lindeberg aber direct aus Flacius Illyricus (viel- 
leicht unter Beihalt des Gryse) entnommen. Nur die Geschichte 
des busspiedigenden Studenten von 1516 geht wieder auf ein 
nicht bekanntes Manuscript zurück. Auch die Wirren von 1564 
(w^o Lindeberg 2 Jahre alt war) und der folgenden Jahre sind in 
keiner Weise Original ; er behandelt sie höchst obenhin, indem er 
erklärt (S. 128), des Chyträus (seiner Hauptquelle) und anderer 
Fleiss habe ihm alles vorweggenommen. Er kannte also. die 
Aufzeichnungen, gewiss auch Bacmeisters; aber er hat sie etwas 



i) Nathan Chytraeus, Oratio panegyrica ad principes Megapol. Rostock 
1574. Jac. Lucius. — Luc. Bacmeister, Orat. funebr. in D. Simon Pauli, 
Rost. 1591. — Jo. Posselius, Oratio de inclyta urbe Rostochio. Wittenb. Laur. 
Schuenck. 1560 in 4. 

3) Tetzner a. a. O. S. 48 f. 

3) Tetzner a. a. O. S. 58 f. 



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— 190 — 

nach der Partei seines Geschlechtes, der kirchhoffischen'), gefärbt. 
Ausserdem benutzte er die Universitätsmatrikel und einige auch 
sonst bekannte Urkunden. So scheint allerdings das Runge'sche 
Manuscript verloren zu sein; aber alle daraus geflossenen Nach- 
richten sind auch andersher bekannt. Was Lindeberg selbst 
zuthat, ist entweder völlig gleichgültig, wie der Haus-Sreit am 
Markte 1560 (S. 123), oder vöUig verkehrt, wie seine Nachricht 
von Nicolaus Baumann").' Den Denkstein auf Thomas Rhode nennt 
er ; die Inschrift vom Bilde des Seesieges auf dem Eise vor Stock- 
holm, schon zu seiner Zeit fast erloschen und jetzt längst ent- 
fernt, das einzige Interessante, was er hätte aufbewahren können, 
hat er nicht abgeschrieben, »weil sie deutsch war« 1 

Noch unbedeutender als dieses »Chronicon Rostochiense« 
ist natürlich der daraus 1677 gemachte deutsche Auszug 
des Notars Heino Meyer junior 3), der dem Titel nach etwas 
vermehrt ist, in der That aber nur einige Anmerkungen und 
auf 2^/2 Seiten 4 Notizen von 1623, 1625, 1620 und 1621 zu- 
setzt, als wären die Wallensteiner nie in Rostock gewesen I 

Eine Fortsetzung erfuhr die deutsche Uebersetzung Linde- 
bergs durch Matthias Hans von Behr^). 

Das noch von Nettelbladt, Succ. not 106, als zweifelhaft an- 
geführte Chronicon Rostochiense Friderici Lindenbrogii, das i6n 
zu Lübeck erschienen sein sollte, hat schon v. Westphalen 3, 
S. 141 als auf einem Versehen Theodor Krause's beruhend nach- 



x) Daher hat er auch die Eigennamen der Hauptbetheiligten in den 
Bürgerkriegen nur mit den Anfangsbuchstaben angedeutet: H. R. = Hein- 
rich Runge, Joannes R. = Hans Runge, Bernhardus W. = Wartberg, B. K. 
= Bartold Kirchhoff, A. H. ^ Arnold Hasselbach. — Der Inhaber des 
Manuscriptes, Heinrich Runge, ein Gönner des Lindeberg, war 1580 zu Rate 
gekoren, f 1599. 

a) S. Wiechmann-Hofmeister a. a. O. 3, S. 193. 

3) Aus Petri Lindenbergii Rostocker Chroniken Kurtzer etc. Ausszug. 
etc. so auff eigne Kosten zum Druck befodert hat H. M. J. Rostock. Jacob 
Riechel. 1677. 112 S. und 2 Bl. Register, in kl. 8. Tetzner a. a. O. S. 28. 

4) Nettelbladt Succ. not. S. 106. Das Original des M. H. (Matthias 
Hans) V. Behr ist auf der Landesbibl. M. 213; die Forts, betrifft wesentlich 
nur d. J. 1715 — 1718. Daselbst: M. 212 M, J. Qohann) v. Behr etc. Abschr. 
bis 171 5. 



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— IQI — 

gewiesen, von dem die Herausgeber der »Bibl. Mecklenb.« den 
Irrthum übernommen hätten^). 

In späteren Zeiten sind in Rostock manche personelle Auf- 
zeichnungen gemacht, namentlich über Rats- und Prediger- 
Wahlen. Von Wichtigkeit für die Specialgeschichte sind mir drei 
bekannt geworden: 

Des Rathsherm Matthias Priestaffs Tagebuch von 
1667 — 1691, anscheinend im Original verloren; den Auszug*) 
hat Herr Archivar Dr. Koppmann im Ratsarchiv wieder auf- 
gefunden. 

Ein Tagebuch von 173 i — i 771^), im Ratsarchiv, als 
dessen Verfasser Herr Archivar Dr. Koppmann aus den heü. 
Geist-Rechnungen von 1 7 16 — 47 den Johann jakob Westphal 
ermittelt hat. 

Diarium Rostochiense historicum, von 1743 bis 
24. Mai 1773 (4to), im Rathsarchiv. Der Verfasser wurde 1752 
Secretär der Kaufmanns-Compagnie und nennt den Gastgeber in 
der »Hamburger Herberge« in der Steinstrasse, Hans Christoph 
Schwabe, seinen Schwager. Sein eigner Name ist bisher nicht 
bekannt. Dieses wichtige Tagebuch enthält die Leiden Rostocks 
im siebenjährigen Kriege sorglich aufgezeichnet. 

Den Abschluss immer noch wiederkehrender Irrungen 
zwischen Stadt und Regierung, zugleich noch die Grundlage der 
heutigen so mannigfach veränderten Verhältnisse, bildet der Landes- 



x) Tetzner a. a. O. S. 24. kannte Westphalens Angabe nicht. Nettelbl. 
Verzeichniss allerhand etc. zur Gesch. und Verfass. Rostocks gehöriger Schriften 
etc. hat daher den Lindenbrog schon ausgelassen. Theodor Krause aus 
Schweidnitz, stud. 1710 in Wittenberg, 1732 Advoc. zu Schweidnitz, ver- 
fasste biographische Werke. Vergl. Rotermund, Forts, von Jöcher, B. 3. 

*) Abgedruckt in Neuen Rostock' sehen Nachrichten u. Anzeigen 1840. 
Matthias Priestaff aus Ribnitz war in den Rat gekoren 1674; schon vor 1667 
machte er Notizen in seinem Hausbuch; f 4. Aug. 1691. S. Nettelbl. Ver- 
zeichniss etc. S. 5. 

3) Todesfälle; Wahlen; Königsschuss etc.; Kälte, Sturm, auch einzelne 
historische Notizen, in 4; 1733 kaufte der Verfasser sich ein Haus für 
1525 Thlr. 



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— 192 — 

grundgesetzliche Erb vergleich (LGGEV) von 1755 ^^^ ^^^ 
Rostocker Erbvertrag vom 13. März 1788*). 



i) Wegen Ausfalles der Worte: »von 1755 und dem Rostocker Erb- 
vertrag« in der Revision in Hans. Gesch. Bl. 1884, S. 49 Anm. i am Ende^ 
hier richtig gestellt — Zu der provincia stagnalis und der Bezeichnung stagnum 
(Blato, Balaton) für die Ostsee das. S. 42 Anm. 8 sei als Beleg noch der 
Name »civitates stagnales« für die »Wendischen Städte« hinzugefügt: Chron» 
Slav. ed. Laspeyres, S. 168, 169, und aus dem städtischen Archiv zu Reval 
bei Dr. Theod. Schiemann, Hist. Darstellungen etc. S. 246: »jus nautarum 
per civitates stagnales, confirmatum Lübeck 1482 (22. Apr.)«. 



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VI. 

KLEINERE MITTHEILÜNGEN. 



Hansische Geschichtsblätter. XIV. 



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I. 

ZWEI BEITRÄGE ZUR LÜBSCHEN HISTORIOGRAPHIE 

VON 

PAUL HASSE. 

I. Detmar. 

Detmar, der Franciskanerlesemeister zu Lübeck und, wie man 
allgemein annimmt, Chronist des dortigen Rathes, nennt sich bekannt- 
lich in seiner Chronik nicht und ist nur aus Excerpten Lübscher 
Testamente, die uns v. Melle in seiner 1707 veröffentlichten 
Nolitia majorum erhalten hat, bekannt (s. Koppniann in Chroniken 
der deutschen Städte, Lübeck Bd. I, S. 191). Es wird daher 
die Mittheilung einer un gedruckten Urkunde, in welcher Detmar 
als einer der Aussteller genannt ist, willkommen sein. Ich 
habe sie im Herbst 1885 in Oldenburg aus Leverkus' dem 
Original entnommener Copie abgeschrieben. Zur Erläuterung ist 
auf U. B. d. St. Lübeck 4, Nr. 239 zu verweisen. Der Minoriten- 
gardian Johann von Werben findet sich ebendort Nr. 360, Ich 
gebe den Text den Traditionen dieser Zeitschrift gemäss. 

Der Minoritengardian Johann von Werbe, der Lese- 
meister Detmar und der Convent der Minoriten zu Lübeck 
überlassen dem Vicar an St. Petri daselbst, Gottschalk 
Boistorp, eine Mark Rente in Klein-Parin aus den dem 
Kloster aus dem Testament der Wittwe Witburg Rodewollers 
zugefallenen Einkünften. — 1375 Mai 24. 
Nos frater Johannes de Werbe gardianus, frater Ditmarus 
pro tempore lector totusque conventus fratrum minorum in 
Lubeke recognoscimus per presentes et prostestamur, nos dimisisse 

13* 



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— 196 — 

ac presentibus dimittere unam marcam reddituum Lubicensium 
denariorum domino Godescalco Boystorp perpetuo vicario in 
ecclesia beatri Petri Lubicensis dyocesis in testamento Wilburgis 
relicte Rodewollers datam et legatam in villa dicta Wendesche 
Porin, sita in parrochia Rensewelde dicte diocesis, renunciantes 
actionibus et monicionibus ex parte date pecunie quibuscumque. 
In quorum omnium testimonium et certitudinem pleniorem presens 
scriptum inde confectum sigilla nostra sunt appensa. Datum 
anno domini M'CCCLXXV* in vigilia nativitatis Cristi. 

Nach Leverkus : Am Original das fragmentarische Siegel des Gardians. 



II. Codex Monacensis regius N. 22,105. 

Auf die vorstehend bezeichnete Handschrift der königlichen 
Hof- und Staatsbibliothek zu München ward ich aufmerksam 
durch eine Notiz von Waitz im Neuen Archiv 9, S. 639, 640, 
welcher, Holder-Eggers ebendort S. 391 ff. veröffentlichtes Ver- 
zeichniss ergänzend, nachtrug: »Chronik der Kaiser und Päpste 
bis 1473 geschrieben, mit Dänischen, Lübeckischen, Mecklen- 
burgischen Nachrichten, beginnt mit Constantin, endigt — et 
post palmas intravit Coloniam.« s. u. 

Er führt dann als Probe einen Satz aus dem Jahre 1449 
über den Tod Christofs von Dänemark und den Bischofs Wechsel 
in Lübeck an. 

Der Director der Bibliothek, Herr Dr. Laubmann, hatte auf 
meine Anfrage die Freundlichkeit, mir sofort die Handschrift 
zur längeren Benutzung auf der Kieler Universitätsbibliothek zu 
übersenden. 

Die Handschrift gehört zu den aus dem Kloster Wessobrun 
stammenden; die Chronik umfasst fol. 80a— 248a; sie ist 1475 ge- 
schrieben,, wie sich aus der Eintragung fol. 247a zu Kaiser 
Friedrich III. ergiebt: 

Et imperat adhuc, nam hoc anno scilicet 1475 ^st annus 
imperii eius 35. turba cinctus muUa existens contra Karolum 
ducem Burgundie coram Renensi urbe Nussia 10. die Julii hoc 
est 7. fratrum. Gracia dei fretus diu vivat quia dominus paci. 
ficus et quietus et paciencie singularis diligens clerum ber\e 
directum ac plantaciones ac surculorum inserciones arboruni. 



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— 197 — 

Hie statim semota neutralitate qua Germanica nacio gaudebat 
ac sua ordinacione duce Sabaudie qui pro papa Feiice 5, se 
gerebat resignante concilium quoque Basiliense dissolvente ecclesiam 
ad integram unionem reduxit vt infra dicetur. Iste duxit in 
iixorem filiam regis Portugalie Leonoram nomine. 

Das Resultat meiner Untersuchung über jene nordischen 
Nachrichten aber war freilich ein gradezu negatives, da sie sich 
sämmtlich als aus dem Lübecker Druck vom Jahre 1473, ^^^ 
Rudimentum Novitiorum, herrührend erwiesen. Dass aber dies 
seine Nachrichten aus dem sogenannten chronicon Sclavicum 
parrochi Suselensis entlehnt hat, ist bekannt, und ich habe selbst 
schon im Jahre 1877 in der Zeitschrift für Schleswig-Holstein- 
Lauenburgische Geschichte Bd. 7, S. 41 darauf hinweisen können. 
Mir ist der Lübecker Druck vom Jahre 1473 augenblicklich nicht 
zur Hand — ein Exemplar befindet sich auf der Lübecker Stadt- 
bibliothek — ; doch genügen zur Feststellung der Textverhältnisse 
die Auszüge, welche v. Seelen in den Selecta Litteraria Ed. 
altera. 1726, S. 574—584 gegeben hat. Ich führe aus der Hand- 
schrift zu diesem Zwecke drei Stellen an und setze aus den 
Selecta litteraria die Seitenzahl der Parallelstelle bei ; ich habe sie 
ausgewählt aus dem Gesichtspunkt, dass zugleich auch die Ab- 
hängigkeit des Rudimentum Novitiorum vom Chronikon Sclavicum 
ersichtlich werde. 



Fol. 224b; V. Seelen S. 575. 
Lübeck construitur primo. 

Temporibus Heinrici teste Helmoldo paganus Crito edificavit 
Lubec circa Swartow, nee erat ecclesia aut sacerdos in tota Sclayia 
per annos 84. nisi in Lubec, eo quod cesar Heinricus ibi sepius 
moraretur. Iste Crito crudeliter occidit dominos terre Wagirorum 
id est Odenburgensium ') absque quodam Heinrico filio Gode- 
scalci qui fugit ad Daciam, et decursu temporum reversus potenter 
ter percussit Oldenburg et omnem terram maritimam Sclavorum. 



») Lies : Oldenburgensium. 

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— 198 — 

Fol. 227a; V. Seelen S. 577. 

Item hoc anno*) Aldenburgensis episcopatus leroldo 12. 
episcopo Aldenburgensi procurante per Henricum Leonem ducem 
Saxonie transfertiir in Lubecke civitatem novam, quam a comite 
Adolpho de Schowenburgh et Nordalbingorum nuper sibi donatam 
occupavit. Ex historia Sclavorum 170*). Sedem episcopalem 
Aldenburgensem magnus Otto imperator primus instituit et 
primum episcopum posuit ibi Marconem. Ibidem ca. 12. Est 
autem Aldenborg ea que Sclavia lingua starigard hoc est antiqua 
civitas dicitur sita in terra Wagirorum in occiduis partibus Baltici 
maris et est terminus Sclavie habens viros fortissimos omnium 
bellorum motus recipere valentes de quibus superius dictum est 3). 

Fol. 228a; V. Seelen S. 578. 

Item hoc anno*) vel ut aliis placet Friderici 27, qui est 
annus domini 11 78 ecclesia Lubicensis maior fundatur. Retro- 
spicias ad annum 3 huius eiusdem Friderici, quia Sclavica cronica 
cum ceteris discordat. 

Die von Waitz ausgehobene Stelle findet sich im Rudimentum 
Nov. V. Seelen S. 584. 

Der Schluss der Chronik lautet vollständig: 

Fol. 248a. 

Anno Friderici 34. qui est domini 1473 venit ipse Treverina 
cum filio suo Maximiliano et per Karolum Burgundum honorifice 
tractatur, sed vulgata relacione non respondebant ultima primis. 
Proximo anno die Veneris Panthaleonis obsedit idem Karolus 
Nussiam ac oppugnavit cum ingenti iactura suorum, quod bene 
novit cometa satis singularis, qui anno i. Sixti 4. in Januario et 
Februario apparuit, cui validissima manu occurrit Fredericus 
feria 2 post palmas intrans Coloniam. 

Hie est decursus ab Adam usque ad hunc annum. 



1) V. Seelen in Klammern dahinter (Friderici I. tercio). In der Hand- 
schrift ist die Notiz vorher eingeleitet: Tercio anno Friderici. 
•2) V. Seelen: c. LXX. 

3) de quibus — est fehlt im Rud. Nov. 

4) R. N. fügt ein: XXVIII. In der Handschrift für eine andere 
Notiz vorweggenommen. 



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IL 

Auszüge 
aus zwei Geschäftsbriefen Jürgen Wullenwevers. 

VON 

WILHELM BREHMER. 

In seinem Buche : Lübeck unter Jürgen WuUenwever und die 
europäische Politik hat Waitz hervorgehoben, dass er über die 
früheren Lebensverhältnisse Wullenwever's nur wenige beglaubigte 
Angaben zu ermitteln vermocht habe (i, S. 75 — 76, 286—87). 
Für eine Aufhellung derselben sind zwei Geschäftsbriefe, die 
WuUenwever 1518 von Hamburg aus an einen gewissen Herbert 
Steinkamp ^) gerichtet hat und die auf Antrag des Empfangers 
im Jahre 1526 nach ihrem wesentlichen Inhalt in das Lübeckische 
Niederstadtbuch eingetragen sind, nicht ohne Werth. Aus ihnen 
ergiebt sich nämlich, dass Jürgen WuUenwever anfanglich von 
Hamburg aus seine Geschäfte betrieben hat, dass er also in seiner 
Jugend dort ansässig gewesen ist. Auch wird durch sie die 
Nachricht, er sei wegen Schulden angegangen, bestätigt; denn, 
wenn er die in den Briefen erwähnten Verbindlichkeiten erfiiUt 
hätte, so würde keine Veranlassung vorhanden gewesen sein, 
noch nach Ablauf von 8 Jahren eine auf sie bezügliche Ein- 
tragung in das Stadtbuch vorzunehmen. Dass sich im Stadt- 
buch, in dessen Niederschriften zu jener Zeit jede Person, die 
das Bürgerrecht besass, auch als Bürger bezeichnet ward, bei dem 
Namen Jürgen WuUenwever eine solche Angabe nicht findet, ent- 

i) Herbert Steinkamp stand auch mit dem Bruder Jürgens, Joachim 
WuUenwever, in Geschäftsverbindung; s. die Hamburgische Stadtbuchschrift 
von 1527 März 27 in Zeitschr. f. hamb. Gesch. 3, S. 115, wo er als Schiffs- 
partner desselben genannt wird. 



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200 

spricht der schon von Waitz ermittelten Thatsache, dass er das 
Lübeckische Bürgerrecht erst nach seiner Wahl zum Vierund- 
sechziger erlangte (WuUenwever i, S. 287). Die Eintragung in 
das Niederstadtbuch hat folgenden Wortlaut: 

Jürgen WuUenwever, vor dem erbam Rade tho Lübeck per- 
sonlich erschinen, hefFt in eyner thosprake, so Herbert Steinkamp 
als cleger jegen one vortstellede, bekandt und thogestan, dath 
he die thwe breve, daruth desulve Herbert etlike clausulen, wo 
de ock hyrna geschreven, lesen leth, mith syner eigen handt 
geschreven hadde. De erste ludede alzo: 

Ersame leve Herbert, gude frundt. Ick weth nicht tho 
schryven, dan gy alle sundt weren unnd wolforen, wer my lefF. 
Vorder foge ick jw tho weten, dadt idt flas hyr noch nicht ge- 
kamen is, dath wyll uns gen fordel syn. Ick hadde idt vor- 
frachtet up HoUandt, idt vath 2 fl. i orth. Gedatert in Ham- 
borch, des sondages vor Dionysii anno 18. 

De ander clausule umbtrent dem middel des breves ludde 
alzo: 

Dan eth schall so lange nicht werden, so unse afscheidt tho 
Luneborch ock unse begynsell. Solde ick allet gudt van my 
don, wes darvon queme, unnd scholde dar hirup vorleggen fracht 
unnd ungelt, unnde gundt int landt demgeliken, unnd hebben 
ihoie unnd arbeit darto : könne gy wene krigen, dem dat belevet, 
dat moye gy don. Ick sehe dar ock gehn grot vordell uth to 
recken. Ock hebbe ick woU wath tho donde, all kumerde ick 
my hyr nicht mede. Isset, dath et jw so nicht ansteit, so unser 
bescheit is, szo byn ick dar woU in thofreden, unnd levere jw 
al dath geldt, dat vant holdt gekamen is; unnd geveth my vor 
myn eventur und moie, wath up redenn steit, und körten min 
ungelt, wes ick darup vorlecht hebbe. Szo möge gy dath holt, 
flas unnd dath unverkofFt is ock vorschryven unnd latent vor- 
koppen, so dur gy kundt. Könne gy er tho gelde dar kamen 
unnd ock unbehalt blyven, dath jw beide vor is, so blyve ick 
ock unbedacht. Gedatert in Hamborch des mandages vor sunte 
Simon und Jude anno 18. 

Und syndt desse twe clausulen up ansokendt Herbert Stein- 
kamps in dith boek van dem erbaren Rade tho schryvende 
bevalen sabbato 3 Novembris (1526). 



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l 



p 



IIL 

ROSTOCKER HISTORISCHES LIED 

VOM JAHRE 1549. 
MITGETEILT 

VON 

K. E. H. KRAUSE. 



Grodt wunder dede yck schouwen 
In kordt vorgangen jaren 
Myth morden und myth rouen 
In Meckelenborch wol vorfarcn 
Durch Vullert eine myth namen. 
Eyn eddelman wolde he ssyn'). 



I De dath wass vorborgen, 



Wath will me vele ssorgen, 

Godt deme Heren ssyth geclageth. 

Up einen Frigdach ydt gesschach, 
De van Rostogck Allen uth; 
Van Jamer me vele sagen mach, 
Dat ydt schach sach Godt vor gudt. 
Se haiden sse by den Helssen, 
Van den Dorpen mosten sse heruth. 
Na der Stadt mosten sse spasseren 
Und alsso tho votc gan leren; 

Alle quadt sick vormerth«). 



St^ 



x) Am Rande steht durchstrichen : hetenn. 



f\#' a) Alles Böse vermehrt sich. 

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— 202 — 

De Adel sick ssines geslechtess — 

Wath wil me dar van sagen — 

Dcyth beromen sick velc dess geprechtess: 

Der fyende hedde he vele geslagen 

De undat darmyth i) vortusssena), 

Den unschuldigen laten undergan. 

So moth me de schalckheit up mutzen 

Dar up sse ssyck alsso trotzen, 

Noch yssset nycht wol gedan. 

De Adel deyt ssyck beclagen 
Auer de van Rostog groth, 
Dar to fromet und magen3) 
Und ys doch ein grother spoth, 
Godt helft gebaden holden recht, 
Me lesse de sschryfft all doer: 
Den Rycken nycht tho sporen. 
Und den Armen nycht vorlaten, 

Und holden 4) den myddelwech. 

Eyn Bur und ein Eddelman 
Sin beide van gade gesschapen ; 
Ock ein Ider doch marckenn kan, 
Godt wil sse beyde erholdenn laten 
Dorch Heren und Fürsten en gegeuen, 
Tho holden sse In gudeme leuende. 
Darup Heren und Fürsten tho gedenken 
Und nemande wes tho sschenckende, 
Dede quadt hebben gedan. 

Eyn sprickwordt men deyth" brücken, 
Und yss yn der warde sso : 
»De ssinen Vader wil nycht roeken 5) 
Dar kumpt de bodel tho». 



x) Im Ms. corr. aus darmede. 
9) Vertuschen. 

3) Das a undeutlich. — Freunde (?) und Verwandte (thun Einsprache). 

4) Ms.: holde. 

5) Achten, sich kümmern um; ruken, roken mit Gen. und Acc. s. 
Mnd. Wb. 3, S. 501, Es ist der Stamm, aus dem das Wort »geruhen« 
entstanden, und der vermuthlich auch heute noch in der Redensart lebt : »da 
ruk an«, obwohl dieses landläufig als »anriechen« übersetzt wird. 



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— 203 — 

So yss ydt hir gegangen, 

Dar lath syck ein yder nych na vorlangen 

Unnd holde rechte mathe. 

Dar tho ein reync strate, 

So blyflft ein Ider unuorwoerden i). 

Aus dem Orig. im Rostocker Ratsarchiv, Handschr. auf Papier, halber 
Bogen fol. ohne Wasserzeichen; Schrift gleichzeitig; letzere hat 8 Formen 
für D, Die Orthographie ist beibehalten, da th eine dem d ähnliche Aus- 
sprache anzudeuten scheint ; auch dlf, ck, ss (= fz) und u=v sind geblieben, 
da u augenscheinlich noch dem englischen w gleich gesprochen wurde; nur 
nn ist in n verwandelt. Aber auch dabei scheinen die Assonanzen levende, 
sschenkende anzudeuten, dass das nn in der Endung en des Infin. diese 
klingend sprechen lassen wollte. 

Das Lied betrifft die Gefangennahme und Hinrichtung des 
Vollrat (VuUert) von der Luhe auf Thelckow bei Tessin 1549 
durch die Stadt Rostock. 

Diese von den Rostocker Chroniken nicht erwähnte Sache ist 
am bekanntesten geworden durch die etwas dunkele Stelle in 
den »Beselinischen Auszügen aus dem Chemnitzischen grossen 
Chronico Mecklenburgico von der Stadt Rostock« in Ungnaden 
Amoenit. S. 289: 

»A. C. 1549, am Freytag nach Judica (April 12), seynd 
Otto und VoUrath von der Luhe zu Telckow, Jasper von Bülow 
zu Siemen und Churd von Uxel, den von Rüelfeind. und deren 
Diener im Dorff Roggenthien, den Hertzogen zu Mecklenburg 
zuständig, von den Rostockem (welchen sie beschuldigt, als 
wenn sie in der Ribbenitzer Heide einen Angriff gethan und 
geraubet haben solten,) überfallen, mehrentheils gefangen ge- 
nommen und nach Rostock in die Frohnerey geführet«. 
Ferner: — ^ haben sie doch — VoUrath von der Luhe durch 
den Hencker martern lassen, und ungeachtet aller Appellation, in 
Beyseyn obgedachter Fürsü. Gesandten am Freytage nach 
Pfingsten (Juni 14), mit z\yeen seiner Dienern, mit dem Schwerdt 
gerichtet worden, Otto von der Luhe aber und Jasper von Bülow 
seynd folgends nach geleisteter Urpfede wieder losgelassen 
worden«. Der Geh. Rath Beselin citierte dazu noch Latomus, 
Lib. 3, und Acta inter Mecklenb. und Rostock. Ganz ebenso 
steht es bei Franck, 9, S. 244. Augenscheinlich haben beide 



i) Ms. unuorwerden ; aber zwischen w und e ist durch Uebcrschreiben 
eines o und Darunterstellen eines Winkels ein o zwischen geschoben. 



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— 204 — 

mit »den Rüelfeind« nichts anzufangen gewusst; ebenso hat 
V. Lützow 3, S. 26 wohl den »Kurd von Uexelc, lässt aber 
den ^Rüelfeind« aus, und ganz dasselbe thut Boll i, S. 337 f. 
Eine neuere Rostocker Novelle hat aus dem Uxel sogar einen 
Urel auf einer Urelburg bei Kessin gemacht. Westphalen, der 
des Latomus Genealochronicon Megapol. abdruckte, lässt die 
Stelle (4, S. 172) lauten: 

»Kurt Upel der von Revelfeindc ; 
die beiden mit hingerichteten reisigen Knechte heissen bei ihm 
Martin Bartscherer und Hans Dannenberg. Die Handschrift des 
Latomus auf der Univ.-Bibl. (Ms. Meckl. B. 124) hat aber das 
Richtige ; 

»Kordt Uxel, der von Revel feind«, 
wodurch denn der livländische Ritter und Abenteurer Konrad 
Ixküll oder Üxküll sofort klar aus dem Dunkel hervortritt. 

Durch die Ribnitzer Heide, deren Weg- Sicherheit Rostock 
schützen wollte, führte die Landstrasse zwischen Rostock und 
Stralsund, welche bei Damgarten über die Recknitz setzt '). Die 
V. d. Luhe waren im mecklenburgischen Recknitz-Gebiete bis 
Sülze hinauf ein gewaltiges, zeitweise als Pfandinhaber der 
dortigen fürstlichen Güter fast unabhängiges Geschlecht, dessen 
Herkunft zweifellos auf den unteren Lauf der Luhe im Alten 
Lande an der Elbe hinweist. 

Wie Kurd Üxküll Rostock in die Hände gerieth, ist aus 
Johannes Lossius, Drei Bilder aus dem livländischen Adelsleben 
des 16. Jahrh., Heft l, zu entnehmen. Sein Geschlecht war über- 
aus begütert in den Stiftern Dorpat und Oesel-Kurland ; ein be- 
deutender Teil der Wieck (des festländischen Oesel-Stiftes) ge- 
hörte seinem Vater, dem wilden Hauptführer der Empörer gegen 
Bischof Reinhold (von Buxhövden), Otto Üxküll auf Schloss 
Fickel (t 1545). Der Rath von Reval hatte 1535 den mäch- 
tigen Schlossherrn auf Riesenberg, Johann Üxküll, wegen Mordes 
und Geleitbruches hinrichten lassen, und Konrad Üxküll, einer 
von Otto's 7 Söhnen, übernahm eigenmächtig die Rache für 
seinen Vetter gegen die Stadt. 1537 durch die »Landesmächte« 



j) Einen Raubüberfall durch adlige Schnapphähne 1542 in derselben 
Heide s. in Bartholomaei Sastrowen Herkommen etc. herausg. v. Mohnike, 
S. 195 ff. 



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205 — 

bewältigt, ist er dann flüchtig hinausgegangen und »in der 
Lübischen Güter gerückt« (S. 27), hat aber die Fehde gegen 
Reval wüthend fortgesetzt. Es kann nur Piraterie gewesen sein. 
1547 mahnt König Gustav Wasa die Revaler, sie möchten sich 
vergleichen, obwohl die Erben des Hingerichteten sich schon 
1543 mit jenen versöhnt hatten. 1549 ist Kurd auf die Ribnitzer 
Heide wegelagernd gegen die Hansen geritten; da erkundeten 
ihn die Rostocker sammt seinen mecklenburgischen Genossen 
auf dem fürstlichen Hofe Roggenthin, dicht vor der Stadt, 
schickten am 12. April früh morgens ihre reitenden Diener aus 
und Hessen die ganze Gesellschaft einbringen. 

Alsbald sandte Reval seinen Secretarius, Lorenz Smyd, nach 
Rostock, der in der Hoffnung reiste, den gefürchteten Kurd 
schon hingerichtet zu finden; die Stadt hatte aber an der Ent- 
hauptung Vollrat' s von der Luhe, offenbar des Raubzugführers, 
genug; sie erklärte Üxküll habe bisher nur gedroht, nicht aus- 
geführt; sie wollte also für die früheren Mord- und Gewalt- 
thaten gegen Reval kein Erkenntnis fällen. Die Hinrichtung 
Lühe's hatte schon so viel Aufsehen und Aerger bereitet, dass 
deshalb »eine statdiche Legation der Lübecker, Hamburger, Lüne- 
burger mit dem Lübischen Syndicus an der Spitze bei Römisch 
kais. Maj. weile«. Es gehe den Rostockem wie den Revalern, 
schreibt der Sekretär: »lange Weken, körte Sonnabente und 
weren wol mit einer Blasen vul Arweten de Tid vorferet ge- 
worden« ; was Lossius, statt an das Schrecken mit einer Kinder- 
Rassel zu denken, komisch übersetzt: »Und wären wohl mit 
einem Körbchen voll Erbsen damals zu kirren gewesen«. Rostock 
hielt die Friedebrecher indessen gefangen ; endlich aber sind selbst 
die Revaler auf viele Fürsprachen für die Entlassung gegen Ur- 
fehde, in welcher sich auch 4 — 6 weitere Glieder der Üxküll Reval 
gegenüber verpflichteten, eingetreten. Der Vermittler war, fast 
auffälliger Weise, ein Spross der Rostocker Bürgermeisterfamilie 
Krohn, Hinrich, vermuthlich ein Bruder des alten Bürgermeisters 
Bernhard Krohn ; unter seinen Auftraggebern erscheinen 2 Adlige 
von Holle, wohl sicher aus der Hildesheimischen Landsknecht- 
führer-Familie, und 2 Brüder v. Münchhausen, deren einer, 
Christoffer, der bekannte Bruder des Bischofs Johann Münch- 
hausen V. Oesel und Kurland zu sein scheint, der sein Bisthum 



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— 2o6 

dem Könige von Dänemark verkaufte. Dieser Zweig der Familie 
hielt sich nachher im Bisthum Verden auf. Am 2. Juni 155 1 
sandte der Rath von Reval den Vergleich mit den Üxküll an 
Rostock; darauf erst wurden die Gefangenen gegen die Urfehde 
entlassen. Lossius citirt 2 Urkunden aus Copien im Archiv zu 
Fickel, vom 23. Apr. 1550 und 2. Juni 1551, deren Originale 
dem Rostocker Ratsarchive angehören. Es besitzt das letztere 
ein beträchtliches Acten- Convolut in der Lühe-ÜxküU' sehen Sache, 
darin die Urgicht Vollrats v. d. Luhe und die Urfehden Otto's 
v. d. Luhe und Konrad' s Üxküll, deren Kenntniss ich der Güte 
des Herrn Stadtarchivars Dr. Koppmann verdanke, deren weiterer 
Auszug hier aber zu weit führen dürfte. 

Nur Konrads Ausgang sei nach Lossius noch kurz erwähnt : 
1554 finden wir ihn in Praktiken mit »Fritzberg« und Johann Lip- 
hardt, welche Lossius nicht weiter kennt; ersterer ist aber der 
bekannte Söldner-Oberst Christoph von Wrisberg, der wiederholt 
im Dienste Karls V. stand, und dessen Leben ein anderer 
Lossius beschrieb ; er diente auch dem Erzbischof Christoph von 
Bremen, dann Johann Albrecht von Mecklenburg^). 1556 soll 
er mit 600 Pferden in Holstein eingefallen sein und Alles in 
Schrecken gesetzt haben, bis er (nach Christiani) vor Christian III. 
wieder in Lübisches Gebiet gewichen sei. Dort abgekauft, sei 
er nach Holland gegangen, um Kriegsdienste zu nehmen (wohl 
in den Werbungen Hilmers von Münchhausen für Philipp IL). 
Nach Andern ging er nach Frankreich. Unfraglich hängt dann 
der Holsteiner Zug mit dem dänischen Vorgehen in Oesel zu- 
sammen; 1559 und 1560 ist er wieder in Holstein, und im 
letzteren Jahre giebt König Friedrich IL den Auftrag*) sich des 



*) lieber die Lossius wenig bekannten Söldnerobristen vergl, meine 
Nachweise über Hilmer v. Münchhausen: Allg. D. Biogr. 23, S. 5 f.; über 
Georg (Jörgen) v. Holle: Allg. D. Biogr. 12, S. 755 if. «Johann Liphart«, 
deren angeblichen Genossen, finde ich nicht in ihrer Umgebung. Sollte es 
eine Verwechslung Michael Brückners und das Brüderpaar Johann und Liborius 
(v, Münchhausen, Vettern Hilmers) gemeint sein ? Beide sind Söldner- 
führer. 

2) Die Beauftragten waren Niclas Platen und Andres von der Mühlen; 
letzterer wohl ein Sohn oder Verwandter des in der Grafenfehde bei 
Christian IH. so oft genannten Bernhard von Mile (Milen, Mele, Melen). S. 
G. "Waitz, Lübeck unter Jürgen WuUenwever. In der bremischen Familie 
V. Plate kommt der Name Nicolaus nicht vor. 



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207 — 

Konrad Üxküll lebendig oder todt zu bemächtigen, Lossius nennt 
das »Meuchelmörder werben«. Hier liegt der Grund klar vor: 
es sind seine Umtriebe mit dem berüchtigten Abenteurer Friedrich 
von Spedt, Livland durch Eroberung an Frankreich zu bringen *). 
1565 wurde er zu Segeberg durch die Beauftragten des dänischen 
Königs erschossen. 



i) S. W. MoUerup in den Sitzungsber. der Ges. für Gesch. und 
Altert, der Ostseeprovinzen Russlands a. d.J. 1877 S. 4ff. und W, MoUerup, 
Conrad von Üxktills und Friedrich von Spedt's Plan einer Eroberung Liv- 
lands durch Frankreich, in Beitr. aus dem Bereiche der Gesch. Liv-, Esl- 
und Kurlands 12, S. 477 ff. 



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NACHRICHTEN 



VOM 



HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN. 

FÜNFZEHNTES STÜCK. 



Versammlung zu Rostock 1885 ^^^ 26- und 27 



i 



Hansische Geschichtsblätter. XIV. 14 

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VIERZEHNTER JAHRESBERICHT. 

ERSTATTET 
VOM VORSTANDE. 



In einer sehr erfreulichen Weise hat sich während des ver- 
flossenen Jahres die Zahl derjenigen, welche unserem Verein als 
Mitglieder angehören, vermehrt. Demselben sind nämlich bei- 
getreten der königlich preussische Gesandte in Rom, Exe. von 
Schlözer, Professor Dr. Roediger, Dr. A. Naude und Dr. L. von 
Heinemann in Berlin, Amtsrichter Dr. Duncker in Bern- 
burg, Kaufmann C. Merkel, Schulvorsteher D. Müller und 
Buchhändler C. E. Müller in Bremen, Dr. C. Lindt in Darm- 
stadt, Th. Boyes in Dresden, Bürgermeister Voss in Fried- 
land in Mecklenburg, Bürgermeister von Garssen, Amtsgerichts- 
rath Buchholz, Ad. Schumacher, Amtsrichter Leonhardt und 
Rechtsanwalt Dr. Rudolph in Goslar, die Professoren Wagen- 
mann, Cohn, Vollmöller, Schröder und Wilmanns in Göttingen, 
Senator Versmann und C. W. Richers in Hamburg, Professor 
A. L. Ewald in Halle, Banquier Arthur vom Rath in Köln, 
Arzt Dr. Wichmann, Oberlehrer Mollwo und Oberlehrer Dr. E. 
Schmidt in Lübeck, Professor Paasche in Marburg, Director 
Strackerjan in Oldenburg, Pastor Klüsener in W a d d e n z bei 
Oldenburg, Kaufmann Rieh. Mayer in Reval, Oberlehrer 
C. Girgensohn in Riga, Bürgermeister Burchard und Bürger- 
meister Dr. Giese, Senator Dr. Becker, Consul A. Clement, Kauf- 
mann F. Bomemann, Director B. Reuter, die Gymnasiallehrer 
Dr. Wiegandt, Dr. Dopp und Stichert, Kaufmann Alb. Lüders, 
Kaufmann Herrn. Gh. Koch, Consul A. Crotogino jun., Com- 
merzienrath W. Scheel, Commerzienrath A. F. Mann, Major a. D. 

14* 



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— IV — 

G. W. V. Klein^ Landeseinnehmer Peitzner, die Amtsrichter 
Piper, Bunsen und Grosse, Dr. Grossschopff, Dr. Hofmeister, 
Dr. B. Loewenstein, Dr. K. Lorenz, Rechtsanwalt Triebsees, 
Kaufmann J. Susemihl, Kaufmann £. Caspar und Amtgerichts- 
Actuar Becker in Rostock, Rector Bachmann in War in in 
Mecklenburg und Kreishauptmann Thon in Völtingerode bei 
Vienenburg. 

Durch den Tod sind aus unserem Kreise geschieden der 
Reichstagsabgeordnete Fr. Kapp, der zu den fleissigsten Be- 
suchern unserer Jahresversammlungen gehörte, sowie Kaufmann 
Quentell in Bremen, Rechtsanwalt Dr. Lindt in Darmstadt und 
Commerzienrath Wendelstatt in Köln. Da vierzehn Personen 
ihren Austritt angezeigt haben^ so zählt unser Verein zur Zeit 
532 Mitglieder. Von den Vereinen hat der Kaufmännische 
Verein Union zu Bremen seine uns bisher gewährte Unter- 
stützung zurückgezogen. 

Ausser einem Hefte der Hansischen Geschichtsblätter ist im 
vorigen Jahre keine grössere Publication unseres Vereins er- 
schienen. Es ist jedoch das Manuscript für die letzte Abtheilung 
des dritten Bandes des Hansischen Urkundenbuches von Herrn 
Stadtarchivar Dr. Höhlbaum soweit gefördert worden, dass der 
Abschluss unmittelbar bevorsteht Der Herausgeber bezeichnet 
die eingetretene Verzögerung als einen Gewinn für die hansische 
Forschung, da es ihm hierdurch ermöglicht wurde, den Be- 
ziehungen, die in den Urkunden dargelegt werden, bis zu ihrem 
Ursprünge nachzugehen und so im Schlusstheil des von ihm 
bearbeiteten Bandes eine bedeutungsvolle Epoche der Handels- 
und Rechtsgeschichte der Hansa zum ersten Mal in ihrer inneren 
Entwickelung zn veranschaulichen. 

Herr Dr. Hagedorn, dem die Fortsetzung des Urkunden- 
buches übertragen ist, hat im Frühling vorigen Jahres die Archive 
von Lüneburg, Hildesheim, Braunschweig, Goslar, Helmstedt, 
Magdeburg und Hannover durchforscht. Hieran schloss sich im 
Herbste eine zweimonatliche Reise zur Ausbeutung der Archive 
Hollands und Belgiens. Ueber die Ergebnisse dieser Reisen 
werden die Spezialberichte, die im nächsten Hefte der Geschichts- 
blätter zur Veröffentlichung gelangen, nähere Mittheilungen 
bringen. Herr Dr. Hagedom hält die Archivreisen vorläufig für 



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— V — 

abgeschlossen und ist jetzt mit der Bearbeitung des gesammelten 
Materials beschäftigt. 

Für die von ihm übernommene Herausgabe der Hanse- 
Tecesse Abtheilung 2 hat Herr Professor von der Ropp im 
letzten Sommer während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes 
in Lübeck die Arbeiten im dortigen Archive zum Abschlüsse 
gebracht. Eine Wismarsche Recesshandschrift und eine grössere 
Anzahl Danziger Archivalien konnten von ihm an seinem 
Wohnorte einer Bearbeitung unterzogen werden. Zu durchforschen 
sind nur noch einige Acten, die bei der Neuordnung des Kölner 
Archives aufgefunden sind. Da ihm deren Zusendung für die 
nächste Zeit in Aussicht gestellt ist, so hofft er mit dem Drucke 
des fünften Bandes im Laufe des neuen Vereinsjahres beginnen 
zu können. 

Herr Professor Dr. Schäfer, der während einer längeren 
Zeit durch ein jetzt glücklich gehobenes Unwohlsein an der Fort- 
führung seiner Arbeiten für die Hanserecesse Abtheilung 3 ge- 
hindert war, wird dieselben demnächst wieder aufnehmen, so 
dass voraussichtlich noch zu Ende dieses Jahres der dritte Band 
dem Druck übergeben werden kann. Auch die von ihm über- 
nommene Herausgabe des Buches vom Vogt zu Schonen, von 
dessen Text bereits fünf Bogen gedruckt sind, glaubt er bis zu 
jener Zeit fertigstellen zu können. 

Als in der Mitte des vorigen Jahres eine grosse Zahl unserer 
Mitglieder auf einer gemeinsam unternommenen Fahrt Emden, 
Amsterdam und die Hauptstädte Belgiens besuchte, haben die- 
selben bei den Magistraten und den Bewohnern überall die freund- 
lichste Aufnahme gefunden. Wiederholt ist hierbei unseres Vereins 
in der anerkennendsten Weise gedacht und seinen Bestrebungen 
die kräftigste Unterstützung in Aussicht gestellt worden, wie 
denn schon jetzt von der Stadt Brügge sehr werthvoUe, auf ihre 
ältere Geschichte bezügliche Publicationen uns zum Geschenk 
gemacht sind. 

Von Mitgliedern unseres Vorstandes sind dem Verein für 
Mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde und dem 
historischen Verein für Niedersachsen zu ihren vor kurzem ge- 
feierten fünfzigjährigen Jubiläen die Glückwünsche des hansischen 
Vereins persönlich übermittelt worden ; der Stadt Braunsberg, die 



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— VI — 

eine Zeit lang dem Hansebunde angehörte, wurden zu ihrem im 
vorigen Herbst gefeierten sechshundertjährigen Gründungsfest 
unsere Grüsse schriftlich tibersandt. 

Die Rechnung ist von den Herren Senator Culemann in 
Hannover und J. D. Hinsch in Hamburg einer Durchsicht unter- 
zogen und richtig befunden worden. 

Auf ergangene Anfrage haben die Verlagshandlung Duncker 
& Humblot in Leipzig, bei welcher die Recesse erschienen sind^ 
und die Buchhandlung des Waisenhauses in Halle, welche den 
Verlag des Urkundenbuches und der Geschiphtsquellen über- 
nommen hat, sich, wie schon früher, bereit erklärt, diese urkund- 
lichen Publicationen an Mitglieder des Vereins duJch Vermittlung 
des Vorstandes zu ermässigtem Preise abzugeben. Darauf bezüg- 
liche Wünsche werden unter der Adresse des kasseführenden 
Vorstandsmitgliedes Prof. HofFmann in Lübeck erbeten. 



An Schriften sind eingegangen: 
a) von Städten, Akademien und historischen Vereinen : 

Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. 6, Heft i — 4. 
Baltische Monatsschrift, herausg. v. F. Bienemann, Bd. 31 

Heft 7. 
Mittheilungen des Vereins fiir Geschichte Berlins, 1884 Heft 

7, 9, II. 1885 Heft I — 4. 

Von demselben Verein Fortsetzung der Publicationen: 
Berlinische Bauwerke, Berliner Denkmäler, Namhafte 
Berliner. 
Inventaire des archives de la ville de Bruges, par Gilliodts 

van Severen. 9 Bde., 1871 — 85. 
Inscriptions fun^raires et monumentales de la Flandre occiden- 

tale, 4 Bde. 1865. 66, 
Revue pittoresque des monuments qui ddcoraient la ville de 

Bruges, par Gaillard, 1850. 
Mittheilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte, Heft 2. 
LTrkundenbuch des Bisthums Culm, bearbeitet von C. P. Woelky, 

Heft I u. 2. 
Kämmereirechnungen der Stadt Deventer, Bd. II Heft 3. 1884, 



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— VII — 

Bericht der Centralcommission für Landeskunde von Deutsch. 

land 1884. 
Jahresbericht der litterarischen Gesellschaft zu Fell in 1883. 84. 
Von der Akademie zu Krakau: Starodawne Bd. 7, Abth. 3, 
Rhenus, herausgegeben vom Lahnsteiner Alterthumsverein. 

Jahrg. 1884. 
Archiv des Vereins für Geschichte des Herzogthums Lauen - 

bürg, N. F., Heft i, 1884. 
Geschichtsblätter für Magdeburg, Bd. 19 Heft 2^4, Bd. 20 

Heft I. 
Zeitschrift des Historischen Vereins für Marienwerder, Heft 

9 — 12. 
Märkische Forschungen, Bd. 18. 
Anzeiger des germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg, 

N. F., Heft I. 
Mittheilungen des Vereins für Geschichte Nürnbergs, Heft 

4 u. 5, Jahresberichte 1881 — 83. 
Geschichtsquellen der Stadt Rostock, Heft i. Joh. Tölners 

Handlungsbuch, herausgegeben von K. Koppmann. 
Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte, N. F., 

Bd. 4, Heft I u. 2. 
Zeitschrift des Westpreussischen Geschichtsvereins, Heft 

12 u. 13. 
Zeitschrift für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens, 

Bd. 42. 
Vierteljahrshefte für Würtem bergische Landesgeschichte, 

Jahrgang 1884. 

b) von den Verfassern: 

1j. V. Borch, das höchste Wergeid im Frankenreiche; Inns- 
bruck 1884. 
V. Bülow, Klosterordnung von Rhün^ Stettin 1885. 



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— VIII — 
KASSEN-ABSCHLÜSS 

am 14. MAI 1885. 



EINNAHME. 

Vermögensbestand Ji 18,684. 60 

Zinsen - 751. 55 

Beitrag S. M. des Kaisers - 100. — 

Beiträge der Städte - 6,971. 34 

Beiträge von Vereinen - 417. — 

Beiträge von Mitgliedern - 4,918. 90 

Geschenke - 102. — 



^^ 31,945. 39 

AUSGABE. 

Urkundenbuch : 

Honorar ^^ 1,725. — ^ 

Reisekosten .... - 1,548. 35 - 

-^ 3>273- 35 

Recesse Abth. II: 

Reisekosten . . . . Ji 411. 20 /i^ 

Urkundenabschriften - 123. — - 

534. 20 

Recesse Abth. III: 

Honorar - 1,350. — 

Geschichtsblätter : 

Honorar jHs 425. — ^ 

Ankauf von Exemplaren - 1,316. — - 

1,741. — 

Reisekosten für Vorstandsmitglieder .... - 502. 70 
Ver^^altungskosten (incl. Honorar des Vereins- 

secretärs) - 1,036. 34 

Saldo - 23,507. 80 

^ 3i>945' 39 



Pierer'sche Hof buchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg. 



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Sechzehnter Jahresbericht 

des 

Hansischen Geschichtsvereins, 

erstattet vom Vorstande 

in der 

siebzehnten Vereinsversammlung 

zu 

Stettin 
am 31. Mai 1887. 



im verflossenen Jahre haben die wissenschaftlichen Bestre- 
bungen des Hansischen Geschichtsvereins dadurch eine für 
ihn hoch erfreuliche und ehrende Anerkennung gefunden, 
dass die Verwaltung der Wedekindschen Preisstiftung für 
deutsche Geschichte in Göttingen ihm aus den Ueberschuss- 
geldern der letzten Verwaltungsperiode von neuem die Summe 
von t.^ 3000 zur Förderung seiner Arbeiten überwiesen hat. 
Diese reiche Gabe verpflichtet uns nicht nur zu dem innigsten 
Danke, der alsbald seitens des Vorstandes ausgesprochen ist, 
sondern sie muss uns auch in dem Bestreben ermuntern, das 
hohe Ziel, das wir uns gesteckt haben, unverrückt im Auge 
zu behalten. 

Seit unserer letzten Zusammenkunft ist eine grosse Zahl 
von Mitgliedern durch den Tod aus unserer Mitte geschieden. 
In Stralsund verstarb Oberbürgermeister Dr. Francke, der 
an der Gründung des Vereins einen hervorragenden Antheil 



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2 

genommen, mehrere Jahre hindurch als VorstandsmitgHed seine 
weitere Ausbildung und Entwickelung auf das eifrigste ge- 
fördert und bis zuletzt ihm ein lebhaftes Interesse gewidmet 
hat. In Hannover verloren wir in Senator Culemann den 
verständnissvollen Freund aller auf Erforschung des Mittel- 
alters gerichteten historischen und künstlerischen Bestrebungen, 
sowie den langbewährten Revisor unserer Jahresrechnungen. 
Mit dem uns nahe verbundenen Verein für Mecklenburgi- 
sche Geschichte trauern wir über das Hinscheiden des Archiv- 
raths Dr. Wigger in Schwerin, da das von ihm heraus- 
gegebene Mecklenburgische Urkundenbuch auch der hansischen 
Geschichtsforschung reiche Belehrung gewährt hat. Ausser 
jenen Männern raubte uns der Tod in Hamburg den Gym- 
nasialdirector Dr. Genthe, Bürgermeister Dr. Kirchenpauer, 
G. Th. Siemssen und Dr. W. Hübbe, in Bremen Chr. Waetjen, 
Redakteur Mohr, Syndikus Dr. Knoop, in Braunschweig Hof- 
buchhändler Wagner, in Hannover Landdrost a. D. Braun 
und Kommissär Damcke, in Frankfurt am Main Justizrath 
Euler, in Hildesheim Oberbürgermeister Boysen, in Köln 
Justizrath Compes und in Rostock Amtsrichter Grosse. Als 
neue Mitglieder sind dem Vereine beigetreten in Blankenburg 
Gymnasiallehrer Dr. Steinhoff, in Dorpat cand. hist. Hasse- 
blatt, in Hamburg Gymnasiallehrer Dr. J. H. Hansen, in Kiel 
Kapitän zur See Dittmer, in Köln Dr. E. von der Nahmer, 
in Lübeck Ingenieur August Brehmer, in Reval Bürgermeister 
V. Gloy, Baron Wrangeil, die Oberlehrer Dr. Kirchhofer und 
Schneering, Dr. J. Fick, Obersekretär W. Gebauer, Kaufmann 
M. Schmidt, Alex. Meyer, Redakteur Mickwitz, in Ribnitz 
Rentier Dolberg, in Rostock Gymnasiallehrer Dr. R. Lange, 
in Stralsund Rathsherr Gronow, in Tokio Prof. Dr. Busse. 
Da einundzwanzig Personen ihren Austritt angezeigt haben, 



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— '3 — 

so zählt unser Verein zur Zeit 483 Mitglieder, also neunzehn 
weniger als im Vorjahre. 

An Stelle des verstorbenen Oberbürgermeisters Dr. Becker 
ward der Stadtarchivar Prof. Dr. Höhlbaum in Köln zum 
Vorstandsmitgliede erwählt. 

Von den literarischen Arbeiten, deren Veröffentlichung 
unser Verein übernommen hat, ist im vorigen Jahre ausser 
einem Hefte der hansischen Geschichtsblätter, Jahrgang 1885, 
die zweite Abtheilung vom dritten Bande des Hansischen 
Urkundenbuches erschienen und hierdurch von seinem Her- 
ausgeber Prof. Dr. Höhlbaum jenes Werk bis zum Jahre 1360 
zum Abschluss gebracht. Damit ist eine der bei der Grün- 
dung des Vereins von Geh. Rath Prof. Waitz angeregten 
Aufgaben in allseitig befriedigendster Weise zu Ende ge- 
führt. Für die ihm übertragene Fortführung des Urkunden- 
buches hat Senatssekretär Dr. Hagedorn in Lübeck die Ar- 
beiten in den Archiven bis zum Jahre 14CX) vollständig und 
bis zum Jahre 1430 zum grösseren Theile abgeschlossen. Die 
Bearbeitung des gesammelten Materials hat er mit Rücksicht 
auf die Pflichten, die ihm sein neues Amt auferlegte, im ver- 
flossenen Jahre nur wenig zu fördern vermocht. Da der immer 
mehr wachsende Umfang des Stoffes ein langsames Fort- 
schreiten der Veröffentlichung bedingt, so dürfte es sich aus 
wissenschaftlichen wie aus praktischen Gründen empfehlen, 
den Zeitraum, den die zweite Abtheilung des Werkes um- 
fassen soll, nicht allzuweit zu erstrecken. Es wird daher in 
Erwägung zu ziehen sein, ob es bei der Grösse des Arbeits- 
gebietes nicht räthlich ist, für die Bearbeitung der Urkunden 
des fünfzehnten Jahrhunderts einen neuen Mitarbeiter zu ge- 
winnen. Da die finanziellen Verhältnisse unseres Vereins die 
Möglichkeit hierfür gewähren, so ist der Vorstand jener Frage 



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bereits näher getreten und wird eine Entscheidung binnen 
kurzem erfolgen. 

Dem Urkundenbuche ist ein vom Oberlehrer Dr. Feit in 
Lübeck ausgearbeitetes, sich auf alle drei Bände erstreckendes 
Glossar beigefügt. Von demselben ist auf Wunsch des Vereins 
für niederdeutsche Sprachforschung durch die Verlagsbuch- 
handlung (Buchhandlung des Waisenhauses in Halle) ein 
Sonderdruck veranstaltet worden, der von den Vereinsmit- 
gliedern zum Preise von jfC 2^10 erworben werden kann. 

Die mit der Herausgabe der Hanserecesse betrauten 
Professoren Dr. von der Ropp und Dr. Schäfer sind im ver- 
flossenen Jahre durch anderweitige Geschäfte verhindert worden, 
die Vorarbeiten fiir eine fernere Publication zum Abschluss 
zu bringen, sie haben aber beide die Aussicht eröffnet, dass 
noch in diesem Jahre mit der Drucklegung eines weiteren 
Bandes begonnen werden könne. 

Vom Verein war im Beginne des vorigen Jahres 
Dr. L. Riess nach England gesandt, um in den dortigen 
Archiven nach Aktenstücken zu forschen, die für die ältere 
Geschichte der Hansa von Bedeutung sind. Von ihm ist das 
gesammte dort aufgefundene urkundliche Material bis zum 
Jahre 1400 abgeschrieben, dasjenige aber, welches sich auf 
die Jahre 1401 bis 1430 bezieht, soweit es nicht zur Ergän- 
zung der Hanserecesse dient, mit genauer Angabe des Fund- 
ortes verzeichnet worden. Nachdem er jene Arbeit im De- 
cember 1886 vollendet und die von ihm erzielte Ausbeute 
dem Vorstande übergeben hatte, hat er eine Professur an der 
Universität von Tokio angenommen. Bei der weiten Ent- 
fernung dieses Ortes wird die Bearbeitung des gesammelten 
Materials einem anderen Gelehrten übertragen werden müssen 
und sind dieserhalb bereits seitens des Vorstandes Verhand- 



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— 5 — 

lyngen eingeleitet worden. Ein von Dr. Riess erstatteter 
Reisebericht wird in dem nächsten Hefte der Geschichtsblätter 
veröffentlicht werden. 

Von den hansischen Geschichtsquellen sind zwei weitere 
Bände im Druck soweit gefördert, dass sie voraussichtlich 
noch im Sommer dieses Jahres erscheinen werden. Der eine 
derselben enthält das von Prof. Dr. Schäfer bearbeitete Buch 
des Vogtes zu Schonen, in dem anderen veröff^^ntlicht Prof. 
Dr. Stieda in Rostock Zoll-Quittungen und Zoll-Register des 
14. Jahrhunderts. 

Da nur in wenigen deutschen Bibliotheken die in 
England erschienenen Urkundenpublikationen vorhanden 
sind, so ward die Anwesenheit des Dr. L. Riess in England 
dazu benutzt, um diejenigen jener Werke, die für die hansische 
Geschichte von Bedeutung sind, in London zu erwerben und 
sie der in Lübeck aufbewahrten Bibliothek des Vereins ein- 
zuverleiben. Ausserdem sind mehrere Bücher angeschafft, 
deren Benutzung von den Mitarbeitern gewünscht wurde. 

Die Rechnung ist von den Herren H, Behrens in Lübeck 
und Dr. Matsen in Hamburg einer Durchsicht unterzogen und 
richtig befunden worden. 

An die Mitglieder des Vereins ergeht von dem kasse- 
fiihrenden Vorsteher Prof. Dr. Hoffmann in Lübeck das Er- 
suchen, ihm ihre Beiträge, soweit dieselben nicht zu bestimmter 
2^it durch ein am Orte wohnendes Mitglied einkassirt werden, 
alsbald nach Empfang der Geschichtsblätter einzusenden. 

Angekauft sind folgende Werke: 
Catalogue of the manuscripts in the Cottonian library, 

deposited in the British Museum. London 1809. 
Catalogue of the Harleians manuscripts in the British 

Museum. 4 vols. London 1808 — 12, 



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— 6 — 

Catalogue of the Landsdowne manuscripts in the British 

Museum. London 1819. 
CoUection of tracts relative to the Law of England from 

manuscripts now first edited by Hargrave. Vol. i. 

Dublin 1787. 
Foedera, conventiones, literae et cujuscunque generis acta 

publica inter reges Angliae et alios imperatores, reges, 

pontifices, principes etc. ab anno 11 01 ad nostra usque 

tempora. Accurante Thoma Rymer. Tom. i — 20. 

Londini 1704—35. 
Catalogue, chronological of the Materials, transcribed for the 

new edition of the Foedera. Vol. i — 2. Appendix A — D. 

London. 
Hctll, a history of the custom-revenue in England. Vol. i — 2. 

London 1885. 
Hardy, descriptive catalogue of the Materials relating to the 

history of Great Britain and Ireland to the end of the 

reign of Henry VII. Vol. I. London 1862. 
Howel, Londinopolis, an historical discourse or perlustration 

of the City of London. London 1657. 

Index to the record called the Originalia and memoranda on 

the Lord TreasurersRemembrancer'sSideoftheExchequer. 

London 1793. 
Ancient laws and institutes of England from the 7. to the 

10. Century, and the ancient latin version of the Anglo- 

Saxon Laws. London 1840. 
De legibus antiquis über. Cronica Majorum et Vicecomitum 

Londoniarum. Curante Stapelton. Londoniis 1846. 
Letters, royals and historicals, during the reign of Henry IV., 

edited by Hingeston. Vol. i. London 1860. 



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— 7 — 

Madox, history and antiquities of the Exchequer of the 
Kings of England from the Norman conquest to the 
end of the reign of Edward II. Ed. 2. VoL i — 2. 
London 1769. 

Monumenta juridica; the Black book of the Admirality, with 
an appendix, edited by Twiss. 3 Vols. London 1871. 

Munimenta Gildhallae Londoniensis. Liber albus, über custu- 
marum et liber Hörn; edited by Riley. Vol.,. i — 3. 
London 1859 — 62. 

Report, 47. annual, of the Deputy Keeper of the public records. 
London 1886. 

Rolls of parliament. Index, comprising the petitrons, pleas. 
and proceedings of Parliament from ann. 6 Edw. I., to 
ann. 19 Henr. VII. 1278 — 1303, prepared and edited by 
Upham. London 1832. 
^ Rotuli Parliamentorum et petitiones et placita in Parliamento. 
6 voll. London s. 1. e. a. 

Syllabus of the documents, relating to England and other 
kingdoms, contained in the coUection known as Rymers 
Foedera. Vol. 1-3. London ^869 — 85. 

Bourquelot, etudes sur les foires de Champagne, sur la 
nature, l'^tendue et les regles du commerce, qui s'y 
faisait aux 12., 13. et 14. siMes. 2 vols. Paris 1865. 

Heyd, histoire du commerce du Levant au moyen-age. 
Edition frangaise, publice par Raynaud. 2 vols. Leipzig 
1885—86. 

Schrader, linguistisch-historische Forschungen zur Handels- 
geschichte und Warenkunde. Bd. i. Jena 1886. 

Es sind ferner eingegangen: 
a) von Städten und historischen Vereinen : 
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. 8. 



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"^ 



— 8 — 

Mittheilungen des Vereins für Geschichte Berlins 1886 u. 87. 
Mittheilungen des Vereins für Geschichte Berlins, Hefl 23: 

Creusing's märkische Fürstenchronik, herausgegeben von 

F. Holtze. 
Mittheilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte, 

Heft 5. 
Urkundenbuch des Bisthums Culm, bearbeitet von C. P. 

Woelky, Heft 3 u. 4. 
Von der Akademie zu Krakau: 

Scriptores rerum Polonicarum. Bd. 9 u. 10. 
Starodawne. Bd. 8, Abth. 2. 
Jahresbericht, 7 — 9., des Museumsvereins zu Lüneburg 1884 

bis 86. 
Geschichtsblätter für Magdeburg, Bd. 21, 2—4. 22, i. 

Register zu Bd. i — 20. 
Regesta Magdeburgica, herausg. von Mülverstedt, Bd. 3. , 
Zeitschrift des historischen Vereins für Marienwerder, 

Heft 16 — 20. 
Märkische Forschungen, Bd. 19. 
Anzeiger des Germanischen Museums zu Nürnberg, Bd. L, 

Heft I u. 2. 
Mittheilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum zu 

Nürnberg, Bd. I, Heft i u. 2. 
Mittheilungen des Vereins für Geschichte Nürnbergs, Heft 6, 

Jahresberichte 1884 u. 85. 
Von der Gesellschaft für Pom m ersehe Geschichte und Alter- 

thumskunde: 

O. Blümcke, Stettin's hansische Stellung und Herings- 
handel in Schonen. 
Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Ur- 
kunden, herausg. von P. Hasse. Bd. i u. 2. 



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— 9 — 

Archiv des Geschichtsvereins zu Stade, H^ft ii. 
Zeitschrift für Geschichte u. Alterthumskunde Westfalens, 
Bd. 44. 

b) von den Verfassern: 

Bienemann, die Statthalterschaftszeit in Liv- und Estland. 

1783 — 96; Leipzig 1886. 
J. Jaeger, Duderstadt gegen Ende des Mittelalters, Hildesr 

heim 1886. 
MeinarduS) Urkundenbuch der Stadt und des Stifts Hameln, 

Hannover 1887. 
Pyl, Geschichte der. Greif3walder Kirchen und Klöster, 3 Bde. 

Greifswald 1885—87. 



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— 10 — 

Zassen-Alsschluss 

am 21. Mai 1887. 

Einnahme. 

Vermögensbestand JÄ 28439. 75 ^ 

Zinsen - 943. 49 » 

Beitrag S. M. des Kaisers » ICX). — -- 

Beiträge deutscher Städte » 6211. — « 

Beiträge ausserdeutscher Städte .... -- 616. 61 - 

Beiträge von Vereinen -- 312. — » 

Beiträge von Mitgliedern -- 3409. 12 * 

Geschenk der Wedekind-Stiftung .... - 3 000. — « 

*>^ 43031. 97 -1} 

Ausgabe. 

Urkundenbuch (Honorar u. Druckkosten) . ..^ 3 840. 20 ^ 

Recesse (Reisen u. Urkundenabschriften) . » 452. 58 * 

Geschichtsquellen (Druckkosten) .... -- 582. 95 * 
Geschichtsblätter (Honorar u. Ankauf von 

Exemplaren) -- i 635. 48 » 

Forschungsreise nach England . . . . -- 3012. 37» 

Ankauf von Büchern ....... -- 680. 3 1 = 

Reisekosten für Vorstandsmitglieder . . » 647. — » 
Verwaltungskosten (incl. Honorar des Ver- 
einssekretärs) ' 932, 23 = 

Saldo s 31248. 85 » 

M 43031. 97 ^ 



->^^^-<^ 



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In Wilh. "Werther's Verlag in Rostock erschien: 

Geschichte der Stadt Rostock 

von 

Karl Koppmann, 

Stadtarchivar. 

I. Von der Gründung der Stadt bis zum Tode Joachim 
Slüters (1532). 

lo Bogen. Preis 2 Mark. 

Im Verlage der Hahn'schen Buchhandlung in Hannover 
ist erschienen: 

Quellen und Darstellungen 

zur 

Geschichte Niedersachsens. 

Herausgegeben vom 

Historischen Verein für Niedersachsen. 

Zweiter Band. Enthaltend: Urkundenbuch des Stiftes 
und der Stadt Hameln bis zum Jahre 1407. Mit einer 
geschichtlichen Einleitung von Otto Meinardus, Mit zwei 
photolithograph. Tafeln. Lexikon-Octav. 16 M. 

Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig. 



Briefe von und an Hegel. 

Herausgegeben von 

Karl HegeL 

Mit einem Porträt und Facsimile Hegels. 
Zwei Bände, gr. 8. 1887. Preis 16 M. 

Deutsche Rechtsgeschichte. 

Von 

Heinrieh Brunner. 

Erster Band. 1887. Preis 9 M. 60 Pf. 



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Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig. 



HANSERECESSE. 

Erste Abtheilung, auf Veranlassung Seiner Majestät des Königs von Bayern 
herausgegeben durch die Historische Commission bei der Königl. Akademie 
der Wissenschaften. I. bis V. Band. A. u. d. T.: Die Recesse und 
andere Akten der Hansetage von 1256 — 1430. Bearbeitet von Karl 
Kopp mann. I. bis V. Band. 80 M. 

I. hoch 4°. 1870. (XXXIX, 559 S.) 12 M. 
II. hoch 4°. 1872. (XV, 518 S.) 12 M. 

III. hoch 4^ 1875. (XV, 564 S.) 16 M. 

IV. hoch 4°. 1877. (XXVir, 646 S.) 20 M. 
V. hoch 4°. 1880. (IX, '619 S.) 20 M. 

Zvs/^eite Abtheilung, herausgegeben vom Verein für Hansische Geschichte. 
I. bis IV. Band. A. u. d. T. : Hanserecesse von 1431 bis 1476. Be- 
arbeitet von Goswin Frhr. von der Ropp. I. bis IV. Band. 78 M. 
I. (1431—36). hoch 4°. 1876. (XXIV, 595 S.) 18 M. 
II. (i437_43). hoch 4°. 1878. (XII, 622 S.) 20 M. 

III. (1443—51). hoch 4°. 1881. (XH, 608 S.) 20 M. 

IV. (1451—60). hoch 4°. 1883. (XI, 576 S.) 20 M. 

Dritte Abtheilung, herausgegeben vom Verein für Hansische Geschichte. 
A. u. d. T. : Hanserecesse von 1477 bis 1530. Bearbeitet von Dietrich 
Schäfer. I. und IL Band. 42 M. 

I. (1477— 1484). hoch 4°. 1881. (XV, 598 S.) 20 M. 
II. (1485— 1491). hoch 4°. 1883. (XVI, 687 S.) 22 M. 
III. Erscheint im April 1888. 

Abhandlungen aus der neueren Gesehichte. 

Von 

Max Duncker* 

1887. Preis 8 M. 

Inhalt: Vorwort von H. v. Treitschke. — I. Feudalität und Aristokratie. — IL Die 
Bildung der Coalition des Jahres lysö gegen Preussen. — III. Preussen und England 
im siebenjährigen Kriege. — IV. Die Landung in England. — V. Die Denkwürdig- 
keiten des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg. — VI. Graf Haugwitz und Frei- 
herr von Hardenberg. — VII. Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1809. — VIII. Karl 
Mathy. — IX. Fürst Karl Anton von Hohenzollern. — X. J. G. Droysen. 

Abhandlungen 
aus der griechischen Geschichte. 

Von 

Max Duncker. 
Mit einem Vorwort von Professor Dr. A. Kirchhoff in Berlin. 

1887. Mit I Karte. Preis 4 M. 

Inhalt: Die Hufen der Spartiaten. — Strategie und Taktik des Miltiades. — Der angeb- 
liche Verrath des Themistokles. — Der Prozess des Pausanias. — Ueber den soge- 
nannten Kimonischen Frieden. — • Das angebliche Gesetz des Perikles. — Des Perikles 
Fahrt in den Pontus. 



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HANSISCHE 



GESCHICHTSBLÄTTER. 



HERAUSGEGEBEN 



VOM 



VEREIN FÜR HANSISCHE GESCHICHTE. 



BAND V. 




LEIPZIG, 

VERLAG VON DUNCKER & HUMBLOT. 
1888. 



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INHALT. 



Seite 
I. Das häusliche Leben in Lübeck zu Ende des fünfzehnten Jahr- 
hunderts. Vortrag, gehalten in der Versammlung des Vereins für 
Hansische Geschichte zu Rostock von Senator Dr. W. Brehmer in 

Lübeck 3 

II. Die Hanse und die deutschen Stände vornehmlich im fünfzehnten 
Jahrhundert. Vortrag, gehalten in der Versammlung des Hansischen 
Geschichtsvereins zu Stettin von Professor G. Frhr. von der Roj^p 
in Giessen 33 

III. Die bremischen Bürgermeister Heinrich und Johann Zobel. Vor- 
trag, gehalten in der Versammlung des Hansischen Geschichtsvereins 

zu Quedlinburg 1886. Von Archivar Dr. W. v. Bippen in Bremen 51 

IV. Die Rostocker metallenen NormalschefFel und das Eichverfahren des 
Mittelalters. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H. Krause in Rostock 79 

V. Hansische Vereinbarungen über städtisches Gewerbe im 14. und 15. 

Jahrhundert. Von Professor W. Stieda in Rostock 10 1 

VI. Kleinere Miltheilungen. 

I. Stagnum, das baltische Meer. Von Gymnasialdirector 

Dr. K. E. H. Krause 159 

II. Zur Eroberung Gotlands durch den deutschen Orden. Mit- 

getheilt von Geh. Archivrath Dr. H. Grotefend in Schwerin . 161 

III. Die Wehrkraft der Rostockischen Aemter. Von Stadtarchivar 

Dr. K. Koppmann in Rostock 164 

IV, Eine hansische Seeversicherung aus dem Jahre 1531. Mit- 
getheilt von Dr. A. Hofmeister in Rostock 169 

Recensionen. 

C. Sattler, Handelsrechnungen des Deutschen Ordens. Leipzig 1887. 

Von Professor W. Stieda 181 

Karl Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. im 14. und 15. 
Jahrhundert, i. Band. Tübingen 1886. — J. Jastrow, Die 
Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Be- 
ginn der Neuzeit. Berlin 1886. Von Professor W. Stieda . . 185 
Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 16. Stück. 

I. Fünfzehnter Jahresbericht, erstattet vom Vorstande .... III 

II. Mitglieder-Verzeichniss 1887 . X 

III. Bericht über meine englische Reise (1886 Febr. 14— Nov. 28). 

Von Professor Dr. L. Riess in Tokio XX 

Inhaltsverzeichniss. Von Dr. W. v. Bippen XXVI 



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_k. 



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I. 
DAS HÄÜSUCHE LEBEN IN LÜBECK 

ZU ENDE DES FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERTS, 



VORTRAG, 

GEHALTEN IN DER VERSAMMLUNG DES VEREINS FÜR HAN- 
SISCHE GESCHICHTE ZU ROSTOCK, 
VON 
WILHELM BREHMER. 



Hansische Geschichtsblätter. XV. 



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i 



In dem Vortrage, für den ich mir Ihre geneigte Aufmerk- 
samkeit erbitte, will ich versuchen Ihnen ein Bild von dem 
häuslichen Leben zu entwerfen, wie solches in meiner Vater- 
stadt Lübeck vor 400 Jahren gestaltet war. Hierbei darf ich 
auf Ihre Nachsicht rechnen, da Sie wissen werden, dass die alten 
Chronisten wohl von Kriegen und Staatsumwälzungen, von 
Siegen und Niederlagen, von wunderbaren Himmelserscheinungen 
und verderbenbringenden Krankheiten ausführlich berichten, dass 
sie aber, nicht gedenkend der Wissbegier späterer Zeiten, das 
Herkömmliche und Alltägliche zu beschreiben nur selten Ver- 
anlassung nahmen und dass auch die Geschichtsforscher erst vor 
kurzem angefangen haben dem Kulturleben der Völker ihre 
Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wollen wir daher die Kulturver- 
hältnisse einer früheren Zeit erkunden, so sind wir auf gelegent- 
liche Aeusserungen und sehr zerstreut in Urkunden oder Testa- 
menten sich findende Angaben sowie auf einzelne Verordnungen 
des Rathes hingewiesen. 

Vor 400 Jahren hatte Lübeck den Höhepunkt seiner Macht 
und seines Ansehens noch nicht erlangt; doch stand die Stadt 
damals in hoher Blüthe. Die Beziehungen zu den Beherrschern 
der nordischen Länder waren die allerfreundschaftlichsten. Nicht 
durch Waffengewalt, sondern durch klug geleitete Verhandlungen 
und durch stets bereitwillig gewährte Anleihen bemühte sich der 
an der Spitze des Rathes stehende Bürgermeister Heinrich Castorp 
die alten Handelsprivilegien zu sichern; war doch, wie uns die 
Chronisten rühmend verkünden, sein Wahrspruch: es sei leicht, 
die Kriegsfahne zu entfalten, schwer aber, sie wieder zu schliessen. 
Sicher und ungefährdet konnten die reich beladenen Schiffe die 



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— 4 — 

Meere des Ostens und Westens befahren, da die Vitalienbrüder, 
welche sie viele Jahre hindurch plündernd und raubend durch- 
zogen hatten, endlich bezwungen und die Engländer, weniger 
allerdings durch die Macht Lübeck's als durch die Anstrengungen 
der preussischen Städte, nach vierjährigem Kriege zu einem 
günstigen Frieden genöthigt waren. Gebrochen waren vor 
kurzem in Lauenburg und Mecklenburg die Burgen, von denen 
ein beutegieriger Adel die friedlichen Waarenzüge stetig mit 
Ueberfall bedroht hatte. Es erfreute sich daher damals in 
unseren Gegenden der Handel des für seine Entwickelung unent- 
behrlichen Friedens. Seinen Mittelpunkt bildete Lübeck. Hier 
war der vornehmlichste Markt für das reiche Pelzwerk des Nor- 
dens, für Holz, Pech und Theer, die in den dortigen Urwäldern 
gewonnen wurden, für das Kupfer der durch Lübeckische Kapi- 
talisten betriebenen schwedischen Bergwerke, für die Heringe, 
die an Schwedens Küsten gefangen und auf den hansischen 
Fitten eingesalzen wurden, für das Getreide, das auf den frucht- 
baren Fluren Preussens geemtet, und für den Bernstein, der an 
seinen Küsten gegraben ward. Auf Lübeckischen Schiffen ward 
ein grosser Theil dieser Waaren den westlichen Ländern, Flan- 
dern und England, Frankreich, Spanien und Portugal, zugeführt 
und die von dort bezogenen Gegenstände, namentlich das Bay- 
rische Salz und die werthvoUen in Flandern hergestellten Tuche 
und Kunstgegenstände, vereint mit dem in Lüneburg und Oldesloe 
bereiteten feinen Tafelsalz und den Gewürzen Indiens, die über 
Venedig, Nürnberg und Augsburg auf dem Landwege herbei- 
geschafft wurden, wiederum nach dem Norden vertrieben. In 
Lübeck war auch der Wechselplatz, durch den alle Geldgeschäfte 
der Ostseeländer geregelt wurden und durch den der Papst die 
reichen ihm aus dem Norden zufliessenden Abgaben einzog. 
Hiernach sollte man erwarten, dass damals die Zahl der Be- 
wohner eine sehr erhebliche gewesen sei und dass dieselben oder 
doch mindestens einige von ihnen über grosse Vermögen ver- 
fügt haben. Wenn wir den Chroniken Glauben schenken könnten, 
wäre solches auch der Fall gewesen; denn sie verkünden uns, 
dass in den Ringmauern der Stadt mehr als 80,000, im Jahre 
1580 sogar 200,000 Personen sesshaft gewesen sind; auch rühmen 
sie oftmals den grossen Reichthum der Bürger. Beides ist aber 



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— 5 — 

ein Irrthum. Durch einen glücklichen Zufall habe ich eine Auf- 
rechnung der Personen gefunden, welche im Jahre 1476 Schoss 
zahlten, und hierdurch die Ueberzeugung gewonnen, dass die 
Bevölkerung damals die Zahl von 30,000 kaum erreicht, jeden- 
falls aber nicht um ein erhebliches überschritten hat. lieber die 
Vermögensverhältnisse gewähren die zahlreich uns erhaltenen 
Testamente einen Aufschluss. Sie zeigen, dass alle Kreise der 
Bevölkerung, namentlich auch die Handwerker, sich eines grossen 
Wohlstandes erfreuten, dass aber in einzelnen Händen keine sehr 
erheblichen Vermögen aufgehäuft waren ; denn die reichsten Leute, 
deren Zahl überdies eine sehr beschränkte war, besassen höchstens 
zehn- bis zwölftausend Mark, die nicht nach dem Geldwerth, 
sondern nach dem Kaufwerth einer Summe von dreimalhundert 
bis dreimalhundert und sechzigtausend Mark jetzigen Geldes ent- 
sprechen dürften. 

Nicht Kriegslärm und bürgerlicher Zwist, sondern eine 
glückliche, friedliche Zeit bildet also den Hintergrund meiner 
Schiiderungen. 

Für dieselben bitte ich Sie, mir auf einen Gang in die 
Stadt zu folgen. Derselbe war dazumal mit weit grösseren 
Beschwerden verknüpft, als zur Jetztzeit. Die Strassen waren 
allerdings bereits seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts mit 
Pflaster versehen; dieses aber befand sich zumeist in der 
allerschlechtesten Beschaffenheit, da seine Unterhaltung nicht der 
Stadt, sondern den einzelnen Hauseigenthümem oblag und diese 
sich ihrer Verpflichtung möglichst lange zu entziehen bemüht 
waren. Für eine regelmässige Reinigung war nur vor dem 
Rathhause und auf den öffentlichen Plätzen durch vom Rathe 
angestellte Strassenfeger Fürsorge getroffen; in den übrigen 
Stadttheilen überliess man es meist den starken Regengüssen, 
für deren Abfluss an beiden Seiten der Strassen und in deren 
Mitte offene Rinnen eingewölbt ' waren , den Schmutz fort- 
zuführen. Bei einem Unwetter die Strassen zu durchwandern, 
war Niemandem anzurathen, da alles von den Dächern auf- 
gefangene Wasser durch weit vorspringende Wasserspeier mit 
grosser Gewalt bis mitten auf die Fahrbahn geschleudert wurde. 
Diese aber war allein als Weg zu benutzen; denn den Raum 
zwischen den Häusern und den seitlichen Rinnsteinen betrachtete 



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— 6 — 

jeder Hausbesitzer als sem unbeschränktes Eigenthum. Auf ihm 
hatte er seit dem 14. Jahrhundert auch in den engsten Strassen 
an beiden Seiten der Hausthür feste Bänke, die sogenannten 
Beischläge, errichtet, um an warmen Sommertagen oft unter dem 
Schutz einer grossen Linde dem Strassenverkehr zuzuschauen, 
die Spiele der Kinder zu überwachen oder über die Strasse hin 
mit den Nachbarn freundschaftliche Unterhaltung zu pflegen. 
Von hier aus machte er die zum Hause gehörigen Keller zu- 
gänglich; auch sorgte er, wenn dieselben als Wohnungen ver- 
miethet werden sollten, durch einen kleinen Vorbau fUr einen 
gesicherten Eingang. Hier lagerte der Kaufmann gegen Witterung 
nicht zu schützende Waaren, der Böttcher legte auf ihm die 
Bänder um die von ihm gefertigten Tonnen, der Kupferschmied 
hämmerte an seinen Pfannen, der Schmied beschlug in kleinen 
isolirt stehenden Häuschen, den sogenannten Nothställen, ihm 
vorgeführte störrige Pferde, und auch mancher andere Hand- 
werker rückte seinen Werktisch in's Freie. Es war also für 
reichliche Augenweide gesorgt. Doch durfte der Wanderer nicht 
ungetheilt diesem Strassenleben seine Aufmerksamkeit zuwenden ; 
denn ihn bedrohten Gefahren mancherlei Art. Die Zahl der 
Wagen, die ihm begegnete, war allerdings nur eine geringe ; denn 
sie wurden, da die Reisen zu Pferde unternommen und in der 
Stadt auch von den vornehmsten Personen alle Gänge zu Fusse 
gemacht wurden, nur zur Fortschaffung von Waaren benutzt; 
sie näherten sich ihm aber fast lautlos, indem der das Pflaster 
bedeckende Schmutz das Geräusch der Räder dämpfte. Oft 
wurden auch die engsten Strassen zur Lagerung von Waaren und 
Baumaterialien sowie zur Aufstellung von Karren und Geräth- 
schaften verwandt, denen man behutsam ausweichen musste; 
nicht selten versperrte den Weg ein mit einem hölzernen Ge- 
länder umgebener Grundbrunnen oder Sood, aus dem das 
Wasser, wie es scheint, nicht durch eine Pumpe, sondern wie 
noch jetzt auf dem Lande durch einen grossen, weit vorspringen- 
den Hebebaum gewonnen ward. In seiner Nähe war Behutsam- 
keit vornehmlich geboten ; denn das unnütz vergossene Wasser 
riss dort stetig grosse Lücken in das Pflaster, fiir deren Be- 
seitigung erst dann gesorgt ward, wenn der Sood selbst ge- 
fährdet schien. Einen unaufmerksamen Wanderer konnte auch 



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— 7 — 

leicht der Unfall treffen, dass ein von einem muthwilligen Buben 
aufgescheuchtes Huhn ihm entgegenflog, oder dass ein Schwein 
ihm zwischen die Beine lief und ihn unerwartet zu Fall 
brachte. Veranlasst durch die vielen Festtage der katholischen 
Kirche hielt nämlich fast jeder Bürger eine grosse Zahl von 
Federvieh, das für seine Nahrung meistens auf den Strassen- 
kehricht angewiesen war. Die Aufzucht von Schweinen ward, 
mit alleiniger Ausnahme der Wohlthätigkeitsanstalten , die diese 
Vergünstigung bis in die neueste Zeit genossen, erst im Jahre 
1583 den Lübecker Bürgern untersagt; sie frei auf der Strasse 
umherlaufen zu lassen, war allerdings schon im 15. Jahrhundert 
nicht erlaubt; doch scheinen sich die Eigner hierum wenig ge- 
kümmert zu haben, zumal der Rath den Mönchen des Antonius- 
Stifts in Tempzin bei Wismar gestattet hatte, alljährlich 20 Schweine, 
die sogenannten Tönniesschweine, in den Strassen der Stadt auf 
die Weide zu schicken und sie bei Tag und Nacht ohne Auf- 
sicht dort umherlaufen zu lassen. 

Da eine öffentliche Beleuchtung dazumal noch nicht bestand 
(sie ist erst im Jahre 1732 eingeführt worden), so mehrten sich 
alle diese Unannehmlichkeiten, sobald die Dunkelheit herein- 
gebrochen war. Dann musste ein jeder, der die Strassen sicher 
durchschreiten wollte, sich durch einen fackeltragenden Diener 
geleiten lassen; aber trotzdem lief er, namentlich wenn ihn sein 
Weg bei Schenken oder Badstuben vorbeiführte, oder wenn er 
abgelegene Gassen zu durchschreiten hatte, oftmals Gefahr, von 
rauflustigem Gesindel oder lockeren Frauen behelligt zu werden, 
da die Nachtwache, an der sich die Bürger nach einer be- 
stimmten, für jedes Kirchspiel gesondert geordneten Reihenfolge 
zu betheiligen hatten, meistens dann, wenn sie Schutz gewähren 
sollte, nicht zur Stelle war. 

Die Häuser wurden nach ihrer Bauart bei der Zuschrift im 
Stadtbuche schon seit der ältesten Zeit als Querhäuser und 
Giebelhäuser unterschieden. Von diesen lagen die ersteren mit 
ihrer Dachseite der Strasse zugewandt; sie bestanden zumeist 
nur aus einem niedrigen Erdgeschoss, auf dem unmittelbar die 
Dachbalken ruhten. Als Unterkunftsort von Handwerkern und 
Arbeitern waren sie durch Querwände in kleine Wohnungen ab- 
getheilt, deren jede nur Raum für eine Diele und eine an ihr 



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— 8 — 

belegene Kammer darbot. Die Giebelhäuser waren, wenn sie 
noch dem 13. Jahrhundert angehörten, und deren war dazumal 
noch eine grosse Zahl vorhanden, nach oben hin in der Rich- 
tung des Daches abgeschrägt; die später erbauten zeigten fast 
sämmtlich einen treppenförmig sich abstufenden Aufbau, den 
sogenannten Treppengiebel. Doch waren einzelne Hauseigner, 
wohl durch Zureden des mit Herstellung des südlichen Rathhaus- 
anbaues, des Gebäudes der Kriegsstube, betrauten Baumeisters, 
veranlasst worden, in gleicher Weise, wie es dort geschehen, ihr 
Haus nach oben durch eine gerade, mit Thtlrmen und kreis- 
runden Windöffnungen gezierte Mauer abzuschliessen. Auf allen 
Giebeln und Thurmspitzen drehten sich Windfahnen, deren Her- 
stellung die Kleinschmiede mit besonderer Kunstfertigkeit be- 
trieben. 

In eins dieser Häuser, das sich durch seine Breite und 
Höhe vor den andern auszeichnet und hierdurch bekundet, dass 
es von einem angesehenen Manne bewohnt wird, bitte ich Sie 
mit mir einzutreten. Es macht schon von aussen einen sehr 
freundlichen Eindruck, da an der Fagade Schichten von schwarz- 
glasirten und rotlien Steinen regelmässig mit einander abwechseln. 
An seinen beiden Seiten ist ein grosses ungetheiltes Fenster an- 
gebracht, das fast bis zu den Bodenräumen reicht ; diese erhalten 
durch schmale der Giebelwand eingefugte Fensteröffnungen das 
nöthige Licht, sobald die für gewöhnlich geschlossen gehaltenen 
hölzernen Luken geöffnet werden. Die weit vorspringenden Bei- 
schläge sind von der Strasse durch hohe Steinpfeiler abgegrenzt; 
auf ihnen ist nach oben das Wappen der Familie zierlich ein- 
gemeisselt; nach unten sind mehrere eiserne Ringe eingefügt, 
damit einkehrende Gäste und Handelsleute an ihnen ihre Pferde 
befestigen können. Auf der Bank sitzt ein junger Geistlicher, 
der zur Familie gehört, da er dem Hausherrn bei seiner" 
Correspondenz und bei der Führung der Bücher hülfreiche Hand 
leistet und da ihm die Erziehung der Söhne anvertraut ist ; denn 
diese müssen, sie sind ja Patricierkinder, den öffentlichen latei- 
nischen Schulen ferngehalten werden. Auf unser Ersuchen ge- 
währt er nicht nur den Zugang zum Hause, sondern er erbietet 
sich auch, als Führer zu dienen, da die Familie zur Zeit auf 
einem benachbarten Gute weilt, wo der Ehemann, in Ausübung 



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— 9 — 

des ihm zustehenden Blutbannes , über einen des Mordes ange 
klagten Heuerling zu Gericht sitzen, die Frau nach der Wirth- 
schaft sehen will. 

An der hohen und breiten, wie bei allen Giebelhäusern, 
genau in der Mitte des Gebäudes belegenen Eingangsthür sind 
die grossen eichenen Thürflügel, die in einer für den Muthwillen 
der Jugend nicht zu erreichenden Höhe mit einem messingenen 
Handgriff und einem aus einem grossen Ringe bestehenden 
Klöpfel versehen sind, weit geöffnet. Wir haben also einen 
freien Zutritt auf die mit Rundsteinen schlecht gepflasterte Diele. 
Diese wird in ihrem vorderen, kleineren Theile durch an beiden 
Seiten eingebaute Wohnstuben bis zu einem schmalen Zugangs- 
wege eingeengt ; nach hinten verbreitert sie sich über den ganzen 
Raum des Hauses. Ihr Licht empfängt sie durch grosse nach 
dem Hofe führende Fenster. Da aber diese mit kleinen Butzen- 
gläsem verglast sind, so herrscht auf ihr namentlich bei be- 
wölktem Himmel auch zur Mittagszeit ein stetes Halbdunkel. 
Unmittelbar neben der vorderen Stube liegt die nach allen Seiten 
offene Küche. Auf dem grossen, aus Mauersteinen errichteten 
Feuerherde hängt an einem zierlich gearbeiteten eisernen Haken, 
der in dem weit sich öffnenden Schornstein angebracht ist, ein 
grosser Kessel, in welchem die Biersuppe für das Vesperbrod 
gekocht wird. An der anderen Seite sind eiserne Grapen, kleine 
irdene, schön glasirte Töpfe und mehrere eiserne Bratspiesse 
aufgestellt; von den letzteren haben einzelne eine solche Grösse, 
dass sie einen Viertel - Ochsen zu tragen vermögen. Auf den 
zahlreichen, an den Seitenwänden angebrachten Börtern ordnet 
der Koch — denn einem solchen und nicht einer Köchin ist in 
den Häusern der Reichen die Bereitung der Speisen anvertraut — 
die soeben frisch gescheuerten kupfernen Pfannen, die messingenen 
Kessel, sowie die zahlreichen zinnernen Schüsseln, Kannen und 
Bierkrüge. Er benutzt hierbei eine einfache Thranlampe, d. h. 
ein flaches, vorne spitz auslaufendes blechernes Gefäss, in welchem 
ein in Thran getauchter Docht brennt. Aehnliche Lampen 
hängen an verschiedenen Stellen oberhalb des Herdes; denn 
die dünnen Talglichte, welche neben ihm eine alte Frau in einer 
zinnernen Form giesst, sind nur für den Gebrauch der Herrschaft 
bestimmt. 



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lO 

An der gegenüberliegenden Seite ist die Diele mit einem 
hölzernen Panelwerk bekleidet, in welchem mehrere in der seit- 
lichen Brandmauer ausgestämmte Schränke angebracht sind. In 
der nach dem Hofe belegenen Ecke führt eine schmale Wendel- 
treppe zu den niedrigen Bodenräumen, die in mehreren Etagen 
übereinander auf starken, nach unten nicht verkleideten eichenen 
Balken ruhen. Durch Luken, die in ihrer Mitte angebracht 
sind, können die Waaren von der Diele aus mittelst einer 
Winde bis unter die Spitze des Daches gefördert werden. An 
der entgegengesetzten Ecke der Diele gelangen wir auf einer 
kleinen Treppe zu einer offenen hölzernen Gallerie, auf welcher, 
sich anlehnend an die Seitenmauer, dunkle Schlafkammem für 
das Gesinde und die Handlungsgehülfen angebracht sind. Die 
Innenseite der Thüren und die Wände sind durch Heiligenbilder 
verziert, die seit kurzem ein Lübeckischer Briefmaler in Holz- 
schnitt herstellt. Nach vorne führt ein schmaler Gang zu einer 
sehr niedrigen Stube, die ihr Licht von dem grossen strassen- 
wärts belegenen Fenster erhält. Sie wird den aus der Feme 
kommenden Gästen zum Aufenthalt angewiesen und dient, wenn 
solche nicht vorhanden sind, unserem Geistlichen zur Ertheilung 
seines Unterrichts. Hätte er uns solches nicht berichtet, so 
würden wir es schon daraus entnommen haben, dass er, so- 
bald er die Thürschwelle überschritt, gewohnheitsgemäss nach 
einem an der Wand hängenden, hölzernen Pritschholz griff; 
denn mehr als in der Jetztzeit galt damals der Grundsatz, 
dass ohne häufige Schläge kein Knabe zu einem tüchtigen Manne 
erzogen werden könne. 

Zu einer ähnlichen, an der anderen Seite des Hauses nach 
der Strasse zu belegenen Stube gelangen wir durch eine kleine 
unmittelbar von der Diele zu ihr führende Treppe. Der grösste 
Theil des inneren Raumes wird von einem eichenen Tische ein- 
genommen ; er ruht auf schräg gestellten, kreuzweis über einander 
gefügten, mächtigen Füssen und ist nahe an eine, fest an der 
Wand angebrachte, nach unten mit Schränken versehene Bank 
hinangerückt. Die auf ihm liegenden, in rothem oder grünem 
Leder eingebundenen Bücher und die zahlreich umhergestreuten 
Schriftstücke, sowie die hölzernen mit Wachs überzogenen Schreib- 
tafeln verkünden, dass hier der Hausherr mit seinen Gehülfen 



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sich der Arbeit unterzieht. Unmittelbar am Fenster ist ihm durch 
ein aufgelegtes Kissen und durch ein an der Rückseite eingefügtes 
Polster sein Platz bereitet. Ihm gegenüber steht an der anderen 
Seite des Tisches eine mit Eisen beschlagene Kißte, die den 
Namen Scliiffskiste führt; in ihr ruhen sicher und wohlverwahrt 
die Pergamente und Verschreibungen, auf welche sich der Besitz 
der Familie stützt. 

Nachdem wir von hier wieder auf die Diele gelangt sind, 
werden wir, da die Besichtigung der vorderen Zimmer bis zuletzt 
verschoben werden soll, zu einem Besuche des Hofes und Gartens 
eingeladen. Ein Flügelanbau war dazumal weder hier noch an 
einem andern Hause der Stadt vorhanden. Seine Stelle nahmen 
vielfach kleine Buden ein, die den Eltern des Hausbesitzers als 
Altentheilswohnungen dienten oder an geringe Leute vermiethet 
waren. Letztere hatten, da an der Seite des Hauses belegene 
Gänge erst im folgenden Jahrhundert hergestellt wurden, einen 
freien Verkehr durch das Vorderhaus. Von einem Patricierhause 
hielt man aber die hieraus entstehenden Unannehmlichkeiten fem, 
und so befinden sich in unmittelbarer Nähe der Hofthür Ställe 
für Pferde, Kühe, Schweine und Federvieh. Im Gegensatz zu 
dem Haupthause, das zufolge einer bereits 1276 nach dem 
grossen Brande erlassenen Rathsordnung in allen seinen Um- 
fassungsmauern massiv aufgeführt werden musste, sind sie zum 
Theil aus Fachwerk mit Lehmzwischenwänden, zum Theil aus 
Holz erbaut und mit Stroh gedeckt. Für einen genügenden Ab- 
fluss der Flüssigkeiten ist nicht gesorgt, und doch liegt neben 
denselben ein grosser aus Feldsteinen lose aufgesetzter Brunnen, 
der wie bei allen in der Mitte der Stadt gelegenen Gebäuden 
den Bewohnern dazumal den alleinigen Bezug des für ihre 
Nahrung und ihren Wirthschaftsbetrieb nöthigen Wassers ermög- 
lichte. An der anderen Ecke befindet sich das heimliche Ge- 
mach, das mit einer tief in den Boden eingesenkten, aus- 
gemauerten Grube in Verbindung steht. Diese ist ein alleiniges 
Eigenthum des Hauses, während sie, wie uns berichtet wird, in 
den meisten Stadtgegenden ein Zubehör mehrerer benachbarter 
Gebäude bildet, deren Eigner auf gemeinsame Kosten für ihre 
Unterhaltung und Reinigung zu sorgen haben. Letztere geschah 
höchstens alle 20 bis 30 Jahre; sie nahm aber dann auch mehrere 



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Nächte in Anspruch. Mit derselben hatte sich der Frohn zu 
befassen, der die Arbeit durch seine Knechte und deren Frauen 
ausführen liess ; dass auch die letzteren sich hieran zu betheiligen 
hatten, darf nicht Wunder nehmen, da zu jener Zeit ein gut 
Theil schwerer Arbeit, z. B. das Entladen der Flussschiffe und 
der Transport der bei einem Bau verwandten Mauersteine, den 
Frauen oblag. Für die Fortschaffung des Unraths bestand nur 
eine Vorschrift, auf deren Befolgung strenge geachtet wurde; 
bei nachdrücklicher Strafe war es verboten, einen mit Unrath 
beladenen Wagen bei dem Wohnhause eines Rathsherm vorbei- 
zuleiten. 

Da ein& gelegentliche Bemerkung, es habe doch sein Be- 
denken, Brunnen und Ställe in so nahe Verbindung mit einander 
zu bringen, denn es sei zu befürchten, dass die pestartigen 
Krankheiten, welche stets in kurzen Zwischenräumen ausbrächen 
und alsdann einen grossen Theil der Bevölkerung hinrafften, 
hierdurch wesentlich gefördert würden, in ihrer Bedeutung nicht 
einmal verstanden wird, so verzichten wir, um möglichst schnell 
den keineswegs lieblichen Düften zu entfliehen, auf eine Besich- 
tigung des Gartens, in welchem sparsam Blumen, im Frühjahr 
Primeln und weisse Lilien, im Sommer Nelken und Rosen im 
Schatten hochgewachsener Obstbäume nur kümmerlich gedeihen, 
und eilen in das Haus zurück. 

Mit einem grossen schweren Schlüssel wird in der rechten 
Vorderstube das an der Innenseite der Thür befindliche, in zier- 
licher Schmiedearbeit hergestellte Kastenschloss geöffnet. Wir 
betreten das Zimmer, in welchem sich das ganze häusliche Leben 
der Familie abwickelt. Sein Fussboden ist nicht, wie in den 
meisten anderen Häusern, aus Lehmschlag hergestellt, sondern 
er besteht aus schön glasirten, mannigfach geformten Ziegel- 
steinen, den aus Holland bezogenen Astraken. Auf denselbeii 
sind, wie noch jetzt in Schweden, Binsen und grüne Blätter 
ausgestreut. Die Wände sind fast bis zur Manneshöhe mit einem 
einfach verzierten Panelwerk bedeckt; die oberhalb desselben 
belegene Wand, welche früher alljährlich zu Pfingsten frisch 
geweisst wurde, ist seit kurzem mit aus Flandern bezogenen 
gepressten Ledertapeten bekleidet. Die Decke ist niedrig und 
nur mit Kalk übersetzt. Das grosse Fenster, das durch hölzerne 



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— 13 — 

Pfosten dreigetheilt ist, besteht aus kleinen, in Blei gefassten 
rautenförmigen Scheiben von grünlichem Schimmer; in jeder 
Abtheilung hat der Hausherr das ihm und seiner Frau zuständige 
Wappen aus farbigem Glase angebracht. Das Fenster reicht bis 
nahe an den Erdboden hinab und lässt nach innen eine breite 
Brüstung frei. Auf dieser liegt ein reich gesticktes Kissen, am 
Tage der Lieblingssitz der Frau und ihrer Töchter, da sie von 
hier aus sich an dem bunten Leben, das sich auf den Strassen 
bewegt, ungestört erfreuen und für ihre *Flick- und Stopfarbeiten ge- 
nügendes Licht gewinnen können. In der Nähe des Fensters steht 
ein langer eichener Tisch, der an eine fest an der Wand ange- 
brachte Bank hinangerückt ist. An seiner dem Fenster abge- 
wandten Seite schauen wir einen massiven Lehnstuhl, dessen 
Seiten- und Rückenlehne geradlinig verlaufen ; es ist der Sitz des 
Hausherrn. Neben demselben stehen an der anderen Seite des 
Tisches mehrere niedrige Höcker. Für die Bank und den Lehn- 
stuhl sind reich gestickte Kissen vorhanden; die Höcker ent- 
behren solcher, denn sie dienen bei den Mahlzeiten als Sitz für 
das Gesinde und die Hausarmen, die an bestimmten Tagen 
jeder Woche von den Reichen an ihren Tisch geladen werden. 
Den Hauptschmuck des Zimmers bildet das Bett. Während es 
von Handwerkern und geringen Leuten in einem dem Panelwerk 
eingefügten, mit Thüren versehenen Schrank den Blicken ent- 
zogen wird, baut es sich hier an der rückwärts gelegenen Wand 
gar mächtig und prächtig auf. Die Bettstelle ist allerdings nur 
einfach aus Holz zusammengefügt; aber hoch schwellen die 
Kissen, und bedeckt sind sie von einer reich gewirkten aus 
Flandern bezogenen Decke, die auf beiden Seiten bis an den 
Fussboden hinabreicht. Daneben ist an der Wand ein kleines 
Bord angebracht, auf dem eine auf Pergament geschriebene platt- 
deutsche Uebersetzung der Evangelien, mit Miniaturen geschmückte 
Gebetbücher und einige der seit kurzem in Lübeck gedruckten 
Erbauungsbücher aufgestellt sind. Seine Wärme erhält das Zimmer 
während der Winterzeit durch einen grossen, nur von aussen 
heizbaren Ofen, der aus grünglasirten , topfförmig vertieften 
Kacheln besteht. Er ist erst vor kurzem errichtet und der be- 
sondere Stolz des Hausherrn, und doch soll er sich noch gerne 
der Zeiten erinnern, als er und seine Famihe sich des Abends 



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— 14 — 

an einem offenen, mit Kohlen geheizten Kamin versammelten, 
ihre entblössten Füsse am Feuer wärmten und sich freuten, wie 
viel besser sie es doch hätten, als die vielen, die sich zur Er- 
wärmung ihrer Räume mit einer Pfanne begnügen müssen, in 
der glühende Holzkohlen aufgehäuft sind. Einrichtungen, die 
damals und noch viele Jahre später in den Räumen des Raths- 
kellers, auf der Rathhausdiele , auf der noch jetzt die grosse 
kupferne Pfanne liegt, und wohl auch im Rathssaale bestanden, 
denn letzterer erhielt erst im Jahre 1572 einen Ofen, was, wie 
der Chronist Rehbein berichtet, bis dahin unmöglich schien. 

Der an der anderen Seite der Diele belegenen Stube sieht 
man es sofort an, dass sie nicht in täglichem Gebrauch steht; 
es ist die sogenannte beste oder Staatsstube, die nur bei beson- 
deren Veranlassungen erschlossen wird. Ihre Einrichtung ist die 
nämliche, wie in der soeben beschriebenen; nur ist das Getäfel, 
welches die Wände bekleidet, reicher geschnitzt und mit einer 
grossen Zahl von Verschlagen versehen. Die Ledertapete, auf 
welcher zwei von einem Lübecker Maler gefertigte Heiligenbilder 
hängen, ist auf das schönste mit Gold verziert. Von der weissen 
Gypsdecke, an welcher goldig gemalte Sterne angebracht sind, 
hängt ein künstlich gearbeiteter runder messingener Reifen herab, 
an dessen Aussenrande mehrere Wachslichte befestigt sind. Das 
von aussen eindringende Licht wird durch einen seidenen Fenster- 
vorhang gedämpft. Auf der Platte des grossen Tisches ist in 
eingelegter Arbeit eine Schlacht aus der jüdischen Geschichte 
dargestellt. Das Bett ist so schmal, dass es nur einer Person 
Raum gewährt ; nach oben wird es zum Theil von einem kleinen 
Baldachin überragt, an dem weisse, mit bunten Farben bestickte 
seidene Vorhänge angebracht sind. Auf ihm liegt ein reich ge- 
wirkter flandrischer Teppich, welcher die mit breiten Spitzen und 
mannigfachen Stickereien geschmückten und durch goldene Knöpfe 
zusammengehaltenen seidenen Kissenbühren unbedeckt lässt. An 
den Wänden stehen niedrige eichene Truhen, deren Vorderseiten 
mit Holzschnittwerk versehen und deren Deckel nach oben mit 
seidenen Kissen belegt sind, damit sie, wenn die Zahl der Be- 
sucher eine grössere ist, als Sitzplätze benutzt werden können. 
Eine nach der anderen werden sie uns von unserem freund- 
lichen Führer erschlossen. Die erste birgt den Leinenschatz der 



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— 15 — 

♦ 

Hausfrau. Er ist weit geringer, als wir erwarteten; denn für 
jedes Bett ist an Laken und Bühren nur soviel vorhanden, dass 
ein einmaliger Wechsel möglich ist. Unter der wenig zahlreichen 
Leibwäsche fallen zwei seidene Hemden in die Augen, von denen 
das eine zugleich mit einer Badekappe dem Manne am Hoch- 
zeitsmorgen von seiner Braut geschenkt ist, das andere von der 
Frau getragen wird, wenn sie Wochenbettsbesuche annimmt. 
Ihren höchsten Stolz bildet ein grosses aus Linnen hergestelltes 
Tischtuch, über welches eine kleinere, mit mannigfachen Figuren 
geschmückte, gleichfalls aus Leinen gefertigte Decke ausgebreitet 
wird. Noch reicher gestickt ist ein Tuch, mit welchem der zur 
Aufnahme des Silbergeräths bestimmte Credenztisch bedeckt wird. 
Servietten sind nicht vorhanden ; auch fehlt es an geringwerthigem 
Tischzeug, da solches für den täglichen Gebrauch keine Ver- 
wendung findet. In einer Ecke liegt zusammengerollt eine aus 
mehreren weichen Kalbfellen zusammengefügte Decke, die der 
Hausherr, wenn er auf Reisen geht, mit sich nimmt, um auf ihr 
in den mit Stroh gefüllten Gastbetten zu ruhen und sich gegen 
unangenehme nächtliche Angriffe zu sichern. 

Während wir mit der Besichtigung beschäftigt, sind die 
in einer anderen Truhe bewahrten Kleidungsstücke der Frau 
in der Stube ausgelegt. An erster Stelle sehen wir ein weiss- 
seidenes, an dem weit ausgeschnittenem Brustlatz und an 
den Aermeln reich mit Perlen verziertes Untergewand, das mehr 
als IOC Mark oder nach jetzigem Kaufwerth fast 3000 Mark 
gekostet hat. Als Ueberwurf dient bei festlichen Gelegenheiten 
eins von den drei daneben ausgebreiteten Kleidern. Sie sind 
aus schwerem, festem flandrischen Tuch gefertigt und nach oben 
sowie an den offenen Aermeln mit goldenen Zierrathen benäht, 
weshalb sie mit dem Namen »besmidete Röcke« bezeichnet 
werden. Ihre Taille wird dicht unter der Brust durch einen 
reich vergoldeten silbernen Gürtel zusammengefasst *, der Rock 
fällt in steifen Falten abwärts ; nach vorne ist er sehr kurz, damit 
das mit einer breiten Borde versehene Untergewand und die 
spitz auslaufenden Schuhe zu Gesicht kommen, nach hinten 
endet er in eine lange Schleppe. Von ihnen ist das eine 
scharlachroth, das andere grün und das dritte weiss. Während 
die beiden ersteren nebst dem Untergewand noch der Aussteuer 



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— i6 — 

angehören, ist das dritte der Frau vom Gatten geschenkt, als 
bei dem Feste, öjsls im Jahre 1478 der Rath dem in Lübeck 
zum Besuch verweilenden Herzoge Albrecht von Sachsen auf 
dem Rathhause gab, die Frauen der Patricier und der Mitglieder 
der Kaufleutecompagnie an einem Tage in rothen, am andern 
in weissen Kleidern erscheinen sollten. Weit einfacher ist ein 
scharlachrothes, am Sonntag beim Besuch der Messe und ein 
blaues, an Werktagen im Hause getragenes Kleid; doch sind 
auch diese aus flandrischem Tuch gefertigt. Von den Mänteln, 
die den Namen Hoiken führen, ist der vornehmste mit Hermelin, 
der nächstbeste mit weissen Fuchsfellen gefüttert ; für einen jeden 
ist ein mit Perlen gestickter Kragen vorhanden. Vier andere, 
daneben liegende Mäntel sind gleichfalls sämmtlich mit Pelzwerk 
versehen, doch ist dieses von geringerem Werthe; auf zweien 
sind goldene Zierrathe festgenäht, die beiden anderen bestehen 
aus Tuch, das aus Arras in Flandern bezogen ist. Als Kopf- 
putz dienen zuckerhutartige, aus Draht oder Pappe hergestellte 
hohe Aufsätze, die mit feinem Tuche bekleidet und reich mit 
Perlen und Goldschmuck verziert sind; von ihrer Spitze fallt 
ein Schleier bis weit über den Rücken hinab. 

Da der Werth dieser Garderobe sich nach unserem Gelde 
auf mehr als 12,000 Mark beläuft, so ist es für den Hausherrn 
erfreulich, dass die Mode nicht einem steten Wechsel unter- 
worfen ist; denn die Kleider, welche die Braut bei Abschluss 
der Ehe ihrem Manne zubringt, reichen meistens, bis der Tod 
sie abruft. 

Nur der Kopfputz unterliegt steten Veränderungen, und 
hieraus entsteht bei den grossen Kosten, die seine Anschaffung 
erfordert, mancherlei Grund zu Streit und Zwist zwischen den 
sonst friedlich mit einander lebenden Ehegatten. 

In der Truhe, welche für die Kleider des Mannes bestimmt 
ist, liegen enganschliessende Beinkleider, sich dem Körper an- 
schmiegende Unterröcke, weite bis fast an das Knie reichende 
Oberröcke und mit verschiedenartigem Pelzwerk gefütterte Mäntel. 
Um uns nicht zu ermüden, wird nur sein Festtagsanzug, den 
er bereits bei seiner Hochzeit getragen hat, hervorgeholt. Der 
untere Rock besteht aus grüner Seide, der obere aus dem feinsten 



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— 17 — 

scharlachrothen Tuch. Der letztere ist reich mit goldenen Zier- 
rathen benäht; an den Aermeln und an der Brust sind in ihm 
mehrere Schlitze angebracht, durch welche das seidene Hemd 
und das Untergewand hervorsehen; an den Oberarmen und auf 
den Schultern sind im Unterfutter starke Wattirungen angebracht, 
so dass es aussieht, als wenn der Kopf sich zwischen zwei 
Höckern erhebt. Hierzu trägt er aus dem feinsten Leder ge- 
fertigte Schnabelschuhe' und einen runden schwarzen Hut, um 
den ein breites weissseidenes Band, die Sendelbinde, geschlungen 
ist, das nach vorne in einer Schleife bis auf die Brust hinabfallt. 

Dass auch die Kleidung des Mannes einen sehr hohen 
Werth besitzt, entnehmen wir daraus, dass nach dem uns er- 
statteten Bericht ein gewöhnlicher Bürger für die Anschaffung 
seines Sonntagsrockes 500 bis 600 Mark unseres jetzigen Geldes 
verausgabt, und dass ein solcher gar häufig selbst an fern ge- 
legene Klöster letztwillig vermacht wird. 

Von dem Kinderzeug, das eine andere Truhe birgt, soll nur 
das rothsammtene Taufkleid, ein altes Erbstück der Familie, 
Beachtung verdienen; wir wenden uns daher sofort zu einer Be- 
sichtigung des Silberschatzes, der mehr als 100 löthige Mark wiegt 
und nach jetzigem Gelde einen Werth von fast 20,000 Mark 
besitzt. Es erschliessen sich uns die in der Wand befindlichen 
Schränke, und verwunderten Blickes schauen wir auf die Fülle 
des schön gearbeiteten, zum grösseren Theil aus Flandern be- 
zogenen Geschirrs. Grosse Pokale, die mit dem Wappen des 
Hausherrn verziert sind, silberne Weinkannen, auf deren einer 
das Bild des Ritters St. Georg steht, schön geschnitzte Kokus- 
nüsse auf silbervergoldeten Füssen, flache Schalen, aus denen 
süsser Wein getrunken wird, Konfektteller mit Schaufeln und 
Forken, Becher in grösster Zahl und von der mannigfaltigsten 
Gestalt, unter ihnen ein Dutzend, die in sich immer verjüngender 
Gestalt einer in den andern geschachtelt sind, silberne Füsse 
mit darauf geschrobenen Crystallgläsern, eine Wasserkanne nebst 
einer in ihrer Mitte mit dem Antlitz Christi verzierten grossen 
Schale, in welcher den Gästen, wenn sie sich zu Tische setzen 
und wenn sie sich von demselben erheben, Wasser zur Reinigung 
ihrer Hände verabreicht wird, Salzfässer, reich vergoldete Ess- 
löffel mit gewundenen Stielen für Festtage und ein Dutzend 

Hansische Geschichtsblätter. XV. 2 



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— i8 — 

einfachgestalteter für den täglichen Gebrauch und noch vielerlei 
anderes Geräth. Dies alles im Einzelnen zu betrachten, mangelt 
leider die Zeit; denn inzwischen ist ein mit Silber beschlagener, 
mit Elfenbeinschnitzereien verzierter Kasten geöffnet, in welchem 
der Goldschmuck des Hausherrn und seiner Frau aufbewahrt 
wird. An erster Stelle erblicken wir eine schwere goldene Kette 
mit einem grossen Kreuze, die, schon seit vielen Generalionen 
stets von dem Vater auf den ältesten Sohn vererbt, von dem 
Hausherrn als sein grösster Schatz betrachtet und nur bei den 
feierlichsten Gelegenheiten getragen wird. Der werth vollste 
Schmuckgegenstand der Frau ist die goldene Broche im jetzigen 
Werthe von 2000 Mark, die sie als Handtruwe oder Gelöbniss 
an ihrem Hochzeitstage von ihrem Manne geschenkt erhalten 
hat. Neben ihr liegen ein mit Löwenköpfen verzierter Gürtel der 
Frau und ein Gürtel des Mannes, an dem, befestigt durch eine 
silberne Kette, ein Messer hängt, dessen Scheide mit eingelegter 
Arbeit reich verziert ist. In einem anderen ]?ache schauen wir eine 
schwere Korallen-Halsschnur, verschiedene Rosenkränze, deren 
werthvollster aus grossen durchsichtigen Bernsteinperlen gebildet und 
mit einem daran hängenden goldenen Agnus Dei, Lamm Gottes, 
verziert ist, viele in durchbrochener Arbeit hergestellte Spangen, 
das schwere goldene Petschaft des Mannes, mannigfach geformte 
Knöpfe, durch welche die Kleider beider Eheleute vorne zu- 
sammengehalten werden, und zahlreiche mit Diamanten, Saphiren, 
Rubinen, Türkisen und grossen Perlen geschmückte Fingerringe. 
Unter den letzteren sind zwei von besonderem Interesse; der 
eine von ihnen enthält ein Stück von dem fabelhaften Einhorn, 
der andere einen Blutstein, der jeden Bluterguss sofort stillen soll. 
Nachdem sodann noch den Waffen des Hausherrn, dem 
Brustharnisch, den Beinschienen, dem Helm und dem grossen 
Schwerte, alles Erbstücke seiner Vorfahren, und der mit Elfen- 
bein ausgelegten, reich geschnitzten Armbrust, mit der er alle 
Frühjahr im Kreise der Patricier vor dem Burgthor nach dem 
Papageienvogel zu schiessen pflegt, ein flüchtiger Blick zu- 
geworfen ist, ergeht die Aufforderung, vor dem Fortgange sich 
von den Anstrengungen, die eine stundenlange Besichtigung ver- 
anlasst hat, durch einen kühlen Trunk Hamburger Bieres zu 
stärken. 



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— 19 — 

Während der Besichtigung der Vorzimmer ist die Diele in 
ihrem hinteren Theile mit Stroh belegt; ein grosser Tisch ist 
aufgeschlagen, an den rohe hölzerne Bänke ohne Rückenlehnen 
hinangerückt sind. Da es bereits dunkelt, ist von der Decke 
ein grosser tonnenbandartiger Reifen herabgelassen und mit 
brennenden Talglichtern besetzt. Zinnerne Krüge aufzusetzen 
und sie mit Bier zu füllen, das aus dem benachbarten Ham- 
burger Bierkeller herbeigeholt ward, ist die alte Frau beschäftigt, 
der wir schon früher am Küchenheerd begegneten. Da unser 
Führer, um alles wieder in Ordnung zu bringen, uns noch nicht 
gefolgt ist, so lassen wir uns mit ihr in eine Unterhaltung ein 
und erfahren, sie sei die Amme der Hausfrau und mit ihr in 
das Haus gekommen : jetzt sei sie alt und kümmerlich und, da 
sie nicht Neigung habe, wie andere bejahrte Dienstboten, in ein 
Beginenhaus einzutreten und dort frommen, geistlichen Uebungen 
obzuliegen, so habe ihr der Herr versprochen, sie in einen unter 
seinem Patronat stehenden Armengang aufzunehmen ; alsdann sei 
sie nur verpflichtet, abwechselnd mit den anderen Frauen unent- 
geltlich in Krankheitsfällen oder bei Wochenbetten der Familie 
und ihrer sämmtlichen Angehörigen die Pflichten einer Wartefrau 
zu erfüllen. An sie richten wir eine Frage, die uns schon früher 
auf der Zunge gelegen, die wir uns aber gescheut hatten dem 
jungen Geisüichen vorzutragen : was es für eine Bewandtniss 
habe mit dem schmalen Bett in der Staatsstube und der grossen 
Bettstatt, die im Wohngemach aufgeschlagen sei, und wo sich die 
Schlafstuben der Kinder befänden. Von ihr erfahren wir nun, 
dass das erstere nur benutzt wird, wenn sich die Familie um 
einen Sprössling vermehrt. Zwanzig Frauen aus der Verwandt- 
schaft und Bekanntschaft, aber keine grössere Zahl, so will es 
der Rath^ dürfen sich dann hier versammeln; eine jede von 
ihnen hat später der mit einem weissseidenen Hemde im Pracht- 
bette ruhenden Wöchnerin ihren Besuch abzustatten; aber nur 
ihrer zwölf dürfen das Kind, wenn es zur Taufe in die Kirche 
getragen wird , dahin begleiten ; auch dürfen sich nur diese der 
Frau anschliessen , wenn sie ihren ersten Kirchgang hält. Bei 
jeder solchen Gelegenheit werden sie mit Speise und Trank, 
namentlich aber mit vom Apotheker gefertigten Confituren und 
mit süsser Mandelmilch festlich bewirthet. Erst wenn das Kind 



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das fünfte Lebensjahr vollendet, haben die Pathen ihm ihre 
Geschenke auszuhändigen. Das grosse Bett in der Wohnstube 
ist die Schlafstelle der ganzen Familie; in seiner Mitte ruht das 
Ehepaar, an der Seite der Frau ihre Töchter, neben dem Manne 
seine Söhne. Sie sind lediglich mit einer Nachtmütze bekleidet, 
damit sie sich den Kopf, den sie während des ganzen Tages 
fortdauernd mit einem Hute oder einer Mütze bedeckt halten, 
während der Nacht nicht erkälten. Dass die Frau zu den vor- 
nehmsten Bräuten der Stadt gehört habe, könnten wir daraus 
ersehen, dass die mit Federn ausgestopften Kissen vjz Schiff- 
pfund, d. h. 450 Pfund, wögen : denn der Rath gestatte in seiner 
Weisheit ein solches Gewicht nur den Reichsten-, die weniger 
Bemittelten müssten sich mit 300 Pfund, die Aermeren mit 150 
Pfund Federn begnügen. 

Während dessen war auch der Geistliche erschienen und 
hatte am oberen Ende der Tafel seinen Platz eingenommen. 
Zahlreich und mannigfach waren die Fragen, die ihm von allen 
Seiten vorgelegt wurden und, da er sich auf das bereitwilligste 
ihrer Beantwortung unterzog, so gewannen wir binnen kurzem 
ein anschauliches Bild von dem häuslichen Leben der da- 
maligen Zeit. 

Im Sommer zwischen 5 und 6 Uhr, im Winter eine Stunde 
später, erhebt sich die Familie aus den Federn. Nachdem sie 
in der zunächst belegenen Kirche an der Frühmesse theil- 
genommen, wird die Morgensuppe verzehrt; dann geht es an 
die Arbeit. Wäre der Hausherr ein Mitglied des Rathes, so 
müsste er an zwei Tagen der Woche im Sommer vor 7, im 
Winter vor 8 Uhr in die Chorräume der Marienkirche eilen, um 
sich von dort unter dem Vortritt der Bürgermeister in feierlichem 
Zuge bei Glockengeläute in den Rathssaal zu begeben; die 
Nachmittagssitzungen des Rathes beginnen um 2 Uhr. Da er 
döiiioelben nicht angehört, so kann er sich ungestört seinen 
Berufsgeschäften widmen. Zwischen 11 und 12 Uhr erwartet 
ihn die Frau zum Mittagessen; dann beginnt die Arbeit von 
Neuem, bis zwischen 4 und 5 Uhr das Vesperbrod verzehrt 
wird. Nach demselben begiebt er sich an schönen Sommer- 
abenden mit seiner ganzen Familie hinaus auf den Garten , den 
er vor den Thoren der Stadt besitzt, um die wenigen Blumen, 



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die ihn zieren, mit eigener Hand zu pflegen, das Gemüse und 
die Früchte der Obstbäume zu ernten und sich zu erlustigen 
an den ausgelassenen Spielen der Jugend, die ganz dieselben 
sind, wie in der Gegenwart. Die Nacht kann er dort nicht 
zubringen ; denn es ist nur ein hölzerner Schuppen, der sogenannte 
Bergfriede, vorhanden, der die Geräthschaften birgt und höchstens 
bei Regenwetter einen Unterschlupf gewährt. Zur Winterzeit ver- 
weilt er am Abend im Versammlungssaal der Compagnie, der 
er angehört, oder, wenn er ein Handwerker ist, im Zunfthause; 
bisweilen wird auch dem Rathskeller oder dem Hamburger Bier- 
keller ein Besuch abgestattet. Ist die Frau noch jung und heb- 
reizend, oder stellen sich bei ihm bereits die Gebrechen des 
Alters ein, dann verbringt er auch den Abend im eigenen Hause, 
lässt sich einen Krug Bier oder ein Stübchen Wein holen, denn 
der eigne Keller enthält hiervon keine Vorräthe, und, indem 
Mann und Frau wechselweise demselben zusprechen, unterhalten 
sie sich von den Freuden und Leiden des Tages oder vertreiben 
sich die Zeit mit einem Brettspiel oder sie holen von Nürnberg 
bezogene schöngemalte Kartenblätter hervor. Mindestens einmal 
in der Woche wird ein Dampfbad genommen. Die reichen 
Leute besitzen die hierzu erforderlichen Einrichtungen zumeist 
im eigenen Hause; die übrigen suchen mit ihren Frauen eine 
öffentliche Badestube auf, um, nur mit einem Badeschurz be- 
kleidet, ohne Trennung der Stände und der Geschlechter sich 
im gemeinsamen Bade vom Schmutz des Alltagslebens zu reinigen 
und sich nachher im Wartezimmer durch einen Schluck kühlen 
Bieres zu erfrischen. Nur bei festlichen Gelegenheiten endigt 
das Tagewerk später als um 9 Uhr. 

Was hast Du gegessen, was hast Du getrunken? Diese 
Fragen, die wir jetzt noch so oft hören und so vielfach beant- 
worten müssen, haben für die damalige Zeit eine viel grössere 
Bedeutung; denn auf gutes Essen und Trinken wird ein beson- 
derer Werth gelegt. Kaffee, Thee und Chocolade, die noch 
unbekannt sind, werden ersetzt durch eine Milch- oder Biersuppe, 
in welcher Hafer-, Gersten- oder Hirsegrütze verkocht ist. Brod 
giebt es dreierlei Art : das jetzt noch gebräuchliche Schwarzbrod, 
sodann Schönrocken, ein unserm Landbrod ähnliches, aus einem 
Gemisch von Roggen und Weizen bestehendes Gebäck, und 



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endlich Weissbrod, das in zweierlei Gestalt als Semmeln oder als ' 
Dreitimpen hergestellt wird. Letztere haben eine keilförmige 
Gestalt und sind an ihren drei Ecken mit einem grossen Knust 
versehen ; bis in die Mitte dieses Jahrhunderts hatten die Bäcker 
sie als Meisterstück anzufertigen; da aber keiner als Gesell 
solches gelernt hatte, so musste stetig der einzige hierin geübte 
Meister gegen hohes Entgeld mit seiner Kunst aushelfen. Zu 
Fastnacht werden heisse Wecken, an den hohen Festtagen mit 
Kümmel und Anis bestreute mondförmige Brode gebacken. Bei 
den Hauptmahlzeiten, die noch nicht durch eine Suppe ein- 
geleitet werden, spielen sehr stark gewürzte Fleischspeisen die 
Hauptrolle ; von den ärmeren Leuten wird auch das Ziegenfleisch 
nicht verschmäht. Am Martinstage darf auf keinem Tische die 
sogenannte Martinsgans fehlen. Während der Fasten und an 
jedem Freitag erscheinen auf dem Tische ausser den frischen 
Fischen, welche die benachbarten Gewässer liefern und von 
denen Lachse damals noch in grosser Zahl an dem der Stadt 
gehörigen, bei der Lachswehr belegenen Wehre gefangen wurden, 
gesalzene Dorsche und Heringe, geräucherte Stockfische, Butte, 
Hechte und Brachsen, sowie gedörrte Flossfedern des an den 
dänischen Küsten gefangenen Heilbutts. Besonders beliebt ist der 
in der Elbe vorkommende Stör, den der Hamburger Rath bis 
zum Anfang des Jahrhunderts alljährlich dem Lübecker Rath 
geschenkt hatte und den letzterer, damit seine Mitglieder jener 
Delikatesse nicht gänzlich entbehren sollten, später für Rechnung 
der Stadt von dort bezieht und unter sich vertheilt. Zur Fasten- 
zeit erhält die Hausfrau die erwünschte Gelegenheit, ihre Kunst 
in der Bereitung mannigfaltiger Eier- und Mehlspeisen zu be- 
weisen. Als Gemüse, das nur in beschränktem Maasse als Zu- 
kost benutzt wird, sind Erbsen, Rüben, Petersilienwurzeln und 
vor allem Kohl sehr beliebt; Spargel, Spinat, Sauerampfer und 
Kartoffeln sind noch unbekannte Genüsse. Im Sommer und 
Herbst darf frisches Obst, namentlich auch Weintrauben, die mit 
besonderer Vorliebe gezogen werden, auf der Tafel nicht fehlen. 
Rosinen und Mandeln werden nur an Sonntagen und bei fest- 
lichen Gelegenheiten verabreicht. Käse bildet die gewöhnliche 
Zukost zum Vesperbrod. Die Speisen, welche in einer grossen 
zinnernen Schüssel aufgetragen werden, sind, wenn ein Koch 



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— 23 — 

dem Hausstande angehört, bereits vorher von diesem zerlegt; 
anderenfalls zertheilt sie der Hausherr mit dem Messer, das er 
stetig an seiner Seite trägt. Ihm liegt auch, wie noch jetzt in 
England, die Verpflichtung ob, sie unter die Tischgenossen zu 
vertheiien, die ihm zu diesem Behufe ihre kleinen hölzernen 
Essschalen darreichen. Wie im gewöhnlichen Leben, so auch 
bei den festlichen Gelagen, bei denen nach einer noch in späterer 
Zeit beobachteten Sitte die Männer an der einen, die Frauen 
ihnen gegenüber an der anderen Seite des Tisches ihren Platz 
angewiesen erhalten, müssen sich stets zwei Personen mit einer 
Schüssel begnügen, aus der sie, da Gabeln noch nicht gebräuch- 
lich sind, die Speisen mit einem Löffel, zumeist aber mit ihren 
Fingern dem Munde zuführen. Muss das Fleisch vorher noch 
weiter zerkleinert werden, so bedient man sich hierzu eines mit 
einem schön geschnitzten Holz- oder HomgriflF versehenen Messers, 
deren mehrere zerstreut auf der Tafel umherliegen. 

Ein täglicher Einkauf der zum Lebensunterhalt erforderlichen 
Gegenstände ist nicht üblich ; dieselben werden vielmehr nament- 
lich im Beginn des Winters in grösseren Mengen angeschafft. 
Die Gelegenheit hierzu bieten die grossen Viehmärkte, welche 
allwöchentlich vor dem Rathhause abgehalten werden. Die er- 
standenen Thiere werden von hierzu eigens angestellten Schläch- 
tern im Hause des Käufers geschlachtet und, wenn es gelungen 
ist, ein durch seine Grösse ausgezeichnetes Stück zu erlangen, 
am Tage mit Blumen, am Abend mit Lichtem geschmückt in 
der geöffneten Hausthür zur öffentlichen Schau ausgestellt. Wie 
gross die Vorräthe sind, die in einem einzelnen Hausstand auf- 
gehäuft werden, erfahren wir daraus, dass der Lübeckische 
Rathssecretär , bei dem unser Geistlicher als Schreibknecht in 
der Lehre gewesen, alljährlich einzunehmen pflegt: drei grosse 
Ochsen, sechs gute Schweine, ein grosses Speckschwein, fünf 
Seiten Speck, zehn Hammel, eine Tonne Heringe, eine Tonne 
gesalzenen Dorsch, hundert Stockfische, fünf Schock in Pfeffer 
und Essig gelegte Neunaugen, sowie geräucherte Lachse und 
sonstige Fische mancherlei Art. 

Unter den Getränken nimmt die erste Stelle das Bier ein, 
das, da Branntwein nur in den Apotheken als Arznei verab- 
reicht wird, in unglaublichen Mengen vertilgt wird und zwar 



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— 24 — 

gleichmässig von den Männern wie von den Frauen. Das in 
Lübeck gebraute Bier ist nur bei den unteren Klassen der Be- 
völkerung beliebt; seinen grossen Ruf erlangte es erst im An- 
fang des folgenden Jahrhunderts, als ein Kaufmann Israel, von 
dem es später seinen Namen erhielt, die Hamburger Brauart ein- 
führte und ein in der unteren Fischergrube wohnender Brauer 
die Herstellung von Weissbier, nach ihm Vrillenbier benannt, 
erfand. Die höheren Stände erlaben sich vornehmlich am Ham- 
burger Bier; bei festlichen Gelegenheiten tritt an seine Stelle 
Braunschweiger Mumme oder Eimbecker Bier, welches letztere 
auch vom Rathe zu Geschenken an hier weilende Fürsten und 
deren Gesandte benutzt wird. Während wir den französischen 
Wein allen anderen vorziehen und glauben, dass er bei der Un- 
gunst unserer Witterung der Gesundheit besonders zuträglich ist, 
begünstigten unsere Vorfahren den Rhein- und Frankenwein. Je 
älter er ist, desto höher wird er geschätzt; doch verschmähen 
sie auch nicht den noch gährenden Most, von dem die zuerst 
in Lübeck anlangende Fuhre alljährlich unter grossem Zulauf der 
Bevölkerung mit Trommelschlag in den Rathskeller geleitet wird. 
Um die Säure zu mildern, wird der Wein in den Apotheken 
mannigfach mit Gewürzen versetzt; dort auch kauft man den 
aus Honig bereiteten Meth. 

Zu zeigen, was Küche und Keller zu leisten vermögen, dazu 
bietet sich, da grössere Gesellschaften nicht üblich sind, vor- 
nehmlich dann Gelegenheit, wenn eine Tochter des Hauses in 
den Ehestand tritt. Bevor es soweit kommt, sind langdauemde, 
mühsame Verhandlungen erforderlich. Sobald das in einem 
Kloster erzogene Mädchen im 13. Jahrhundert das 13., im 15. 
das 15. Lebensjahr vollendet hatte, galt sie als heirathsfähig. 
Wenn nicht bereits in früheren Jahren getroffene Abmachungen 
bestehen, so halten alsdann ihre Eltern Rundschau unter den 
jungen Männern, die ihr im Vermögen gleichkommen. Ist ein 
geeignet erscheinender Schwiegersohn ermittelt, so werden Be- 
ziehungen zu seinen Eltern angeknüpft und mit ihnen gehandelt 
und gefeilscht über die Summe, welche beide Theile ihren Kin- 
dern mitgeben sollen. Männer, die ihr Vermögen nicht von den 
Eltern ererbt, sondern durch eigenen Fleiss erworben haben, 
können daher, wenn sie sich standesgemäss verheirathen wollen, 



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— 25 — 

erst im vorgerückten Lebensalter zur Ehe schreiten; ihr Augen- 
merk werfen sie vornehmlich auf reiche Wittwen, mit deren Vor- 
mündern die Verhandlungen geführt werden. Wenn das Ge- 
schäft, denn ein solches im vollsten Sinne des Wortes war dazu- 
mal die Eingehung einer Ehe, endlich zum Abschluss gebracht 
ist, so findet die Verlobung statt, der gewöhnlich schon nach 
einigen Wochen, nachdem zuvor die Verlobten eine öffentliche 
Badestube besucht und dort gemeinsam ein Bad genommen 
haben, die Hochzeit folgt. Die Festlichkeit, für deren Einrichtung 
und Ordnung aus dem Kreise der nächsten Verwandten ein 
Schafifer und eine Schafferin gewählt werden, beginnt bei den 
Reichen am Vormittage, bei den Aermeren gegen Abend, wes- 
halb sie als Tag- oder Abendhochzeit bezeichnet wird. Für 
eine jede derselben hat ein hochweiser Rath in Bezug auf 
die Zahl der einzuladenden Gäste, die Menge der zu verab- 
reichenden Speisen und Getränke, die Zahl der anzustellenden 
Musikanten und die zu beobachtenden Gebräuche ins einzelne 
gehende Vorschriften erlassen; diese werden aber trotzdem, dass 
der Spielgreve die Aufsicht zu führen und die Eltern der Braut- 
leute und der junge Ehemann am Freitag nach der Hochzeit 
vor Rathsherren eidlich zu versichern haben, dass ihnen nicht 
zuwidergehandelt sei, nicht innegehalten, da jede Ueberschreitung 
durch Geld gebüsst werden kann. Nachdem sich die Gäste, 
von denen bei den Reichsten 80 geladen werden dürfen, von 
Posaunenschall begrüsst, im Brauthause versammelt haben, ge- 
leiten sie die Brautleute unter Vortritt der Rathsmusici, die auf 
Kosten des Bräutigams neu bekleidet sind , in die Kirche. So- 
bald die Trauung vollendet und der Zug in das Brauthaus 
zurückgekehrt ist, setzt man sich an die auf der Diele aufge- 
schlagenen Tafeln. Die Musikanten erhalten ihren Platz auf der 
offenen Gallerie. Vier Gerichte, deren jedes aus einer grösseren 
Zahl verschiedenartiger Speisen besteht, sowie 60 Pasteten werden 
nach einander aufgetragen; dazu dürfen 2 Ohm Rheinwein, also 
ungefähr 250 Flaschen verzapft werden; ausserdem wird Ham- 
burger Bier — Übereibisches ist verboten — in unbeschränktem 
Maasse getrunken. Nach Beendigung der Tafel geht der junge 
Ehemann, gefolgt von einer grösseren Zahl seiner Genossen, von 
Haus zu Haus bei seinen nächsten Verwandten umher, von denen 



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— 26 — 

er mit süssem Wein und Confitüren bewirthet wird. Endlich — 
fragen Sie aber nicht in welchem Zustande — zu seiner jungen 
Frau zurückgekehrt, wird er mit ihr unter Vortragung von vier 
Fackeln in seine eigene Wohnung geleitet. Bevor er die Schwelle 
des Hauses überschreitet, giebt ein loser Bube, trotzdem dass solches 
bei einer Strafe von 3 Pfd. Silber untersagt ist, einem bis dahin 
unter dem Mantel verborgenen schwarzen Hahn die Freiheit, der 
dann hoch über den Köpfen der. jungen Eheleute als der erste 
seinen Einzug in das Haus hält. Empfangen werden sie von 
Schaflfer und Schaflferin und den nächsten Verwandten , die das 
ganze Unterhaus durch Wachskerzen, deren jede 14 Pfund wiegen 
darf, haben erleuchten lassen und die ihnen das Ehebett bereit 
halten. Ebendieselben Personen stellen sich schon früh am 
andern Morgen wiederum ein, um sich nach dem Wohlergehen 
des Ehepaares zu erkundigen und gemeinsam mit ihm Morgen- 
suppe und Mittagessen zu verzehren; Hochzeitsgeschenke zu be- 
schauen und zu bewundern, ist keine Veranlassung; denn solche 
zu verabreichen, ist nur erlaubt, wenn die Mitgift der Braut die 
Summe von 1 00 Mark nicht überschreitet ; auch dürfen sie in einem 
solchen Falle nur in Grapen und anderen Küchengeräthen bestehen. 

Da die Mitgift der Braut so reichlich bemessen wird, dass 
sie mit dem Empfang derselben vom Vermögen ihrer Eltern 
gänzlich und für alle Zeiten abgefunden wird, so müssen die 
letzteren, wenn ihnen eine grössere Zahl von Töchtern bescheert 
ist, um nicht durch die ihnen gereichte Aussteuer selbst in Be- 
drängniss zu gelangen, darauf Bedacht nehmen, einzelne von 
ihnen in ein Kloster zu schicken; denn der Eintritt in dieses 
kostet mit der Ausrüstung nur 300 Mark. Ihre Einkleidung 
giebt gleichfalls zu einem festlichen Gelage die Veranlassung; 
doch hat der Rath solches möglichst eingeschränkt und verboten, 
dass das Geleit in das Kloster unter Vorantritt der Spielleute 
geschehe. 

Alle anderen Feste werden ausserhalb der Räume des eigenen 
Hauses gefeiert. 

Am I. Mai geht man hinaus in den Wald und holt von 
dort Maienbüsche, mit denen die Kirchen, das Rathhaus und 
die eigene Wohnung ausgeschmückt werden. Zur selben Zeit 
schiessen die Vornehmen unter grossem Zulauf des Volkes nach 



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— 27 — 

dem Papageienvogel. Zu Mittsommer, also zu Johannis, ziehen 
die Patricier mit ihren Frauen hoch zu Ross durch die Strassen 
der Stadt, um auf der benachbarten Olavsburg die Freuden des 
Lebens zu geniessen. Die Hauptfestzeit bilden die drei ersten 
Tage der Fastenwoche. Dann füllen sich die Strassen mit Ver- 
mummten, die allerlei Scherz und Kurzweil treiben. Junker und 
Mitglieder der Kaufleutecompagnie durchfahren, begleitet von 
einzelnen ihrer Frauen, auf burgartig aufgebauten Wagen die 
Strassen der Stadt, um auf offener Gasse Schauspiele aufzuführen ; 
in allen Compagnie- und Zunfthäusern wird, bis weit in die 
Nacht hinein, gesungen, getanzt und vor allem wacker ge- 
zecht, bis dann die stille Zeit allem Lärm und Unfug plötz- 
lich ein Ende bereitet und einen Jeden dazu nöthigt, sich 
seines Seelenheils zu erinnern. Der Gedanke an dieses lastet 
überaus schwer auf den Gemüthern der Einzelnen; denn nach 
der Lehre der katholischen Kirche haben sie zu befürchten, dass, 
wenn der Tod sie ereilt, ihre Seele sich erst im Fegefeuer einer 
Läuterung unterziehen muss. Die Schrecken desselben werden 
von der Geistlichkeit bei jeder Gelegenheit auf das lebhafteste 
ausgemalt, zugleich aber darauf hingewiesen, dass seine Zeitdauer 
sich durch gute Werke, durch Seelenmessen und durch Gebete 
dritter Personen erheblich abkürzen lasse. Deshalb ist ein Jeder, 
dem seine Mittel es gestatten, schon bei seinen Lebzeiten stets 
bereit, mit offener Hand Almosen zu vertheilen und zwar nicht 
nur an solche Hausarme, die von ihm regelmässig Verpflegung 
und Kleidung erhalten, sondern auch an alle diejenigen, die 
bettelnd von Haus zu Haus ziehen (für sie hängt an einzelnen 
Stellen hinter der Hausthür eine hölzerne Kanne, in der ihnen, 
so oft sie es wünschen, vom Koche Lübeckisches Bier verab- 
reicht wird), oder an diejenigen, die auf den Kirchhöfen und in 
den Kirchen an festen, unveränderlich von ihnen eingenommenen 
Plätzen um eine Gabe ansprechen. Am reichlichsten bedacht 
werden die Aussätzigen, die in dem vor dem Thore belegenen 
St. Jürgen - Hospital Aufnahme finden und die allen das Thor 
passirenden eine Sammelbüchse entgegenstrecken, sowie die Nonnen, 
die aus neun verschiedenen, zum Theil weit entlegenen Klöstern 
alljährlich während der Fastenzeit nach Lübeck kommen und 
auf den Kirchhöfen Geschenke für ihr Kloster einsammeln. 



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- 28 — 

Vor allem aber nimmt man darauf Bedacht, in den letzt- 
willigen Verfügungen durch zahlreiche Vergabungen für das zu- 
künftige Seelenheil Sorge zu tragen. Dass in ihnen mehr als ein 
Dritttheil des Nachlasses zu milden Zwecken ausgesetzt wird, ist 
keine seltene Erscheinung. Den Insassen der in einem weiten 
Kreise die Stadt umgebenden Siechenhäuser und den Kranken, 
die in dem noch als Krankenhaus benutzten Heiligen Geist- 
hospital auf den Betten liegen , soll eine Gabe in die Hand ge- 
drückt werden ; hunderte von Ellen des geringwerthigen Lübecker 
oder Stendaler Tuchs sowie viele Dutzend Schuhe sind anzu- 
kaufen, um Bedürftige mit ihnen zu bekleiden; in den öffent- 
lichen Badstuben soll einer grossen Zahl von Armen ein freies 
Bad, das sogenannte Seelbad, bereitet und nach Benutzung des- 
selben Speise und Trank verabreicht werden. Stets aber wird 
hieran die Bedingung geknüpft, dass die Bedachten für das 
Seelenheil des Entschlafenen zu Gott beten sollen. Da Gebeten 
an den heiligen Stätten von Jerusalem, an den Altären der Mär- 
tyrer in, Rom und an Wallfahrtsorten, unter denen seit einigen 
Jahren das heilige Blut zu Wilsnack im höchsten Ansehen steht, 
eine besondere Kraft zugeschrieben wird, so wird fast regel- 
mässig bestimmt, dass nach einem oder mehreren dieser Orte 
ein Pilger ausgesandt werde ; oft auch sollen sich ihrer mehrere 
gemeinsam auf die Reise machen; ja, Claus Vinkenfänger , der, 
wie sein Name es schon andeutet, an der Spitze der reitenden 
Diener steht, verlangt sogar, dass sich ihrer siebzig bei dem 
vor dem Burgthor an der Roeckstrasse noch jetzt stehenden 
Kreuze versammeln und von hieraus vereint nach Wilsnack 
pilgern sollen. Da der ihnen gezahlte Lohn sehr reichlich be- 
messen wird (für eine Fahrt nach Jerusalem erhalten sie loo 
Dukaten, für eine Reise nach Rom 50 — 60 Mark) und da in 
den meisten Städten durch gut eingerichtete Pilgerherbergen auf 
das beste für sie gesorgt wird, so findet sich stets eine genügende 
Zahl von Personen, die bereit sind, sich den Gefahren einer 
solchen Wallfahrt zu unterziehen ; selbst dann ist kein Mangel an 
ihnen vorhanden, wenn der Verstorbene in der Hoffnung, durch 
Mühe und Pein, der sich dritte Personen unterziehen müssen, 
für sich Gnade zu erlangen, begehrt hat, dass die Pilger »wullen 
unde barfot«, also bekleidet nur mit einem wollenen Gewände und 



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— 29 — 

ohne alles Fusszeug, ihre Reise zurücklegen sollen, wie denn 
auch stets unter einer grösseren Zahl sich Meldender die Wahl 
getroffen werden kann, wenn Jemand wünscht, dass zum Besten 
seiner Seele Arme auch ausserhalb der Fasten auf längere Zeit 
sich des Genusses von Fleisch gänzlich enthalten. 

Die reichlichsten Gaben werden aber der Kirche zugewandt, 
damit ihr Gebäude erhalten und weiter ausgebaut, der Gottes- 
dienst durch Errichtung neuer Altäre erweitert und in seiner 
äusseren Erscheinung glänzender gestaltet, in täglichen Seelen- 
messen, oft auf viele Jahre hinaus, für das Heil der Seele Gottes 
Barmherzigkeit angerufen und vom Predigtstuhle das Gedächtniss 
des Verstorbenen gefeiert werde. Vor allem aber soll, damit 
die Seele, geleitet von Gebeten der Geistlichen, die Himmels- 
pforte durchschreitet, unmittelbar nach dem Tode eine grössere 
Zahl von Seelenmessen gelesen werden. Um hieran einen An- 
theil zu erlangen, scheuen sich bedürftige Geistliche nicht, sobald 
die Kunde von dem Tode einer angesehenen und reichen Per- 
sönlichkeit zu ihnen gedrungen ist , im Sterbehause eine freund- 
liche Berücksichtigung zu erbitten; sie drängen sich hier dann 
mit den Armen, die aus der ganzen Stadt herbeiströmen, um 
bei der Austheilung von Pfennigen, der sogenannten Stipa oder 
Spende, ihre Hand auszustrecken. 

Gebettet in einen einfachen hölzernen Sarg, der bei den 
Reichen meist mit einem rothsammtenen Teppich bedeckt ist, 
wird die Leiche des Verstorbenen von Mitgliedern seiner Zunft 
oder Genossen der geistlichen Brüderschaft, der er angehört, oder 
auch von jungen Geistlichen unter Glockengeläute aus dem 
Sterbehause in die Kirche getragen und, nachdem die Einsegnung 
erfolgt ist, in ihr oder auf dem Kirchhofe bestattet. Sobald die 
Feierlichkeit beendet, eilen die Träger des Sarges in das Trauer- 
haus zurück, um hier mit den nächsten Verwandten bei einem 
fröhlichen Mahl des Entschlafenen zu gedenken. 

Wohlleben, Pracht und Herrlichkeit bildeten also damals die 
vornehmlichsten Zielpunkte aller irdischen Bestrebungen. Obwohl 
sie, wenigstens bei den Reichen, in Hülle und Fülle vorhanden 
waren, so fehlten ihnen doch, ausser gesunden und ausreichend 
bemessenen Wohnräumen , die mancherlei Annehmlichkeiten, 
welche jetzt selbst der Unbemittelte für nothwendige Bedürfnisse 



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— so — 

erachtet. Vor allem aber kann der äussere Glanz, mit dem 
sich unsere Vorfahren umgaben, keinen Ersatz gewähren für den 
Mangel an geistiger Bildung und an Liebe zur Kunst und Wissen- 
schaft, die in so reichem Maasse unser gegenwärtiges Leben 
verschönern. 

Sie werden daher auch wohl zufrieden sein, dass ich Sie 
nur durch ein Spiel der Phantasie in seit 400 Jahren ver- 
schwundene Zeiten versetzt habe. 



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II. 

DIE HANSE UND DIE DEUTSCHEN 
STÄNDE 

VORNEHMLICH IM FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERT. 



VORTRAG, 

GEHALTEN IN DER VERSAMMLUNG DES HANSISCHEN 
GESCHICHTSVEREINS ZU STETTIN 

VON 
G. FRHR- VON DER ROPP. 



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Jede eingehendere Betrachtung der politischen Geschichte 
der Hanse wird ihr Augenmerk in erster Linie auf die ausser- 
deutschen Beziehungen des Bundes zu richten haben. Doch 
wird sie zugleich nicht übersehen dürfen, dass die Hanse trotz 
aller Zurückhaltung von dem deutschen Reichsleben in mannig- 
facher Wechselwirkung mit demselben gestanden hat. In officielle 
Beziehungen zum deutschen Reiche ist sie allerdings zu einer 
Zeit eingetreten, da es für beide Theile zu spät war ; dafür haben 
jedoch sowohl der Städtebund wie dessen einzelne Glieder einen 
lebhaften und vollen Antheil an der Ausbildung und Entwicklung 
der innerdeutschen ständischen Gegensätze genommen, durch 
welche das Reichsleben seit dem dreizehnten Jahrhundert her so 
wesentlich mitbestimmt worden ist. — Diesen Antheil und die 
aus ihm sich ergebenden Wechselwirkungen in einem kurzen Um- 
riss zu schildern, ist die Aufgabe der nachfolgenden Zeilen. 

Der Niedergang der kaiserlichen und königlichen Gewalt 
hat das deutsche Reich seiner vorherrschenden Stellung innerhalb 
des abendländischen Staatensystems zu einer Zeit beraubt, da 
eine Fülle neu aufkommender politischer Bildungen neben den 
vorhandenen alten nach Luft, Licht und Raum strebte, um sich 
bethätigen zu können. 

Das territoriale Fürstenthum, zur Macht gelangt während 
der Kämpfe zwischen Kaisern und Päpsten, streifte den alten 
Amtscharakter ab und suchte die neue Landeshoheit auszuge- 
stalten. Für den neuen ritterlichen Adel, diese gleichfalls in der 
Zeit jener Kämpfe entstandene Mischung freier und unfreier Ele- 
mente, kamen mit den Romfahrten und Kreuzzügen alle grösseren 

Hansische Gcschichtsblättcr. XV. 3 



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— 34 — 

kriegerischen Unternehmungen in Wegfall, und wenn auch die 
jungen deutschen Kolonien im Osten ihm ein neues Gebiet reicher 
Thätigkeit eröffneten, der gesammte üeberschuss an kriegerischer 
Kraft wurde dadurch keineswegs aufgezehrt. Ohne einen ein- 
heitlichen Mittelpunkt, ohne Führung und ohne genügende Auf- 
gaben, sah er sich von oben durch die vordringende Landes- 
herrschaft, von unten durch das nicht minder um sich greifende 
städtische Wesen in seiner Stellung, seinen Rechten und Ein- 
künften bedroht. 

Das deutsche Bürgerthum wiederum regte sich um so that- 
kräftiger, je langsamer es sich bisher entwickelt hatte und je 
weiter der Kreis seiner Interessen sich ausdehnte, sowohl durch 
das Vordringen der deutschen Verkehrsgründungen gegen Osten, 
als auch durch die Eröffnung neuer Handelswege in Nord 
und Süd. 

Diese verschiedenen neuen Bildungen des socialen Lebens 
sonderten sich immer schärfer von einander, entbehrten aber ge- 
meinsam des Triebes nach einer universellen politischen Stellung 
und suchten, ebenso übereinstimmend, die Rücksicht auf ihre 
partikularen Interessen der Gesammtheit aufzuzwingen. 

Ihnen gegenüber hatte das Wahlkönigthum Rudolfs von 
Habsburg und seiner Nachfolger einen schweren Stand. Die 
alten Grundlagen der königlichen Machtstellung waren abhanden 
gekommen, und Angesichts der veränderten Lebensbedingungen 
der Nation mussten die einzelnen Herrscher völlig neue zu ge- 
winnen suchen. Und auch dieses vereitelte der Wechsel der 
Dynastien; die Erfolge des Einzelnen wurden nur für das be- 
treffende Haus bedeutungsvoll, das Königthum blieb machtlos 
und ausser Stande, einen Ausgleich der grossen ständischen Gegen- 
sätze im Reiche herbeizuführen. In steigender Erbitterung traten 
diese einander gegenüber^ und in ihren Kämpfen ging allenthalben 
das Gefühl für die gemeinsamen nationalen Aufgaben zu Grunde. 

Eine Erörterung der Ursachen dieser Erscheinung liegt 
ausserhalb der Aufgabe dieses Vortrags. Hier gilt es nur fest- 
zustellen, dass das deutsche Reich seit dem Ausgang des drei- 
zehnten Jahrhunderts eine Fülle der verschiedenartigsten politischen 
Bildungen umschloss und unter diesen die Ueberbleibsel der 
früheren Zeiten sich zähe neben den neuen Schöpfungen be- 



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~ 35 — 

haupteten: der Gegensatz zwischen Kaiser und Papst, das geist- 
iiche und weltliche Fürstenthum, die unzählbaren kleinen poli- 
tischen Existenzen des Herren- und Ritterthums, der städtischen 
und bäuerlichen Gemeinden. 

Unter ihnen beanspruchen die städtischen Gemeinden vor- 
zugsweise unsere Aufmerksamkeit. Den ersten nachhaltigeren 
Aeusserungen ihres politischen Lebens begegnen wir um die 
Mitte des 13. Jahrhunderts gleichzeitig im Norden und Süden, 
und es ist durchaus kein Zufall, dass die Akten der Hanserecesse 
fast genau mit dem Stiftungsjahr des grossen rheinischen Land- 
friedensbundes einsetzen. Ebenso können wir gleich zu Beginn 
eine Wechselwirkung wahrnehmen, insofern die umfassenden 
Friedensbestrebungen der rheinischen Gemeinwesen ein Seiten- 
stück in dem nicht minder umfassenden rostocker Landfrieden 
von 1283 fanden. Nur offenbart sich an diesem Punkte sofort 
auch der Unterschied, der zwischen den nord- und oberdeutschen 
Städten hinsichtlich ihrer Stellung zum Reiche obwaltete. Zum 
grossen Theile durch die geographische Lage bedingt, prägte er 
sich im Laufe der Zeit immer schärfer aus. Die rheinischen 
Städte traten für die Aufgaben der Reichsgewalt ein, nahmen 
des Reiches Gut unter ihre Obhut und widmeten auch dem 
Bauernstände ihre Fürsorge. Die mit alleiniger Ausnahme von 
Lübeck landsässigen pommerschen und wendischen Theil- 
nehmerinnen am rostocker Bunde erstrebten dagegen, wie der 
merkwürdige Vertrag rückhaltslos bezeugt, eine nähere Verbindung 
mit dem niederen Adel gegenüber dem Fürstenthum. 

Einen dauernden Erfolg hatten die Städte indessen weder 
im Norden noch am Rhein zu verzeichnen; dafür gab sich in 
dem verschiedenen Ausgang der gleichartigen Bestrebungen eine 
weitere innere Verschiedenheit der beiden Gruppen kund. 

Die mittel- und süddeutschen Städte zogen sich nach dem 
überraschend schnellen Zerfall ihres Landfriedensbundes wie ein- 
geschüchtert und erschreckt von der gemeinsamen Betheiligung 
an der Reichspolitik zurück, um in kleineren Kreisen mittelst 
neuer Vereinigungen das ihnen näherliegende Ziel, die Sicherung 
des heimischen Verkehrs, zu erstreben. Die norddeutschen da- 
gegen schritten unter Lübecks zielbewusster Führung unmittelbar 
nach errungener Deckung im Inlande zu festerer Ausgestaltung 



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- 36 - 

ihrer Stellung auf den ausserdeutschen Märkten der Ost- und 
Nordsee. Und ihre energische Arbeit in Krieg und Frieden 
wurde belohnt. Sie erreichten es, dass Lübeck noch vor Aus- 
gang des 13. Jahrhunderts als die leitende Gemeinde aller an 
dem nordischen Verkehr theilnehmenden deutschen Städte an- 
erkannt wurde, die Verbindung dieser deutschen Städte im In- 
lande die Vereinigungen der deutschen Kaufleute im Auslande 
in sich aufnahm, kurz der hansische Städtebund sich bis zu der 
Mitte des 14. Jahrhunderts hin ausbildete. 

In demselben Zeitraum hatte das oberdeutsche Bürgerthun» 
seine erste grosse innere Erschütterung zu überstehen und wurde 
infolge derselben mit neuer politischer Leistungskraft erfüllt. Denn 
wenn auch die Zunftbewegungen in ihrem letzten Resultat haupt- 
sächlich eine Ausgleichung der Standesverhältnisse innerhalb der 
Städte herbeigeführt haben, so bewirkte doch das Eindringen 
der frischen zünftlerischen Elemente in die patricischen Räthe 
einen bemerkenswerthen Umschwung. 

Die neuen, minoritischen Einflüssen zugänglichen städtischen 
Machthaber schlössen sich willig dem von Avignon gebannten 
Kaiser Ludwig an und der Landfriedensbund, den das Haus 
Witteisbach 1331 mit 22 schwäbischen Reichsstädten abschloss, 
bezeichnet den Wiedereintritt der oberdeutschen Städte in die 
politische Aktivität. Der Bund gestattete Herren und Rittern 
den Beitritt, aber er versagte denselben das Stimmrecht auf den 
Bundestagen zu Ulm; unverhohlen wurde der Gegensatz der 
städtischen Interessen zum Fürsten- und Herrenthum betont»). 

Diesem vom Königthum begünstigten Hervortreten entsprach 
es, dass die Städte abermals wie im 13. Jahrhundert eine maass- 
gebende Stellung in den Angelegenheiten des Reiches zu ge- 
winnen trachteten. Doch hatte die Erhebung des päpstlichen 
Gegenkönigs, Karls IV., in dieser Hinsicht für die Städte ganz 
ähnliche Folgen wie seiner Zeit das Erscheinen König Richards 
am Rheine ; nur bewirkte sie obendrein, dass der Zwiespalt der 



i) Waz dienstleut in dise puntnuzze genomen wirt — daz die chainen 
dar geben sulen, der an dem rat si bi herren und steten — und waer auch, 
daz ain herre in diese puntnuzze chome, der sol auch chainen dir geben, 
ez geschaehe denne mit gemninem rat herren und stet, die zu discr punt- 
nuzze hörent. U. B. v. Augsburg I S. 281. 



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— 37 — 

Stände sich zum ersten Male in umfassenden Bünden und Gegen- 
bünden ausprägte. Als der Städtetag von Speier 1346 kurzer 
Hand erklärte, die Wahl des Böhmen nicht anzuerkennen, bildete 
sich in unmittelbarer Folge ein schwäbischer Herrenbund zu 
Gunsten des päpstlichen Prätendenten, uud wenn auch der uner- 
wartete Hingang Ludwigs des Baiem den kriegerischen Zusammen- 
stoss zwischen Adel und Städten vertagte, so wurde doch die 
Erinnerung daran durch Karls Verhalten lebendig erhalten. 

Dem diplomatischen Geschick dieses Königs gegenüber er- 
wies sich der oberdeutsche Bund ebenso als wehrlos, wie drei 
Menschenalter früher der rheinische dem von König Richard 
Ohne auf Widerstand zu stossen, konnte Karl den Bund 1350 
zwei Jahre nachdem er ihn anerkannt, durch einen einfachen 
Befehl wieder auflösen. Die durch Kaiser Ludwig hervorgerufene 
städtische Bewegung erlag gleich der von 1254 der Ueberlegenheit 
der fürsthchen Politik, und der Erlass der goldenen Bulle mit 
ihrem Verbot des Pfahlbürgerthums sowie aller Bünde, welche 
nicht ausschliesslich den Landfrieden bezweckten, sollte einer 
Wiederholung ähnlicher Vorgänge für alle Zeiten vorbeugen. 

Dieses Obsiegen der fürstlichen Tendenzen im Süden wirkte 
um so betäubender, als der Auflösung des süddeutschen Städte- 
bundes die Niederlage der Hanse in dem ersten dänischen Kriege 
gegen Waldemar auf dem Fusse folgte und Karl IV. unmittelbar 
nach dem Frieden von Wordingborg an die Erwerbung der 
Mark Brandenburg ging. Während König Waldemar den kaum 
geschlossenen Frieden durch fortgesetzte Uebergriflfe in Frage 
stellte, setzte sich dieselbe Gewalt, welche im Süden der städtischen 
Bewegung Halt geboten, in dem Hinterlande der Hansestädte 
fest und wies Lübeck an, die Reichssteuer nach wie vor dem 
Dänen auszuzahlen! 

Und wie das Königthum, so schickte sich auch die fürst- 
liche Macht fast allenthalben dazu an, die Gunst der Lage aus- 
zunutzen. 

Allein gerade diese Niederlagen und ihre weitreichenden 
Wirkungen weckten das Bewusstsein eines allgemeinen Zusammen- 
hanges der städtischen Interessen zu neuem Leben und rissen 
die Städte abermals aus ihrer Vereinzelung heraus. Die Gegen- 
strömung begann im Norden, weil hier der städtische Nerv, 



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1 



- 3» - 

der Handel, am unmittelbarsten getroflfen worden ; aber sie fluthete 
alsbald auch nach dem Süden hinüber. Denn der siegreiche 
Verlauf des zweiten dänischen Krieges und die glänzenden Er- 
rungenschaften des stralsunder Friedens erwiesen sich für die 
oberdeutschen Städte kaum minder bedeutsam wir für die han- 
sischen. Nur wenige Monate nach dem Abschluss des Friedens 
im Norden und sicherlich nicht ohne Kunde von den Erfolgen 
der nordischen Genossinnen traten 30 oberdeutsche Städte zu 
einem neuen sogenannten Landfrieden zusammen, dessen Wesen 
am klarsten daraus erhellt, dass die Errichtung des S. Georgs- 
bundes der schwäbischen Ritterschaft und der Ausbruch des 
Kampfes zwischen beiden Gruppen sich unmittelbar anschlössen. 

Der erste oflfene Kampf mit dem Herrenthum verlief jedoch 
für die süddeutschen Städte ebenso unglücklich wie der erste 
dänische Krieg für die norddeutschen, und es ist sehr bezeichnend,: 
dass Kaiser Karl die Niederlage der süddeutschen zu derselben 
Zeit umfassend auszubeuten bestrebt war, da er den Sieg der 
norddeutschen scheinbar rückhaltslos anerkannte. Während er dem 
Haupte der norddeutschen mit übertriebener Höflichkeit 
schmeichelte, erpresste er von den gebeugten schwäbischen Ge- 
meinden unerhörte Summen, um mit diesen städtischen Straf* 
geldern Brandenburg sowie die Wahl seines Sohnes zum Nach- 
folger zu erkaufen. Die Mittel der, wie er glaubte, gebrochenen 
schwäbischen Gemeinden mussten ihm mit andern Worten dazu 
dienen, die Vorbereitungen zur Beugung auch der norddeutschen 
zu treffen. 

Die Rücksichtslosigkeit seines Verfahrens erzeugte jedoch im 
süddeutschen Bürgerlhum einen ganz ähnlichen Umschwung, wie 
ein Jahrzehnt zuvor das Verhalten von Waldemar in dem Bereich 
der hansischen Städte. Der Wahl von Wenzel und dem Besuch 
von Karl in Lübeck, 1375, entsprach die Stiftung des schwä- 
bischen Städtebundes (1376). Zum ersten Male verweigerte eine 
städtische Confoederation einem einstimmig gewählten Könige die 
Anerkennung, und der Sieg von Reutlingen erwarb dem Bunde 
nicht nur die königliche Sanction, er vernichtete zugleich die 
Resultate der ständischen Politik von Karl. Der Versuch, den 
fürstlichen Gewalten im Reiche neue Festigkeit zu geben auf 
Kosten der niederen Stände und das Bündnissrecht der letzteren 



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— 39 — 

zu beseitigen, war gescheitert. Die Einungsbewegung gewann 
vielmehr nun erst recht an Umfang wie an Stärke. Die Erfolge 
der schwäbisch-rheinischen Städtebünde riefen bald zahlreiche 
Adelsvereinigungen im südlichen und mittleren Deutschland hervor, 
und das Grundgesetz der Reichsverfassung, die Goldene Bulle, 
war noch bei Lebzeiten des Urhebers und mit seiner Zustimmung 
durchlöchert. 

Als Karl IV. ins Grab stieg, hatten die deutschen Städte 
den Höhepunkt ihrer Macht erreicht, und von da ab gelangen 
auch die ständischen Gegensätze im Reich zu immer schärferer 
Ausprägung. Die mannigfachen, wechselvollen Kämpfe der 
nächsten Jahrzehnte, die zahlreichen Bünde der einzelnen stän- 
dischen Gruppen, die vergeblichen Versuche der Königsgewalt, 
sich der Leitung dieser politischen Bildungen zu bemächtigen, 
sie zeitigen nur das Ergebniss, dass Fürsten, Herren, Städte und 
die Reste freier Bauernschaften sich mit wachsender Erbitterung 
begegneten und die Reichsgewalt ihnen gegenüber immer macht- 
loser wurde. 

An dieser Stelle offenbarte sich nicht minder und in ver- 
hängnissvoller Weise, dass die innere Verschiedenheit der grossen 
städtischen Gruppen im Norden und Süden ein politisches 
Zusammenwirken beider unmöglich machte. 

In den süddeutschen Gemeinwesen hatte sich unter dem 
Einfluss der Kämpfe mit dem Herrenthum der Gegensatz der 
Stände innerhalb der Städte selbst, so schroff er zu Anfang ge- 
wesen, ausgeglichen oder gemildert; im Norden stiessen sie noch 
hart aufeinander. Die aristokratischen Räthe der Hansestädte 
widersetzten sich der auch nach Norden hin überschlagenden 
Zunftbewegung mit grösserer Energie, als früher ihre Genossen 
im Süden, und dank dem Rückhalte, den der hansische Bund 
gewährte, waren sie im Stande, die Bewegung auf lange hin 
sei es niederzuwerfen, sei es zu zügeln und einzudämmen. 

Umgekehrt mangelte den süddeutschen Städten, nachdem sie 
das Ziel errungen und ihre Selbständigkeit gerettet, der feste Kitt, 
den die Hanse trotz der lockeren Bundesverfassung in dem 
Schutze des auswärtigen Handels besass. Der grosse Städtebund 
zerfiel, sobald die Gefahr abgewandt; ihm fehlte ein weiteres, 
höheres Ziel. Denn die Fürsorge für das Reich als Ganxes lag 



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— 40 — 

den süddeutschen Gemeinwesen ebenso fern wie ihren Genossinnen 
im Norden, und die Betheiligung an den Reichsangelegenheiten 
erfolgte wesentlich nur unter dem financiellen Gesichtspunkt. 
Die Reichstagsakten belehren uns mit jedem neuen Bande aufs 
neue, dass es hauptsächlich die Städte gewesen sind, welche so- 
wohl die unablässigen Bemühungen, Fürsten und Städte in Land- 
friedenseinungen einander zu nähern, vereitelt, als auch die ebenso 
häufig aufgenommenen Verhandlungen über einen engeren Zu- 
sammenschluss der Städte zu keinem befriedigenden Ausgang 
haben gelangen lassen. Selbst die Hussitennoth vermochte nicht 
diesem genügsamen Verharren in kleinen Kreisen ein Ziel zu 
setzen, und so oft auch der Plan eines umfassenden Städte- 
bundes auftaucht, ebenso oft folgt dem kräftigen Anlauf ein kurz- 
sichtiges Aufschieben. 

Aehnlichen Erscheinungen begegnen wir gewiss auch bei 
der Hanse; allein dank den ihr von aussen her unablässig er- 
wachsenden neuen Aufgaben trägt ihre Gesammtpolitik bei weitem 
nicht den kleinlichen Zug, der diejenige der oberdeutschen Städte 
unliebsam kennzeichnet. Zugleich aber bewirkten eben diese 
ausserdeutschen Interessen in Verbindung mit jener Fernhaltung 
der zünftlerischen Elemente von den Räthen, dass hier der 
Gegensatz zu Fürstenthum und Adel nicht zu der Schroffheit ge- 
deihen konnte, wie im Süden. 

An nachbarlichen Spähnen und Reibungen hat es auch im 
Norden selbstverständlich nicht gefehlt; aber von jener leiden- 
schaftlichen Erbitterung, von der uns die oberdeutschen Chroniken 
Zeugniss ablegen, finden sich hier nur vereinzelte Spuren. Schon 
das eigenthümliche nähere Verhältniss der Hanse zu dem deutschen 
Ritterorden und noch mehr die wiederholt parallel laufenden In- 
teressen norddeutscher Fürsten und Städte gegenüber den skandi- 
navischen Mächten, sie Hessen die im Süden sich feindlich kreuzenden 
Kräfte im Norden des öfteren zusammenwirken, Verbindungen 
eingehen, gemeinsam Kriege führen, Frieden schliessen. Noch 
im 15. Jahrhundert traten die Städte in wohlverstandenem 
eigenstem Interesse zu Gunsten der Schauenburger in jenen Kampf 
mit Dänemark ein, der den Bundesgenossen den Besitz von 
Schleswig und der Hanse die Fortdauer ihrer Handelsherrschaft 
im Norden sicherte. 



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— 41 — 

Erst nach dem Abschluss dieses Krieges, der zeitlich mit 
der Beendigung der Hussitenkämpfe zusammenfiel, tritt der 
Gegensatz der Stände unter dem Zusammenwirken vetschiedener 
Umstände auch im Norden schärfer hervor. Theils mehren sich 
nach unten hin die Zunftbewegungen in den Städten und führen 
hier und da zu einer Umgestaltung der Verfassungen, theils giebt 
sich von oben her unter dem Eindruck des schmählichen Aus- 
gangs der Hussitenkämpfe eine steigende Abneigung gegen die 
Selbstherrlichkeit der Städte kund. Allein bei aller äusserlichen 
Uebereinstimmung des antistädtischen Charakters der neu aus- 
brechenden Kämpfe macht sich doch im 15. Jahrhundert fast 
noch mehr als im 14. ein weiterer, tiefgreifender Unterschied 
zwischen der ober- und niederdeutschen Städtegruppe geltend. 
Der Norden kannte keine Reichsritterschaft, welche sich im 
Süden in dem Gedränge zwischen fürstlichem und städtischem 
Wesen behauptete, und er ermangelte der Ueberzahl der Reichs- 
städte. Die Beziehungen zum Reiche fielen demzufolge in den 
nordischen Zwisten hinweg, und es handelte sich in ihnen fast 
ausschliesslich und allein um das Verhältniss des Fürstenthums 
zu den territorialen Ständen. Unter diesen kamen allerdings die 
Städte mit ihren Geldmitteln hauptsächlich in Betracht; doch hatte 
auch der landsässige Adel fast allenthalben seine Stellung gegen 
die Angriffe der neuen juristischen Räthe seiner Fürsten zu ver- 
theidigen. Dennoch stand er durchweg zum Fürsten, sobald es den 
Städten galt, und innerhalb des hansischen Gebietes sind nur in 
dem Ordensstaate an der Weichsel Adel und Städte eng verbündet 
der Herrschaft entgegengetreten. Der preussische Bund gegen 
Gewalt gewährte zugleich das einzig dastehende Beispiel, dass 
ein ganzes Land seiner Herrschaft absagte, um sich eine andere 
zu suchen. 

Das berechtigte Aufsehen indessen, welches dieser Bund er- 
regte, spornte das Fürstenthum zu um so energischerem Vor- 
gehen an, während die Hanse als solche sich diesen territorialen 
Verwicklungen gegenüber nach wie vor einer Zurückhaltung be- 
fleissigte, welche mitunter geradezu den Eindruck der Aengstlich- 
keit erweckt. Allein auch die geflissentlichste Zurückhaltung war 
nicht im Stande, sie vor Angriffen zu bewahren. Wie ihre ein- 
zelnen Glieder, so wurde auch die Gesammtheit bedroht, als das 



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— 42 — 

deutsche Fürstenthum sich mit der dänischen Macht in Ver- 
bindung setzte und hierdurch die Lebensader des Bundes, die 
Herrschaft zur See, in gleicher Weise gefährdet wurde, wie die 
Selbständigkeit der einzelnen Angehörigen zu Lande. Angesichts 
dieses aber unterlagen sowohl die äussere Politik des Bundes wie 
sein inneres Wesen einigen Abwandlungen, welche ihn dazu be- 
fähigten, sich in der Defensive mit demselben Erfolge zu be- 
haupten wie gleichzeitig die oberdeutschen Genossinnen. 

Wenn das Stiftungsjahr des preussischen Bundes, 1440, unge- 
fähr den Zeitpunkt bezeichnet, in welchem der berührte Um- 
schwung in Norddeutschland eintrat, so waren es andrerseits 
zwei süddeutsche Fürsten, deren Auftreten im Norden das nord- 
deutsche Fürstenthum hauptsächlich auf die neue Bahn gelenkt 
hat. Der hohenzoller Markgraf Friedrich 11. von Brandenburg, 
»mit dem eisernen Zahn« wie man ihn nannte, und der wittels- 
bacher König Christoph von Dänemark, der unter hansischer 
Mitwirkung das Erbe seines entthronten Oheims Erich antrat. 
Friedrich, ein in allen politischen Fragen überzeugter Gesinnungs- 
genosse seines bedeutenderen Bruders Albrecht Achill, unternahm 
es, die in der neuerworbenen Mark unter den schwachen Händen 
eines älteren Bruders verfallene landesherrliche ^acht wieder- 
aufzurichten, während Christoph, jung in neue Verhältnisse ge- 
stellt, sich von den Anschauungen eines kleinen nachgeborenen 
süddeutschen Prinzen nicht zu befreien vermochte. 

Dem Markgrafen gelang es, zunächst den bereits von seinem 
Vater gedemüthigten Landesadel um sich zu schaaren und durch 
die Stiftung des Schwanenordens nach burgundischem Muster 
näher an sich zu ketten, und hierauf folgten rasch Maassregeln 
gegen die Städte. Ein Zwist zwischen Rath und Gemeinde der 
Doppelstadt Berlin-Köln bot ihm die willkommene Gelegenheit, 
die Hauptstadt seines Landes zu bezwingen und ihrer Selbst- 
herrlichkeit zu entkleiden (1442), während das Verbot aller 
Bündnisse inner- und ausserhalb des Landes die übrigen mär- 
kischen Gemeinwesen des Rückhalts an der Hanse berauben 
sollte. 

Die Unterwerfung von Berlin war ein vollkommener und zu- 
gleich der erste Sieg des Fürstenthums über das Bürgerthum, 
und er machte dementsprechend einen ausserordentlichen Eindruck 



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— 43 — 

weit über die Grenzen der Mark hinaus. Die märkischen Städte 
wagten es fürs erste nicht, die hansischen Tagfahrten zu be- 
senden ; sie waren, wie die von Berlin, nach der Anschauung des 
lübischen Chronisten mun eigen geworden, da sie vorher frei 
waren und wohl hätten frei bleiben können.« 

In denselben Tagen schickte sich der neu gekrönte römische 
König Friedrich dazu an, die habsburgische Herrschaft in den 
schweizer Landen wiederherzustellen, sandten auf sein Betreiben 
an die 200 süddeutsche Fürsten, Grafen und Herren den eid- 
genössischen Städten und Bauern ihre Fehdebriefe, vereinbarte 
Markgraf Albrecht zu Mergentheim mit Mainz und Würzburg die 
Grundzüge eines umfassenden Fürsten- und Herrenbundes wider 
die freien und Reichsstädte, welche »den Adel schwerlich be- 
drängen und niederdrücken und auch dem Fürstenthum zur 
Niederung und Verderblichkeit gereichen.« 

"Wir werden hiemach schwerlich fehlgehen, wenn wir Mark- 
graf Friedrich, der sich soeben in seinem Lande als der vor- 
nehmste Vertreter dieser Fürstenpolitik im Norden erwiesen, auch 
als den Urheber des Planes bezeichnen, im Norden einen ähn- 
lichen Bund zu Stande zu bringen, wie ihn sein Bruder im Süden 
vorbereitete '). — Bereits hatten sich unter dem frischen Eindruck 
der märkischen Ereignisse wie auf ein gegebenes Zeichen hin 
allerorten, in Pommern, in Meklenburg, in den sächsischen und 
braunschweigischen Landen, Zwiste zwischen Herren und Städten 
entsponnen, welche, soweit uns die Quellen ein Urtheil gestatten, 
ausnahmslos durch die Herren heraufbeschworen waren. Die 
einzelnen Hansestädte, selbst die ansehnlichsten unter ihnen, 
sahen sich mehr oder minder schwer bedrängt ; jedoch bedrohlich 
auch fiir die Gesammtheit wurden diese Einzelkämpfe erst in 
dem Augenblicke, als der Dänenkönig Christoph, der eben einen 
Aufstand der Bauern in Jütland wider den Adel blutig nieder- 
geschlagen, dem norddeutschen Fürstenthum die Hand zum 
Bunde reichte und damit die Stellung der Hanse als Handels- 
macht gefährdete. 

Ein zahlreich besuchter Fürstentag zu Wilsnack, dem Friedrich 



x) Hiernach sind die Bemerkungen über K. Christoph in meinen H. R. 3 
S. VI zurechtzustellen. 



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— 44 — 

und Christoph beiwohnten, berieth im Februar 1443 über die 
Mittel und Wege, »wie sie demüthigen könnten die Städte, die 
unter ihnen besessen waren.« Das Ausbleiben des Herzogs Adolf 
von Schleswig - Holstein, dessen Mitwirkung man nicht entbehren 
zu können meinte, Hess die Fürsten zu keinem endgültigen Be- 
schluss gelangen; aber der Tag belehrte die Städte in eindring- 
licher Weise über die ihnen allen drohende Gefahr. Bereits ini 
Juni desselben Jahres einigten sich die wendischen und sächsischen 
Gemeinwesen über die gemeinsame Abwehr etwaiger. Angriffe, 
und zwei Monate später traten sowohl die pommerschen als auch 
die märkischen Städte dem engeren Bunde bei. 

Der Wortlaut des hierüber abgeschlossenen Vertrages war 
dem der Tohopesate von 141 8 nachgebildet, während aber 
damals unter dem frischen Eindruck der lübischen Zunftunruhen 
die Bekämpfung der Erhebungen gegen die Räthe der wesent- 
lichste Zweck der Vereinigung gewesen war, wurde diese jetzt 
im Hinblick auf das Geschick von Berlin zwar auch in Aussicht 
genommen, zugleich jedoch die Abwehr des An gnflfe der Fürsten 
und Herren unverhohlen vorangestellt. Die Bewahrung der selb- 
ständigen Stellung der Räthe nicht nur nach unten, sondern auch 
nach oben hin bildete die Aufgabe des engeren Bundes. 

Gleichzeitig schritten die Städte praktischer Weise an die 
Hinwegräumung der bedrohlichsten Händel, ohne selbst recht er- 
hebliche Opfer zu scheuen. Und die Art und Weise, wie das 
geschah, ist recht charakteristisch sowohl für die betreffenden 
Fürsten als auch für die Städte. Die Herren von Lüneburg und 
Rostock z. B. Hessen sich erkaufen; Kolberg dagegen wurde mit 
Mannschaften und Baarmitteln unterstützt, und erst nachdem es 
den Angriff der Feinde erfolgreich zurückgewiesen, vermittelten 
die Städte den Frieden. 

Unter diesen Verhältnissen war selbst die nähere Familien- 
verbindung zwischen Brandenburg und Dänemark, welche den 
wilsnacker Bund bekräftigen sollte, nicht im Stande, einen allge- 
meinen Angriff auf die Städte herbeizuführen, insbesondere weil 
schliesslich auch die Räthe der drei nordischen Reiche den 
Kampf scheuten und Christoph zwangen, die hansischen Privi- 
legien wenn auch widerwillig zu bestätigen. 

Die Gefahr war vertagt, aber keineswegs beseitigt. Vielmehr 



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— 45 — 

fanden die allgemeinen Rüstungen der süddeutschen Fürsten und 
Herren wider die Städte und umgekehrt im Norden kaum minder 
allseitige Nachahmung. So entsprach vor allem die Erneuerung 
der Tohopesate von 1443 auf dem lübecker Hansetage von 
1447 durchaus dem Bunde von 31 oberdeutschen Gemeinwesen 
vom März 1446. Auch die westfälisch-süderseeischen Städte 
traten jetzt der Tohopesate bei, aus ihrer Sicherheit aufgeschreckt 
durch den Zug der böhmischen Soldtruppen des Erzbischofs von 
Köln gegen Soest. Und die weit und breit laut gewordene Be- 
fürchtung, dass diese böhmischen Trabanten und ihre fürstlichen 
Führer, die ihren Weg mit gewaltigen Brandschatzungen der 
Städte bezeichneten, nicht blos im kölnischen Interesse aufge- 
brochen seien, lag um so näher, als in denselben Tagen, da der 
Hansetag in Lübeck die Tohopesate erweiterte, die Städte in 
Kopenhagen mit ihren Anliegen abgewiesen wurden. Mindestens 
die wendischen Städte machten sich auf einen kriegerischen Zu- 
sammenstoss mit Dänemark gefasst. 

Die Niederlage der Böhmen vor Soest zerstreute wenige 
Wochen später die dringendsten Besorgnisse von jener Seite her, 
doch zogen die sächsischen Städte immerhin ein Heer zusammen ; 
dafür schrieb aber Christoph unmittelbar darauf einen Fürstentag 
nach Lübeck aus, ohne den Rath zuvor zu benachrichtigen oder 
um Geleite nachzusuchen. Erst als verschiedene Fürsten, darunter 
auch süddeutsche, mit zahlreichem Gefolge in Lübeck eingetroffen, 
meldete er sich an, jedoch in einer Art und Weise, welche nach 
den kopenhager Erlebnissen im Sommer gerechten Argwohn er- 
zeugte. Der Rath ersuchte ihn , nur 4 — 500 Gewaffnete mitzu- 
bringen, und als er sich nun nach Wismar wandte, erhielt er 
ebenfalls einen abschlägigen Bescheid. Erzürnt verschmähte er 
Rostock, welches sich zur Aufnahme bereit erklärte, erliess ein 
Korn- und Viehausfuhrverbot nach den Städten und traf die 
Vorbereitungen zum Angriff auf Lübeck, als ihn der Tod im 
Januar 1448 ereilte. Auf dem Todtenlager soll er dem dänischen 
Reichsrath seinen Schatz nachgewiesen und geäussert haben, er 
hätte gehofft, ihn im Sommer vor Lübeck zu verzehren. Solches 
berichtet der lübische Chronist, der hierauf fortfährt: sein Hin- 
scheiden vereitelte »einen bösen Anschlag; denn er ud 
meiniglich alle weltlichen Fürsten, mit Ausnahme des Her- 



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. - 46 — 

Schleswig-Holstein, hatten sich verbunden und wollten die Städte 
demüthigen und vernichten. Dieses Vorhaben Hess sein Tod zu 
nichte werden; denn er war das Haupt aller Herren in dieser 
Bosheit.« 

Seinem Hinscheiden ist in der That eine weiterreichende 
Bedeutung beizumessen ; denn es verhütete nicht nur die Störung 
des Friedens in Norddeutschland, sondern verzögerte auch den 
Ausbruch des Kampfes im Süden. Bei aller Lückenhaftigkeit 
der Ueberlieferung tritt hier der durch die zoUerischen Brüder 
vermittelte Zusammenhang der nord- und süddeutschen Fürsten- 
aristokratie deutlich zu Tage. Eine Fürstenversammlung in Ko- 
burg, die gleichzeitig mit einem Städtetag in Ulm im Sommer 
1448 stattfand, verschob den Ausbruch des Kampfes um ein 
Jahr und gewährte damit dem Markgrafen Friedrich die Möglich- 
keit, sowohl einen Aufstand von Berlin und Köln niederzuschlagen, 
ohne dass die hansischen Genossinnen einzuschreiten gewagt 
hätten, als auch den neuen Dänenkönig Christian, einen Neffen 
des holsteiner Herzogs, für die Pläne seines Vorgängers zu ge- 
winnen. Die Erhebung eines eigenen Königs, Karl Knutsson, 
durch die Schweden und dessen Kampf mit Christian um Goth- 
land und Norwegen boten dem Brandenburger die erwünschten 
Handhaben, und sogar der holsteiner Herzog fand sich um 
seines Neffen willen auf einem neuen Herrentage in Wilsnack 
ein. Vierzehn norddeutsche Fürsten sandten nach einer schwe- 
dischen Quelle von diesem Tage aus König Karl ihre Fehde- 
briefe ein, und die rasch einander folgenden Verträge zwischen 
Brandenburg und Pommern, Brandenburg und Meklenburg, 
endlich der Bund zwischen Meklenburg und Pommern vom 
24. August 1449 »zur Bezwingung des Ungehorsams ihrer eigenen 
und aller mit denselben in Verbindung stehenden auswärtigen 
Städte« '), sie offenbarten Zweck und Ziel der fürstlichen Ge- 
nossen. Wechselheirathen zwischen Brandenburg und Dänemark, 
Brandenburg und Pommern sollten abermals alte Misshelligkeiten 
vergessen machen und den Bund fester kitten. Gleich dem Mark- 
grafen Friedrich sandten im Herbste 1449 ^^^^ Herzöge von 
Pommern, Herzog Heinrich von Stargard und drei Herzöge von 



Vgl. H. R. 3, S. 440. 



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— 47 — 

Braunschweig-Lüneburg ihre Absagen an Nürnberg, und in ihnen 
werden wir den Kern des norddeutschen Fürstenbundes zu er- 
blicken haben. 

Di^ Städte waren auch diesmal auf ihrer Hut. Fast gleich- 
zeitig wandten sich die pommerschen, meklenburgischen und 
sächsischen Städte mit der Aufforderung an Lübeck, dass es 
«inen Hansetag einberufe behufs Berathung über den Anfall der 
Herren und Fürsten auf die Städte, und auf einem lübecker Tage 
wurden die Bande wiederum straffer angezogen. Namentlich 
wurde die Tohopesate mit ihren Vorschriften über die gegen- 
seitig zu leistende Kriegshülfe auf sechs Jahre erneuert. Auch 
dieses Mal war das Glück den Städten hold. Der Abfall des 
schwedischen Adels von König Karl Hess die Unterstützung der 
deutschen Fürsten für Christian entbehrlich werden, während um- 
gekehrt ein Kampf mit der Hanse den nach Danzig geflüchteten 
Karl sofort nach Schweden zurückgeführt hätte. Dazu kam auch 
•die Rücksicht auf die Nachfolge in Schleswig-Holstein für ihn in 
Betracht. Dann aber wurde Markgraf Friedrich wider seinen 
Willen in einen heftigen Kampf um die Lausitz mit Meissen ver- 
wickelt, und bei dem gleichzeitig äusserlich erfolglosen Ringen 
seines Bruders mit Nürnberg standen die ihrer Führer beraubten 
Glieder des Fürstenbundes von dem gemeinsamen Angriffe ab. 
Ja, zu nicht geringer Genugthuung der Städte geriethen gerade 
die Herren von- Meklenburg und Pommern, deren Vertrag die 
antistädtische Richtung am schärfsten zum Ausdruck gebracht 
hatte, kaum ein Jahr später untereinander in Fehde. 

Ein so umfassender Angriff auf die Städte, wie er im fünften 
Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts im Süden erfolgt ist und im Norden 
andauernd geplant wurde, ist nachher nicht wieder zu Stande 
gekommen. Allerdings ist Markgraf Albrecht, der Nachfolger 
seines Bruders Friedrich in der Mark, 1474 mit König Christian 
noch einmal auf den Gedanken eines grossen Fürstenbundes 
zurückgekommen, und beide haben unter anderem auch die Ver- 
nichtung der Selbstherrlichkeit der Städte als erstrebenswerth 
hingestellt. »Keine Stadt soll mehr beschliessen dürfen über 
Zoll, Steuer und Recht; dem Fürsten soll es freistehen, jedes 
Jahr einen neuen Rath zu setzen, wenn es ihn gut dünkt,« heisst 
es in der Aufzeichnung. Allein über die Fixirung auf dem Papier 



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- 48 - 

ist dieser Plan nicht hinausgelangt ; auch hatte er in erster Linie 
nicht sowohl die Bewältigung der Städte, als die theilweise 
Sekularisirung des Kirchengutes zum Ziele. Dagegen gewann 
das Streben der einzelnen Landesherren, ihre Macht auch über 
die Städte auszudehnen, nach den Erfahrungen des fünften Jahr- 
zehnts sowohl im Süden wie im Norden unfraglich an Kraft und 
Nachhaltigkeit, und unter allen hansischen Städtegruppen war es 
die sächsische, welche nächst der märkischen am schwersten be- 
drängt wurde. Aber wie sich der Zusammenhang der Hanse 
gegenüber dem Fürstenbunde im grossen und ganzen als unge- 
lockert erwiesen hatte, so überstand sie auch die nächsten Jahr- 
zehnte nicht nur im Wesentlichen ungefährdet, sondern unstreitig 
trugen gerade diese binnendeutschen Verwicklungen vieles dazu 
bei, das Gemeingefühl innerhalb des Bundes zu stärken. Im 
Gegensatz zu den oberdeutschen Städten, welche, zufrieden in 
dem Bewusstsein der Unantastbarkeit ihrer Reichsfreiheit, ihren 
Bund unter kleinlichem Zwiste auflösten und sich von den grossen 
Fragen des Reiches zurückzogen, hat die Hanse nicht nur jene 
auf Abwehr der Fürsten und Niederhaltung der Gemeinden be- 
rechneten Tohopesaten von Zeit zu Zeit je nach Bedürfniss er- 
neuert, sie ist auch in der That den Bestimmungen derselben 
wiederholt nachgekommen. Der anscheinend so lockere Bund, 
dem man wohl vorgeworfen hat, dass lediglich der Zwang der 
gemeinsamen Handelsinteressen ihn zusammengehalten habe, er 
hat seine Aufgaben auch dem binnenländischen Herrenthum 
gegenüber im grossen und ganzen zu erfüllen verstanden bis 
zu der Zeit, da die religiöse Bewegung des 1 6. Jahrhunderts die 
ständische Eifersucht zurückdrängte und in dem schmalkaldischen 
Bunde süd- und norddeutsche Fürsten, Herren und Städte sich 
in dem Wunsche gemeinsamen politischen Handelns begegneten. 



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III. 

DIE BREMISCHEN BÜRGERMEISTER 

HEINRICH UND JOHANN ZOBEL. 



VORTRAG, 

GEHALTEN IN DER VERSAMMLUNG DES HANSISCHEN 
GESCHICHTSVEREINS ZU QUEDLINBURG 1886. 

VON 
WILHELM VON BIPPEN. 



Hansische Geschichtsblätter. XV. 



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Die beiden Männer, deren Lebensgang hier geschildert 
werden soll , haben , wenn sie auch nach einander die höchste 
Ehrenwürde ihrer Heimath inrie hatten, in der Geschichte der- 
selben nicht und noch weniger in der des zerfallenden Hanse- 
bundes eine besonders hervorragende Rolle gespielt. Dennoch 
haben sie beide, Vater und Sohn, in den Akten des Bremischen 
Archivs reichere Spuren ihres Daseins zurückgelassen, als mancher 
Mann, der einen viel durchgreifenderen Einfluss auf die öffent- 
lichen Geschäfte der Stadt geübt hat. Von dem Vater ist uns 
eine Selbstbiographie erhalten '), eine schmucklose Erzählung vor- 
nehmlich seiner ereignissreichen Jugendjahre, für seine Kinder 
niedergeschrieben; von dem Sohne besitzen wir nicht nur im 
Bremischen, sondern auch in anderen Archiven zahlreiche Briefe, 
die neben seinen persönlichen Schicksalen regelmässig auch die 
Staatsbegebenheiten berühren. Aus diesem Material lernen wir 
zwei Männer kennen, deren Lebensentwickelung ausser dem be- 
söndern, wie ich glaube, auch ein gewisses allgemeines Interesse 
in Anspruch nehmen darf. 

Heinrich Zobel war ein homo novus in den Reihen der 
bremischen Rathsherren, der Sohn eines fahrenden Krämers, der, 
aus dem Städtchen Demmin in Pommern gebürtig, in jungen 
Jahren sein Kramgut in Lübeck und Hamburg, in Dänemark 
und Nürnberg herumgeführt hatte, bis ihn im Jahre 1533 die 
Verwandtschaft der religiösen Stimmung und gleich darauf auch 
das eheliche Band an die Weserstadt fesselten. 

Der Sohn, der sein Berufsleben gleichfalls als Krämer begann. 



«) Abgedruckt im Bremischen Jahrbuche Bd. 9. 1877. 

4* 



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_ 52 - 

verstand es, sich zum Grosskaufmann emporzuschwingen und 
durch Geschäftskenntniss, Credit und Vermögen hie und da auch 
auf die politischen Verhältnisse Einfluss zu üben^ lange bevor er 
zu amtlicher Theilnahme am öffentlichen Leben berufen war. 
Der Enkel wurde von Jugend auf für das Staatsleben bestimmt 
und zwar, dem weiten Gesichtsfelde entsprechend, das der Vater 
beherrschte, nicht in dem schon allseitig beengten Kreise der 
hansestädtischen Politik, sondern unter einem der hervorragendsten 
evangelischen Reichsfürsten. 

Schon Claus Zobel»), Heinrichs Vater, hatte es in Bremen 
zu einigem Ansehen gebracht. Zehn Jahre nach seiner Ein- 
wanderung erwarb er ein ansehnliches Haus, und als ihm hier 
bald darauf seine Gattin entrissen wurde, heirathiete er in zweiter 
Ehe die Tochter des Rathsherrn Albert Louw^. Er entschlug 
sich dann mehr und mehr des Kramhandels und begab sich, 
weil sein Haus dazu geeignet war, zur Herbergerschaft *). Noch 
in vorgerücktem Alter wurde er zum Diakonen an der Martini- 
kirche erwählt, ein Ehrenamt, das seit seiner Einrichtung durch 
die Kirchenordnung von 1534 bis in die neueste Zeit herein 
auch einen gewissen Einfluss im bürgerlichen Leben der Stadt 
begründet hat. 

Aber trotz der glücklichen Wendung seines Geschicks hat 
Claus daraufgehalten, dass sein ältester, im Jahre 1539 geborener 
Sohn Heinrich die gleiche strenge Schule durchmache, wie er 
selbst einst. Kaum 13 Jahre alt, musste Heinrich 1552 das Eltern- 
haus verlassen, um erst nach 25 Jahren zu dauerndem Aufent- 
halte in die Heimath zurückzukehren. Er hatte seine Schul- 
bildung auf der Lateinschule in Lübeck vollendet, dann dort 
zwei bis drei Jahre bei einem Krämer gedient. Als er 17 Jahre 



x) Dies ist die von Heinrich Zobel und dann von seinem Sohne und 
von dem ganzen Geschlechte angenommene Schreibart des Namens. Der 
Stammvater Claus nannte sich Zabel oder Säbel. In der letzteren Schreib- 
weise steht sein Name im Bürgerbuche und auch auf seinem noch erhaltenen 
Grabsteine in der Martinikirche. Auch Heinrich wird noch einigemal so 
genannt. Als Wappenbild führte schon Heinrich und nach ihm sein Sohn 
ein aus einem Walde hervortretendes Zobelthier. 

a) Aus den Rhederreehnungsbüchern des Bremer Archivs ergibt sich, 
dass häufig angesehene Freimde auf Kosten des Raths bei ihm einquartiert 
wurden. 



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— 53 — 

alt war, holte ihn der Vater aus Lübeck ab und führte ihn auf 
dem Rückwege nach Bremen bei Lüneburg auf einen »bogen 
Berg«, wie der Vielgereiste, der oft die Alpen überschritten hatte, 
in Erinnerung des kindlichen Eindrucks nach vielen Jahren den 
Kalkberg bezeichnet ; dort sprach der Vater : » wan die berg noch 
so hoch were, künde ick und mines geliken gluck un ungeluck 
nicht aversehen, wat enen in der weit m siner jöcht wedervaren 
mocht; ok wan ik dan lust hadd« de weit to besehen, wolde 
he my anwisinge geven, ik scholde id im namen Gottes wagen 
und dohn na als he vor gedahn hadde.« 

In Bremen wurden nun allerlei Kramwaaren und Geräth- 
schaft, wie sie Schneider, Schuhmacher, Pelzer, Perlsticker und 
andere Handwerker brauchen, eingekauft in Summa für 12 Thaler. 
Das war das ganze Geschäftscapital, mit welchem der Sohn in 
die weite Welt geschickt wurde. So fuhr der Siebenzehnjährige 
über Osnabrück durch Westfalen, nach Braunschweig, durch die 
Mark nach Meissen und weiter nach Böhmen. Von da wandte 
er sich auf Nürnberg und sodann nach Steier. Hier, wo die 
Handwerksgeräthe am besten gemacht wurden, versah er sich, 
da sein Kram ledig war, mit neuen Waaren, soviel er tragen 
konnte ; denn die mühselige Reise ging meist zu Fuss. Nach 
Abschluss des Einkaufs behielt er zwölf Goldgulden übrig, und 
auch dieser Summe, seines Erstlingsgewinns, hat dör Mann, der 
später mit Tausenden zu rechnen gewöhnt war, nfe vergessen: 
»dat weren avergebleven broke und de segen des heren; dar- 
dorch ward ik lustig tor arbeit und ton reisen.« Von Steier 
ging es nach Salzburg und von hier, »dewil de winter herby 
quam, dorch dat geberchte den sommer togemote, als die eber 
deit (dem Sommer entgegen, wie der Storch thut), up Italien 
went to Venedig. « Sechs bis sieben Monate nach dem Abschiede 
von Bremen hatte er dies ferne Ziel erreicht. Er hatte die Ab- 
sicht, in Venedig Stein- und Beinwaaren zu kaufen und mit 
diesen die Wanderschaft fortzusetzen, als er durch Zufall in einem 
dort etablirten Niederländer einen guten Herrn fand, in dessen 
Diensten er vom Herbst 1556 bis zum Sommer 1560 blieb. 
Cornelius Merman van Sprokhueck handelte mit Edelsteinen 
und Kleinodien: mit dieser kostbareren Ladung durchzog 
Zobel nun Italien bis nach Florenz und Rom; aber er ritt auch 



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— 54 — 

über die Alpen zurück auf den Augsbufger Reichstag von 1558 
und lag längere Zeit in Nürnberg. Wie oft hat er inzwischen, 
wie oft später noch Venedig besucht, wie oft die Alpen tiber- 
schritten ! Aber mit keinem Worte erwähnt die hinterlassene Bio^ 
graphie. des Eindrucks , drä die Bergriesen auf sein Gemuth 
machten; keine Silbe giebt «ine Andeutung, dass die glänzende 
Kunstentfaltung der Lagunenstadt, in der eben Tizian, Tintoretto 
und Paul Verönese ihre herrlichsten Werke schufen, seinen Geist 
beschäftigt hätte. . . 

Ein heftiges Fieber, Welches ihn im Sommer 1560 drei 
Monate lang ans Krankenlager , in Mailand fesselte, weckte die 
Sehnsucht in die Heimath. Nach der Genesung von seinem 
Herrn in Venedig ehrlich abgefertigt, kehrte er im October nach 
Bremen zurück, um bald darauf nach Lübeck und Flensburg 
aufzubrechen;; denn Herr Cornelius hatte auch hier im hohen 
Norden seine Geschäftsverbindungen und Zobel den Auftrag, für 
ihn, wie auch für Seinen Vater, Schulden einzufordern. 

Der Einundzwanzigjährige hatte seine Lehrzeit hinter sich; 
seiii Sinn war auf selbständige Geschäftsführung gerichtet. Aber 
auch jetzt erhielt er nicht voin Vater, der doch allem Anscheine 
nach ein wohlbehaltener Mann war, das Geschäftscapital, sondern 
durch dessen Vermittelung wurden von einem Hamburger Ge- 
schäftsfreunde 200 Mark Lübisch zu dem massigen Zinsfusse von 
fünf Brocent aufgenommen. Mit dieser Summe kehrte Zobel im 
April nach Venedig zurück, und einen verhältnissmässig enormen 
Gewinn hat. er, in freilich höchst angestrengter Thätigkeit, in 
kurzer Frist mit ihr erzielt. Achtmal hat er in zehn Monaten 
die Alpen überschritten, viermal nach Süden und viermal nach 
Norden hin. Am 20. Mai 1561 legte er in Venedig die zwei- 
hundert Mark zum ersten Male in Waaren an, die er dann meist 
in Nürnberg mit einem Gewinn von hundert Thalem verkaufte. 
Schon am 22. August kaufte er zum zweiten Male in Venedig 
ein, am 19. December zum dritten Male und bereits am 27. Fe- 
bruar des folgenden Jahres zum vierten Male, um jedesmal mit 
seinem Edelgestein und anderen Waaren nach Nürnberg und 
Augsburg zu ziehen. Beim vierten Einkauf konnte er schon ein 
Capital von 1500 Thalern anlegen, und der Gesammtgewinn der 



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— 55 — 

vier Reisen bezifferte sich auf über achthundert Thaler nach 
Abzug der angeliehenen zweihundert Mark. 

Aber er war dieses Laufens und Handels, »weil man all sin 
armot bi sich dragen mot,« satt und dachte auf einen beständigen 
Handel. Er trat deshalb Ostern 1562 zu Linz in die Dienste 
Hinrich Walters von Nüi:nberg, der eben im Begriffe stand, sein 
Geschäft mit niederländischen Waaren nach Oesterreich auszu- 
dehnen, und sich zu dem Ende gleich darauf mit Hinrich Pilgram 
in Nürnberg und Gerd Koch in Antorf verband. Zobel wurde 
nach Wien beordert, um in Oesterreich und Ungarn seiner Herren 
Handlung einzurichten. Fünf Jahre hat er dort residirt und für 
die Companie im Jahr für manche 40 000 Thaler an Kirsei und 
anderen niederländischen Waaren verkauft. Er hat uns aus dieser 
Zeit die Erinnerung an ein paar Reiterstückchen bewahrt, wie 
sie auch unter den damaligen Geschäftsreisenden selten vor- 
kommen mochten. 

Einmal ritt er, um 2000 Thaler für die Companie zu retten, 
von Wien bis Eperies und Kaschau tief in Oberungarn 65 grosse 
ungarische Meilen in drei Tagen und Nächten ; ein anderes Mal 
in dem gleichen Jahre legte er, um einen Wechsel über 15 000 
Ducaten auf Antwerpen mit der Kaiserin abzuschliessen, den 
28 Meilen weiten Weg von Linz nach Wien in sechszehn Stunden 
zurück und traf nach einem Tage voll anstrengender Geschäfte 
in Wien zweimal 24 Stunden, nachdem er es verlassen, in Linz 
wieder ein. »Es verwunderten sich meine Herren und jeder- 
männiglich des Reitens, will es andern, die ihrer Herren Sachen 
gerne treulich befördern und woU dienen, befehlen«. 

Im Jahre 1566, während des Feldzugs Maximilians gegen 
Süliman, war Zobel etliche Male im Lager bei Presburg und 
Raab. Er erlebte es, wie der Sultan das Haupt des tapfern 
Grafen Zriny ins Lager des Kaisers sandte. Als gleich darauf 
mit Solimans Tode der Friede eintrat, fand Zobel Gelegenheit, 
dem Kaiser einen wichtigen Dienst zu erweisen. Es galt, ein 
der Zahlungsrückstände wegen aufsässiges Regiment zu beruhigen. 
Einige Wiener Kaufieute brachten die nöthige Summe, und zwar 
drei Viertel in Waaren, ein Viertel in Geld, zusammen. Zobel 
lieferte 24 000 Gulden in Waaren und Geld dazu und wurde dann 
vom Reichspfennigmeister Daniel von Sebottendorf beauftragt, die 



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- 56 - 

Vertheilung der Waaren unter die zwölf Compagnien in Pres- 
burg vorzunehmen. Er erledigte auch das Geschäft zur vollen 
Zufriedenheit des Kaisers, wenn auch nicht der Kriegsleute, 
»hetten lieber bar Gelt gehabt; aber hiemit war der Kaiser]. 
Majestät hoch gedienet, und die Kriegsleute bekamen gute Kleider, 
da sie sonst das Gelt hetten versoffen«. 

Gleich darauf sollten die politischen Verwickelungen am 
entgegengesetzten Ende des Reichs dem Geschicke Zobels eine 
ganz neue Wendung geben. Es begann der niederländische 
Unabhängigkeitskrieg, und Gerhard Koch, einer der Deputirten 
der Augsburgischen Confession in Antwerpen, Hess sich tiefer, 
als für die Geschäfte der Companie wünschenswerth war, in die 
politischen Händel, insbesondere in Beziehungen zu Wilhelm von 
Oranien, ein. Darüber ging die Companie aus einander. Gerd 
Koch schied aus ; aber er Hess den grössten Theil seines Capitals, 
21 ooo Gulden, im Geschäfte und beförderte, dass Zobel, für 
dessen Rechnung er insbesondere 8000 Gulden zu acht Procent 
auf sechs Jahre festlegte, an seiner Stelle in die Companie auf- 
genommen wurde; hatte er doch ein solches Vertrauen zu dem 
jungen Manne gefasst, dass er ihm, falls er im Kriegswesen 
sterben sollte, seine damals zwölfjährige Tochter- Ursula im 
Testament vermachen und ihn zum Verwalter seiner Güter ein- 
setzen wollte. 

Zobel war zur Feststellung der neuen Contracte im Februar 
1567 nach Antorf gereist, wohin gleichzeitig auch Walter aus 
Nürnberg kam. Mit diesem allein schloss er zunächst die Com- 
panie, um sich gleich darauf zu Orsoy im Clevischen mit Walters 
Schwester Gertrud, Tochter des dortigen Rathsverwandten Johann 
Walter, zu verloben. Er kehrte dann noch einmal nach Wien 
zurück, um seine Sachen zu ordnen, seinen Bruder Johann in 
seine Stelle zu setzen und sich mit seinen Freunden zu letzen. 
Schon Ende Mai war er wieder in Antwerpen. Dorthin kehrte 
um Mitte Juli auch Hinrich Walter in Begleitung Hinrich Pil- 
grams zurück, und nun schlössen die drei Heinriche eine be- 
ständige Companie und Verbündniss auf acht Jahre: Zobel sollte 
Antorf, Pilgram Frankfurt und Nürnberg, Walter Oesterreich ver- 
walten. Gerd Koch, der inzwischen vor dem herannahenden 
Alba nach Köln geflüchtet war, verfertigte die Contracte. 



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— 57 — 

Dem Abschlüsse derselben folgte noch im Sommer 1567 
Zobels Verheirathung mit Gertrud Walter, mit der er sechszehn 
Jahre lang in kinderreicher Ehe gelebt hat. Er hielt seinen Ein- 
zug mit der jungen Gattin in Antwerpen gerade zu der Zeit, als 
Alba nach Brüssel kam. In dem Augenblicke, da Zobel als 
selbständiger Chef in den Grosshandel eintrat, begann jene gräuel- 
volle Periode der niederländischen Geschichte, der demnächst 
auch die Blüthe Antwerpens zum Opfer fallen sollte. Schwere 
Jahre hat Zobel in mehr als einer Beziehung in der Antwerpener 
Zeit durchlebt. Wenn er trotzdem nach neun Jahren mit einem 
allem Anschein nach sehr bedeutenden Vermögen die Nieder- 
lande verlassen konnte, so beweist das den Fleiss und die Um- 
sicht, in gewissem Sinne die Genialität, mit welcher er das weit- 
verzweigte Geschäft leitete. Die Associds rühmten beide, das 
Geschäft sei vordem zu Gerhard Koch's Zeiten niemals so 
glänzend gegangen. Wenn Zobel im ersten Jahre Waaren für 
mehr als 60 000 Thaler aus Antwerpen nur nach Oesterreich ver- 
sandte, so erhellt, in welchem Umfange er den Credit, den sein 
Haus und er persönlich besass, in Anspruch nehmen durfte. 
Um so schwerer musste er es empfinden, als schon nach kurzer 
Frist sein Schwager Hinrich Walter durch Leichtsinn und Con- 
tractbruch den Credit des Geschäfts auf das schwerste gefährdete. 
Zwischen Walter und Pilgram entspann sich 1568 bittere Feind- 
schaft, und ersterer Hess sich, dem Handelscontract zuwider, in 
einen Beihandel mit zwei jungen Leuten ein, »jungens,« wie Zobel 
sagt, »die des handeis kein verstand, auch nich 100 daler capital 
hatten. € Für diese übernahm er grosse Bürgschaften in Ant- 
werpen und wies dann, um sich zu decken, in Linz, wo jene 
beiden neben der Firma Walter, Pilgram und Zobel feilhielten, 
die Kunden dieser an jene. Darüber blieben die Gläubiger 
unserer Firma in Antwerpen unbefriedigt, und Zobel fürchtete 
eine Katastrophe. Das Anerbieten seines Schwagers, sich mit 
ihm, Hauxman und Füller, so hiessen die beiden »Jungens«, zu 
verbinden, wies er auf das bestimmteste ab. »Dass ich mich 
aus diesem wolangerichteten Haus geven und zu Hauxman in 
sein baufellig Haus noch in ein Stuben krichen soll, das were 
mir fast beschwerlich und frembt zu hören. Bat ihn, er solte 
von seinem Vornehmen abstehen ; dan ich hette mich einmal zu 



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- 58 - 

ihm und Pilgram in Gesellschaft verschrieben und auf unser drei 
Namen in Antorf ein gross. Gut eingekauft. Dabei weit ich 
bleiben und aus unserm Contract nicht treten, wolte auch ihn 
und Pilgram nicht verlassen, bis jederman zu Dank zahlt were. 
Sie selten in dem so wol ihr eigen Ehr als die meine in Acht 
haben; worden sie dem Handel nicht recht färstehen Und mich 
ohne Gelt lassen, wurden sie mich von Haus und Hof treiben 
und sie umb ihren Credit kommen«. 

Die Ermahnungen fruchteten nicht. Zobd eilte daher im 
September 1568 mit seiner Hausfrau nach Nürnberg, von da 
allein nach Wien, wo schnell die rückständigen Waaren verkauft 
wurden, um Geld auf Antorf zu remittiren. Vergeblich aber 
waren seine Bemühungen, die feindlichen Gesellschafter auszu- 
söhnen. Walter war von den beiden »losen Buben« nicht ab- 
zubringen, die ihn doch bald ins Verderben rissen. Sie brachten 
ihn nicht allein um sein ganzes Vermögen, sondern endlich, 1574, 
auch noch ins Schuldgefängniss. Zobel sah sich auch um die 
zweitausend Gulden Heirathsgut, die ihm Hinrich Walter zugesagt 
hatte, betrogen und musste noch durch eine weitere Schuld 
seines Schwagers einen Strich machen. 

Pilgram und Zobel, die Walters Capital nicht entbehren 
konnten, nahmen drei Brüder Schenken auf sechs Jahre ins Ge- 
schäft auf und kehrten dann gemeinsam nach Antwerpen zurück, 
um hier Rechnung und Credit wieder ins gleiche zu bringen. 
Und schnell genug gewann Zobel den vollen Credit wieder. 

Als im Februar 1569 Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken 
ein Heer zur Unterstützung der Hugenotten sammelte und für 
eine bedeutende Summe Kriegsrüstung bei einer Handelsgesell- 
schaft bestellte, zu der auch Gerd Koch gehörte, da verlangte 
diese Gesellschaft Bürgschaft der Königin Elisabeth für die Zah- 
lung und unterhandelte mit Zobel, dass er die Versicherung der 
Königin zuwege bringe. Man kam endlich überein, dass der 
Pfalzgraf einen von Condd ratihabirten Wechsel auf die Königin 
ausstellte, und dass, falls die Königin denselben honorirte, Zobel 
das Geld zum Besten seiner Companie empfangen sollte, um es 
demnächst in contractlich festgestellten Terminen in Frankfurt 
und Nürnberg an die Lieferanten der Rüstung auszuzahlen. 
Zobel nähte den Wechsel in die Korksohlen seiner Stiefel und 



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— 59 — 

ritt so mit seinem Wändbereiter und seinem portugiesischen 
Handlungsdiener Marcus Alvares nach Grevelingen, wo sie vom 
Volk des Herzogs von Alba aufs genaueste .untersucht wurden; 
»aber die wexelbriefe fanden sie nicht, wölte sonsten St. Veiten 
gehabt haben«. So kamen sie glücklich von Calais über Dover 
nacli London. Zobel verhandelte dort, vom Cardinal von 
Chatillon eingeführt, persönlich mit der Königin, in italienischer 
Sprache, wie er bemerkt, da sie kein deutsch verstand. Und in 
der That empfing er einen von Sir Thomas Gresham ausgestellten 
Wechsel über 52 ooo Gulden, zahlbar am 15. Mai in Hamburg. 
*Mir geschah,« fügt Zobel hinzu, »in London grosse ehr in der 
Königin hof und sonderlich unter den Engeischen Kaufleuten, 
meine bekanten«. Zobel ritt dann eilends in acht Tagen von 
London nach Frankfurt, wo er im März zur Fastenmesse efntraf, 
um die Zahlungsversicherung zu überbringen. 

Von da kehrte er nach Antorf zurück und war bereits am 
I. Mai in Hamburg. Der Wechsel war auf Pitzard Klong, einen 
der Merchant Adventurers, die eben damals sich in Hamburg 
niedergelassen hatten , ausgestellt und wurde von diesem mit 
8216 i^ flämisch oder 32864 Thalern. berichtigt. Zobel legte die 
Summe meist in Kirsei und englischen. Laken an und machte 
damit ein gutes Geschäft. 

Es ist Zeit, hier ein Wort über Zobels Stellung zu der 
Hanse zu sagen. Obwohl hansischer Abkunft stand er als Theil- 
haber eines oberländischen Geschäfts in keiner Verbindung mit 
dem hansischen Contor in Antwerpen, das eben zur Zeit seiner 
dortigen Residenz vollendet wurde. Er gedenkt des Osterschen 
Hauses nur einmal flüchtig, gelegentlich der furchtbaren Seefluth, 
die am 2. November 1570 mit grossen Theilen Antwerpens auch 
das neue Haus der Hanse bedrohte. Hier fand eben an jenem 
Abend ein Gastmahl statt, an welchem Zobels Bruder und 
Schwager, die zu seiniem Besuche in Antwerpen weilten, theil- 
nahmen. Von einer Berührung Zobels mit Sudermann, der in 
diesen Jahren so häufig sich in Antwerpen aufhielt, erfahren wir 
nichts. Er stand in ausgeprägtem Gegensatze gegen den han- 
sischen Syndikus, der inmitten einer äusserlich und innerlich er- 
weiterten und erneuerten Welt das Geschäftsleben noch in den 
gebundenen Bahnen der Privilegien und des Contorzwanges 



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— 6o — 

leiten zu können venneinte. Zobels Befreundüng mit englischen 
Kaufleuten, seine Geschäftsbeziehungen zu den Merchant ad- 
venturers bezeugen, dass er unbefangenen Blickes die internatio- 
nale Concurrenz im Handel würdigte und in der persönlichen 
Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit und dem aus solchen £ig^- 
schaften entspringenden Credit, nicht aber in monopolistischen 
Privilegien, die Gewähr des Gehngens sah. 

An üblen Erfahrungen freilich sollte es ihm bei der zu- 
nehmenden Bedrängung der Niederlande auch fernerhin nicht 
fehlen. Gerd Koch hatte sich so tief in die Sache des Prinzen 
von Uranien verwickelt, dass er bereits 1569 sein ganzes Capital 
aus dem Geschäfte gezogen hatte. Da ihm nun weitere Zahlungen 
seitens der Firma verweigert wurden, forderte er im Sommer 
1570' in Nürnberg von Pilgram Abrechnung. Dieser lehnte sie 
aus dem formellen Grunde ab, weil der Contract in Antorf ge- 
schlossen sei. Die Sache erwuchs an den Rath von Nürnberg, 
der Pilgram schuldig erkannte, die Abrechnung zu geben. Pilgram 
aber erwies sich so halsstarrig, dass ihn der Rath auf drei Monate 
in seinen Gehorsam legen Hess. Die Folge davon war, dass die 
Companie nun jeden einzelnen Posten der Rechnung mit verifi- 
cirten und zu Recht beständigen Instrumenten belegen musste, 
was an fünf Jahre Zeit und etliche tausend Gulden kostete. Das 
Endresultat aber war, dass Geid Koch, nachdem er sein ganzes 
Capital von 21 000 Gulden nebst 8 ^/o Zinsen empfangen hatte, 
darüber hinaus der Companie mehr als 2000 Gulden schuldete. 
Die Companie hat einen Strich durch dieses Debet machen 
müssen; denn Gerd Koch, der gute Mann, ist, da die Procura- 
toren und Doctoren das Ihre davon hatten, in Armuth gerathen 
und von Nürnberg verlaufen, hat sich seltsamer Händel ange- 
nommen in Dänemark und Schweden ; ihm ist ein Bein zerbrochen, 
ein Aug ausgeschworen, endlich, als er mit etzlichen Mastbäumen 
aus Schweden nach England wollen schiffen, an der Pestilenz im 
Schiff gestorben und unter England am Strande begraben, 1574» 
Seine älteste Tochter, die er einst Zobel angeboten hatte, hatte 
er später an dessen Handelsdiener Salomon Minuit verheirathet, 
der nun, durch Bürgschaftsübernahme in den Process seines 
Schwiegervaters verwickelt, bankerott machen musste. Er ist bald 
darauf bei der Einnahme Antwerpens auf der Scheidebrücke er- 



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— 6i — 

schössen. Bei Erzählung dieser Dinge fügt Zobel in seine Bio- 
graphie die Worte ein : »dies setz ich meinen Kindern zum Ge- 
dächtniss, damit sie fürsichtig handeln und sich für Ungerechtig- 
keit warten und Gott vor Augen haben. Reich tumb ist ein zu- 
fällig Ding; aber unrechtfertig Gut gedeiet nicht.« Er vergisst 
nicht zu erwähnen y dass sein Mitverwandter Pilgram, als er 
1 581 in Nürnberg starb, seinen Kindern 96 000 Gulden hinterliess. 

Die furchtbare Katastrophe Antwerpens im November 1576 
wurde für Zobel der Anlass zur Rückkehr in die lange gemiedene 
Heimath. Von der Plünderung der Stadt hat er uns eine kurze 
Schilderung hinterlassen, deren Mittheilung diesen Abschnitt seines 
Lebens beschliessen mag: »Ao 1576, den 4. November, ward die 
Stadt Antorf von den Spaniern überfallen und mit Gewalt einge- 
nommen am Sontag zu Mittag und schrecklich tyrannischer Weise 
von den Schelmen geplündert ; das beste Deel sambt dem Rathhaus 
der Stadt abgebrant, die Borger jämmerlich vermordet, Weiber 
und Jungfrauen geschändet, also dass 4000 auf den Gassen todt ge- 
funden. Haben auch mich und mein Haus geplündert, zu dreimal 
angefallen; aber Gott almächtig schicket mich flugs nachmittag 
einen Italienischen Capitain, Don Antonio geheissen; der nahm 
mein Haus ein mit drei Pferden und stellet mich, dieweil Kisten 
und Kasten geplündert und ledig, auf eine Rantzion, das ich 
ihm auch gutwillig, bezahlt; und dank Gott dem Almächtigen, 
dass sonst niemand von den Meinigen an Leib und Ehr nichts 
Arges widerfahren. Gott hat sich sonderlich meines Haus 
vatterlich angenommen. Das Zeitliche und was sie mich abge- 
nommen und abgedrungen, damit werden ihrer einestheils viel- 
leicht am Galgen verdorren. Der liebe Gott wird mich und die 
Meinigen in Ehren und zeitlich Herkommen erhalten. Gott lass 
aber mich oder die Meinen solch ein schrecklich Spektakel und 
Elend nicht mehr ansehen. Amen.« 

Die Stadt war am 18. November kaum wieder eröffnet, als 
er Frau und Kinder mit einem spanischen Pass nach Orsoy 
schickte. Er selbst blieb bis zur Lösung seiner dortigen Ver- 
pflichtungen in Antwerpen und eilte dann nach Köln und Nürn- 
berg, um mit seinen Mitverwandten abzurechnen. Nach Ant- 
werpen wollte er auf keinen Fall zurückkehren, und er hat es 
nicht wieder betreten. »Dies war ein bös jähr vor viele gute 



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— 62 — 

leutey sed solatium est miseris habere socium in poenis,. und der 
hette ich, Gott besseres, gnug.« 

Im Sommer 1577 siedelte Zobel, damals 38 Jahre alt, nach 
Bremen über und nahm seines Vaters alte Behausung in Besitz. 
Hier wurde ihm 1578 als Ei^tling in Bremen sein Söhn Johann, 
der spätere Bürgermeister, geboren. Ich kann mich über die 
zweite Hälfte seines Lebens, die genau noch ^S Jahre betrug, 
kurz fassen, wie er selbst es in seiner Biographie gethan hat. 
Für sie liegen uns jedoch noch einige andere Documente vor, 
die wichtigere Aufschlüsse geben. Am 11. Februar 1583 wurde 
Zobel in den Rath gewählt, zu einer Zeit, da der bedeutendste 
bremische Staatsmann des Jahrhunderts, Daniel von Büren der 
jüngere, noch an der Spitze der Geschäfte stand. Mit Zobel 
■gewann der Rath doch eine eigenthümliche Kraft, die nicht in 
den herkömmlichen Bahnen aufgewachsen war und durch aus- 
gebreitete Erfahrungen geeignet, der Handelspolitik der Vaterstadt 
einige neue Impulse zu geben. 

Dass sein Urtheil in Fragen des Handels im Rathe sich 
rasch Geltung verschaffte, erhellt daraus, dass er zu dem Zweckci 
dem bremischen Handel neue Wege zu eröffnen, bereits im 
Sommer 1584 in Gemeinschaft mit dem Syndikus Schaflfenrath 
zu einer Mission an den Erzbischof Heinrich, der zugleich Ad- 
ministrator von Osnabrück und Paderborn war, bestimmt wurde. 
Nach der uns erhaltenen Instruction'), die aller Wahrscheinlich- 
keit nach unter Zobels Mitwirkung concipirt ist, handelte es sich 
darum, die natürliche Verkehrsstrasse Bremens ins Oberland, die 
Weser, mehr als bisher den Handelszwecken dienstbar za machen. 
Der Krieg in den Niederlanden und die mit ihm zusammen- 
hangenden Unruhen am Unterrhein gaben den Anlass dazu- 
Zwei Handelsartikel fasste man dabei vorzugsweise ins Auge, den 
Export des Rheinweins und den Import englischer Laken. Die 
Verschiffung des Weins den Rhein hinab und seewärts weiter 
bot zur Zeit nicht allein mannigfache Gefahren, sondern war 
neuerdings durch bedeutende niederländische Auflagen sehr er- 
schwert. Man sagte sich in Bremen, dass die Weine von Worms, 
Oppenheim, Mainz und dem Rheingau — diese Bezugsquellen 



i) Vom I. Juli 1584, Concept im Brem. Archiv. 



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- 63 - 

werden ausdrücklich genannt — viel billiger und sicherer auf 
dem kurzen Landwege über Frankfurt nach Kassel und von da 
die Fulda und Weser hinunter zu Schiffe nach Bremen verfrachtet 
werden würden, um demnächst von hier den nordischen Consu- 
menten diesseit und jenseit der See zugeführt zu werden. Dieser 
Weg wurde schon jetzt hin und wieder benutzt. Aber nur unter 
einer Bedingung konnte er zu einem dauernd concurrenzfähigen 
oder dem älteren Wege überlegenen Verkehrsmittel werden, wenn 
nämlich das Weserzoll wesen einer Revision unterworfen wurde. 
Auf 22 bis 23 Meilen Weges befanden sich zwischen Münden 
und Bremen nicht weniger als 22 Zollstätten. Man machte sich 
freilich in Bremen keine chimärische Hoffnung, auch nur eine 
dieser Zollstätten beseitigt zu sehen; wohl aber wollte man die 
Abschaffung des argen Missbrauchs versuchen, den die Zöllner 
mit Bezapfung des Weins trieben, wodurch in Summa der neunte 
Theil jedes Oxhofts abgezapft und in gleichem Maasse der Wein 
mit Wasser verfälscht wurde. Man wünschte dem Erzbischof, 
der eine bremische und eine paderbornische Zollstatt hatte, klar 
zu machen, dass er wie die übrigen zollberechtigten Fürsten und 
Herren ein grosses Interesse an der Hebung des Waarenverkehrs 
auf der Weser habe, dass dadurch nicht nur seine Zolleinkünfte 
sich steigern , sondern auch seinen Unterthanen mannigfache 
Einnahmequellen eröffnet und Weine und andere Waaren billiger 
geliefert werden würden. Aber die Voraussetzung dafür sei, 
dass durch einen Vertrag der sämmtlichen interessirten Herren 
der Zoll überall auf eine leidliche und festnormirte Geldsumme 
gesetzt werde. 

Unter der gleichen Voraussetzung und aus ähnlichem Anlasse 
hoffte man in Bremen aber auch — und hier war nun Zobel 
persönlich betheiligt — die Weser für den Import englischer 
Laken ausgiebiger als bisher benutzen zu können. Die Ver- 
legung des Stapels von Antwerpen nach Middelburg und dann 
nach Emden und die neuerdings zu Arnstadt in Thüringen auf- 
gekommene Färberei mit Waid müsse die Weserstrasse nach- 
drücklich empfehlen. Aber die Ungleichheit und Willkür in der 
Zollbehandlung der Laken, die Zobel selbft bei einer Versendung 
nach Nürnberg erfahren hatte, machten diesen Weg gegenwärtig 
dem gemeinen Kaufmann unerträglich ; denn die Gesammtsumme 



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— 64 — 

der Zölle auf der kurzen Weserstrecke sei nicht viel geringer, 
als vorhin fast aller Zoll zwischen Antwerpen und Venedig. 

Wir wissen nicht, ob Erzbischof Heinrich, der schon ein 
halbes Jahr später vom Tode ereilt wurde, Interesse an diesen 
Fragen gewonnen hat ; sie sind aber, wie mir scheint, ein reden- 
des Zeugniss für den praktischen, freien, in gewissem Maasse 
modernen Zug in Zobels Wesen. 

Nach seiner Erwählung zum Bürgermeister im Jahre 1597 — 
er hatte bereits einige Jahre zuvor sein kaufmännisches Geschäft 
aufgegeben — hat Zobel zweimal, im Sommer 1598 und im 
Frühjahr 1600, neben Dr. Schaffenrath und einem jungem Raths- 
herm Bremen auf den Hansetagen in Lübeck vertreten. Aus den 
Akten erhellt nicht, dass der bremische Bürgermeister auch jetzt 
den Standpunkt individueller Bewegungsfreiheit eingenommen 
hätte, den er vor dreissig Jahren sich zu Nutze machte. Er 
theilte vielmehr die illusorischen Hoffnungen, dass es unter 
günstigen Umständen doch noch gelingen werde, die hansischen 
Privilegien in Nowgorod und London zu neuem Ansehen zu 
bringen; er hasste wie die anderen die eindringenden Engländer 
und wiegte sich mit ihnen in der Täuschung, dass ein Verbot 
der Wollausfuhr aus Deutschland zugleich die Lakenindustrie und 
den Lakenhandel den Engländern verkürzen und den Hanse- 
städten zuführen werde. Er hat aber auch die Absichten auf 
ein engeres Bündnias einiger der alten Hansegenossen behufs 
Abwehr der den städtischen Freiheiten immer gefahrlicher werden- 
den fürstlichen Gewalt und insbesondere die Unterstützung 
Braunschweigs in dem beginnenden Kampfe gegen seinen Landes- 
herrn mitgefördert. Die Theilnahme an einer hansischen Dele- 
gation nach Braunschweig am Ende des Jahres 1600 ist, soviel 
wir sehen, die letzte Fahrt des vielgewanderten Mannes gewesen. 

Während der letzten anderthalb Jahrzehnte seines Lebens 
scheint er ruhig in Bremen den Pflichten seines Bürgermeister- 
amtes gelebt zu haben. Der Versuchung, die mannigfachen 
äusseren und inneren Waiidelungen der Vaterstadt, deren Zeuge 
oder mitwirkender Theilnehmer er in dieser Zeit war, in den 
Kreis der Betrachtung zu ziehen, muss ich widerstehen. Anstatt 
seiner sah er in diesen Jahren seine vier Söhne die Welt durch- 
schweifen, zum Theil auf den Wegen, die er selbst in jungen 



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- 65 - 

Jahren so oft betreten hatte: in den Niederlanden, in Nürnberg, 
in. Venedig und anderen Theilen Italiens, aber auch weit über 
diese Gebiete hinaus. Eine der letzten Eintragungen seiner 
Autobiographie erwähnt, dass er seinem Sohne Dirich looo Gulden 
nach Amsterdam schickte zu seiner Reise nach Constantinopel, 

Am 9. Januar 161 5, da er wieder das Präsidium des Raths 
hätte übernehmen sollen, trat er Alters halber in den Ruhestand, 
um schon einige Tage darauf, 76 Jahre alt, einem Schlaganfall 
zu erliegen. 

In die durch Heinrich Zobels Resignation erledigte Rath- 
raannsstelle wurde, noch während er lebte, sein Sohn Johann 
wieder gewählt, ein Compliment nicht nur für den Vater, sondern 
auch für die ausgezeichneten Qualitäten des Sohnes, den man 
doch nur aus gelegentlicher Berührung kannte. Denn Johann 
Zobel war Geheimer Rath in Diensten des Landgrafen Moritz 
von Hessen und seit seiner frühen Jugend von Bremen entfernt 
gewesen. Der Rath fühlte auch das Ungewöhnliche dieser Wahl, 
wie die Entschuldigungen zeigen, die er an den Landgrafen mit 
dem Ersuchen um Zobels Entlassung richtete. Aber der Land- 
graf konnte sich nicht entschliessen, einen so qualificirten und 
wohlafFectionirten Rath und Diener, den er etzliche Jahre hero 
in vielen wichtigen und geheimbten Sachen vertraulich und nütz- 
lich gebraucht, aus seinen Diensten zu lassen, und Zobel scheint 
damals nicht sonderlich geneigt gewesen zu sein, seinen hessischen 
Dienst mit dem der Vaterstadt zu vertauschen. Es half auch 
nichts, dass der Rath replicando sich auf die städtischen Statuten 
und die darauf gethane schweren Eide und Pflichten berief, die 
den Wahlmännem vorschrieben, den Besten, den sie unter den 
Btirgerssöhnen wüssten, zu wählen, und den Erwählten zur An- 
nahme verpflichteten, dafern er nicht seine Unvermögenheit an 
Leib und Gut nachweisen könne. Der Landgraf erwiderte, die 
bremischen Statuten gingen ihn nichts an, umsoweniger als weder 
der Rath noch Johann Zobel früher etwas von ihnen habe ver- 
lauten lassen. Schwerlich würden noch bremische Bürgerkinder 
in fürstliche Dienste genommen und darin befördert werden, 
wenn der Rath sie nach seinem Gefallen daraus abrufen könne. 
Uebrigens habe die Sache mit dem Rath Zobel diese Beschaffen- 
heit, dass er nicht allein eine lange Zeit hero bei unsern Ge- 

Hansische Geschichtsblätter. XV. 5 



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— 66 — 

heimbtnussen und vertrauten hochangelegenen Privatsachen her- 
kommen, sondern auch dadurch der löblichen Union mit Pflicht 
verwandt und in deren Sachen vielfältig gebraucht worden, also 
dass wir, auch wenn wir schon wollten, ihn aus unsern Diensten 
derselben Unions hohen Geheimbtnuss und Verpflichtung halber 
nicht lassen können. Zobel selbst erläutert dies in einem langen 
Entschuldigungsschreiben an den Rath dahin, dass er zu den- 
jenigen auf die Union beeidigten Käthen gehöre, deren Catalogus 
dem Directorio Unionis übersandt und die allein zur Behandlung 
der Unionsgeschäfte befugt seien. 

Wenn nun trotz dieses Fiascos Johann Zobel zehn Jahre 
später nochmals und dieses Mal mit Erfolg in den Rath seiner 
Vaterstadt berufen wurde, so reizt der seltsame Vorgang, der 
eigenthümlichen Bedeutung des Mannes nachzuforschen. Es ist 
freilich nicht möglich, seinen Antheil an den Staatsgeschäften 
überall klar zu legen, weil er eine leitende Stellung doch niemals 
eingenommen hat. Auch würde der Versuch an dieser Stelle 
nicht berechtigt sein, da sich sein Lebensweg noch femer als 
der des Vaters von den Pfaden der Hanse gehalten hat. Ich 
muss mich darauf beschränken, seinen Lebenslauf in knappen 
Zügen zu skizziren und nur seine Berührungspunkte mit der 
Hanse etwas eingehender darzustellen. 

Geboren im Jahre 1578, wurde Johann, erst zwölfjährig, mit 
einem älteren Bruder nach I^angensalza geschickt, um dort privatim 
unterrichtet zu werden. Mit 17 Jahren bezog er die Universität 
Altorf, um Jura zu studiren, später Rostock, Franecker und 
Marburg. Während er wahrscheinlich noch in Marburg weilte, 
war im Jahre 1601 Landgraf Moritz einige Tage der Gast des 
Bremer Raths, mit welchem eine dem orthodoxen Lutherthum 
entgegengesetzte, bald völlig in den Calvinismus übergehende 
religiöse Verwandtschaft den Landgrafen Zeit seines Lebens nahe 
verband. Muthmaasslich ist damals durch Bürgermeister Heinrich 
Zobel der Eintritt seines Sohnes in hessische Dienste vermittelt 
worden. 

Schon im Jahre 1602 begleitete Johann den Landgrafen 
auf seiner dreimonatlichen Studien- und Vergnügungsreise durch 



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- 67 - 

die Schweiz und Sttdfrankreich an den Hof Heinrichs IV ^). Zwei 
Jahre später finden wir ihn in einer Specialmission vor dem 
Bremischen Rathe. Der Landgraf erkundigte sich durch ihn nach 
den von Spanien angeblich eingeführten hohen Zöllen und wünschte, 
»soweit es euch bei eweren Ansehestetten .verantwortlichen,«' zu 
erfahren, ob nicht die ostseeländischen Kaufleute dieser hohen 
Licenten und Imposten gefreiet seien«). Zobel ist dann aber 
von seinem Herrn vorzugsweise für die französische Correspondenz 
verwandt und so auf das genaueste mit den vorbereitenden 
Schritten für die evangelische Union und mit den Beziehungen des 
Landgrafen zu König Heinrich vertraut geworden. 

Zu seiner weiteren diplomatischen Ausbildung, wie es scheint, 
wurde er im December 1605 abermals nach Paris gesandt, wo 
er noch im October 1606 verweilte 3). Zwei Jahre später zum 
Mitgliede des geheimen Raths ernannt*), nahm er fortan selb- 
ständigeren Antheil an den mannigfachen politischen Combina- 
tionen seines Herrn. Der endliche Abschluss der Union und 
die jülichsche Erbfolge beschäftigten ihn zunächst: der letzteren 
Angelegenheit galt Zobels Mission nach Wesel und in den Haag 
1 609 5), die ihm auch zu einem abermaligen Besuche seiner Vater- 
stadt Anlass gab. Gleich nach Kaiser Rudolfs IL Tode wurde 
er 161 2 zum ersten Male an den englischen Hof gesandt, um 
sowohl wegen der Kaiserwahl als auch wegen einer Aussöhnung 
zwischen Dänemark und Schweden und der Anbahnung eines 
allgemeinen Verständnisses unter den evangelischen Mächten 
mit dem Könige zu unterhandeln^). 



^) Bei von Rommel, Gesch. von Hessen 7, S. 444, wird Zobel unter 
den Begleitern des Fürsten nicht genannt. Dass er aber zu diesen gehörte, 
erhellt aus des Vaters Heinrich Zobel Autobiographie ; Brem. Jahrb. 9, S, 103' 

3) Creditif des Landgrafen für seinen Cammer-Diener Johann Zobel 
vom 12. Juni 1604, im Brem. Archiv. 

3) Brief des Bürgermeisters Zobel an Landgraf Moritz vom 9. October 
1605, worin der Vater die Reisekosteti auf sich nimmt; Schreiben Zobels an 
den Secret. Taurell in Kassel d. d. Paris 7./17. October 1606; beide im 
Marburger Archiv. 

4) Bestallungsbrief mit Reversal Zobels vom i. October 1608, daselbst. 

5) Creditif Zobels an die Generalstaaten vom 2. Juli 1609, daselbst. 

6) Entwurf zur Instruction, undalirt, daselbst. 

5* 



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— 68 — 

Er hat den englischen und den französischen Hof zehn 
Jahre später in Begleitung des jungen Landgrafen Philipp wieder 
besucht, dazwischen manche andere Sendung ausgeführt, bald zu 
evangelischen Unionstagen'), bald nach Bremen, um im Wett- 
lauf mit König Christiart IV. und dem lüneburgischen Hause 
den genannten jungen Landgrafen zum Coadjutor des Erzbischofs 
und damit zugleich zu dessen Nachfolge zu empfehlen. 

Zu Anfang Februar des Jahres 1613 finden wir Zobel in 
Lübeck in Unterhandlung mit dem Bürgermeister Brokes *). Wenn 
auch der ostensible Zweck dieser Reise eine Schuldforderung des 
Landgrafen gegen Schweden betraf, deren Verschreibüngen in 
Lübeck in Gewahrsam lagen, so waren doch andere wichtigere 
Fragen mit ihr verknüpft: der Eintritt der Hansestädte in die 
evangelische Union und die eben im Werke begriffene Con- 
foederation der Hansestädte mit den Niederlanden. Sicherlich 
hatte der Landgraf nicht zufällig zu der Sendung diesen Zeit- 
punkt gewählt, wo eben ein Hansetag in den Mauern Lübecks 
sich versammelt hatte, dessen wichtigster Berathungsgegenstand 
das Bündniss mit den Generalstaaten war. Eben vorher war 
zur Ueberraschung der Städte, des Landgrafen Bemühung ent- 
sprechend, durch englische Vermittelung der Friede zwischen 
Dänemark und Schweden geschlossen worden. Die freie Hand, 
die Christian IV. dadurch erhielt, spornte Lübeck um so mehr 
zum Abschlüsse mit den Niederlanden an. Aus Brokes' Auf- 
zeichnungen über seine L^nteiredung mit Zobel geht nicht hervor, 
dass dieser in der einen oder andern Richtung bestimmend auf 
die Hansestädte einzuwirken versucht hätte: seine Aufgabe war 
offenbar nur eine informatorische ; aber er musste aus des Bürger- 
meisters Eröffnungen den Gegensatz erkennen zwischen der 
idealistischen Politik seines Herrn, dessen in erster Linie stets 
von dem grossen Gegensatze der evangelischen und der katho- 
lischen Partei bedingte Anschauung beständig auf die Beseitigung 
materieller Hindernisse für die Einigung der evangelischen Mächte 
gerichtet war, und zwischen der principaliter von ihren materiellen 
Interessen geleiteten Politik der Hansestädte, welche, »zu Er- 



i) Rommel, a. a. O. 7, S, 349, 354. 
») Zeitschr. f. Lübeck. Gesch. 2, S. 33. 



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- 69 - 

haltung der freien Commerzien laut ihrer theuer erlangten Privi- 
legien«, zuerst ihre gegen Dänemark und seinen Sundzoll ge- 
richtete Verbindung mit den Generalstaaten suchten und erst, 
wenn dies Unionswerk geschlossen, gemeinsam mit den Nieder- 
landen sich der andern Union der Kur- und Fürsten vertraut zu 
machen gedachten. 

Die hier gewonnenen Beziehungen hat Zobel fortan dauernd 
unterhalten. Zetige dessen ist eine Anzahl von Briefen Zobels 
an Brokes und an den Lübecker Rath. Persönlich sah er 
Brokes bereits im nächsten Sommer wieder, als er auf einer 
Reise an den Stockholmer Hof in Lübeck vorsprach und bei 
dem Bürgermeister Erkundigungen über den Zustand in Schweden 
einzog')« Er hatte den Auftrag, den König Gustav Adolf zur 
Thronbesteigung zu beglückwünschen und auch ihn für ein 
Zusammenstehen der evangelischen Mächte zu interessiren *). 

Wie eng wir dann auch Zobel gerade in den nächsten 
Jahren im Vertrauen seines Fürsten sehen, so ergriff ihn doch 
schon kurze Zeit nach der Ablehnung der Wahl zum bremischen 
Rathsherrn bisweilen Unmuth über das unruhige Leben am Hofe 
des Landgrafen Moritz, der von rastlosem Eifer für seine hohen 
Ziele getrieben in immer häufigeren Widerspruch zwischen Wollen 
und Können gerieth. Es geschah gewiss nicht ohne Zobels 
Kenntniss, dass man nach dem Tode des hansischen Syndicus 
Domann 1619 in Bremen den Gedanken fasste, Zobel in seine 
Stelle zu berufen 3). Zobel selbst hat diesen Plan mehrere Jahre 
hindurch mehrfach wieder aufgenommen, auch nach Dr. Ryswicks 
Tode im Jahre 1624 seine Verwendung als Agent der Hanse- 
städte im Haag ins Auge gefasst. Er könne, schreibt er an 
seinen vertrauten Freund Bürgermeister Havemann in Bremen*), 
»anders nicht urteilen, den das ermelter Hansestäte grosser Nutzen 
und Reputation, auch woU die Restaurirung ihres corporis darin 
versire, wan sie qualificirte Gesambtdienere, so ihr Interesse und 
Aufinehmen bey itzigen wunderbahren der Welt leufften zu wahren 



i) Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 2, S. 282. 

a) Aufzeichnung über seine, in Narva 20. Juni 1614 abgelegte Werbung, 
im Marburg. Archive. 

3) Brem. Rathsprotok. vom 17. Juni 1619. 

4) Schreiben vom 15. November 1624 im Brem. Archive. 



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— 70 — 

wissen^ erlangten;« und er glaubt, da er die beste Zeit seines 
Lebens mit den publicis in- und ausserhalb Römischen Reichs 
zugebracht, den Hansestädten nützliche Dienste leisten zu können. 

Auch in hansischen Versammlungen ist nicht allein wieder- 
holt von ihm gesprochen, sondern Zobelin der That auch von 
mehreren Städten, insbesondere neben Bremen von Hamburg, 
zum Syndicus empfohlen worden. Nachdem dies 1619 und 162 1 
ohne Erfolg geblieben war, wurde den bremischen Abgeordneten 
zum Hansetage von 1623, da es sich wieder um die Besetzung 
des Syndicats handelte, abermals vorgeschrieben, Zobel zu diesem 
ansehnlichen officio als einen getreuen Patrioten zu recomman- 
diren, und solches aus diesen Ursachen: i) weil er bei den 
Stätten geboren, erzogen und ihm derselben Status und Be- 
schaffenheit genugsam bekannt, 2) weil er nit allein wol beredt, 
sondern auch in legationibus sowol ausser als im ganzen Rö- 
mischen Reich vielfaltig geübet und desselben Zustandes wol er- 
fahren, auch mit Wissenschaft fremder Sprachen und politischer 
Erfahrenheit vor andern begäbet were ; 3) weil er auch deswegen 
schon vor diesem von vielen der erbaren Städte hierzu nominiret 
und fast per majora eligiret worden, inmaassen denn auch zum 
4. offenbar, dass bei diesem syndicatus officio nit so viel ad- 
vocaturae scientia als politica prudentia erfordert werde*). 

Die jetzte Bemerkung bezog sich auf den schon 1619 von 
Lübeck gegen Zobel erhobenen Einwand, welches zugestand, dass 
er zwar grosse Experientz in politicis besitze und bequem zu 
Legationen sei; »aber in puncto juris wüsten sie nicht, ob er 
also beschaffen, dass er pro syndico diene; zudem were stets 
eine graduirte Person dazu gebraucht.« Bremen erwiderte freilich, 
die Hansestädte führten gar keine Processe; aber Lübeck be- 
harrte bei seinem Widerspruch, und Zobel wurde nicht gewählt. 
Es muss dahingestellt bleiben, ob etwa die politisch - diploma- 
tischen Neigungen Zobels, die sich, wenn auch unter mancherlei 
Abweichungen im Einzelnen, im Grossen und Ganzen in den 
Bahnen des Landgrafen bewegten, den Lübecker Rathsherren als 
eine Gefahr für die Hansestädte erschienen, die unter den 



1) Instruction im Brem. Archive. 



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— 71 — 

wachsenden Wirren des deutschen Krieges in der Neutralität den 
besten Schutz ihres Handels und ihrer Freiheit sahen. 

Inzwischen hatten diese Wirren Hessen in schwere Mit- 
leidenschaft gezogen und nicht nur den Zwist zwischen dem 
Landgrafen und seinen Ständen zu äusserster Schärfe entwickelt, 
sondern auch Wilhelm, den Sohn und Nachfolger des Landgrafen, 
mit seinem Vater entzweit. Es wurde von Tag zu Tage 
schwieriger, mit Moritz zu verkeliren ; auch Zobel war mit seinem 
Herrn zerfallen') und, wie er 1623 und 1624 wiederholt an 
Havemanri meldete, fest entschlossen, den Dienst zu quittiren 
und sich, falls ihm keine andere öffentliche Thätigkeit sich bot, 
auf ein Landgut in der Nähe Bremens zurückzuziehen. Noch 
einmal machte er zu Anfang 1625 auf Wunsch des Landgrafen 
Wilhelm und seiner Mutter in Güstrow, wohin Moritz sich 
schmollend zu seiner Tochter retirirt hatte, den Versuch einer 
Reconciliation zwischen ihm und seiner Ritterschaft. Der Ge- 
brauch dieses Ausdrucks schon wurde von Moritz höchlich ver- 
übelt, und der Versuch scheiterte. Den erbetenen Abschied 
konnte Zobel trotzdem vom Landgrafen nicht erlangen; »ich 
werde aber gemüssigt werden, schrieb er an Havemänn, den- 
selben selbst zu nehmen. c 

Wenige Wochen später, im April 1625, wurde Zobel in 
seiner Vaterstadt abermals zum Rathsherrn eswählt, und diesmal 
zögerte er nicht, die Wahl ohne Befragung des Landgrafen anzu- 
nehmen. Sein Abzug aus Hessen glich einer Desertion. Aber, 
wie unwilhg auch Moritz anfänglich darüber war, so hat doch 
sehr bald eine vollständige Aussöhnung zwischen ihm und seinem 
langjährigen Rathe stattgefunden, dessen bedeutende Eigenschaften 
dem gelehrten Fürsten auch fürderhin und insbesondere nach 
seiner 1627 erfolgten Resignation einen vertraulichen brieflichen 
Verkehr mit Zobel angenehm machten. 

Gegen Ende Mai traf Zobel in Bremen ein ; schon im Juni er- 
schien er neben dem Syndicus Preiswerck als Abgeordneter Bremens 
auf dem Hansetage in Lübeck, im August auf dem Convente 



i) Der Oberst Asmus von Baumbach urtheilte gleich nach des Land- 
grafen Tode, er sei glücklicher in acquirendis quam conservandis amicitiis 
gewesen. Rommel 6, S. 304 Note. 



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— 72 — 

der Städte in Bergedorf. Bereits im November wurde er zum 
Bürgermeister erwählt. 

Im April 1626 wurde Zobel wiederum mit Preis werck an 
König Christian IV. nach Wolfenbüttel gesandt, um die Be- 
schwerden Bremens über Sperrung der Weser durch dänische 
OrlogschifFe und andere Belästigungen der Stadt vorzutragen. 
Bei diesem Anlasse fand der König ein solches Gefallen an 
Zobel, dass er ihm eine geheime Sendung an den König von 
Böhmen im Haag und an den englischen und französischen Hof 
antrug. Zobel fand es mit seinem Rathmannseide nicht unver- 
einbar, den Auftrag anzunehmen. Er berief sich muthmaasslich 
innerlich und demnächst auch schriftlich von dem formellen Stand- 
punkte, der ihn an die speciellen Interessen Bremens und an die 
Befehle des Raths band, auf den allgemeinen der politischen 
Gesammtlage, die das Geschick Bremens trotz seiner Neutralität 
mit dem der evangelischen Mächte und ihrer Verbündeten ver- 
knüpfte. Er hatte in dem einen Jahre seiner Theihiahme an 
den vaterstädtischen Geschäften, wie er bald in bitteren Klagen 
gegen seinen Freund Havemann äusserte, nur zu deutlich erkannt, 
wie wenige Männer unter seinen Rathscollegen sich durch einen 
weiteren, von persönlichen Interessen unbeeinflussten Blick hervor- 
thaten, wie wenigen das Geschick des Vaterlandes am Herzen 
lag. Er mochte daher zweifebi, dass ihm der Urlaub, wenn er 
vorher darum nachsuchte, werde gewährt werden; einer vollen- 
deten Thatsache gegenüber konnte er bei der ausserordentlichen 
Stellung, welche ihm sowohl die Art seiner Berufung in den 
Rath, als sein Geist und seine Erfahrung einräumten, auf baldige 
Beruhigung der Gemüther um so mehr hoffen, als er die Sendung 
in längstens drei Monaten erledigen zu können meinte. 

Aber er hatte sich in dieser Annahme doch getäuscht. Es 
machte den Rath »sehr perplex«, als er am 18. Mai durch den 
Präsidenten erfuhr, der Bürgermeister Zobel sei am 16. Abends 
nach Bremen zurückgekehrt, habe ihm angezeigt, dass er im 
Auftrage des Königs von Dänemark eine eilige Reise nach dem 
Haag und weiter nach London und Paris machen müsse, und 
sei gestern in der That abgereist. Man sandte dem Flüchtling 
eilends zwei Herren des Rathes nach, denen es aber nicht ge- 
lang, den Bürgermeister einzuholen. Die ihm dann nach Amsterdam 



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— 73 — 

nachgeschickte schriftliche Aufforderung zur Rückkehr beant- 
wortete er nur mit dem Hinweis darauf, dass von seiner Sendung, 
deren Inhalt er nicht bezeichnete, auch das Glück oder Unglück 
Bremens dependire. 

Ein Theil des Raths war wohl gleich der Ansicht, man 
müsse den Deserteur seines Amtes entsetzen; aber die Rücksicht 
auf den König überwog doch, bevor man einen so unglimpf- 
lichen Schritt that Christian IV. sandte einen seiner Räthe, der 
König von Böhmen vom Haag aus ein Schreiben an den Rath, 
um Zobel zu entschuldigen. Dieser beeilte in der That seine 
Reise, so viel immer möglich: am 28. Mai traf er im Haag ein, 
hatte Audienzen beim Könige von Böhmen und bei den General- 
staaten und war schon am i. Juni in London. 

Hier war sein Auftrag vornehmlich auf die Zahlung von 
Subsidien für die dänischen Kriegsvölker gerichtet'). Aber in 
der argen Verwirrung der dortigen Zustände, von welchen er in 
Berichten an den König") und in Briefen nach Bremens) dra- 
stische Schilderungen entwirft, wurde er bis Mitte Juli aufgehalten, 
um auch dann noch ohne Resolution über seinen Antrag die 
Reise nach Frankreich fortzusetzen. Und hier gar war es ihm 
unmöglich, schnell ans Ziel zu kommen, da eben der neue huge- 
nottische Krieg und der Widerstreit mit England alles Interesse 
verschlang. 

Monat auf Monat ging dahin ; schon war ein Jahr seit seiner 
Flucht von Bremen verflossen, und immer dringender und be- 
rechtigter wurden die Klagen im Kreise des Raths über das selt- 
same Benehmen des Bürgermeisters. Schon war man nahe daran, 
ihn dennoch unfreiwillig zu entlassen, als er endlich durch Ver- 
wandte und Freunde zu dem Entschlüsse bewogen wurde, seine 
Entlassung zu erbitten, die ihm im Juni 1627 ehrenvoll gewährt 
wurde. 

Zobel ist dann noch mehrere Jahre, auch nach dem Lübecker 
Frieden, im Auftrage Christians IV. in Frankreich geblieben und 
hat dorthin auch von Gustav Adolf Aufträge empfangen. Zu- 



x) Opel, der nieders.-dänische Krieg 2, S. $11 ff. 

2) Das. S. 511 u. 514. 

3) Bremisch. Archiv, Personalakte Zobels. 



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— 74 — 

gleich hat er für seinen alten Herrn, den Landgrafen Moritz, 
sich vielfach um Wiederauszahlung der diesem einst von 
Heinrich IV. gewährten, aber lange zurückgehaltenen Pension 
bemüht. Seine Berichte aus dieser Zeit») enthalten interessante 
Beobachtungen, zu denen ihm der Zustand Frankreichs und der 
Hof Ludwigs Xni. und bei gelegentlicher Rückkehr nach Eng- 
land derjenige Karls I. Anlass gaben. Es geht im Grossen und 
Ganzen eine trübe Stimmung durch diese Berichte. Zobel sah 
überall die Sache der evangelischen Freiheit, an der sein Herz 
hing, in schwerster Bedrängniss, und in bitteren Worten ergeht 
er sich gegen den Landgrafen über das Geschick, welches der 
imglücklichen Hugenotten von La Rochelle warte, die unter den 
Türken mehr Mitleid finden würden, als unter ihren Confessions- 
verwandten. Doch konnte er von sich rühmen, dass er, wie 
früher an der Vermittelung zwischen Schweden und Dänemark, 
so jetzt mit gutem Erfolge am Ausgleiche zwischen Frankreich 
und England mitgearbeitet habe. 

Aber inmitten der grossen politischen Aktionen, deren theü- 
nehmender Zuschauer er war, hat er niemals der Heimath ver- 
gessen. Er wird nicht müde, Bremen insbesondere, aber auch 
die Hansestädte insgemein zu ermahnen, sie möchten Partei 
ergreifen, in seinem Sinne selbstverständlich die Partei der 
Generalstaaten, Dänemarks, Schwedens. Durch ihre Unterhand- 
lungen mit Tilly und den Kaiserlichen machen sie sich nur 
suspekt, ohne doch sich zu sichern. »Wir müssen gedenken, 
dass der Zweck unserer Feinde sei, mit Dämpfung unserer 
Libertet sich nicht zu genügen, sondern die Egiptische Servitut, 
aus welcher wir vor ungefehr hundert Jahren gerathen, uns 
wiederumb über den Hals zu ziehen«. Aber er hegt die Sorge, 
»es seien in Bremen Leute, welche vor pasport (d. h. für die 
Erlaubniss der Güterausfuhr) die Freiheit verkauften, indem sie 
Christo mit der Zungen, dem Mammon aber mit dem Herzen 
dienen«. 

Den Lübecker Rath, welchem er, wie gleichzeitig nach 



«) Mir sind nur die an den Landgrafen im Marburger Archiv und an 
seine Freunde in Bremen und Lübeck, originaliter oder abschriftlich im 
Brem. Archive bekannt. 



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— 7S — 

Bremen, die bevorstehende Ankunft eines französischen Special- 
gesandten, des Herrn de Chamassay, meldete, erinnerte er daran»), 
dass »ihr (der Hansestädte) corpus durch der benachbarten und 
verwanten Cronen Denemark, Schweden, Engelland, Frankreich 
zu solchem robusto vigore gerathen. Da sie sich aber von soldier 
gewohnlicher Nahrung solten ab imd ad nova nutrimenta be- 
geben, mochten vielleicht solche symptomata dazu schlagen, 
welche sich mit den vorigen humoren nicht vertragen und des, 
ohnedas efFecti, corporis gäntzliche destruction mochten verur- 
sachen«. »Mit was Eiffer und Ernst ich damals, als es Zeit war, 
die Inachtnehmung dero sich hierunter bemühenden benachbarten 
Potentaten undRecoUigierung des verfallenen Hänsebundes urgieret, 
ist E. E. unentsunken«. »Ohne meine Erinnerung liegt am 
Tage, ob ohne Denemark und Schweden, mit welchen sich nun- 
mehr Frankreich und Engelland zu solchem Zwecke conjungieret, 
Euer corpus subsistiren könne oder nicht, und habt Ihr reiflich 
zu bedenken, was Euch nicht allein aus Quitierung solcher alten 
bewehrten Freunde und Nachbarn, sondern auch aus CoUision 
mit denjenigen, so sich mit ihnen umb euch ziehen werden, zu 
erwarten«. »Ihr werdet weislich und wohl thun, eure Freiheit 
durch diejenige Mittel zu erhalten, dardurch*s eure Vorfahren 
acquirirt; im widrigen Fall wird euch das künftige Unglück 
schwerer sein zu vermeiden, als gegenwertige Glück zu erhalten.« 
Demselben Gedanken giebt er gleichzeitig nach Bremen hin Aus- 
druck«): »Würd bei euch beruhen zu erwehlen, ob ihr zugleich 
Frankreich, Engelland, Denemark, Schweden und die ordines 
Belgii, in summa alle alte Freunde und Nachbarn, auf einmal 
verkiesen und es mit newer Freundschaft, von deren Bestendig- 
keit und Intention ihr die Prob auf euer Gefahr erst zu erfahren 
habt und allem Ansehen nach sehr wenig versichert seid, wollet 
wagen.« 

Doch ich kann an dieser Stelle nicht weiter auf den reichen 
Inhalt seiner Briefe eingehen, aus denen überall ein feingebildeter 
Geist, eine feste evangelische Ueberzeugung und eine innige 
Vaterlandsliebe sprechen. 



i) Aus Paris II. Februar 1629, Copie im Brem. Archiv, 
a) Schreiben an den Rath vom 9. Februar 1626. 



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^ 76 - 

Merkwürdig, wie der Verlauf von Zobels Leben, ist auch 
noch sein Schluss gewesen. Denn als er im Januar 1631 von 
seinem langen Aufenthalte in Paris zu König Christian zurück- 
zukehren im Begriffe stand, ist er auf der Durchreise in Bremen — 
erst 52 Jahre alt — gestorben und in heimischer Erde neben 
dem Vater und Grossvater zur Ruhe bestattet worden. 

Wenn wir mit einem Blicke das Leben der beiden Männer 
übersehen, deren Geschicke ich nur flüchtig habe zeichnen können, 
so stellt sich in Heinrich Zobel, trotz einzelnen modernen Zügen 
seines Wesens, im Grossen und Ganzen das Bild eines hansischen 
Geschäftsmannes der alten Zeit dar. Ganz anders bei dem Sohne. 
Er hat den besten Inhalt seines Lebens in der Schule des Land- 
grafen Moritz erhalten ; er lebt und webt in dem grossen religiös- 
politischen Gegensatze, der seither die Geschicke Europas be- 
stimmt hat. Unter allem Wechsel seiner äusseren Verhältnisse 
hält er den einen Gedanken fest und ordnet ihm alle anderen 
Rücksichten unter, die Erhaltung der schwer erkämpften evange- 
lischen Freiheit. Indem wir ihn bemüht sehen, diesem Gedanken 
auch die Kraft der Hansestädte dienstbar zu machen, tritt uns 
der ungeheure Wandel lebhaft vor Augen, den das Jahrhundert, 
welches von der Einwanderung Claus Zobels in Bremen bis zum 
Tode seines Enkels verflossen war, auch über das Leben der 
Hansestädte gebracht hatte. 



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IV. 

DIE ROSTOCKER METALLENEN 

NORMALSCHEFFEL UND DAS EICHVERFAHREN 

DES MITTELALTERS. 

VON 

K. E. H. KRAUSE. 



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In Rostock haben sich im städtischen Besitze 4 SchefFel- 
niaasse aus Glockenbronze (»Grapengode«) vom Jahre 1330 
erhalten'), welche bis 2iur Einführung des Bundes-Maass- und 
Eichwesens vom 17. August 1868 zum Eichen des »Rostocker 
Scheffels« thatsächlich gedient haben und so auch das alte Eich- 
verfahren bis in unsere Zeit hinübertrugen; ein Stück des 14. im 
19. Jahrhundert. Allerdings hat nur der »Roggenscheffel« seine 
Geltung behauptet, und so ist die Eichung nur von ihm be- 
kannt. 

Der eherne Roggenscheffel (i) hat oben einen 
Durchmesser von 52 cm im Lichten, unten am Boden ebenso 
von 48 cm, die Höhe des Hohlraums hart an der Metallwand 
18,5 cm, in der Mitte ein klein wenig grösser; hier ist der Boden 
durch ein Loch mit Schraubengewinde (Schraubenmatriz) von 
3,5 cm Durchmesser durchbohrt. Im Boden scheint die Metall- 
stärke vom Mantel zur durchbohrten Mitte hin etwas abzunehmen ; 
der Hohlraum des ganzen Gemässes ist also mathematisch ein 
abgestumpfter Kegel mit etwas gewölbter kleinerer Kreisfläche. 
Die in die Matriz passende Schraube, welche 1835 noch vor- 
handen war, aber 1842 als verloren angegeben wird, wurde von 
aussen (unten) eingeschroben ; ward dann der Scheffel mit Korn 
gefiillt und die Schraube vorsichtig wieder aufgedreht, so strömte 
der Inhalt langsam und allmählich völlig nach unten aus. Die 
(äussere) Metallhöhe des Scheffels ist 21 cm, der äussere Um- 
fang 167 cm, die Dicke der Bronzewandung oben fast i cm. 



«) Sie werden jetzt im Museum des Vereins für Rostocker Alterthümer 
aufbewahrt. 



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— 8o — 

Der Scheffel ist wie auch die 3 folgenden ohne Handgriffe. 
Rings um den oberen Rand ist bei allen 4 Scheffeln eine In- 
schrift vertieft mit eingegossen in gothischen Minuskeln, 
die gereimte oder doch anklingende Verszeilen ergiebt, aber nicht 
so abgetheilt, sondern ununterbrochen fortlaufend gegossen ist. 
Die Umschrift lautet*): 

dessen . scepel . let . gheten . her . lodewich . cruse . unde . 
her . cort . cropelin . 

ere . zele . mote . salich . zin . 

zowe . mit . eren . wil . olden . 

de . scal . des . Stades . boc . holden . 

zowec . liket . na . desser . rogghen mate . 

de scal . deme . godes . huse . ver . penighe laten . 

Darunter steht in einem Kreise ein gleicharmiges Kreuz; 
zugleich für den Lesens Unkundigen das Zeichen des Roggen- 
scheffels und das Besitzzeichen (Hausmarke) des Gotteshauses 
zum H, Geist, noch heute — die Kreuzspitzen etwas über den 
Kreis verlängert — die Acker- und Grenzmarke des gleich- 
namigen » Hospitals « • 

Der Haferscheffel (2), ebenfalls etwas konisch, hat 
oben im Lichten fast 54 cm, unten 49 cm, im Schraubengewinde 
3,5 cm Durchmesser. Die Höhe des Hohlraums ist 20,5 cm, 
die Metallhöhe 21,5 cm, der äussere Umfang oben 175 cm, die 
Dicke des Metalls oben i cm. Die Umschrift, wie beim Roggen- 
scheffel, lautet: 

dessen . scepel . let . gheten . her . lodewich . cruse . unde . 
her . cort . cropelin . 

ere . sele . mote . salich . sin . 

zowe . mit . eren . wil. olden . 

de . scal . des . Stades, boc . holden . 

zowelc . liket . na . desser . haver . mate . 

de . scal . deme . godes . huse . ver . pennighe . laten . 

iohannes . apengheter . fecit . 



') Ich liess sie 1883 in der Rostocker Zeitung Nr. 204, 3. Beil. vom 
2. Sept. und Nr. 281 4. Beil. vom 2. Dec. abdrucken. Die Umschrift des 
Roggenscheffels gab fast genau Prof. Schadelock 1791 in der fast verscholleneu 
Zeitschr. von Josephi: Cxemeinntitz. Rostocksches Wochenbl. i. Jahrgang, 



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— 8i — 

Dahinter steht ein kleiner Vierpass mit 4 Punkten in den 
Ecken und einem in der Mitte, vielleicht das Giesserzeichen des 
Johann ; darunter ziemlich gross der nicht gekrönte Stierkopf, das 
alte Siegel der Bürgerschaft Rostocks, und die H. Geist-Kreuz- 
marke, in welcher aber ein Vierpass, wie 4 Blätter, zwischen 
die 4 gleichen den Kreis überragenden Kreuzarme eingeschoben 
ist, so dass die Figur einem Sstrahligen Sterne, mehr noch einer 
Sblättrigen Blume, ähnlich sieht. 

Der Hopfenschef fei (3.) heisst in der (ganz wie in den 
beiden vorgenannten) eingegossenen Inschrift einfach Scheffel; 
aber noch aus den Inventarien der SchefFelwröge vom 12. Juli 
1828 und 19. April 1842 ergiebt er sich zweifellos als »Hopfen- 
scheffel« oder »Rüffling«, welch letzterer Name hier auch 
noch aus alter Tradition bekannt ist'). Er ist weit und flach: 
der Durchmesser oben im Lichten hält 57 cm, am Boden 
56 cm, das Schraubenloch, welches er auch merkwürdiger Weise 
liat, 3,5 cm. Die Höhe des Hohlraums beträgt nur 9,5 cm, 
die Metallhöhe 10,5 cm, der obere Aussenumfang 188 cm, die 
Metallstärke oben gleichfalls i cm. Die Umschrift lautet: 

anno dm . m°. ccc°. XXX . i . festo . symonis . et Jude . apl'ou' . 

dessen . scepel . leth . gheten . her . lodewich . cruse . unde . 
her . cort. cropelin . 

ere . sele . mote . zalich . sin . 

Zowe . mit . eren . wil . olden . 

de . scal . des . Stades . boc . holden . 

sowelc . liket . desse . mate . 

de . scal . deme . godes . huse . ver . penninghe . laten . 

Darunter die Marke, wie beim Roggenscheffel. 



2. B., Stück 3, und später Prof. H. Karsten: »Einige Worte über Maass 
und Gewicht im Allgem. und die Meckl. Maasse ins Besondere. Rostock 
im Dec. 1851«. Scparatabdr. aus Meckl.-Schwerin. 410 Kalender für 1852, 
i) Darnach ist im Mittelndd. Wörterb. 3, S. 522 v. rufelinge bei 
Wismarer Angaben von Hopfenmaassen das Fragezeichen zu streichen. S. 521 
ist nach voc. Engelh. mensura confortata durch »gerufelt« wiedergegeben. 
Das Wort gehört zum altklevischen rueven beim Teuthonista = himmelen, 
wulucn, testudinare, arcuare, lacunare; also ein Maass zum Häufen (Wölben). 
Campe , der die technischen ndd. Ausdrücke verzeichnet , hat das Wort 
Rtifling nicht mehr. 

Hansische Geschichtsblätter. XV. 6 



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— 82 — 

Der Salzscheffel (4.) hat oben im Lichten 52 cm, unten 
ebenso 48,5 cm Durchmesssr; die Höhe des Hohlraums ist 
21 Chi, des Scheflels selbst 22,5 cm, der äussere Umfang oben 
165 cm, unten 159 cm, die Metallstärke oben etwas über i cm. 
Dieser Scheffel ist nicht durchbohrt. Karsten a. a. O. giebt seinen 
Inhalt als genau gleich dem Roggenscheffel an. Die Um- 
schrift läuft in 2 vollen Zeilen um den Rand, und in einer 
dritten stehen noch die letzten beiden Worte. Sie lautet: 

ene . rede . ic . juv . segghe . 

dessen . gantsen . zolt . scepel . scal . nument . men . de . 
hilgheghest . hebben . 

zowe . desses . scepels . wil . neten . 

de . scal . dar . dre . penninghe . vore . sceten . 

zouuellic . borgher . hir . zolt . met . in . der . stat. 

deme . scal . dit . godes . hus . dun . ene . haluen . scepel . 
unde . en . verdevat . 

zowellic . borgher . zolt . aa . deme . markede . zeit . de . scal . 
vor . desse . maten . 

deme . godes . hus . in . enie . gewelken . verdendel . jares . 
druttich . peiighe . laten . 

zowe . dat . zeit . an . der . strate'. 

de . scal . hir . to . der zulue , tith . vifteyn . penninghe . laten . 

Darunter dasselbe Zeichen- wie bei Nr. i und 3 ; doch ist 
der Kreis nur zu ^U geschlagen ; der obere vordere rechte Winkel 
ist absichtlich nicht geschlossen'). 

Von den vier Gemässen nennt freilich nur eins den Giesser, 
ein anderes das Gussdatum, 1330, den 28. October, und drei 



x) Eherne Korn-Gemässe des 14. Jahrh. sind bekannt (nach gütigen 
Mitth. des Herrn Dr. Theodor Hach) in "Würzburg (Hist. V. f. Unterfranken 
und Aschaffenburg, Münch. Katal. 1876 Nr. 1678), nur 22 mm hoch; die 
3 Lübecker Scheffel (Katal. des culturhist. Mus. Nr. 2038, 2039 und 2040), 
welche Milde irrthümlich ins 15. Jahrh. setzen wollte. Aus dem 15. Jahrh. 
giebt es mehrere; so ein Lübecker »hauerschepel« (das. Nr. 2041), ein Passauer 
Gemäss von 1480 (Münchener cit. Katal. Nr. 1679) , .2 Lübecker von 1487 
(Kat. München Nr. 1680 und 1681 irrig als Braunschweiger aufgeführt) und 
noch I grosser Lübecker Korn- und i ebensolcher Haferscheffel mit »Ab- 
flussklappec vom Ende des 15. Jahrh, Lübeck muss sein Gemäss mehr- 
fach geändert haben. 



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- 83 - 

die Besteller- trotzdem zeigen die Art des Gusses, die Schrift 
und die Sprache, dass alle 4 von demselben Meister, also Jo- 
hannesApengheter'), gleichzeitig gegossen sind. Da dieser 
Meister 27. Mai / 29. Juni 1339 vor dem Niedefstadtbuch in 
Lübeck versprach, einen ihm zur Fertigstellung seiner »wichtigen 
Arbeit« in Rostock vom Lübecker Rathe gemachten Vorschuss 
aus der Bezahlung für die Rostocker Arbeit zurückzuerstatten«), 
so könnte man annehmen, dass der SchefFelguss bis 1339 ge- 
dauert habe. Es bleibt dann fraglich, weshalb der Lübecker 
Rath diese Rostocker Arbeit für so »wichtig« gehalten habe, da 
diese Scheffel kein allgemein hansisches Maass waren 3); denn 
die Lübecker des 14, Jahrhunderts sind kleiner als die Rostocker. 

Die Scheffel sind natürlich Eichmaasse, wie sie ja auch 
neuerdings noch voh Metall hergestellt wurden : so z. B. der 
Rostocker Scheffel, d. h. der Roggenscheffel, selbst noch 1835 auf 
grossherzoglichen Befehl für Schwerin. Ueber die Anordnung 
solcher Eichung durch die Stadt Rostock besitzen wir keinerlei 
Nachricht ; die einzigen vorhandenen Urkunden darüber, die doch 
Vieles im Dunkel lassen, sind die Umschriften der Scheffel selbst, 
welche der Sorgsamkeit des Herausgebers vom' Meklenburgischen 
Urkundenbuche entgangen sind und deshalb dort fehlen. 

Die Inschriften nennen dreimal ein »Stades boc« ; es liegt 
nahe, daran zu denken," dass in einem Stadtbuche, den Lübeckern 
ähnlich, Bestimmungen gebucht sein müssten; wir kennen in 
Rostock aber dergleichen nicht; im sog. »Rothen Buche« (dessen 
ältere Eintragungen übrigens Abschriften sind) steht keine be- 



i) Ueber diesen grossen Meister, der vielleicht schon 131 5 in Halber- 
stadt, 1327 in Kolberg, 1330 in Rostock, 1332 — ^42 in Lübeck, 1340 auch 
in Kiel, vermuthlich 1348 in Göttingen und 1350 — 51 in Hildesheim nach- 
weisbar ist, vgl. Dr. Theod. Hach im Repert. f. Kunstwissensch. IV. (1881) 
S. 177—182; Fr. Kugler in Bah. Stud. VIII, S. 174 (Kugler, Kl. Schriften i, 
S. 784); H. Wiih. H. Mithoff, Mittelalter!. Künstler und Werkmeister. 
3. Aufl. S. 18, 166, 173 und 175 unter Joh. de Gotinghe und Jan van 
Halberstadt. 

2) Milde und Deecke, Denkm. bildender Kunst zu Lübeck 4; danach 
'Mithoff a. a. O. S. 18. 

3) S. u. Anhang. 



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- 84 — 

zügliche Bestimmung. Dass das »Stades boc« hier das Stadt- 
recht bedeuten solle, wie ich früher meinte, ist kaum anzu- 
nehmen. 

In welchem Amte die beiden Rathsherren die Scheffel giessen 
Hessen, ist ebenfalls nicht auszumachen. Ludowicus Kruse 
kommt vom ii. März 1323 bis 25. Januar als Rathsherr vor; 
am 3. Mai 1336 ist er mit Gerlach Baumgarten Provisor des 
H. Geist-Hospitales ; nachher wird er oft als Bürgermeister ge- 
nannt '). KortKropelin kommt 1 3 28 als Richter vor, früher 
schon als Hospitalprovisor; im September 1333 wird er unter 
Bürgern mit aufgezählt. Er ist im Jahre des Scheffelgusses 1330 
unfraglich Rathmann»). Gossen sie nun ^s Rathsherren oder 
als Provisoren? Letztere hatten jedenfalls keine markfpolizei- 
lichen Vorschriften zu erlassen, sondern dieses stand bis zum 
6. October 1830 den Weddeherren, dem Gewett, zu. So werden 
wir annehmen dürfen, dass Kruse und Kropelin 1330 Wedde- 
herren waren. Vielleicht Hesse sich denken, dass sie gleichzeitig 
auch H. Geist-Provisoren waren, und dass dieses Hospital die 
Gusskosten getragen hatte, um nachher auch den Gebühren- 
ertrag zu geniessen, der ursprünglich nicht unerheblich war. 
Denn die oft genannten 4 §) entsprechen dem Silberwerthe nach 
etwa 34 S) oder ^/s Reichsmark von heute, der damaHgen Kauf- 
kraft nach aber ^U Scheffel Hafer oder auch 2 i6 besten Rind- 
fleisches 3). Die 30 ^ von 1330 auf dem Salzscheffel entsprechen 
dem damaligen Werthe von fast 2 Scheffeln Hafer oder von ^U 
einer fetten Kuh. 



x) Mekl. Urk.-B. Nr. 4423. 24. 4614. 15. 26. 4758. 4999. 5024. 74, n. 
5243. Genannt wird er schon Nr. 4246, als provisor Nr. 5664; als 
Bürgermeister: Nr. 5837. 41. 5971. 6103. 6605, 71 18. Nr. 7031 nennt ihn 
als verstorben. Er besass Beselin (Nr. 4223) und den Zehnten in Sildemow 
(Nr. 5113. 7326 n.), auch in der Rostocker Heide (7294). So hiessen 
übrigens ausser dem grossen Walde an der See auch die Feldmarken von 
Barnstorf, Damerow, Schwass etc. 

a) Mekl. Urk.-B. Bd. V, S. XIX. Nr. 3965. 4903. — 3003. 5449. 
Nr. 6044 nennt ihn als todt. Nach dem Reg. soll (irrig) bei Nr. 549Q sein 
Siegel stehen. 

3) 1338 kostet in Meklenburg i Scheffel Hafer 16 /ij= 1V3 /? Lübisch. 
Mekl. Urk.-B. Nr. 8453. 56. 8509. v. Buchwald, Deutsches Gesellschafts- 
leben etc. 2, S. 73. Nach der Taxe von 1747 erhielt das Hospital für das 



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- 85 - 

Jedenfalls sehen wir, dass nicht die Stadt selbst oder eine 
ihrer Behörden das Eichen besorgte, sondern das Gotteshaus zum 
H. Geiste, welches dieses im Mittelalter wahrscheinlich durch 
einen der Brüder, seit der Reformation durch einen Prövener, 
noch später durch einen angenommene» Bediensteten thun Hess, 
der dem Hospital einen Eid zu leisten halte, und dem die Scheffel 
zur Ausübung seines Geschäftes überliefert wurden. Eine In- 
struction scheint nie ertheilt zu sein; auch im Eide steht nichts 
dergleichen: die technische Behandlung wurde nur durch Tradi- 
tion überliefert. Der eichende Prövener (Präbener, praebendarius) 
hiess Wröger, Schepelwröger, Scheffel wröger, sein Amt die »Wröge«, 
sein Haus auf dem Heil. Geisthofe heisst noch heute die Scheffel- 
wröge^). Weder die anstellenden Hospitalvorsteher noch die 
Wröger verstanden 1709 noch die Maasse mit Ausnahme des 
Roggenscheffels und eines gegossenen »Spintes« und »halben 
Spintes,« welche aus dem 17. Jahrhundert stammen, aus Kupfer 
gegossen sind und sich ebenfalls im Rostocker Museum befinden. 
Ein Inventar des 17. Jahrhunderts kennt den Salzscheffel nicht 
mehr, sondern nennt ihn »ein gross Scheffel von Grapengode« ; 
es hält dagegen den Hopfenscheffel für »ein Rüfflinck oder halff 
Soltscheffelc. Man hat also nach diesem wider Recht das Salz 
gemessen, vermuthlich danach auch die zum Verleihen oder Ver- 
kauf bestimmten Salzmaasse, eisenbeschlagene Holzmaasse, welche 
vorhanden waren, geeicht. Man hatte zum Eichen auch noch ein 
eisenbeschlagenes Viert (}U Roggenscheffel, »Vat«) xmd ein altes 
beschlagenes Salzviert (also ^k Rüfflinck). 1709 ist ebenso der 
Rüfilinck als »eingegossen halber Scheffel oder Salzmaass« auf- 
geführt. Im Inventar kommt neu ein eisenbeschlagenes Zwölftel 



Wrögen neuer Scheffel und Spinte je 4 /? für i neuen Scheffel, Spint oder 
Viert, für alte Maasse je 2 /?; der Wröger für jeden Scheffel und jedes 
Spint 2 /?, für jedes Viert i /?. 

i) S. Hospitalakten vom 4. Juli 1644, 6. Aug. 1709, 28. April 1730, 
7. Sept. 1747, 3. Juli 1828 (durch die Güte des Herrn Senators Brummer). 
Im Inventar von 1709 ist »halber Scheffel« für Haberscheffel« augenscheinlich 
verschrieben. Das Abenteuerlichste ist, dass im Wröger-Eide 1709 und 1730 
sogar das Wort »metallen« nicht verstanden ist, sondern »matanen« geschrie- 
ben, gestabt und geschworen wurde. (Doch wohl : mattan = Metall, Mes- 
sing. Mnd. Wb. 3, S. 46. K. K.) 



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— 86 — 

vom Scheffel vor, daneben eine Anzahl »Salzmaasse« mit je 
einer »Krücke« dazu (Streicher?). Es ist darnach klar, dass 
Hopfenmaasse schon im 17. Jahrhundert nicht mehr geeicht 
wurden; wie das früher geschehen, ist auch nicht mehr zu er- 
rathen. Ebenso erhellt, dass das alte Salzmaass schon im 
17. Jahrhundert (wahrscheinlich schon im 16.) verschollen war^ 
und ein falsches sich eingebürgert hatte; das Vorhandensein 
mehrfacher, auch alter, solcher Gemässe scheint aber darauf 
hinzudeuten, dass nach der in der Umschrift des Soltscepels von 
1330 enthaltenen Verordnung noch Gemässe ausgeliehen wurden* 
Nach jener Vorschrift sollte ja der »Soltscepel« selbst nur zum 
Nachmessen dienen (gegen 3 ^ Entgelt); dagegen sollten an 
die Bürger zum Salzhandel geeichte Halbscheffel (wofür man 
später den »Rüfling« hielt) und Viertel ausgeliehen ') werden, für 
den, der verseilt an der Strasse, d. h. von den *Leden« (Aus- 
schlagklappen) vor dem Hause oder an der Thür, für 15 /^, 
für den Marktverkäufer (dessen Absatz man auf das Doppelte 
schätzte) für 30 /^ vierteljährlich. Wie diese Preise sich später 
stellten, ist nicht nachzuweisen. Die ganze Geschichte muss um 
17 00 antiquirt sein; denn die Rathsverordnung vom 17. Februar 
1727«) handelt nur noch »von der Maasse der Salztonnen«, und die 
durchgreifende und für später grundlegende Rathsverordnung vom 
23. November 1749 wegen der Rostocker Maasse und Gewichte 
nennt »Salzm^asse« überhaupt nicht mehr. Es konnte von nun 
an nur noch der s^Ugemeine, der Roggenscheflfel, der ja faktisch 
auch im Inhalt dem alten Salzscheffel gleich war, dafür gebraucht 
werden, was. dann in unserem Jahrhundert noch ausdrücklich 
verordnet wurde, da 2 grosse Firmen sich Privat-Salzscheffel 
ä 62 — 64 Pfund Inhalt hatten machen lassen, weil das Salz ein- 
schwinde und sich verzehre 3). 



') döen, don, heisst noch heute »leihen«. 

a) Henrich Nettelbladt, Verzeichniss allerhand etc. zur Geschichte und 
Verfassung der Stadt Rostock gehöriger Schriften etc. (1760) S. 84; die 
Verordnung von 1 749 ist im Druck bekannt gemacht. 1 749, 410 . Vom 
Maasse der Lüneburger Salztonne und SalzschefTel von 1349 vgl, Lüneb. 
Urk.-B. I, Nr. 454, daraus Sudendorf 2, Nr. 328. — Hans. Urk.-B. 3, S. 74. 

3) Der allerdings richtige »Schwund« sollte also in bekannter Verkehrt- 
heit durch Verkleinerung des Verkehrsmaasses statt durch Preisaufschlag gut 
gemacht werden. S. Polizeiakten über Maass und Gewicht. Die Aufsicht 



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— 87 — 

Eichung aller Marktgefässe scheint ursprünglich, wie im 
Alterthum, nicht vorgeschrieben gewesen zu sein ; die Norraal- 
maasse dienten wesentlich zur Feststellung in strittigen Fällen, 
ähnlich wie es bei der Stadtwage und bei den Holzsetzern (be- 
eidigten Holzrtiessern) üblich war. Man musste sich nur hüten, 
mit unrichtigem Maasse der Marklpolizei zu verfallen. So scheint 
es auch bei den Griechen und Römern gewesen und von diesen 
weiter vererbt zu sein. Auch von ihnen kennen wir keine Eich- 
befehle, sondern nur marktpolizeiliche Vorschriften. Die attischen 
ayoQayofj.01 hatten das Recht und die Pflicht, gegen unrichtiges 
Maass einzuschreiten, die Waare zu wracken, ja die Peitsche zu 
gebrauchen*). Den römischen Aedilen der Provinzialstädte stand 
ebenso die Gerichtsbarkeit über richtiges Gemäss und das Recht 
zu, unrichtiges zu kassiren*). Dem entsprechen auch die ndd. 
Ausdrücke liken und wrogen3); ersteres steht in den Scheffel- 
Inschriften, es kommt dafür auch likenen vor. Die . richtigen 
Gemässe standen zum Vergleichen bereit, wenn der Käufer 
sich beeinträchtigt glaubte *) ; vermuthlich musste die Gebühr dann 
der Verkäufer zahlen, wenn sein Gemäss zu klein war, der 
Käufer, wenn er zu Unrecht die Richtigkeit bezweifelt hatte. Bei 
den Holzsetzem bestand das in Rostock bis 1868. Unrichtig 



über letztere war durch Rathsdecret vom 6. Oktober 1830 vom Gewett auf 
das Polizeiamt übertragen. 

1) K. Fr. Hermann, Griech. Privatalterth, § 59, 10 etc. Plaut. Rud. 
II, 3, 43 : merces improbas jactare. 

2) De mensura jus dicere . . . vasa minora frängere. luvenal. Sat. 10, 
100 f. Pers. Sat. i, 30. 

3) Mhd. und in nieder!. Urk. wird im MA ichen, iken gebraucht; aus 
dem Mndd. kannten Schiller und Lübben nur ein Berliner Beispiel aus 
Fidicin, Beitr. zur Gesch. Berlins. Mittelndd. Wörterb. 2, S. 350. Auch 
ike f. als Eichinstrument (sonst als Spitze) ist nur rheinisch-niederl. A. a. O. 
Die Herleitung ist zweifefhaft; mit Eiche (quercus) hat es nichts zu thun. 
Kluge, Elym. Wörterb. (3. Aufl.) S. 61 f. leitet es von der german. Wurzel ik, 
stechen, ab. Ueber Kempen = eichen s. Mittelndd. Wörterb. 2, S. 444. 
Die dort cit. Stelle bei Sudendorf 2, Nr. 328 steht auch Urk.-B. der Stadt 
Lüneburg i, Nr, 454. Nach Hans. Urk.-B. 3, S. 74 lautet sie aber nicht 
«lik gekempet«, sondern »lik cempet«, das Feit im Gloss. nicht erklärt. 

4) Dafür spricht, dass die Scheffel- Wröge bis zuletzt stets einen Scheffel 
Roggen zum Nachmessen bereit halten musste. 



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— 88 — 

befundene Gemässe wurden natürlich ausgeschossen; daher der 
Ausdruck wrogen (richten), welcher allmählich der übliche 
wurde und später selbst in wraken (für Ausschuss erklären) 
überging. So nennen Rathsdecrete vom 19. December 1864 
und 6. Januar 1865 den SchefFelwröger geradezu »Scheflfel- 
wrackerc. Erst allmählich kann es aufgekommen sein, dass 
auch geeichte Scheffel abgegeben wurden, wie es ja für die Salz- 
gemässe von Anfang an Vorschrift gewesen war, freilich auch 
nur zur Leihe. Im 16. Jahrhundert riss dann eine derartige Un- 
ordnung ein, dass der Rath am 15. März 1596 ein Mandat 
gegen die ungleichen Scheffel erlassen musste, das er 1599 schon 
zu erneuem nöthig hatte. Der fortdauernde Unfug, augenschein- 
lich mit der wiederkehrenden Ausrede der Abnutzung, führte 
dann zum Zwange des zu wiederholenden Eichens: ein Beeret 
vom 19. September 16 13 gebot, dass alle Bürger und Ein- 
wohner ihre Scheffel »jährlich gegen die beim Gotteshause 
zum Heil. Geist befindliche Maasse sollen wroegen lassen« »). 
Es musste nun fortan jeder Scheffel etc. die laufende Jahrzahl 
eingebrannt erhalten. Seit 1705 finden wir nun Kornmesser 
mit einer Amtsrolle. Die H. Geist -Akten bemerken: »Auf 
Himmelfahrtsabend melden sich die Kommesser zum Wrögen 
und geben nichts für das Wrögen, für das Einbrennen der 
Jahreszahl aber für jeden Scheffel i ^ an des Scheffel wrögers 
Frau«. Gut standen sich dabei die Einnahmen des H. Geistes 
und des Wrögers ; auf die Dauer gebessert wurde der Zustand 
nicht. Nach der Normal- Verordnung vom 23. November 1749 
scheint es zunächst anders geworden zu sein; denn der Landes- 
grundgesetzliche Erbvergleich von 1755') erhob den Rostocker 
Roggenscheffel (mit Ausschluss des Haferscheffels, der nun anti- 
quirte) zum Landesscheffels), während der H. Geist die einzige 



') Nettelbladt a. a. O. S. 84. 88. 

3) LGGEV. Man scheint ihn damals (nach der vermuthlich von Prof. 
Karsten stammenden Tabelle im Meckl. -Schwerin. 410 Kalender für 1864, 
Rostock, Adlers Erben, S. 32) ein klein wenig zu gross bestimmt zu haben, 
was man bis 1835 hin übersah. 

3) Trotzdem nennt der cit. Kalender für 1864 noch 6 in Mecklenburg- 
Schwerin gängige andere Scheffel ! 



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- 89 - 

Wröge im Lande behielt, also für das ganze Land eichte. Erst 
durch Verordnung vom ii. August 1834 wurde eine Landes- 
Eichung eingeführt, aber ganz wie die alte Rostocker: nicht 
obligatorisch; die Münzofficianten zu Schwerin wurden auto- 
risirt, auf Anrufen als öffentliche Eichungsbehörde eine Stempe- 
lung »mit Autorität vorzunehmen« , und zu dem Zwecke der 
Obermünzmeister Niebel beauftragt, eine genaue Messung des 
Rostocker Roggenscheffels anzustellen. Der dafür eingeleiteten 
Untersuchung von 1835 verdanken wir die Kunde des alten 
Eichverfahrens. Nach dem gefundenen Präcisionsmaasse 
wurden nun bei der Münze in Schwerin ein neuer (cylindrischer) 
Scheffel, mit metallenem Streicher, hergestellt und durch Ver- 
ordnung vom 8. Mai 1843 ^^^ Aemtern danach die Eichung 
anbefohlen. Damit verlor der H. Geist das Haupteinkomraen 
der Wröge. Nach Aufhebung der grossherzoglichen Münze 
wurde dann am 13. September 1850 diese Eichung dem neuen 
»Grossh. Aichungs- und Wardirungs- Amt« übertragen. Das 
Gesetz des norddeutschen Bundes vom 17. August 1868 machte 
dem allen ein Ende^). Dennoch wanderte der alte »Korn- 
scheffel« noch einmal zur Nachprüfung*) nach Schwerin wegen 
Feststellung der Umrechnung in die neuen Maasse, speciell für 
die Lieferungen und Deputatzahlungen, für die er noch immer 
normirt, wohl das einzige alte Hansische Wroge-Gefäss , dem 
solch zähes Leben in der Praxis beschieden war. Jetzt ist er 



>) Raabe, Gesetzsamml. III, 982. V, S. 66. V, S. 1054. Gesetzbl. 
des norddeutsch. Bundes 1868. 

2) Das Maass des Roggenscheffels war früher kaum je auf Präcisions- 
maasse zurückgeführt. Als das Gewett am 14. Nov. 181 7 ein Gutachten 
darüber abgab, benutzte es statt der Nachprüfung 15 private Rechenbücher 
und Abhandlungen. Der LGGEV. hatte es angenommen zu 2832 Cub. Zoll 
meckl. (d. h. nach dem Hamburger kleinen Werkfuss zu 127'" paris.); so 
maass auch Schadelock und giebt es die Tabelle für die Vers, der deutschen 
Land- und Forstwirthe inDoberan 1840; ebenso bestimmte ihn Niebel 1835, 
und auf diesen Fuss wurde nach ihm die Erhebung des meckl. I^andzoUes 
am 17. Febr. 1836 bestimmt. 1851 hatte Karsten (s. oben S. 80 Anm. i) 
ihn nachgeprüft und fand ihn zu 1960,3 Pariser CubikzoU (den Früheren 
entsprechend) oder 38,889 1. Auch die grossh. Verordnung vom 7. Februar 
1863 (Meckl. -Schwerin. Reg.-Bl. 1863 Nr. 7) bestimmte ihn wieder zu 2832 
meckl. CubikzoU, was der Karsten' sehen Liter- Angabe entspricht. 



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— 90 — 

selber freilich ein kostbares Alterthum geworden*); aber als feste 
Rechnungsgrösse im mecklenburgischen Wirthschaftsleben bleibt 
er auch ferner bestehen. 

Für das alte traditionelle Eichverfahrenftir den Roggen- 
scheffel, welches mir schon aus mündlichen Mittheilungen des 
verstorbenen Professors Hermann Karsten *) bekannt war, ergiebt 
das folgende Protokoll über ein Verhör des SchefFelwrögers vor 
der Administration des H. Geist-Hospitals zur Instruction des 
grossherzoglichen Obermünzmeisters Niebel vom 21. December 
1835 ^^^ erwünschten Aufschluss; die darin fehlenden Bestim- 
mungen über Aufstellung imd Schraubenhandtierung (für die man 
nach dem Schraubenverlust um 1 840 einen hölzernen Pflock ein- 
setzte) ergänze ich aus den Karstenschen Mittheilungen. Die 
Hospitaladministration wusste augenscheinlich von der ganzen 
Sache nichts. 

Aus dem Originale bei den Polizeiakten über Maasse und 
Gewichte) : 

»Nachdem auf den Antrag des Herrn Obermünzmeisters 
Nübel (!) am gestrigen Tage finitis sacris der auf der hiesigen 
Scheffelwröge aufbewahrte metallene Normal-Rocken-Scheffel zur 
Mestereis) gebracht worden, auch der jetzige Scheffelwröger 
Kroger dabei zugleich gegenwärtig war, ergab es sich, dass der 
erwähnte Scheffel, für sich allein bestehend, nicht 
das Normal maass ausmache, nach welchem jetzt alle 

x) Mit der Einfiihning der Eichung in Schwerin verfiel die des H. Geistes 
in Rostock. Noch am 3. Juli 1828 konnte letzterer sich für Verleihung der 
Wröge 150 ,^ N. */3 (ohne den Anlheil des Hospitalmesters) zahlen lassen, 
d.h. 175 ^. Cour, oder 525 M. ; die Wrögegebtihr betrug nach Erhebungen 
des Gewetts 1842 11 oder auch 12 /? ftlr den Scheffel. Das warf aber nun 
so geringen Ertrag ab, dass bei Erledigung der Stelle das Hospital am 
30. März 1842 den Rath um Abnahme des Rechtes und Uebemahme des 
Eichens durch die Stadt bat. Der Rath tibertrug dieses am i. April sofort 
dem Polizeiamte. Am 6. versuchten die Böttcher- Aeltesten das Officium für 
ihr Amt zu gewinnen; aber am 21. April 1843 wurde es definitiv dem Po- 
lizeiamte zur Ausübung durch einen Polizeidiener überwiesen. Die Einnahme 
war auf höchstens 20 ^ N. »/j im Jahre gesunken. Die Einsicht in die Po- 
lizeiakten danke ich Herrn Senator Dr. Becker. 

a) Allg. D. Biogr. 15, S. 425 f. 

3) Die Dienstwohnung des Hospital - Mesters oder Actuars der Ver- 
altung. 



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— 91 — 

RockenschefFel gewröget werden. Es hatte nämlich der Scheffel- 
wröger Kroger ausser dem eigentlichen metallenen Rockenscheffel 
ein kleines Maass von gleichem Metalle, angeb- 
lich ^/82 des Hauptscheffels haltend, und noch ein kleines 
hölzernes Gemäss, welches ^/e des letzteren') ent- 
halten soll, zur Mesterei gebracht, indem nach seiner Angabe 
diese bemerkten 3 Maasse sämmtlich bei seinem Geschäfte des 
Wrögens angewendet werden. Ueber die Art der Anwendung 
dieser 3 Maasse gab Kroger folgende Auskunft: 

Bey der Wröge eines jeden Scheffels wird von mir in 
strenger und genauer Beibehaltung der lange vor meiner 
Anstellung schon stattgefundenen Art und Weise so 
verfahren, dass der neu zu wrögende Scheffel unter den grossen 
metallenen Normalscheffel gestellt wird, dass sodann durch das 
im Boden des letztern befindliche Loch der dazu fortwährend 
aufbewahrte Rocken«) in den ersteren einfliesst, nachdem der 
obere Scheffel vorher gestrichen worden. Dann wird zu 
dieser Quantität Rocken in dem zu wrögenden Scheffel so viel 
Rocken, als das kleinere Maass, das */82 Scheffel fasst, nachdem 
auch dies vorher gestrichen, hinzugefügt. Hierauf wird der 
Rocken-Inhalt des zu wrögenden Scheffels scharf gestrichen, 
und muss sodann der von dem letzten Streichen entstehende 
Abfall das kleine hölzerne Maass genau ausfüllen«. 

Dies kann nun dahin ergänzt werden, dass an möglichst 
wenig rüttelbarer Steiles) eine Art in der Mitte durchbrochener 
Tisch für den Metallscheffel stand, in welchen letzteren von unten 
die Schraube in die Matriz geschroben wurde, so dass der Scheffel- 
boden glatt geschlossen war. Dann wurde der vorher nach der 



I) Also Vi92 Scheffel. 

a) Dazu wurde dem Wröger noch 1747 jährlich i Scheffel Roggen 
geliefert, der später mit 24 /? (1 M 75 >ij) noch im vorigen Jahrhundert 
abgelöst wurde; i ./^ 75 yi^ Reichsmünze war also der durchschnittliche 
Roggenpreis. 

3) Rütteln der Gemässe beim Einlaufenlassen von Korn, Salz» Sand 
wird bekanntlich nie geduldet. Betrügerei beim Einkauf gab dem Scheffel 
wohl einen etwas höheren Fuss in der Mitte, so dass er sich beim Messen 
rührte. 



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— 92 — 

vorgeschriebenen Höhe und Weite*) und nach seinem festen, 
nicht rüttelbaren Stande untersuchte neue Scheffel unter das Eich- 
maass geschoben, so dass seine Mitte sich gerade unter der 
Schraube befand, darauf der Metallscheffel mit Roggen voll ge- 
füllt und mit dem »grossen Streichholz« der Inventarien ganz 
glatt gestrichen. Dann musste von unten die Metallschraube 
vorsichtig ausgedreht werden, so dass der Roggen in den unteren 
Scheffel abströmte. Während dessen war das ^/b2 ebenfalls mit 
Roggen gefüllt, mit dem »kleinen Streichholz« glatt gestrichen, 
und sein Inhalt wurde durch das Schraubenloch des Metall- 
scheffels nachgegossen. Darauf wurde das grössere Streichholz 
auf die Mitte des zu wrögenden Gemässes eingesetzt und vor- 
sichtig scharf nach rechts und links hin abgestrichen. Der Ab- 
fall sollte dann ^/i92 Scheffel betragen. Augenscheinlich rechnete 
man darauf, dass beim Aufschrauben sich etwas Korn verspillen 
und dass durch den Fall von einem Scheffel in den andern sich 
ein dichteres Lagern des Getreides bilden könne; denn die 
Differenz zwischen dem ehernen und dem neuen Scheffel würde 
sonst */i92 Scheffel betragen. Die Bezeichnung der geeichten 
Gemässe als Landesgemässe (seit 1755) l^^nn hier weggelassen 
werden. Der Roggenscheffel wurde aber immer noch mit dem 
Kreuz (dem Zeichen des H. Geistes s. o.) und auf deni Rande 
mit S (Scheffel, scepel) gebrannt. Was der »Kuhfuss zum Hafer- 
scheffel,« der mitten unter den Brandeisen vorkommt, aber nicht 
mehr vorhanden ist, bedeuten solle, ist nur zu errathen*). 



1) Die Apfelhöker (Rolle von 1620 und 1635) und später, vom Ende 
des vorigen Jahrhunderts an, die Grün-, namentlich KartofTelhändler , welche 
dem Brauche nach gehäuftes Maass geben, versuchten wiederholt Gemässe 
freilich richtigen Gehalts, aber grösserer Höhe und kleineren Durchmessers, 
anzuwenden, um die Häufung zu verkleinem. Daher wiederholte Verbote 
und Strafmandate. 

a) Es liegen zwei Möglichkeiten der Deutung vor: entweder war der 
»Kuhfuss« das stem- oder blumenförmige Abzeichen des Bronzemaasses ; etwa 
wie »Drudenfuss« ? Einem Pentagramm ist es freilich ebensowenig ähnlich 
wie einem Kuhfuss. — Oder es könnte ein Werkzeug zum Andrücken (con- 
fortare) des sperrigen Getreides gewesen sein, wie ich aus mehreren Gegenden 
(Hannovers, Pommerns) ein solches Andrücken mit der Hand oder einem 
gereifelten Holze vor dem Streichen kenne. Das wäre also eine mensura 
confortata, in den alten Zeiten noch nothwendiger, weil wesentlich, vielleicht 



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— 93 — 

Eine Beschreibung der nicht mehr vorhandenen Streichhölzer 
ist nicht zu geben; eine alte Stader Nachricht«) nennt die dort 
vorschriftmässigen Streichhölzer für Buttermaasse, also Schlicht- 
hölzer, »senwolt,« d. h. länglich rund. Sie hatten also keine 
scharfe Streichfläche und strichen mit der Mittellinie der Unter- 
seite. Jedenfalls nimmt der metallene Streicher, den die gross- 
herzogliche Regierung (s. o.) einführte, zumal da sie auch mit 
Raps statt mit Roggen füllen Hess, schärfer ab, als bei der alten 
Eichung des H. Geistes stattfand. 



Anhang. 

(S. o. S. 83 Anm. 3.) 

Das metallene Rostoeker Heringsahm in Lübeck und die 
Tonnen-Eichung. 

Die wichtige Arbeit, zu deren Fertigstellung in Rostock der Lübecker 
Rath den Johannes Apengheter 1339 unterstützte, habe ich (Rost. Zeit. 1883 
Nr. 281, Beil. 4) auf die im Jahre 1337 eben vorhergehenden Verhandlungen 
der wendischen Städte wegen der gefährlichen Ungleichheit der Herings- 
tonnen im Scbonenschen Handel (de periculosa disparitate tunnarum, Lüb. 
U.-B. 2, Nr. 647. Mekl. U.-B. 9, Nr. 5743. Hans. U.-B. i, S. 265; zurück- 
führen zu sollen geglaubt. Im Heringshandel sollte der »RostockerBand« 
bekanntlich als Norm gelten, der nicht nur die Art des Tonnen bin d en s , 
sondern namentlich auch die Tonnenform und Tonnengrösse bestimmte, dem 
gegenüber aber der kleinere »Kolberger Band« mit andern pommerschen 
Falschtonnen, auch den kleineren Stettiner Tonnen, sich immer behauptete. 
Die bezüglichen Stellen aus den Hanserecessen hat D. Schäfer im »Buch 
des Lübeckischen Vogts auf Schonen,« H. Gesch. Q. 4, S. LXI, Anm. 2, 



ausschliesslich, der viel sperrigere Rauhhafer (avena strigosa Schreb.) ge- 
baut wurde. Uebrigens sollte der Haferscheffel genau »/»Viert (also '/g) 
mehr enthalten als der Roggenscheffel , und eine Polizeiregistratur vom 
2. November 1867 gab dieses Maass noch als bekannt, ja als gebräuchlich 
an. Das Polizeiamt versuchte sogar es für Steinkohlen (3 gehäufte Hafer- 
scheffel ^ I »Tonne«) anzuwenden. 

1) Krause, Archiv des V. für Gesch. etc. zu Stade i, S. 132. 



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— 94 — 

susammengestellt. Es lag also nahe , dass man in den wendischen Städten, 
deren Böttcher die Tonnen nicht auf Schonen, sondern nur zu Hause machen 
durften (H.-R. i, S. 64, Mekl. U.-B. 9, Nr. 6219 vom Jahre 1342), sich 
Norma IgefKsse zu verschaffen suchte. Erhalten sind freilich solche aus dem 
14. Jahrhundert nirgend ; dagegen ist eine neuere Rostocker Heringsahme 
(ame, f.) von 1469 in Lübeck, jetzt im kunsthistorischen Museum, vorhanden. 
Dass in Rostock selbst solche Gemässe sich nicht ebenso wie die Scheffel 
erhielten, mochte daran liegen, dass sie nicht in der Aufbewahrung eines 
Gotteshauses (Hospitals), sondern der Böttcher-Innung standen, deren Aelter- 
männer mit dem Eichen betraut waren und kein Interesse daran haben konnten, 
ein theures antiquirtes Maass aufzubewahren. Weshalb Lübeck sich 1469 
ein neues Rostocker Tonnenmaass verschaffte, lag vielleicht in denselben Ver- 
hältnissen, welche den Rath veranlassten, die von Schäfer a. a. O. S. 129 
für den 19. August 1461 festgestellte »Verordnung Über die Sortierung und 
Bezeichnung der Heringe« (das »Cirkeln« s. Lüb. U.-B. 4, S. 131) zu 
erlassen. 

Die Umschrift jenes Gemässes, die ich Herrn Dr. Theod. Hach in 
Lübeck verdanke, ist in gothischen Minuskeln erhaben mit eingegossen und 
läuft in 4 Zeilen um den oberen Rand* Den Beginn bezeichnet der Lü- 
becker Doppeladler; der Rostocker rechtsschreitende Greif 
unterbricht die erste Zeile im Worte »herenc (unten sind an Stelle der Wappen- 
thierc zwei Kreise eingesetzt). Am Schlüsse steht ein einem unten gestrichenen 
r einigermaassen ähnliches Giesser- oder Gussorts-Zeichen. S. Mitth. des V, 
f. Ltib. Gesch. Heft 2, Nr. 11, S. 173. Ist es wirklich ein r, so war der 
Gussort Rostock; denn alle seine Metallgiesser führten ein r als Marke. Die 
Umschrift lautet: O na der bort unses hereOn ihesu christi M.CCCC.LXIX. 
in sante iohannes baptisten auende f unde desser achte amen maket enen 
rostker herink bant van den tunnen amen. 

Das Eichen der Tonnen, d. h. das nasse Nachmessen, hiess amen, und 
äme ist sowohl das Eichmass- wie überhaupt das übliche Tonnenmaass. 
Schiller und Lübben haben im Mnd. WB. i, S. 74 daraus irrig 2 Wörter 
gemacht. Die Inschrift besagt also, dass 8 solcher Eichgefasse eine richtige 
Tonne Rostocker Bandes ausmachen, oder dass das Eichgefäss ^/g Rostocker 
Heringstonne sei. Das stimmt auch zu den Dimensionen, die mir Herr 
Heinr. Behrens in Lübeck gütig zukommen Hess. Die ganze Höhe misst 
danach 0,369 m., aussen bis zum abgeschrägten Rande 0,345, bis zum An- 
satz der inneren Zapfen, die eine Marke bezeichnen, 0,270, innen vom Mittel- 
punkte des etwas flach vertieften Bodens 0,363. Der äussere Umfang oben, 
wo der Rand ausschrägt, ist 0,943 m, über der Fussausschrägung 0,853. 
Der Durchmesser beträgt am obersten Rande 0,330, am Rande der unteren 
Bodenfläche 0,285. Die Metallstärke, 8 cm unter dem oberen Rande ge- 
messen, ist 0,004; aber die Schriftbuchstaben treten fast 2 mm noch darüber 
hervor. Das Gewicht des Gemässes beträgt 26 k° ; es hat 2 mit angegossene 
Handgriffe. 

Nach dieser »Ame« war eine ganze Tonne nur durch Auffüllen (nass 



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— 95 — 

mit Wasser), nicht etwa durch Ueberpacken von Heringen zu messen; wie 
man auch, in Wismar und Rostock die Bier-, oder Weintonnen amte, in Wismar 
nach »Stöveken« (== */3» Tonne. Burmeister Wism, Alt. S. 66) ^ in Rostock 
nach » Kannen c (^jb^) und »Pott« (VnsV An beiden Orten waren kupferne 
Normalmaasse zum Nachmessen vorhanden, in Wismar 141 1 auf dem »Ame- 
huse,« wo jeder Böttcher vergleichen konnte. Das Rostocker Einheitsmaass, 
ein kupferner »Pott«, war 1791 schon verschollen; ein privater zinnerner, der 
statt dessen bei den Böttchern gebraucht wurde, war dem Lübecker Maass 
gleich und wurde zu 455/g Pariser Cub. Zoll bestimmt; Karsten berechnete 
45,625 Cub. Zoll Paris, oder 0,90503 1. 

In der Normalverordnung vom 23, November 1749, 5, hatte der Ro- 
stocker Rath freilich verordnet, »die kupferne Pottmaasse« solle stets auf 
dem Rathhause beim Marktvoigt bereit stehen, ebenso danach geeichte Ge- 
i^isse gekauft werden können, und »Zinngiesser, Herbergierer, Krüger und 
Branntweinbrenner« sollen binnen vier Wochen ihre Gefasse danach »ein- 
richten« lassen. Aber sonst sollten die Maassgeschirre, Kannen und Brenn- 
eisen in verschlossener Lade beim wortführenden Böttcherältesten aufbewahrt 
werden. Noch am 3. October 1841 wurde die alte Brennordnung wieder 
eingeschärft: Alle Böttcher sollen ihre neuen und auch die reparirten Ge- 
binde zunächst mit ihren eignen Stempeln brennen, dann die 4 Aeltesten 
des Böttcheramtes messen (meist rojen, s. u.), darauf die dazu bestellten 
2 deputati desselben Amtes die richtig befundenen Gemässe brennen. Bei 
Bedenken gegen die Richtigkeit soll mit Wasser nachgemessen werden. 
1844 wurde das dahin bestimmt, dass 2 der 4 Aeltesten den Eid der Brenner 
leisten und die andern 2 messen sollen. Ohme und Anker (=s 191/2 Kanne) 
wurden beim. Spunde mit dem Greif gebrannt, »Tonnengebinde« (also Bier- 
fässer etc.) mit einem Greif und der Jahrzahl auf dem Boden; ausserdem 
Sollte nach Gewettsdecret vom 31. März 1736 das Ohm mit 4 R, '/» *Ox- 
hooft« mit 3 R, '/i Ohm mit 2 R, das Anker mit einem R gebrannt werden. 
Dass das Maass aller Tonnen dem Lübecker Maasse gleich sein solle, ist 
noch in den 40 er Jahren unseres Jahrhunderts wiederholt eingeschärft — aber, 
wie die Akten ergeben, nicht gehalten. 1863 bei der Zollreform bestimmte 
die Schweriner Regierung die Kanne zu 136, das »Pottmaass« zu 68 Cub.- 
Zoll meckl. (Meckl. Schwer. Reg. Bl. 1863; Nr. 7). 

Lübeck Hess bis zum norddeutschen Bundesgesetz vom 17. August 
1868 ebenfalls durch die 4 Aeltesten der Böttcher messen und durch 8 Brenner 
brennen, die jährlich aus den Amtsgenossen gewählt wurden. Sie brannten 
mit dem Doppeladler Weingebinde (nach Auskunft der Wette in Lübeck 
vom 30. April 1842), d. h. Ohm, */i Ohm, Anker, »/i Anker, 6- und 
4-Kannenfasschen, am Spunde; Bier- und Essiggebinde am Boden. Für Bier 
galt Fass, ^n '/♦ ^^^ h Fass; für Essig: Tonne, '/» und '/4 Tonne. 

Meistentheils wurde aber nicht nass gemessen, sondern gerojet oder 
geroit, d. h. trocken gemessen, »visirt«, wie zuweilen richtig übersetzt wird. 
Im Mittelndd. Wörtb. fehlt das Wort, womit aber über sein Alter nicht 
abgesprochen werden kann. Im HoU. ist rooj, früher rooy (Maass, Regel, 



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— 96 — 

Ziel), ein häufiges Wort mit zahlreichen Ableitungen ; roojen heisst abmessen, 
zielen, visiren. S. Kramer und van Moerbeck Nieaw Woordenb» 3. Aufl. 
1768. S. 401. Richey, Hamb. Wörterb. S. 215, erklärt rojen als »den 
Gehalt eines Fasses aosmessen,« wozu die Weinkflper den »Roje- Stock« 
benutzten. Er leitet das Wort richtig von rode, Rathe, Messstange ab. 

Die älteste mir bekannte Angabe des Rojens findet sich in der oben 
cit. Urkunde vom i. August 1349, worin dem Lauenburger Zöllner das Nach- 
messen der Lüneburger Salztonnen vorgeschrieben wird; nur dass das Wort 
nicht gebraucht ist. Er sollte dazu benutzen ein buchbant, sicher von 
Feit im Gloss. S. 541 richtig für bükbant, Bauchband, erklärt, also ein be- 
wegliches um den stärksten Theil der Tonne zu spannendes Maass, auf dem 
die Länge des Lüneburger Bauchbandes bezeichnet war; femer ein hovet- 
bant (Feit, S. 555), also ein Maass fiir das obere (und untere) Ende der 
Tonne, und endlich einen »holten van der Steve lenghe, van tsere maket«. 
In der That geben diese Werkzeuge ziemlich sicher die Grösse wieder, wenn 
der »holte« stark genug ist, um nicht willkürlich gebogen werden zu können, 
und so gebogen hergestellt, dass er genau der Krümmung des Stabes in der 
Tonne entspricht, und wenn femer die richtige Lage der Kimmen auf ihm 
bemerkt ist. 

Dem entsprechend geschah die Lübecker Eichmessung a) durch das 
Umlegen eines Reifes von Fischbein um die grösste Rundung. Auf dem 
Fischbein war der Umfang der verschiedenen Gebinde angegeben; es war 
also der bewegliche alte bücbant. Dazu kam b) das Messen der Länge der 
Stäbe mit einem gekrümmten eisernen Stock (demalten holten, dem Roje- 
stock) und endlich c) das Messen der Grösse des Bodens zwischen den 
Kimmen. Das letztere ersetzte vollständig den alten hovetbant. 

Ganz dasselbe Verfahren wie in Lübeck schrieb die Rostocker alte, 1 749, 
1894 und 1841 als gültig anerkannte Böttcherordnung im § 4 vor. Auch 
hier wird ein Reif von Fischbein (er war mit Silber beschlagen) um die 
grösste Rundung des Gebindes gelegt; auf jenem ist der Umfang für die ver- 
schiedenen Gebinde bemerkt; die Grösse der Böden zwischen den Kimmen 
wird ebenfalls gemessen, dann ebenso die Länge der Stäbe »mit einem ge- 
krümmten, die erforderlichen Bezeichnungen enthaltenen Raden« (beige- 
schrieben »Rode«). Da erscheint also die alte Rode, Roje, noch selber im 
terminus technicus. Das letzte »Reglement für die Böttcher vom 4. November 
1842« hat dieselben Bestimmungen im § 4 wieder aufgenommen, nur den 
»Raden (Rode)« durch den in der Lübecker Gewettsmittheilung (s. o.) ge- 
nannten »eisernen Stock« ersetzt, der doch nur gleichbedeutend ist. 

In Hamburg hat sich endlich aus dem Rojen ein handelsamtliches 
Taxatorwesen zur Berechnung des Rauminhaltes gefüllter Gebinde ent- 
wickelt, wozu angeblich »mathematische« Kenntnisse gehören sollten, obwohl 
Reste von unter 532 Cub.-ZoU hamb. (i Hamb. Viertel) bei Gebinden über 
25 Viertel gar nicht berechnet und ebenso ein Fehler (Marge) von 2 % dem 
Rojer zu gute gehalten werden sollte. Gerojet sollte mit dem »Visirstabe« 
werden ; auch das ist die »Rode«. Am 8. Juli 1858 wurde eine neue Ordnung 



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— 97 — 

für diese Rojer erlassen; hiernach wurde nun das festgestellte Ergebniss 
»Rojec genannt; und eine ganze Reihe zusammengesetzter Ausdrücke ist 
mit dem Worte gemacht. So wird eine »Vollrojec und eine »Kantroje« 
tarifirt. Das Technische des Verfahrens, welches hier auch nicht in Frage 
kommt, wird indessen in dieser Ordnung nicht angegeben. Historisch-sprach- 
lich aber ist von Interesse die Vorschrift, dass bei der Thran-Roje der Inhalt 
des Gebindes nach i> Stechkanne« und »Menge!« angegeben werden soll. Es 
lebt also da noch das mlat. meng^inum, brabantisch-klevisch-hoUändische 
»menghel«. Hoffm. v. Fallersl. Gloss. belg. (Hör. belg. VII) S. 70 nach 
Kilian Dufflaeus. Das Mndd. Wb, 3. S. 68, hat das Wort v. mengelen, 
ebenso Kramer- van Moerbeck S. 271. Richey kennt es nicht. Vergl. Heyne 
in Grimm DW. VI, Sp. 2014. Die Hamburger »Stechkanne« sollte 1420 Cub.- 
Zoll hamb. halten. Das Brem. WB. 3 S. 148 nennt Mengel den 16. Theil 
einer Stechkanne; »steke(l)kanne€ finde ich in keinem niederd. Wörterbuch« 



Hansische Geschichtsblätter. XV. 



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V. 
HANSISCHE VEREINBARUNGEN 

ÜBER 

STÄDTISCHES GEWERBE 

IM 14. UND 15. JAHRHUNDERT. 

VON 

WILHELM STIEDA. 



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7* 

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D. 



las Gewerbe befindet sich während des 14. Jahrhunderts 
in den deutschen Städten in aufsteigender Entwickelung. Kaum 
der Hörigkeit entronnen, beginnen die Handwerker bereits im 
städtischen Leben eine Rolle zu spielen und erringt die freie 
Arbeit eine ihrer Bedeutung angemessene Stellung. Man hat 
diese Epoche als die Zeit der Zunftkämpfe charakterisirt 0* I^ie 
Handwerker, durch die verhältnissmässig leicht erlangten Rechte 
übermüthig, im Besitze der Freiheit ohne die Fähigkeit, einen 
weisen Gebrauch von derselben zu machen, stellen als erstrebens- 
werthes Ziel eine Betheiligung am Stadtregimente auf und suchen 
mit Gewalt sich demselben zu nähern. Dies gilt nicht nur für 
Süddeutschland, sondern auch für die norddeutschen Städte. In 
Rostock spielt bereits am Ausgange des 13. Jahrhunderts ein 
Zwist wegen des Eintritts von Handwerkern in den Rath. Leider 
ist man über die Einzelheiten dieses Vorgangs wenig unterrichtet. 
Es scheint, als ob einer der Rathsherren, durch das wilde Ge- 
bahren der Zünftigen eingeschüchtert oder vielleicht selbst dema- 
gogischer Gesinnung, einigen Aemtem versprochen hatte, dafür 
Sorge tragen zu wollen, dass sie den Rath wählen könnten. 
Wenigstens wird in den Jahren 1296 — 98 eine derartige Klage 
von 6 Aemtem vor dem Rathe zur Verhandlung gebracht. 
Ganz^ vorübergehend — im Jahre 1287 — scheint in der That 
ein Handwerksmeister RathsmitgHed gewesen zu sein'). Nicht 
minder regte es sich um diese Zeit — 1292 — in Braunschweig, 



x) Schmoller, Strassburg zur Zeit der Zunftkämpfe S. 4. 
a) Mekl. Urk.-B, 3 Nr. 2003 Anm. ; Nr. 2423; Koppmann, Gesch. d. 
St. Rostock S. 19. 



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102 

WO die Gilden gleichfalls die Absicht zeigten^ den alten Rath zu 
verdrängen, worüber wir leider ebensowenig unterrichtet sind'). 
Im 14. Jahrhundert mehren sich die Differenzen zwischen 
Rath und den Gewerken. In Rostock bricht im Jahre 1313 
eine neue Revolution aus. Die Handwerker verlangen zwar 
noch nicht einen Sitz im Rathe; aber sie wollen, dass kein 
Rathsherr gewählt werde, ohne dass ihre Aelterleute ihre Zu- 
stimmung gegeben haben«). In Lübeck entstand im Jahre 1376, 
gleich nach der Anwesenheit Karl's IV., eine Zwietracht mit 
der Gemeinde, als der in Geldverlegenheit befindliche Rath einen 
ungewöhnlich ' hohen Vorschoss und eine Erhöhung der Mühlen- 
abgabe forderte. Neue Unruhen brachen im Jahre 1380 aus. 
Die Aemter verlangten bestimmte Garantien für ihre Verfassung 
und ihre Gerechtsame. Dann folgte der Aufruhr von 1384, 
gewöhnlich der Knochenhauer-Aufruhr genannt, bei dem es auf 
Umsturz der Verfassung abgesehen war 3). Fast gleichzeitig spielte 
der Aufstand in Braunschweig (1374)*) und Hamburg (1375)'') — 
kurz, es scheint kaum einem Zweifel unterzogen werden zu können, 
dass die Handwerker in den norddeutschen, besonders in den 
wendischen Städten ihre wirthschaftliche Machtstellung zu fühlen 
begonnen hatten. Das gewerbliche Leben pulsirte kräftig. Die 
ztinftlerische Organisation des Handwerks war eine allgemeine und 
die Arbeitstheilung eine weit vorgeschrittene. Seltene Handwerke, 
wie das der Beckenschläger, der Patemosterdreher , der Perga- 
mentmacher, der Täschner, der Kistenmacher, sind im 14. Jahr- 
hundert in Hamburg, Danzig und Lübeck schon in eigenen 
Aemtern organisirt, und Beschäftigungen, die noch lange nachher 
als eigentliche Hausarbeit erscheinen, wie Gärtnerei und Kerzen* 
giesserei, haben eine handwerksmässige Gestaltung gewonnen. 
Von 1370 stammt die Amtsrolle' der Lübecker Gärtner, von 
1375 die der Hamburger Kerzengiesser. Vermuthlich war es in 
den Seestädten der lebhafte Handel, der die Gewerbe begünstigte 



«) Hänselmann in Städtechroniken. Bd. 6. S. XXVI. 

a) Mekl. Urk.-B. 6 Nr. 3590; Koppmann a. a. O. S. 20. 

3) Wehrmann in Hansische Geschichtsblätter, Jahrg. 1878, S. 105. 

^) Hänselmann a. a. O. Bd. 6 S. 313 — 409, Bd. 16 S. 494—498. 

5) Tratzigar's Chronica d. St. Hamburg, hrsg. v. Lappenberg, S. 94 — 100. 



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— I03 — 

und ihr Aufkommen unterstützte. Und nicht nur, dass derartige 
Gewerbetreibende überhaupt vorhanden waren, dass viele unter 
ihnen in so grosser Anzahl vertreten waren, um eine eigene 
Corporation bilden zu können, man weiss auch, dass ihre Ge* 
Schäfte gut gingen und ihr Verdienst in der Riegel ein befrie- 
digender war. Es muss uns einen guten Begriff von <ier finan- 
ziellen Leistungsfähigkeit der Aemter geben, wenn im Jahre 1376 
in Lübeck der Rath ihnen einen Schoss im Betrage von 5 per 
Mille, während 2 per Mille das Gewöhnliche war^, zumuthen 
konnte. Allerdings war diese Steuer das Signal zu einem Auf- 
ruhr, und wir erfahren aus der Eingabe der Handwerker, dass 
die Zeiten schlecht, der Verdienst gering war — *de neringhe is 
snode unde kranck unde de ammete werdet dar sere mede vor- 
dervet«. Aber trotzdem brachten acht Aemter keine geringere 
Summe als 485 Mark lüb. auf»). 

Inwieweit das Gewerbe in dieser Epoche direct für die 
Ausfuhr thätig war, lässt sich heute nicht bestimmen. Es ist 
bekanntlich eine noch nicht gelöste Streitfrage, ob die Hanse 
überhaupt Fabrikate der verbündeten Städte in grösserem Maass- 
stabe ausführte oder nur Zwischenhandel trieb. Schanz ist der 
letzteren Ansicht. Er meint, dass dem hansischen Handel die 
industrielle Basis eines grossen Staates gefehlt habe und das 
Emporkommen der Gewerbe dem Bunde gleichgültig gewesen 
sei. Die Weiterentwickelung der gewerblichen Blüthe, wie sie 
die norddeutschen Städte um die Mitte des 14. Jahrhunderts 
aufwiesen, sei hinter den Fortschritten des Zwischenhandels im 
15. und Anfang des 16. Jahrhunderts zurückgeblieben«). Schäfer 
hat, ohne gegen den letzteren Theil dieser Behauptung entschie- 
denen Einspruch zu erheben, doch darauf hingewiesen, dass die 
Ausfuhr industrieller Artikel nicht ganz unbedeutend gewesen 
ist 3). Auffällig bleibt es aber allerdings, dass unter den hansischen 
Angaben über Schiffsladungen und in den Verzeichnissen der Kauf- 
leute über erlittenen Schaden aus dem 14. und 15. Jahrhundert 
Hinweise auf industrielle Gegenstände äusserst selten vorkommen. 



x) Lübeck. Urk.-B. 4 Nr. 326 S. 357. 

2) Englische Handelspolitik Bd. i S, 181. 

3) Conrad's Jahrb. für Nationalökon. Bd. 7, S. 96; vgl. auch Kopp- 
mann im Hist. Jahresbericht Bd. 4. 



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— I04 — 

und es muss in Erstaunen setzen, dass, wo wir aus der zweiten 
Hälfte des 15. Jahrhunders von solchem Export häufiger hören, 
gerade eine östlich gelegene Stadt es ist, welche solche Fabrikate 
versendet. 

Aus Danzig wurden zwischen 1474 und 1490 namentlich 
Tischlerei-Erzeugnisse wie Schreibpulte, Laden, Kuntore, Spiel- 
bretter, ferner Handschuhe, Beutel, Garn, Leinwand, Hausgeräth 
Kleinodien, Bemsteinpatemoster , Reiferei - Producte (Kabelgam 
basten lynen) einmal auch »4 gemalde preddigkstole« nach Eng- 
land exportirt'). Ob die »Riemen«, die sehr oft von Preussen ver- 
sandt werden, blos das zu ihrer Herstellung bestimmte Holz oder 
das fertige Fabrikat sind, wäre noch zu untersuchen. Dass die 
wendischen Städte Arbeiten ihrer Handwerker fortsenden, ündet 
sich nicht oft erwähnt. Nur vereinzelt stösst die Nachricht auf, 
dass Laken aus Lübeck, Rostock und Wismar in Livland Ein- 
gang gefunden haben*). 

Ist es gestattet, eine Vermuthung in dieser Hinsicht aus- 
zusprechen, so möchte ich mich freilich dahin äussern, dass, ab- 
gesehen vom Bier, die Ausfuhr von Gewerbsproducten einen 
grossen Umfang nicht erreicht haben kann. Dies zwar aus dem 
Grunde, weil England, Frankreich, Flandern und Holland in gewerb- 
licher Beziehung den norddeutschen Städten überlegen waren. Bei 
dem einzigen Gewerbszweig vielleicht, in dem sie zurückstanden, 
der Bernsteindreherei, war es mehr der Stoff, den sie nicht so 
bequem zur Hand hatten, als die geringere Fertigkeit, welches 
eine Einfuhr von Fabrikaten wünschenswerth machte. Jene west- 
lichen Länder also hatten keinen Bedarf an deutschen Fabrikaten. 
Somit konnte der Absatz derselben nur nach Scandinavien, Liv- 
land und Russland vor sich gehen. Aber die Bevölkerung der 
beiden ersten Länder war dünn, die russische wohl zu roh, um eine 
kaufkräftige Nachfrage zu bieten. Dazu kam , dass in Bergen 
und Livland sich deutsche Handwerker niedergelassen hatten — 
auf dem Hofe zu Nowgorod sollten sich freilich nach einem 
Beschlüsse von 1434 keine Schneider (schrodere) mehr auf- 
halten 3) — , welche für die Bedürfnisse sowohl der Eingewan- 



i) Hanse-Recesse III, 2 Nr. 163. 509. 
a) H. R. III, 2 Nr. 160 § 262. 
3) H. R. II, I Nr. 226 § 22. 



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— I05 — 

derten als der Einheimischen zu sorgen bemüht gewesien sein 
werden. Demnach wird vermuthlich die Ausfuhr sich in be- 
scheidenem Umfange gehalten haben. Arbeiten der Gold- 
schmiede, der Kannen- und Grapengiesser, der Weber, Drechsler, 
Schneider mögen immerhin exportirt worden sein. Welche 
Gegenstände neben diesen Erzeugnissen namentlich in Frage 
gekommen sein mögen, entzieht sich unserer Beurtheilung. Aller- 
dings kommen in den Schadensverzeichnissen »Tonnen mit Kleinig- 
keiten« (pandelinge, prundelinge) vor; aber schon, dass man 
nicht der Mühe werth hielt, den Inhalt im Einzelnen aufzugeben, 
deutet auf seine Geringfügigkeit. So muss die Frage, welche 
deutschen Producte vorzugsweise im Norden und Osten Beifall 
fanden, so dass der gewinnbringende Absatz zur regelmässigen 
Wiederholung der gelegentlich versuchten Ausfuhr anreizte", zu- 
nächst unentschieden bleiben. 

Nichtsdestoweniger war der Stand der Gewerbe in den Han- 
delsstädten kein niedriger. Handel und Schifffahrt bedurften 
der Tischlerei, der Böttcherei, der Reifschlägerei, der Weberei, 
der Schmiede und Zimmerleute; Bäcker, Brauer und Fleischer 
mussten für Verproviantirung der Schiffe sorgen. Der durch den 
Handel sich mehrende Reichthum aber gewährte die Möglich- 
keit zur Begründung einer behaglicheren Häuslichkeit. Die bunt- 
farbigen flandrischen und englischen Tücher mussten für eine 
Bevölkerung, die in harter Tagesarbeit ihre Kleidungsstücke 
vielleicht ungewöhnlich schnell abnutzte, zurecht geschnitten und 
genäht, die livländischen, russischen und ungarischen Pelzfelle zu 
Pelzmänteln und Schauben verarbeitet, englisches Zinn zu 
Flaschen, Schüsseln und Kannen, ungarisches Kupfer zu Grapen 
und Kesseln, russisches Wachs zu Kerzen gegossen werden — 
kurz, da gab es alle Hände voll zu thun, um die gewöhnlicheren 
und feineren Bedürfnisse des Tagesbedarfs zu befriedigen. Dass 
in dieser Richtung die Handwerker sich nichts zu Schulden 
kommen liessen, sondern die Nachfrage reell bedienten, darauf 
ist dann auch die Aufmerksamkeit der Hansestädte schon sehr früh 
gerichtet. Uebertriebenen Lohnforderungen und ungenügenden 
Leistungen wird auf den Versammlungen der Rathssendeboten 
wiederholt entgegengetreten. Zwar nicht gerade mit grosser 
Lebhaftigkeit, auch nicht mit entscheidendem Erfolge, aber 



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— io6 — 

immerhin in dem Bewusstsein, dass diese Unordnungen abzu- 
stellen für das innere städtische Leben und den Aussenhandel 
von Bedeutung ist, werden mehrere Jahrzehnte hindurch diese 
Missstände auf den Tagfahrten erörtert und Versuche zu ihrer 
Beseitigung gemacht. Namentlich die Böttcherei, die Grapen- 
und Kannengiesserei und die Goldschmiederei sind es, deren zu 
Unzufriedenheit Veranlassung bietende Zustände zurechtzu- 
stellen man sich alle Mühe giebt. Weiter gehen darin die 
preussischen Städte, die nach und nach so ziemlich alle Hand- 
werke in den Bereich ihrer überwachenden Thätigkeit bringen» 

1. Die Böttcherei. 

Die erste Vereinbarung, welche die Seestädte über das Ge- 
werbe treffen, bezieht sich auf die Böttcherei^). Von Lübeck 
und Hamburg angeregt, schliessen die wendischen Städte Rostock, 
Wismar, Stralsund und Greifs wald mit den genannten Städten 
im Jahr 132 1 einen Vertrag über die gleichmässige Behandlung 
der Böttchergesellen ab. 

Die Böttcherei war ein hervorragendes Gewerbe, ein Hand- 
werk, ohne welches der Handel gar nicht bestehen konnte. 
Es war wahrscheinlich eines der am zahlreichsten besetzten. In 
Hamburg gab es im Jahre 1376 104*) Böttcher, und im Jahre 
1437 wurde die Zahl der Meister (sülvesheren) auf 200 an- 
gesetzt 3). In Lüneburg zählte man im Jahre 1430, wie seit 
einer Reihe von Jahren (also in vortyden), 80 Sülvesheren im 
Böttcheramte*). Rechnet man auf jeden Meister nach altem 
Herkommen 2 Gesellen und einen Lehrling, so könnte das Amt 
in Hamburg zeitweilig 800, das in Lüneburg 320 Personen um- 
fasst haben 5 selbst wenn man annimmt, dass verschiedene Meister 
allein gearbeitet haben, so ergiebt sich immer eine erkleckliche 
Zahl dieser Gewerbtreibenden. Weniger häufig scheint dieses 



i) H. R. I, I Nr. 105— HO. Vgl. Koppmann, Rostocks Stellung in 
der Hanse, in Mekl. Jahrb. f. Gesch. Bd. 52, S. 203. 

9) Zeitschr. f. Hamburgische Geschichte i S. 147 ; Koppmann , Käm- 
mereirechnungen d« St. Hamburg i, S. XXVIII. 

3) Rüdiger, Hamburger Zunflrollen S. 33, Nr. 7c. 

4) Bodemann« Lüneburger Zunfturkunden S. 36. 



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— 107 — 

Handwerk in Süddeutschland vertreten gewesen zu sein, wie 
denn z. B. in Frankfurt a/M. im Jahre 1387 die Bender-Zunft 
nur 6^ Mitglieder und das ganze Mittelalter hindurch nicht mehr 
als 60 Meister aufwies*). 

Das Erzeugniss der Böttcher, welches für den Kaufmann 
am wichtigsten war, war die Tonne *), weil in ihr der Transport 
fast aller Waaren vor sich zu gehen pflegte. Nicht nur, dass 
man zur Aufbewahrung von Wein, Bier, Oel, Honig oder Butter 
sich der Tonne bediente, man benutzte sie auch zur Aufhebung 
und Versendung von Häringen, Salz, Asche u. s. w. und ver- 
packte im Übrigen so ziemlich Alles gerne in Fässern oder 
Tonnen 3). Selbst für Bücher war diese Beförderungsweise die 
beliebteste*). Je nach der Verwendung, zu welcher sie aus- 
ersehen waren, fertigte man die Tonnen verschieden an. In 
Lübeck z. B. bestand der »Bierband« darin, dass die Tonnen 
oben und unten mit Reifen belegt waren, die Mitte aber frei 
blieb. Die Härings tonne dagegen wies an 4 Stellen je drei 
Bänder oder Reife auf^). Ausserdem waren Dauerhaftigkeit und 
Güte verschieden. Man unterschied »Schlosstonnen«, d. h. solche 
Tonnen, an welchen ein Schloss angebracht war, Tonnen mit 
doppeltem Boden (tunnen, de twe bodeme hebben) und »be- 
revene vate«. Was unter diesen zu verstehen ist, bleibe dahin- 
gestellt.. Ein Fass ohne Bänder oder Reife kann man sich 
nicht vorstellen. Vielleicht war ein »berevenes vat« ein solches, 
an welchem der grösseren Widerstandsfähigkeit wegen mehr Reife 
als gewöhnlich aufgesetzt waren oder welches man äusserlich, 
z. B. durch Bereiben mit Kreide, als besonders sorgfältiger Be- 
handlung bedürftig, bezeichnen wollte. Allem Anschein nach 
wurden »berevene vate« gerne bei der Versendung besonders 
kostbarer Gegenstände, wie z. B. Pelzwerk und Gewürz, -benutzt. 

Das Material, das der Böttcher zur Herstellung der Tonnen 



i) Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. i, S. 97. 218. 

a) Ueber ihre Arbeiten im Allgemeinen vgl. P. N. Sprengel's Künste 
und Handwerke, herausg. von Hartwig. 1782. Bd. 2, S. 338 — 402, beson- 
ders S. 365. 

3) Süeda, Revaler Zollbücher S. CXXIII. 

4) Hase, Die Koberger S. 361. 

5) Wehrmann, Lübeckische Zunftrollen. 2. Ausg. S. 174 Anm. 



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— io8 — 

verarbeitete, war vermutlich ausnahmslos Eichenholz, das man 
wählte nicht nur wegen seiner vorzüglichen Härte und Dauerbarkeit, 
sondern auch weil es den Flüssigkeiten, die man aufbewah- 
ren wollte, keinen Beigeschmack verlieh»). Je nachdem, ob es 
zu den Böden oder zu den Seitenwänden diente, unterschied 
man im Handel »bödemholt , litholtc und »stafholt« (Stabholz) ^). 
Zu den Bändern, die heute vielfach aus Haselholz oder Weide 
genommen werden^ brauchte man nach einer Danziger Willkür 
des 15. Jahrhunderts Eschenholz 3). Böttcherholz im Allgemeinen 
(bentholt, boedecholt, ligna doliatoria) war Gegenstand eines an- 
sehnlichen Handels, der freilich nicht immer in weite Ferne sich 
erstreckte, sondern in nächster Umgebung der Stadt betrieben 
wurde, wie denn z. B. die Hamburger Böttcher ihren Rohstoff 
aus Holstein und Ratzeburg bezogen^). 

Tonne und Fass wichen räumlich von einander ab; doch 
scheint das Raumverhältniss beider nicht überall das gleiche 
gewesen zu sein. In Preussen rechnete man im 15. Jahrhundert 
ein Bemsteinfass zu 3^/2 Tonnen s); aus Lübecker Accise- Rech- 
nungen des 16. Jahrhunderts ergiebt sich dagegen, dass ein 
Fass gleich 2 Tonnen angenommen wurde*); über den Raum- 
inhalt der Tonne selbst schweigen fast alle Quellen. Oft genug 
wird geklagt, dass die Tonne zu klein ausgefallen sei, aber nie 
die vorschriftsmässige Grösse angegeben. Nur im Statut der 
Riga sehen Böttcher heisst es, dass die Tonne 92 Stof — etwa 
105 Liter? — halten müsse 7). Das war das Maass, welches 
die alte culmische Tonne aufwies, für deren Verallgemeinerung 
die preussischen Städte während des 14. Jahrhunderts wiederholt 
eintraten 8). Für Weintonnen findet man verschiedene Grössen 
angegeben. Die Danziger Weintonne hielt nach Hirsch 73V8Stof^); 



x) Sprengel a. a. O. 2, S. 341. 

2) Koppmann, Joh. Tolner's Ilandlungsbuch S. XXI. 

3) Hirsch, Danziger Handelsgeschichte S. 305. 

4) Rüdiger a. a. O. S. 32. 

5) Sattler, Handelsrechnungen S. 272. 24. 

6) Nach Notizen aus Brauerei- Acten im Lübecker Staatsarchiv. 

7) Stieda a. a. O. S. CXXIII. 

8) H. R. I, 5 Nr. 99 § 3. 

9) a. a. O. S. 261. 



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— 109 — 

die in Preussen importirte Tonne brauchte aber nur 50 Stof zu 
fassen (die logen, do man win in das land inne brenget)^). 

Das Gewicht einer leeren Tonne schlechthin war seit alten 
Zeiten auf 5 Liespfund angesetzt. An diesem Gewicht festzu- 
halten wurde seitens der Uvländischen Städte auf der Tagfahrt 
von Wolmar im Jahre 1458 ausdrücklich beschlossen*). Später 
scheint die Tonne leichter angefertigt worden zu sein; denn in 
einer Lüneburger XJrkunde aus der Mitte des 16. Jahrhunderts 
wird erwähnt, dass in der Regel, wenigstens in Lübeck und 
Hamburg, das Gewicht zu 3 Liespfunden angenommen wurde. 
In fortschreitender Verschlechterung der Böttcherarbeit wurden 
damals in Lüneburg die Tonnen so dünn gemacht, dass sie 
noch nicht 2 Liespfund wogen, ein Uebelstand, welchem der 
Rath entgegenzutreten sich bemühtes). Die Lüneburger Salztonne 
wurde nach einer Notiz aus dem Jahre 1386 im Gewicht von 3 Lies- 
pfunden angefertigt^). Es lässt sich annehmen, dass je nach dem 
Zwecke, zu welchem die Tonne bestimmt war, sie bald leichter, 
bald schwerer gemacht wurde. Möglicherweise beziehen sich 
die obenerwähnten Gewichtsangaben nicht auf dieselbe Tonnen- 
art, sondern fassen stets eine bestimmte ins Auge, was freilich 
nicht angegeben ist. 

Durch die grosse Nachfrage nach Böttcherei-Producten hatte 
das Gewerbe einen eigenartigen Anstrich bekommen. Es be- 
durfte vieler Hände, und zeitweilig scheint ein Mangel an Arbeits- 
kräften sich gezeigt zu haben. Wenigstens lässt sich nur durch 
diesen Umstand die bei den Böttchern eingerissene Gewohnheit 
erklären, dass der Meister seinen Gesellen Vorschüsse gewährte. 
Offenbar bewilligte er denselben diese nur, um sie an sein Ge- 
schäft zu fesseln. Ehe die Vorschüsse durch den verdienten 
Lohn getilgt waren, durfte kein Geselle den Wanderstab weiter- 
setzen. Die Maassregel scheint nach einer Wismarschen Urkunde 
schon aus dem 13. Jahrhundert zu stammen. Im Jahre 289 
nämlich verpflichtet sich ein gewisser Godeke Winter, dem 



I) H. R. I, 5 Nr. 543 § 3. 
9) H. R. II, 4 Nr. 568 § 5. 

3) Bodemann a. a. O. S. 44 § 19. 

4) H. R. 1, 2 Nr. 313 § 3: und sla dry Lybeisch punt abe vor das 
holte, was doch wohl als 3 Liespfund zu verstehen ist. 



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JJO 

Böttcher Martin in Wismar für eine Schuld von 3 Mark und 
4 Schillingen so lange zu arbeiten, bis sie durch seinen Lohn 
getilgt sei. Verlasse er seinen Platz früher, so solle er den An- 
spruch auf Beschäftigung in allen Seestädten, wo lübisches Recht 
gelte, verwirkt haben*)* Wie zweckmässig eine solche Anord- 
nung sein mochte, um bei den zwei Knechten, die jedem Meister 
in der Regel erlaubt waren «), nicht gelegentlich ohne Hülfskräfte 
zu bleiben, so war um 132 1 mit ihr doch bereits Missbrauch 
getrieben worden. Man hatte dem Gesellen »up to vorsieht 
synes denstesc grosse Summen geliehen, die ihn wahrschein- 
lich in seiner freiheitlichen Bewegung zu sehr beschränkten, und so 
strebte die erwähnte Vereinbarung der wendischen Städte, möglicher- 
weise unter dem Drucke des Wunsches der unentbehrlichen Ge- 
sellen^ die Abstellung desselben an. Kein Meister (nemo dominus 
in officio, sulveshere uth dem ammethe) sollte seinem Knechte 
einen über 8 Schill, lüb. hinausgehenden Betrag vorstrecken. 
Wer eine höhere Summe auf dem Kerbholze stehen hatte, dem 
sollte nichts mehr geliehen und dafür Sorge getragen werden, 
dass seine Schuldverbindlichkeit auf den erlaubten Höchstbetrag 
zurückgeführt wurde. 

Gleichzeitig lässt diese Vereinbarung erkennen, dass es an 
Verdienst den Böttchern nicht gefehlt haben kann. Sie richtet 
sich in ihren weiteren Bestimmungen gegen den Ueberrauth der 
Gesellen. Das Umherschweifen des Knechts in der Nacht, die 
Beschäftigung von »verlopenen« und heimlich entwichenen Ge- 
sellen werden untersagt. Kein Meister soll endlich einem zu 
miethenden Knechte das Zugeständniss machen, dass er ihn 
für die Zeit des Häringsfanges an der Küste von Schonen seines 
Vertrags entbinden wolle. Derartige Zustände, wie sie hier an- 
gedeutet werden, hatten sich nur bei einem aufblühenden Ge- 
werbe, in welchem die Gesellen, trotz begangener Unbotmässig- 
keiten, leicht darauf rechnen durften, immer wieder Arbeit und 
Unterkunft zu finden, einbürgern können. Geholfen haben alle 
diese Verfügungen nichts. Noch nach 45 Jahren geben die Ge- 



x) Meld. Urk.-B. 3 Nr. 1790. 

a) So in Wismar 1346. Mekl. Urk.-B. 10, Nr. 6684; in Lüneburg 
1430, Bodemann a. a. O. S. 34. 



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— III — 

seilen denselben Anlass zur Unzufriedenheit, und man musste 
in Lübeck am 24. Juni 1366 beschliessen , die Reformbedürftig- 
keit der Vereinbarung von 132 1 zu Hause in ernstliche Erwägung 
zu ziehen, zunächst das alte Statut wieder zur Anwendung zu 
bringen'). Von weiteren Maassregeln wird uns jedoch nichts 
mehr gemeldet. 

Im Zusammenhange hiermit steht es, wenn der den Ge- 
sellen zu verabfolgende Lohn und der Preis, der für Tonnen 
gefordert werden darf, festgesetzt werden. Die Gefahr lag eben 
nahe, dass die Böttcher der starken Nachfrage entsprechend 
ihre Tonnen sich theuer bezahlen Hessen und andererseits die 
Gesellen von den grösseren Einnahmen der Meister Vortheil zu 
ziehen versuchten, indem sie hohen Lohn verlangten. So wird 
in Wismar im Jahre 1346 der Macherlohn für eine Tonne auf 
2^/2 lüb. Pfennige bestimmt"). Derselbe Lohn ward im Jahre 
141 5 in Hamburg vereinbart, wobei noch das Einsetzen des 
Bodens besonders vergütet wurde (unde vor einen rump to 
bodemende) 3). Der Preis einer Tonne wird von Rathswegen 
in Wismar im Jahre 135 > auf 12 — 18 lübische Pfennige fixirt 
(inter solidum et inter decem et octo denarios potest fieri 
ascensus et descensus) *), und nach dem Rostocker Statut von 1436 
können die Böttcher nicht mehr als 4 M. lüb., d. h. (bei 
16 Tonnen auf i Last) 48 Pfenn. verlangen. Im Zeiträume eines 
Jahrhunderts hätten die Preise hiernach beträchtlich angezogen, 
sich beinahe verdreifacht. In Lüneburg, wo im Jahre 1479 
einige Unruhen seitens der Böttcher verursacht wurden, rechnete 
man i Fuder Tonnen zum Preise von 19 Schill, bis zu einem 
Pfunde 5). Ob die meklenburgischen Preise wirklich beobachtet 
wurden, ist eine andere Frage, Bei Gelegenheit der Einnahme 
von Duzow im Jahre 1353 werden drei leere Tonnen zum 
Werthe von 5 Schillingen bestimmt, d. h. jede Tonne zu 20 Pfen- 
nigen^). In Rostock kostete 1352 nach Ausweis der Kämmerei- 



i) H. R. I, 2 Nr. 376 § 19. 

2) Mekl. Urk.-B. 10 Nr. 6684 § 4- 

3) Rüdiger a. a. O. S. 33 § 2. 

4) Mekl. Urk.-B. 13 Nr. 7492. 

5) Bodemann a. a. O. Nr. 5 S. 38, 

6) Mekl. Urk.-B. 13 Nr. 7821. 



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112 



Rechnungen») eine leere Weintonne 24 Pfennige. Hundert 
Jahre später — 1456 — notiren die Rostocker Gerichtsherren 
für eine Tonne, in der sich Grütze befand (die ihrerseits 4 Mark 
12 Schillinge kostete), 5^/2 Schill, oder 66 Pfennige»). Dagegen 
finden sich in der Rechnung der Rostocker Wetteherren über 
eine Gesandtschaftsreise nach Dänemark vom Jahre 1445 in der 
That für eine Last Tonnen 4 Mark angesetzt 3). Büliger war 
die Böttcherarbeit in Preussen, wo zu Beginn des 15. Jahrhunderts 
der Grossschäffer zu Königsberg für ein Bemsteinfass (3^/a Tonnen 
gross) nur 3^/2 Scot preuss. oder 42 Pfenn. lüb. zu bezahlen 
pflegte^). Sehr früh also schon scheint der Widerspruch zwischen 
Theorie und Praxis sich gezeigt und das Taxwesen sich nicht 
bewährt zu haben. 

Eine fernere Eigenthümlichkeit dieses Handwerks war sein 
hausindustrieller Charakter. Während für gewöhnlich der Hand- 
werker Kundenarbeit d. h. auf Bestellung liefert, war in der 
Böttcherei die Arbeit auf Vorrath und Verkauf an den Kauf- 
mann üblich geworden. Der Kaufmann setzte sie dann an die- 
jenigen Persönlichkeiten ab, die ihrer bedurften. Und nicht nur 
der Kaufmann vermittelte diesen Handel, auch der wohlhabendere 
Böttchermeister betrieb denselben und beschäftigte seine minder 
gut situirten Mitmeister. In dem Wismarschen Böttcher -Statut 
von 1346 ist man bemüht, diese Missbildung wieder gut zu 
machen, indem man verfugt, dass kein Böttcher von einem 
andern Böttcher Tonnen kaufen und kein Meister für seinen 
Mitmeister Tonnen anfertigen solle (nuUus sulveshere debet ad 
manus alterius sulvesheren secare vel tunnas parare)^). In der 
5 Jahre später erlassenen Bürgersprache wird dann schlechtweg 
jeder Einkauf von Tonnen behufs Wiederverkauf untersagt^). 
Man sollte sich eben direct an die Böttcher wenden, wenn man 
Tonnen brauchte. Von auswärts eingebrachte Tonnen durften 
nicht anders verkauft werden als zu den Preisen, zu welchen 



Mekl, Urk.-B. 13 Nr. 7581. 
») H. R. II, 4 Nr. 436. 
3) H. R. II, 3 S. 89. 
^) Sattler a. a, O. S. 272. 94. 

5) Mekl. Urk.-B. 10 Nr. 6684 § 2. 3. 

6) Mekl. Urk.-B. 13 Nr. 7516. 



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— 113 — 

die Böttcher durch die Obrigkeit gezwungen wurden, ihre 
Arbeit feilzubieten. In den Lübecker und Hamburger Rollen 
ist von ähnlichen Zuständen nicht die Rede. In der Lüne- 
burger Rolle vom Jahre 1430 abe^ ist vorgesehen, dass 
Keiner Tonnen anfertigen lasse, der das Böttchergewerbe nicht 
selbst auszuüben im Stande sei (dat hyr nement tunnen make 
ofte tunnen maken late, he en könne sulves tunnen maken)»), 
Offenbar wünschte man der drohenden Abhängigkeit vom Kauf- 
mann vorzubeugen. Auf eine Organisation^ welche den gewöhn- 
lichen Rahmen gleichfalls überschritten hat, deutet auch das 
Statut der Rostocker Böttcher von 1436, wenn es in demselben 
heisst, dass die Meister diejenigen Kunden nicht verschmähen 
sollen, die Tonnen für sich hauen lassen wollen. Art. 2 schreibt 
vor : » Vortmer schulden se den borgern bynnen unde buten rades 
to erer behoff unde not tunnen schicken unde tunnen vorkopen 
unde nicht vorsman de jene, de tovoren hebben tunnen ho wen 
laten.« Ursprünglich mochte Mancher, der Tonnen nöthig hatte, 
dieselben aus seinem eigenen Holze, das er dem Böttchermeister 
brachte, haben anfertigen lassen. Daran anknüpfend hatte er 
dann vielleicht die Tonnen, für die er keine Verwendung hatte, 
verkauft und so einen Handel sich entwickeln lassen, ohne dass 
er Mitglied des Böttcheramts geworden war. Es ist auch denk- 
bar, dass zu hoch getriebene Forderungen der Böttcher die Kauf- 
leute auf den Ausweg brachten, Böttcherholz einzukaufen und 
für eigene Rechnung verarbeiten zu lassen. Seit nun die 
Böttcher Tonnen vorräthig hielten und die Preise für eine Last 
auf 4 Mark angesetzt waren»), schwand jeder Grund zu der- 
artigem Vorgehen, und so wurde es in Rostock den Bürgern 
überhaupt nicht mehr gestattet, Tonnen aus eigenem Holze an- 
fertigen zn lassen. Bis Johannis — vom 21. April an, dem 
Datum der Urkunde — sollten sie noch das Recht haben, ihren 
Holzvorrath aufzubrauchen, den zu diesem Termin übrig ge- 
bliebenen Rest aber an die Böttcher verkaufen. 



i) Bodemann a. a. O. S. 34. 

2) Siehe Art. 1. und den ganzen 2. Art. der Rolle im Anhang. 
Hansische Geschichtsblätter. XV. 8 



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— 114 — 

Ganz deutlich ist endlich in der Danziger Stadt- Willkür den 
Böttchern der Handel mit Tonnen untersagt. Es heisst in der- 
selben : »die bötger, die tonnen machen, die sollen keyne tonnen 
kouffen vordan zcu vorkaufFen').« 

Wie es scheint, haben alle diese Bestimmungen nicht ver- 
mocht, dem Uebel zu steuern. Fast dreihundert Jahre nach 
jener Wismarer Verfugung, laut welcher kein Böttcher von einem 
anderen Tonnen kaufen durfte, wurde das gleiche Vergehen in 
Rostock gerügt. Am 6. November 1632 gab das Gewett in 
Sachen der Aelterleute des Böttcheramtes als Kläger gegen 
Jochim Meyer als Beklagten diesen Bescheid: »dass Beklagter 
sich die Tonnen in Bezahlung von seinen Ambtbruedem anzu- 
nehmen enthalten solle, und da er Holtz an dieselben verkaufFen 
würde, sich die Bezahlung an Gelde thun lassen, wan er aber 
solcher Zahlung halber sich zu beschweren hette, sol er solche 
gebührlich bey den Wetteherren suchen, alssdann sol ihme die 
hulffliche Handt darein gebotten werden«*). Der Fall, von dem 
durch Zufall die Nachricht sich erhalten hat, mochte in jenen Tagen 
nicht vereinzelt aufgetreten sein. Sonst hätte das Amt den Schul- 
digen nicht vor dem Wettgerichte zur Verantwortung gezogen. 

Nicht alle diese eben erwähnten Punkte bilden einen Gegen- 
stand der Verhandlungen unter den Seestädten; daher kann es 
fraglich sein, inwieweit die vorstehende Schilderung als für alle 
Städte zutreflfend angesehen werden kann. Im allgemeinen wird 
es wohl gestattet sein, aus den Bestimmungen, welche die eine 
Stadt zur Regelung der Verhältnisse zu erlassen für gut befindet, 
auf Gleichheit" oder Aehnlichkeit der Zustände in der andern zu 
schhessen. Die Punkte, welche auf den Versammlungen zur 
Sprache kamien, betrafen ausser dem Gesellenwesen das An- 
fertigen von Tonnen in Skanör, die richtige Grösse der Tonnen 
und ihre sorgfältige Herstellung. Es liegt auf der Hand , wie 
wichtig es für den Kaufmann sein musste, namentlich nach den 
beiden letzten Richtungen, sicher zu gehen. Die gute Ausfüh- 
rung der Böttcherarbeit schützte ihn vor grösseren Verlusten 



') Hirsch a. a. O. S. 305. 

a) Nach einer Akte aus dem Archiv des Rostocker Böttcheramts im 
Privatbesitz eines Rostocker Böttchermeisters. 



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— 115 — 

durch Bruch, Leckage u. s. w.; ein zuverlässig volles Maass 
aber sicherte ihm den einmal gewonnenen Absatzkreis. 

Die erste gemeinsame Maassregel beabsichtigte augenschein- 
lich den Schutz des einheimischen Böttchergewerbes. Nach dem 
Beschluss der Seestädte vom Jahre 1342 ^) sollten in Skanör 
keine neuen Tonnen angefertigt und keine alten ausgebessert 
werden. Demgemäss sollte von allem Böttcherholz nur der 
Transport von Bändern, deren eines gelegentlich abspringen 
mochte, und die doch zum Zusammenhalten der Tonne unent- 
behrlich waren, dorthin gestattet sein. Vermuthlich war auf den 
massenhaften Consum des Häringshandels an Tonnen die han- 
sische Böttcherei eingerichtet. Man machte die Tonnen in den 
Seestädten und brachte sie nach Schonen. Hätten dänische 
Böttcher oder deutsche , die sich zeitweilig in Schonen nieder- 
liessen , die Arbeit übernehmen dürfen , so wäre selbstver- 
ständlich der Verdienst der Böttcher in den Bundesstädten be- 
trächtlich geschmälert worden. Später scheint dieses Verbot da- 
hin umgewandelt worden zu sein, dass nicht schlechthin die An- 
fertigung von Tonnen untersagt wurde , sondern die Arbeit auf 
die dazu Berechtigten beschränkt blieb. Wenigstens werden im 
Jahre 1389 die Vögte von den wendischen Städten angewiesen, 
nur denen die Böttcherei zu gestatten, welche sich als hanse- 
städtische Bürger oder als Knechte hansestädtischer Meister aus- 
weisen«). Und dementsprechend fiel auch der Beschluss der 
preussischen Städte auf der Elbinger Versammlung vom Jahre 
1390 aus, nachdem bekannt geworden war, dass auf der 
preussischen Vitte auf Schonen halbe Tonnen angefertigt wur- 
den. Man forderte den preussischen Vogt auf, darauf zu achten, 
dass nur Bürger oder Einwohner einer Hansestadt zur Herstel- 
lung der Tonnen zugelassen würden 3). Immer blieb also das 
Interesse der einheimischen Böttcherei maassgebend. 

Eine Klage über die Verschiedenheit der Tonnen finde ich 
zuerst im Jahre 1337. Lübeck beschwert sich damals in 
Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald darüber, dass die 



i) H. R. I, I N. 113. Vgl. über die Böttcher auf Schonen Schäfer, 
Das Buch des lübeckischen Vogts auf Schonen S. LX — LXI. 
a) H. R. I, 3 Nr. 424 § 3. 
3) H. R. I, 3 Nr. 490 § 7. 

8* 



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— ne- 
in Schonen benutzten Häringstonnen verschiedener Grösse 
seien, und verweist darauf, dass die Kaufleute, die viel 
Schaden dadurch leiden, schon wiederholt Veranlassung ge- 
nommen haben, Klage zu führen. Zur Berathschlagung über 
die beste Art der Abstellung dieses üebelstandes entsandte 
Lübeck an die genannten Städte zwei Böttchermeister*). In- 
dess ist über das Ergebniss dieser Reise nichts bekannt ge- 
worden, und es dauerte noch beinahe 40 Jahre, ehe auf einer 
der Versammlungen der Seestädte die Frage aufs neue ange- 
regt wurde. Im Jahre 1375 wurde in Lübeck der Vorschlag 
laut, die Härings- und Biertonnen in allen Städten »een- 
parich«, d. h. von gleicher Grösse, zu machen. Als das beste 
Maass dafür verwies man auf den »Rostocker Band«. Sollte 
das nicht allgemein durchführbar erscheinen, so möchte jede 
Stadt wenigstens Sorge tragen, dass die von ihren Böttchern 
angefertigten Tonnen eine Marke trügen»). Derartige Vor- 
schläge waren leichter zu machen als in Wirklichkeit auszu- 
führen. Mochte der Rostocker Band in der That der zweck- 
massigste sein, so wollten doch die anderen Städte die bei ihnen 
gebräuchliche Arbeitsweise nicht ohne weiteres aufgeben. Noch 
im letzten Augenblick, als nach mehrfachen fruchtlosen Verhand- 
lungen (in Wismar 13763), in Lübeck 13 81)*) die wendischen 
Städte im Jahre 1383 in Lübeck im Begriffe standen, sich über 
die Annahme des Rostocker Bandes zu einigen, erhob Stralsund 
Widerspruch und erklärte, nicht mit genügender Vollmacht, dar- 
ein zu willigen, ausgerüstet zu sein^). 

Die Sache war nämlich die, dass in Vorpommern gleich- 
falls eine schwunghafte Böttcherei betrieben wurde, welche sich 
den »ColbergerBand« zum Muster ausersehen hatte. In Colberg, 
Treptow, Köslin, Beigard, Stolp, Rügenwalde, Wollin und ande- 
ren Städten (belegen in Pommeren siden), auch auf dem platten 
Lande, in Höfen und Dörfern »und in denen steden by der 



1) Mekl. Urk.-B. 4 Nr. 5743. 

2) H. R. I, 2 Nr. 86 § 13. 

3) H. R. I, 2 Nr. 113 § 3. 

4) H. R. I, 2 Nr. 232 § 2. 

5) H. R. I, 2 Nr. 263 § 6. 



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— 117 — 

heyde«, fertigte man unter der Leitung entlaufener Böttchergesellen 
Tonnen an und scheint sich dabei sehr gut befunden zu haben. 
Seitens der wendischen Städte bezeichnete man diese Arbeit 
einfach als »falsch Tonnenwerk«'); aber sie fand, kleiner und 
wahrscheinlich wohlfeiler als die nach Rostocker Band gemachten 
Tonnen, überall Liebhaber, nicht zum wenigsten vielleicht unter 
den Kaufleuten selbst. So mochte man denn das lohnende 
Geschäft nicht aufgeben, ging trotz alles Einspruchs und aller 
Verfolgungen mit niedersächsischer Zähigkeit nach wie vor dem- 
selben nach, und es ist, wie es scheint, den Seestädten nicht 
gelungen, die erwünschte Einheitlichkeit durchzusetzen. In den 
preussischen Städten war man ganz geneigt, die Bestrebungen 
der wendischen zu unterstützen, aber wohl nur insofern, als es 
sich um die Häringstonnen handelte, die von Schonen aus ihre 
Weltreise antraten. Ob Rostocker, ob Colberger Band, das war 
ihnen im Grunde gleichgültig. Nur sollte man — dahin ging 
die Auffassung auf der Marienburger Versammlung vom Jahre 
1392 — immer denselben Band gebrauchen =). Man wollte an 
Lübeck schreiben, und die von dorther ergehende Entschei- 
dung wäre dann vermuthlich für die preussische Vitte maass- 
gebend geworden. Demselben Grundsatz huldigten die preussi- 
schen Städte unter sich gleichfalls. Sie beschlossen im Jahre 
1402 , dass die Tonnen nach Culmischem Maasse gefertigt wür^ 
den, »alzo das eyne grosse sy der tunnen in dem lande« 3), und 
erörterten im Jahre 1406 den Antrag Elbings, die zum Trans- 
port von Asche bestimmten Fässer nach Thorner Muster arbeiten 
zu lassen*). 

Die Klagen über die Kleinheit der Häringstonnen, welche 
den Seestädten vorgetragen wurden, rissen nicht ab. Im Jahre 
1405 lagen den preussischen Städten auf ihrer Versammlung in 
Marienburg solche aus Schlesien und Böhmen vor^). In Wismar 
machten im Jahre 14 10 Flandern, England und Frankreich sie 



i) H. R. I, 2 Nr. 266 § 5; 306 § 2; 320 § 5; 3, Nr. 424 § 3. 
a) H. R. I, 4 Nr. 124 § 7. 

3) H. R. I, 5 Nr. 99 § 3. 

4) H. R. I, 5 Nr. 304 § 5. 

5) H. R. I, 5 Nr. 221 § 7. 



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— ii8 — 

geltend*). Man sah es in jenen Gegenden als Betrug an, 
wenn der Inhalt der Tonne nicht dem gewohnten Maasse ent- 
sprach, welches das Rostocker war. Wohl kämpften die wen- 
dischen Städte mit aller ihnen zu Gebote stehenden Macht da- 
gegen an. Sie forderten ihre Einwohner auf, nur solche Tonnen 
zu kaufen, »de de gud unde grote noch syn na deme Rozstker bände« , 
und wiederholten diese Mahnungen beständig; so in den Jahren 
1434 und 1444 auf der Lübecker«), 1442 auf der Stralsunder 3) 
Versammlung. Aber alles war vergebens. Zu der pommerschen 
Concurrenz war seit 141 o eine dänische gekommen. In Malmö und 
anderen Städten Dänemarks, wo ein Amt und Werkmeister nicht 
zu sein pflegten, wurden ebenfalls Häringstonnen gehauen*;, und 
auf diese Weise wurde es immer schwieriger, der um sich greifen- 
den Ungenauigkeit , an welcher manche Kaufleute schliesslich 
selbst ein Interesse hatten, zu steuern. 

Noch im Jahre i486 wurde in Lübeck geklagt, dass die 
Stettiner ihre Häringstonnen zu klein machten s), und ein Recess 
von dem Jahre 1688, welchen die Böttcher von Lübeck, Ham- 
burg, Rostock, Stralsund, Wismar, Greifswald und Lüneburg 
schlössen , erwähnt eines solchen Unfugs , welchen . Bergedorfer 
Böttcher sich mit den Thran tonnen zu Schulden kommen Hessen 0). 

Merkwürdig ist es, dass bei diesen Bestrebungen, dem 
Rostocker Bande allgemeine Anerkennung zu sichern, die Maasse 
desselben nicht überall, wo man sie hätte kennen müssen , ge- 
läufig waren. Im Jahre 1 480 erschienen zwei Hamburger Böttcher 
in Rostock und baten um »den smalen tunnenbant«, dessen Ver- 
hältnisse ihnen demnach unbekannt sein mussten. Lübeck suchte 
damals die Mittheilung an Hamburg zu hintertreiben, indem es 
Rostock darauf aufmerksam machte, dass man in der Umgebung 
von Hamburg, in der Kremper Marsch, Weissbier in schmale 
Tonnen nach Rostocker Band fülle und solches nach Island ver- 



i) H. R. I, 5 Nr. 720 § 2. 

2) H. R. II, I Nr. 321 § 36; 3 Nr. 94 § 12. 

3) H. R. II, 2 Nr. 608 § 26. 

4) H. R. I, 5 Nr. 720 § II. 

5) H. R. III, 2 Nr. 26 § 57. 59. 

^) Nach Akten aus dem Archiv des Rostocker Böttcheramts im Privat- 
besitze. 



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— 119 — 

schiffe. Hamburg stellte das in Abrede, behauptete, das Maass 
nur zu Häringstonnen benutzen zu wollen, und erhielt es auch 
ausgeliefert^). Es fällt aus dieser Angelegenheit ein eigenthüm- 
liches Licht auf die wendischen Städte, denen es vielleicht nicht 
so sehr darum zu thun war, einheitliches Maass in den Härings- 
tonnen zu fuhren, als vielmehr ein Monopol in der Anfertigung 
derselben zu besitzen. Vielleicht liessen sie, um die Böttcherei 
in Pommern unmöglich zu machen, die richtigen Maasse gar 
nicht dorthin gelangen. Aber unbegreiflich bleibt es dabei, dass 
die Hamburger Böttcher behufs Aneignung des Rostocker Bands 
persönlich in Rostock erscheinen mussten. Sollten sie nicht in 
der Lage gewesen sein, sich eine richtige Rostocker Tonne zu 
verschaffen und diese nachzuahmen? 

Was nun diesen vielbesprochenen Rostocker Häringsband 
selbst anlangt, so hat sich unter den heutigen Mitgliedern des 
Böttcheramtes jede Erinnerung an denselben verloren. Auch 
die Durchsicht der kümmerlichen Reste des einst reichhaltigen 
Archivs des Rostocker Böttcheramtes ergab keinen Anhalt. Wohl 
aber hat sich im Lübecker Museum für Alterthümer ein Erz- 
maass erhalten«), das nach seiner Inschrift als ein Rostocker 
Maass von 1469 angesehen werden muss. Der Güte des 
Herrn Dr. juris Th. Hach verdanke ich eine nähere Beschrei- 
bung dieses seltenen Gefässes, auf dessen Existenz ich durch 
eine Mittheilung von K. E. H. Krause in den Mittheilungen des 
Vereins für Lübeckische Geschichte aufmerksam geworden bin 3). 
Es handelt sich um ein cylinder ähnliches Erzmaass, das nach 
oben zu sich verbreitert und mit zwei Henkeln versehen ist. 
Etwas oberhalb der Henkel befinden sich im Innern des Ge- 
fässes zwei vorstehende Zapfen. Der obere Durchmesser' ergiebt 
eine Länge von 285 mm, der untere von 253 mm. Die Höhe 
des Gefässes vom inneren Boden bis zu der den oberen Durch- 
messer darstellenden Linie beträgt 363 mm. Der Flüssigkeits- 
inhalt beläuft sich, bis zum oberen Durchmesser gerechnet, auf 
20^/4 Liter, bis zur unteren Kante der im Inneren angebrachten 



i) H. R. III, I Nr. 293. 294. 295. 298. 

2) Katalog Nr. 2070. 

3) Jahrgang 1886 Nr. 11 S. 175. (Vgl. jetzt oben S. 94—95. K. K.) 



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— I20 

Zapfen 14^/4 Liter. Aeusserlich weist das Gefäss oben ein 
Schild mit dem Doppeladler, ein Schild mit dem Greif, sowie 
in 4 um den ganzen Körper gehenden Zeilen nachstehende 
Umschrift auf: Na der bort unses heren Jhesu Cristi 1469 in 
sunte Johannes baptisten avende . unde desser achte amen maket 
enen Rostker herinkbant van den tunnen . amen . Man hat sich 
demnach den Rostocker Häringsband als eine Tonne von 166, 
bezw. 118 Litern Rauminhalt vorzustellen. 

Hand in Hand mit den Klagen über die Kleinheit gingen 
die über ungenügende Güte, wie denn bis 1436 in Elbing dar- 
über verhandelt werden muss, dass »zemliche tonnen zere wän 
sin« *), und die niederländische Häringsordnung von 148 1 es für 
nöthig hält, durch eine desfallsige Vorschrift sich zu schützen. 
Keine in Holland eingebrachte Häringstonne sollte anders als 
ivon heelen holte und alle spintholt affghevracht« sein»). Eine 
andere Art von Betrug wird bei den Theertonnen vermerkt, die 
im Jahre 1487 viel zu stark angefertigt wurden (syn in deme 
boddemen unde Steven vele to dicke), so dass der Käufer am 
Inhalt sich verkürzt sah 3). In dieser Beziehung enthalten die 
ältesten Rollen in fast allen Städten schon Vorschriften, um die 
Herstellung eines tadellosen Productes zu ermöglichen. In der 
Lübecker von 1440 finden wir Bestimmungen über Anfertigung 
des Kymwerkes (Böttcherarbeit, bei welcher die Dauben in den 
Boden eingefügt werden), zu welchem nicht schräg gespaltene, 
wurmstichige, »wynkeldetich edder dorwassene« Hölzer verwandt 
werden sollten. Tonnen werk »dar spint utgheyt to den enden« 
durfte niemand machen. In Rostock sollte kein Böttcher Tonnen 
»von klovedenn holt, noch von wittenholt edder bundekenholt« 
anfertigen*). Diese und ähnliche Verfügungen waren wohl mit 
der Zeit nicht mehr so streng beobachtet, wenn obige Beschwer- 
den so häufig waren, dass man sich veranlasst fühlte, sie auf 
den Tagfahrten in Erwägung zu ziehen. 

An die Stelle der Versuche der Städte, gewissen Uebelstän- 
den im Handwerke entgegenzuarbeiten, treten später die Zu- 



1) H. R. II, I Nr. 507 § 5. 
a) H. R. III, I Nr. 335 § I. 

3) H. R. III, 2 Nr. 160. 

4) Anhang Nr. 4 § 2. 



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sammenkünfte der Handwerker selbst, auf denen die dem Ge- 
werbe nützlichen, gemeinsam zu erlassenden Verordnungen aus- 
gearbeitet, sowie alle Verstösse gegen die Rollen und sonstige 
Vorkommnisse im Handwerksleben besprochen wurden. Wann 
diese Zusammenkünfte ihren Anfang genommen haben, scheint 
sich zur Zeit nicht bestimmen zu lassen. In einem Lübecker 
RathsprotokoU vom Jahre 1572 wird es als »hergebracht und 
gebruklich« bezeichnet, »dat die groten Ampte uth dessen er- 
baren Wendischen Stetten umme de soven Jahr allhier (Lübeck) 
edder ock ehrer etliche in der Stadt Wismar pflegen thosamen 
tho kamen« u. s. w. »). In der That sind uns bereits aus dem 
Jahre 1494 Beschlüsse der Schmiede - Aemter der 6 wendischen 
Städte erhalten*), die wohl auch auf einer Versammlung der 
Aelterleute derselben gefasst wurden. Ob wir in dieser Urkunde 
das Zeugniss für die erste derartige Zusammenkunft besitzen, 
bleibt unentschieden. Auch Vereinbarungen anderer Aemter, die 
gleichfalls auf vorhergegangene Versammlungen schliessen lassen, 
haben sich erhalten; so die der Bäcker von 15073), der Kannen- 
giesser von 1526, der Schmiede von 1527, der Kürschner von 
1540, der Riemer und Schwertfeger von 1555, der Böttcher von 
1569'*). Im Jahre 1572 wurde den Aemtem der wendischen 
Städte das Recht, zu bestimmten Zeiten in Lübeck zuzusammen- 
zukommen, durch Hansebeschluss ausdrücklich zugestanden. Nur 
wurde ihnen untersagt, Beschlüsse zu fassen, welche ihren Rollen 
widersprächen, und mussten ihre Vereinbarungen obrigkeitlich 
genehmigt werden s). Das Letztere war schon bei den Be- 
schlüssen der Schmiede- Aemter von 1494 der Fall gewesen. 

Es ist über diese Zusammenkünfte Urkundliches bis jetzt wenig 
bekannt geworden. Sie scheinen regelmässig alle 7 Jahre und 
nur, wenn wenig Stoff zur Besprechung vorlag, in längeren 
Zwischenräumen abgehalten worden zu sein. Die erste Vereini- 
gung der Böttcher der wendischen Städte stammt aus dem Jahre 



1) Burmeister, Beiträge zur Geschichte Europa' s aus den Archiven der 
Hansestädte S. 147 Anm. 

a) Wehrmann S. 446 — 447. 

3) Burmeister a. a. O. S. 147. 152. 

4) Rüdiger, GeseUendocumente passim. 

5) Burmeister a. a. O. S. 148. 



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— 122 — 

1569 und betrifft Maassregeln gegen die Gesellen '). Ferner liegen 
mir die Akten über Versammlungen in den Jahren 1634, 1651 
und 1688 vor«), in denen der Recesse aus den Jahren 161 1, 
1618 und 1643 Erwähnung geschieht. In dem Fragmente eines 
Recesses (wie es scheint aus dem vorigen Jahrhundert), der von den 
Aelterleuten der Böttcher-Aemter aus Lübeck, Hamburg, Rostock, 
Wismar und Lüneburg unterzeichnet ist, und in welchem es sich 
um die Periodicität der Versammlungen handelt, ist auch von 
einer »alten Beliebung und Houbtbrief de anno 1579, welchen 
die hochgeehrte Obrigkeit uns confirmirt und hochgünstiglich ge- 
geben«, die Rede. Wie viele Versammlungen nun zwischen den 
genannten Terminen hegen und von welchen Städten dieselben 
beschickt wurden, kann zur Zeit nicht angegeben werden. Der 
Böttcher-Recess von 1634 wurde von Lübeck, Hamburg, Rostock, 
Wismar und Stralsund, der Recess von 165 1 von denselben 
Städten mit Ausnahme von Stralsund, an dessen Stelle Greifswald 
trat, der Recess von 1688 von den 5 letztgenannten sowie von 
Stralsund und Lüneburg abgeschlossen. Inhaltlich bieten dieselben 
nur die Beilegung von Klagen und Beschwerden, welche die 
Aemter der verschiedenen Städte gegeneinander oder das einzelne 
Amt über dieses oder jenes Mitglied erheben. 

2. Die Grapen- und Kannengiesser. 

Ein anderes Handwerk, welchem die wendischen und preussi- 
schen Städte auf den Versammlungen ihrer Rathssendeboten 
Aufmerksamkeit schenkten, war das der Grapen- und Kannen- 
giesser. Hier war es nicht das für den Handel, beziehungsweise 
den Export wichtige Gewerbe, welches man beaufsichtigen wollte, 
sondern dasjenige, welches Gegenstände des täglichen Gebrauches 
lieferte, die in Aller Hände waren. Da es sich um Gegenstände 
von ziemlichem Werthe, auf längere Dauer berechnet, und 
solche, bei denen der Käufer vorgenommene Fälschungen nicht 
zu beurtheilen vermochte, handelte, so Hess sich die Obrigkeit 
eine Ueberwachung der Production, um die Consumenten vor 
Schaden zu bewahren, angelegen sein. 



«) Rüdiger, Gesellendocumente S. 8 — 12. 

2) Aus dem Archiv des Rostocker Böttcheramts, gegenwärtig in Privat- 
besitz. 



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123 — 

Kannengiesser-Zünfte werden im 14. Jahrhundert mehrfach 
erwähnt. Sie kommen in Nürnberg'), in Köln»), in Breslaus), 
in Hamburg*), Wismar s) und Lübeck^) vor. In Frankfurt a. M. 
werden Kannengiesser als Mitglieder der Schmiedezunft erwähnt ^). 
In Rostock stammt ihre Rolle, ob die erste bleibt unbestimmt, 
aus dem Jahre 1482, in Lüneburg von 1597^). Sie verarbeiteten 
Zinn und stellten Schüsseln, Kannen, Standen (Gefösse, die oben 
enger sind als unten), Salzfässer (zaltsere), Leuchter, Waschschalen 
u. dgl. m. her. Der Verbrauch an diesen Geräthen mag kein 
unbedeutender gewesen sein. Man mag es daraus entnehmen, 
dass z. B. die Königsberger Grossschäfferei in den Etat für 
den Bedarf des Grosskomthurs u. A. jedes zweite Jahr ein 
volles SchifFpfund Zinn setzte^). Wohl half man sich damit, 
dass man die verbogenen und abgenutzten Stücke in neue 
Formen goss; aber die einheimische Production genügte nicht, 
und man war sogar veranlasst, aus England »Zinnwerk« zu im- 
portiren. Danzig wenigstens liess sich im Jahre 1422 solches 
Fabrikat aus England kommen '°). Von dort her, aus der Graf- 
schaft CornwaD, bezog man auch den Rohstoff, der als Handels- 
artikel gelegentlich genannt wird. Jenes lehrreiche Verzeichniss 
der Länder und deren Erzeugnisse aus dem letzten Drittel des 
13. Jahrhunderts, welches Höhlbaum im dritten Bande seines 
Urkundenbuches mittheilt "), führt England und Böhmen als Pro- 
ductionsorte an. Auf England deutet es auch, wenn hansische 
Kaufleute, denen im Jahre 1384 Zinn von den Flämingern ge- 
raubt wird, den Werth desselben in englischen Schillingen an- 
geben"). Inwieweit die Zinngruben des Fichtelgebirges, die 

i) Baader, Polizeiordn. S. 160. 

2) Ennen u. Eckertz, Quellen 2. Gesch d. Stadt Köln I, 386. 

3) Korn, Cod. dipl. Sil. 7, S. 103. 

4) Rüdiger a. a. O. S. 123. 

5) Burmeister, Alterthümer des Wismarschen Staatsrechts. 

6) Wehrmann a. a. O. S. 225. 

7) Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. S. 142. 

8) Bodemann a. a. O. S. 119. 

9) Sattler, Handelsrechnungen S. 169, 12. 
10) H. R. II, I Nr. 381 § 19. 

") Nr. 624 Anm. 

") H. R. I, 3 Nr. 336 § 14. 



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— 124 — 

böhmischen und sächsischen Zinnbergwerke*) den Rohstoflf für 
die norddeutschen Städte lieferten, entzieht sich der Beurtheilung. 
Prag scheint den wendischen Städten Zinn geschickt zu haben 
(S. weiter unten S. 134). Der deutsche Orden, der sich, wie seine 
kürzlich herausgegebenen Handelsrechnungen erweisen, mit dem 
Vertriebe von Kupfer und Eisen, also mit Metallhandel, mehrfach 
befasste, pflegte den Zinnhandel nicht. 

Mit den Kannengiessern in einem Amte waren in den 
wendischen Städten die Grapengiesser vereinigt. Wenigstens lässt 
sich in keiner Stadt eine besondere RoUe für sie nachweisen. 
Aus Süd- oder Ostdeutschland wird ihr Vorkommen überhaupt 
nicht gemeldet. Grapen und Kessel, grosse und kleine, wie es 
scheint stets auf Füssen, durften in keinem norddeutschen Haus- 
halte fehlen. Man findet sie in den Küchen von Privatpersonen 
und Klöstern»). Auch flache Tiegel oder Pfannen — die sog. 
Schapen — gehörten da hinein. Das waren die Gegenstände, 
welche die Grapengiesser aus einer Mischung von Kupfer und 
Zinn herstellten ; Kupfer bildete den hauptsächlichsten Bestandtheil 
und musste von weither bezogen werden. Im, 14. und 15. Jahr- 
hundert waren es namentlich Polen und Ungarn, welche das- 
selbe lieferten, und der deutsche Orden die Instanz, die den 
Transport nach Deutschland und weiter nach Flandern gern 
vermittelte. Man unterschied im Handel Gildenisser oder Göl- 
nitzer, Stilbacher oder Sylbacher, Lebentzer und Schmolnitzer 
Kupfer (nach den Gegenden benannt), rothes und hartes Kupfers). 

Wie hoch der Marktpreis von Kupfer in den Hansestädten 
sich stellte, ist leider nicht bekannt. In Preussen schwankte er 
beständig. Der Grossschäffer von Königsberg notirt z. B. am 
Anfang des 15. Jahrhunderts den Preis für einen Centner Kupfer 
mit 3 Mk., 2^/2 Mk. und i Mk. 22 scot pr.**). Wie es scheint, 

>) Beckmann , Beiträge zur Geschichte der Erfindungen Bd. 4 S. 374. 
Albert Schmidt, Der alte Zinnbergbau im Fichtelgebirge, im Archiv für Ge- 
schichte und Alterthumskunde von Oberfranken 15, Heft 3; 16, Heft 3. 

a) 1284 in Rostock 2 ollae, die 3^/2 Schiffpfund wiegen; 1341 ebenda 
oUae majores et minores; 131 2 im Doberaner Kloster: una magna oUa im 
Werthe von 24 Mark. Mekl. Urk. -B. 9 Nr. 6148; 10 Nr. 7199 S. 491. 

3) H. R. I, 4 Nr. 185 S. 156; Sattler a. a. O. passim; Hirsch 
a. a. O. S. 258. 

4) Sattler a. a. O. S. 206, 25; 162, 31; 258, 30; 202, 25. 



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— 125 — 

war das der Einkaufspreis; denn der Grossschäflfer vermerkt: »Der 
czentener kost uns«. Dem gegenüber stehen die von dem preussi- 
schen Lieger in Flandern am Ausgange des 14. Jahrhunderts in 
Brügge erzielten Preise, die mit Auseinanderhaltung der Sorten 
und Jahre folgende Bewegung erkennen lassen. Es kostete 100 
Kopper (d. h. wohl i Centner) 



im 
Jahre 


Kupfer ohne 
nähere An- 
gabe 


Hardes coper 


Kodes coper 


Gildenisser 
coper 


Stilbacher 
coper 


1391 


24 sol. vi. 


— 


24 sol. vi. 


23 sol. vi. 


— 


1392 
1394 

1396 


22 sol. „ 
18 sol. 3 gr. 

16 sol. 


12 sol vi. 
12 sol. 6 gr. 
12 sol. 6 gr. 


19 sol. vi. 
19 sol. 4 gr. 
16 sol. vi. 


— 


17 sol. vi. 
16 sol. 8 gr. 




15 sol. 


— 


— 


— 


— 




16 sol. 6 gr. 


— 


— 


— 


— 




13 sol. 


— 


— 


— 


— 




12 sol. 8 gr. 


-— 


— 


— 


— 




12 sol. 5 gr. 


— 


— 


— 


— 




17 sol. 


— 


— 


— 


— 




15 sol. 10 gr. 


"~~ 


— 


— 


— 



Im Jahre 1387 galt ein Pfund vlämisch 3 Mark pr. '), im 
Jahre 1392 2^/2 Mark pr.=), im Jahre 1398 3 Mark 14 sc. 3). 
Demnach würden bei 3 Mark = i Pfund vi., 15 Schill, vi. 
nur 2 Mark 6 Sc. pr. gewesen, also das Kupfer* in Flandern 
billiger, als es im Einkauf in Preussen zu stehen kam, abgegeben 
worden sein. Nun galt allerdings der Centner Kupfer nach Thomer 
Gewicht iio Markpfund in Flandern*), und bei einem Preise von 
3 Mark pr. pro Centner verdiente der Verkäufer 7^/5 scot. oder 
2 Schill, vläm. allein durch die Differenz des Gewichts. Immerhin 
erklärt dies noch nicht die niedrigen Preise der Jahre 1324 und 1326 
in Flandern. In einem Danziger Schadensverzeichniss aus den 
Jahren 1474 — 90 ist ein Centner Kupfer mit 5^/2 Mark pr. auf- 
gezeichnet s) , und für das Jahr 1489 finde ich einen Preis von 

i) Hirsch a. a. O. S. 243. 

2) Sattler a. a. O. S. 329, 37. 

3) Satüer S. XXXIX. 

4) Sattler a. a. O. S. 172. 

5) H. R. III, 2 Nr. 509 § 27. 



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126 

15 Schill, engl, pro Centner Kupfer in Preussen angegeben»), 
d. h., da damals i Pfund engl, gleich 8 Mark pr. gerechnet 
wurde, von 6 Mark pr. Hirsch notirt aus den Jahren 1447 — 51 
Preise von 7 Mark 6 Sc. bis 8 Mark 6 Sc. pro Centner*). 

Von den Grapengiessern getrennt erscheinen die Apengeter 
oder, wie sie nachher genannt werden, die Rothgiesser. Sie ver- 
arbeiteten nach Wehrmann's Mittheilung 3) rothes sprödes Metall 
im Gegensatz zu den Gelbgiessem, die gelbes geschmeidiges Metall 
benutzten. Sprengel, (Handwerke und Künste Berlin, 1770) findet 
den Unterschied des Rothgiessers von den übrigen Messingarbeitem 
darin, »dass er in Formen von Lehm giesset« , während der 
Gelbgiesser »in Sand giesst und sich mit sehr grossen Stücken, 
z. B. Glocken, nicht abgiebt« *). Aus den Darstellungen beider 
Handwerke bei Sprengel ergiebt sich aber, dass das wesentlich Un- 
terscheidende in deren Material liegt. Gelbgiesser verarbeiteten 
Messing, die Rothgiesser Compositionen wie das Rothmetall 
(Kupfer und Zink), den englischen Domback (Kupfer und Mes- 
sing), das Prinzmetall, das sog. englische Metall (Messing und 
Zink 5). Welche dieser Compositionen die Apengeter nun in 
der von uns hier behandelten Periode verarbeiteten, bleibt dahin- 
gestellt. Es scheint, dass die Gelbgiesser das ältere Handwerk 
waren, von welchem sich in fortschreitender Arbeitstheilung die 
Apengeter ablösten. Messingschläger lassen sich in Lübeck be- 
reits im Jahre 1330 nachweisen und zwar in nicht geringer Zahl; 
denn ihrer wären damals 14^). Ihre Rolle datirt von 1400^), 
während die der Apengeter von 1432 datirt s). Wo aber Messing- 
schläger existirten, wird es auch Gelbgiesser gegeben haben. 

Die Bezeichnung Apengeter soll daher rühren, dass sie an 



i) H. R. III, 2 Nr. 510 § 37. 
a) a. a. O. S. 258. 

3) a. a. O. S. 157. 

4) Bd. 5 S. 3 : »Der Rothgiesser unterscheidet sich vorzüglich dadurch 
von den übrigen Messingarbeitem, dass er in Formen von Lehm giesst, und 
dass er die kleineren Theile einer Arbeit nur selten durch das Löthen , ge- 
wöhnlich aber durch eine Schraube mit dem Ganzen verknüpft. S. 67. 

5) S. 5 und 6. 

6) Lüb. Urk.-B. 2 Nr. 522. 

7) Wehrmann a. a. O. S. 330. 

8) Wehrmann a. a. O. S. 157. 



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127 — 

ihren Arbeiten Figuren als Zierrath anbrachten ^). In der von uns 
hier behandelten Periode fertigten sie kleinere Gegenstände an, so- 
wohl in feinerer als gröberer Ausführung, wie Leuchter (hantluchter), 
Weihrauchgefasse , Fingerhüte, Schalen u. dergl. mehr, übrigens 
auch Waschgefasse (handvate). Dabei verschmähten sie nicht, abge- 
brochene Füsse an Grapen oder Pfannen anzugiessen und Ringe (rin- 
ghe edder bretzen), d. h. etwa die Handgriffe fiir dieselben, herzu- 
stellen. Nach einer Erklärung des Stralsunder Rathes vom Jahre 
1438 steht ihnen ausdrücklich das Recht zu, Grapen zu flicken und 
Füsse und Griffe aufs neue anzugiessen, eine Arbeit, die ihnen 
nicht zur Unehre gereichen soll (gröpene schüghen, brökene v6te, 
6rde unde schörde olden grapen wedder angheten) *). Als selb- 
ständiges Amt erscheinen die Apengeter in Lübeck wie erwähnt 
im Jahre 1432, wo auch wegen der vielfachen Berührungen mit 
den Grapengiessem eine Rathsverordnung im Jahre 1439 i^ii^n 
die Arbeitsgrenzen genau vorzeichnete 3). In Hamburg werden 
die Apengeter erst im Jahre 1577 von den Kannen- und Grapen- 
giessem, die in einem Amte zusammenbleiben, getrennt*). In 
Rostock datirt die uns aufbewahrte Rolle aus dem Jahre 1585. 
Im 16. Jahrhundert war übrigens die Rothgiesserei ein allgemein 
verbreitetes Gewerbe, wie man aus den Beschlüssen von 1573 
der Rothgiesser von Lübeck, Hamburg, Braunschweig, Lüneburg, 
Rostock, Stralsund, Wismar, Magdeburg, Bremen, Greifswald, 
Hildesheim , Stade, Hannover, Göttingen und Flensburg wider 
ihre Gesellen entnimmt s). 

Auch diese Handwerke wiesen einen von der gewöhnlichen 
Organisation abweichenden Charakter auf, sofern sie nicht durch- 
aus direct für den Kunden arbeiteten, sondern mit Hülfe des 
Kaufmanns ihre Waaren absetzten. Ob sie gerade in dessen 
Auftrage thätig waren, lasse ich unentschieden. Ohne Zweifel 
verkauften die Giesser ihre Arbeit an Markttagen oder von ihrer 
Werkstätte auch unmittelbar an das Publikum; aber es gab da- 



x) Wehnnann a. a. O. Glossar, 
a) Lüb. Urk.-B. 7 Nr. 773. 

3) Wehrmann a. a. O. S. 227. 

4) Rüdiger a. a. O. S. i. 

5) Rüdiger, Gesellendocumente S. 44; Schanz a. a. O. S. 273; Bode- 
mann a. a. O. S. 186. 



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— 128 — 

neben gewerbspiässige Händler — coplude, de de grapen plegen 
to vorkopende — . In Rostock stossen derartige Grapenhändler, 
die regelmässigen Jahreszins an die Stadt entrichten müssen, 
bereits um das Jahr 1325 auf»). Bei den Kannen- und Roth- 
giessern könnte man sich dieses Verhältniss dadurch eitlären, 
dass die Nürnberger ihnen empfindliche Concurrenz bereiteten. 
In Nürnberg spielten die Kandlgiesser und Rothschmiede eine 
grosse Rolle, und ihre Erzeugnisse werden es vorzugsweise ge- 
wesen sein, welche man gern nach Nord- und Ostdeutschland 
brachte. Schon 1401 waren die Kaufleute, die damit Handel 
trieben, den Preussen so unbequem, dass man auf dem Tage 
von Marienburg in Erwägung zu ziehen beschloss, »wy man dy 
büssen dem lande beholden möge«); auch im Jahre 1448 be- 
stimmte man, dass die Nürnberger sowie die anderen ausländi- 
schen Krämer, welche mit »Venedischer Ware«, d. h. Gewürzen, 
in Preussen auftraten, nur 2 Jahrmärkte »und sost keyne merkte 
mehe« in jedem Jahre besuchen durften 3). Sie zeichneten sich 
in Lübeck, wo ihnen ständiger Aufenthalt vergönnt war — die 
Nürnberger Keller — , durch unreelle Concurrenz aus, so dass 
der Rath sich im Jahre 147 1 genöthigt sah, den Apengetem 
zuzugestehen, durch ihre Aelterleute das Treiben der Nürnberger 
Händler überwachen zu lassen und insbesondere auf die Wandel- 
barkeit der von ihnen verkauften Producte das Augenmerk zu 
richten'^). Aehnlich ist möglicherweise auch bei den Erzeug- 
nissen der Grapengiesser der Wettbewerb Fremder die Veranlas- 
sung gewesen, dass sie auf zweckmässigere Einrichtung ihres 
Absatzes Gewicht legten. Aus dem Süden werden allerdings 
die schweren Kessel kaum nach Norden gelangt sein. Wohl 
aber gab es eine Concurrenz der benachbarten Städte, wie denn 
z. B. in der Hamburger Rolle von 1375 »vromede koplude« er- 
wähnt werden, »die myt grapen to markede edder myt cannen 
qwemen«^). 



i) Mekl. Urk.-B. 7 Nr. 4608 S. 256. 
H. R. I, 5 Nr. 31 § 4. 

3) H. R. II, 3 Nr. 404. 

4) Wehrmann a. a. O. S. 159. 

5) Rüdiger a. a. O. S. 124 § 9. 



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■ — 129 — 

Ueberdies mochte für die Grapengiesser eine Ausfuhr ihrer 
Artikel zur See nach Scandinavien und Livland nichts Ungewöhn- 
liches sein , wenn auch Spuren derselben sich bis jetzt noch 
nicht gezeigt haben. Auffallend bleibt es, dass z. B. in Riga 
sich* während des 14. Jahrhunderts nur ein einziger Grapen- 
giesser nachweisen lässt und von Kannengiessern gar nicht die 
Rede ist'). Zum Theil konnten für die ersteren die Kupfer- 
schmiede Ersatz bieten, die in Riga zum Schmiedeamte ge- 
hörten*); aber es wird hierdurch nicht unwahrscheinlich, dass 
diese Metallfabrikate von den wendischen Städten nach Riga, 
beziehungsweise Livland, regelmässig geschickt wurden. 

Mit den Grapengiessern befassen sich die Hansestädte zu- 
erst im Jahre 1354, mit den Kannengiessern im Jahre 13613). 
An der ersten Vereinbarung nehmen Hamburg, Lübeck, Rostock, 
Stralsund, Wismar, Greifswald und Stettin Theil; an der über 
die Kannengiesser betheiligen sich Lübeck, Wismar, Rostock, 
Greifs wald und Stettin. Die letzteren zusammen mit Stralsund 
sind es, die im Jahre 1376 über Kannen- und Grapengiesser zu- 
gleich sich verständigen. Dagegen fehlt im Jahre 1444 bei einem 
gleichen Vertrage Stettin und sind gelegentlich, wie im Jahre 
1367, auch andere Städte (Kolberg, Kiel, Anclam) betheiligt. 

Es kam bei diesen Vereinbarungen darauf an, die Mischung, 
aus welcher die Gegenstände gegossen werden sollten, genau 
zu bestimmen. Die Grapengiesser sollten weiches Kupfer (d. h. 
wohl reines) verwenden und die Mischung in dem Verhältniss 
vornehmen, dass auf ein Schiffpfund Kupfer entweder 4 Liespfund 
Zinn ohne Bleizusatz oder 8 Liespfund Grapenspeise, worunter alte 
zerbrochene Grapen verstanden zu sein scheinen*), kamen. Im 
ersteren Falle würde das ein Verhältniss von i Pfund Zinn auf 4 Pfund 



i) Mettig, Zur Geschichte der Rigaschen Gewerbe im 13. u. 14. Jahr- 
hundert S. 31. 33. 

2) Mettig a. a. O. S. 35. 

3) H. R. I, I Nr. 188, 257. 

4) Rüdiger a. a. O. S. 125. In der RoUe von 1375 lautet Artikel 16 
wie folgt: »dat men de gropen ok wol gheten mach van gudeme, harden, 
lodeghen coppere. Dar mach men to duen olde spise, alze half ene unde 
half andere, alzo des olden alzo yele mach wesen alzo des nygen.« 

Hansische Geschichtsblätter. XV. 9 



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— I30 — • 

Kupfer ergeben^). Mit dem 25. Juli 1354 sollte das neue Mischungs- 
verhältniss überall zur Anwendung kommen. Ob das in der That 
geschah, ist uns nicht überliefert. Bekannt ist nur, dass im Jahre 
1367 die Grapengiesser eine Eingabe machten, nach der in Stral- 
sund gebräuchlichen Methode, hartes Kupfer, dem eine Kleinig- 
keit Blei beigefügt würde, zu verwenden «): weit davon entfernt 
schädlich zu sein, erleichtere das Blei die Verarbeitung des 
Kupfers. Das harte Kupfer, dessen hier Erwähnung geschieht, 
stellt wohl schon eine Vermengung des Kupfers mit irgend 
einem Metall, wie sie im Handel üblich war, dar. Die Städte 
verhielten sich diesem Ansinnen gegenüber nicht ablehnend, be- 
riethen es und gestatteten auf der nächsten Versammlung, am 
29. Juli desselben Jahres, es mit dem neuen Modus zunächst ein 
Jahr zu versuchen (bis Michaelis 1368)3). Ein nach Ablauf 
dieses Termins gefasster Beschluss findet sich in den Hanserecessen 
nicht. Wohl aber heisst es in der Rolle der Hamburger Grapen- 
und Kannengiesser § 16, dass »in deme jare godes 1368« die- 
selben Städte, welche den Beschluss von 1354 fassten, überein- 
kamen, als beste Mischung hartes Kupfer und alte Grapen- 
speise zu gleichen Theilen anzusehen. Wie es scheint, be- 
währte sich auch dieses Verfahren nicht, und im Jahre 1376 
wurde verfügt, dass die Grapenmischung aus zwei Theilen harten 
und einem Theil weichen Kupfers bestehen sollte^). Hierbei 
hat es dann lange Zeit sein Bewenden gehabt. Diese Norm war 
die allgemein beobachtete, die auch von den preussischen Städten 
im Jahre 14 10 angenommen wurde s), nachdem man dort 1391 
und 1395 die Frage, »wy das beqwerae sy czu halden mit den 
blye czuczuseczen«, reiflich erwogen und sich dahin entschlossen 
hatte, von Lübeck eine Auskunft zu erbitten^). Vierundsechzig 



') Das lübische Schiffpfund zerfiel in 16 Liespfund zu 14 Markpfund 
(Sattler a. a. O. S. 172, 16), das livländische in 20 Liespfund zu 16 Mark- 
pfund (Stieda a. a. O. S. CXXIV). Hier ist natürlich das lübische Schiff- 
pfund gemeint. 

a) H. R. I, I Nr. 402 § 17. 

3) H. R. I, I Nr. 405 § 9. 

4) H. R. I, 2 Nr. 115 § 2. 

5) H. K. I, 5 Nr. 698 § 7. 

6) Toppen, Akten der Ständetage Preussensl, Nr. 50 S. 82; Nr. 86 S. 125. 



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— 131 — 

Jahre später hatte sich die Angelegenheit anders gestaltet. 
Grapen »von sodaner guder materien« wurden, wie die Lübecker 
Rathssendeboten am 28. Januar 1444 der Versammlung in Lü- 
beck mittheilten, nicht mehr gegossen , und so hatten Rath und 
Handwerker in Lübeck eine neue Vereinbarung aufgesetzt, die 
auch den Beifall der Versammelten fand. Nach dieser wurde 
die Grapenmischung aus 3 Theilen Lebeter (d. h. weichen 
Kupfers) und einem Theil harten Kupfers gebildet. War kein »Le- 
beter« zur Hand, so durfte die Mischung aus zwei Theilen schwe- 
dischen und einem Theil harten Kupfers bereitet werden »). Ham- 
burg, Rostock, Stralsund, Wismar und Greifswald erklärten sich 
bereit, diese Verfügung unter ihren Grapengiessem gleichfalls ein- 
zubürgern, und die Rostocker Rolle von 1482 enthält im ersten 
Paragraphen in der That den Hinweis darauf. 

Nicht so einfach gestaltete sich die Rohstoff-Frage bei den 
Kannengiessern. Gewisse Zusätze an Blei und Kupfer erhöhen 
die Festigkeit und Härte des Zinns 2); ja die Handwerker selbst 
behaupten sogar, dass sich ohne solchen Zusatz das Zinn nicht 
gut verarbeiten lasse 3). Dazu kam die grössere Wohlfeilheit 
desjenigen Stoffes, den man schon in der älteren Zeit gern zur 
Mischung wählte, des Bleis, Ein Centner Blei kostete im Jahre 
14 10 in Danzig 17^/2 Scot, ein Centner Zinn im Jahre 1408 
4 Mark 2 Scot, d. h. das Fünffache. Im Laufe des 15. Jahr- 
hunderts stiegen die Preise beider Metalle, und um das Jahr 
1442 kostete ein Centner Blei 3 Mark pr., ein Centner Zinn 
II Mark 18 Scot^). Immer war mithin der Preisunterschied beider 
Metalle ganz erheblich. So blieb es bis in unsere Tage, und 
Sprengel behauptete daher auch im vorigen Jahrhundert, dass 
»ohnstreitig blos der wohlfeilere Preis die Vermischung mit Blei« 
veranlasste. Wie dem nun sein mochte, das Mischungsverhält- 
niss nicht der Willkür der Zinngiesser zu überlassen, empfahl 
sich aus einem doppelten Grunde. Weniger der Umstand, dass 
grössere Mengen Blei dem Zinn ein mattes, in das Graue über- 



x) H. R. II, 3 Nr. 94 § 9; Rüdiger a. a. O. S. 126 Nr. 24a. 
a) BoUey, Handbuch der chemischen Technologie Bd. 7: Gewinnung 
der Metalle von Stölzel S. 817. 

3) Sprengel a. a. O. Bd. 4 S. 73. 

4) Hirsch a. a. O. S. 257. 259. 

9* 



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— 132 — 

gehendes Ansehen gaben — denn das waren die Handwerker 
selbst am besten in der Lage zu beurtheilen — , wird den 
Wunsch einer Regelung nahe gelegt haben. Wohl aber könnte 
in Frage gekommen sein, dass ein zu reichlich bemessener Blei- 
zusatz der Gesundheit und dem Beutel lästig fallen konnte. 
Als die wendischen Städte nun im Jahre 1361 dies Thema zu- 
erst aufs Tapet brachten, glaubte man eine Beimengung von 
5 Liespfund Blei auf ein Schiffpfund Zinn in der Hauptsache 
zulassen zu können»), jedoch mit der Beschränkung, dass 
Schüsseln, Flaschen und die für den Gottesdienst bestimmten 
Kannen (Ampollen) , mit einem Worte die zur Aufnahme von 
Nahrungs- und Genussmitteln bestimmten Gefässe, aus reinem 
Zinn bestehen sollten. Bei dieser Auffassung blieb es im Allge- 
meinen. Standen, Flaschen, Schüsseln und Salzfasser sollten 
auch nach den Beschlüssen von 1376 aus reinem Zinn gegossen 
werden, während für Kannen, sowie für Handgriffe und Wirbel 
an den Gefassen ein Bleizusatz gestattet war, und zwar für die 
ersteren in dem Verhältniss von i : 3 (i Theil Blei auf 3 Theile 
Zinn), für die letzteren von halb und halb«). Hiernach scheint 
nicht eigentlich der sanitäre, sondern mehr der ökonomische 
Gesichtspunkt maassgebend gewesen zu sein. Die grösseren Ge- 
fässe machte man unter Zuhülfenahme des billigen Bleis. 

In den wendischen Städten war mit den namhaft gemachten 
Beschlüssen das Interesse für unser Handwerk erschöpft. Die 
Hanserecesse aus späterer Zeit erwähnen weitere Vereinbarungen 
darüber nicht. Man scheint sich an die Vorschriften von 
1376 gehalten zu haben. Die Rostocker Rolle von 1482 
wünscht nur, dass überhaupt »gutes Zinn« verarbeitet werde, 
und die Lübecker von 1508 lässt den Bleizusatz in dem obigen 
Verhältniss (dat schal wesen de dre part klar thyn unde dat 
veerde part blyg)3) nur bei Kannen und sogen. Mischarbeit 
(mengedeme wercke) zu. Standen, Flaschen, Waschgefässe *), 



1) H. R. I, I Nr. 257 § 4: to deme schippunde tenes vif Lifpunt 
blyes. Unter » Lifpunt c ist doch wohl «Lispuntc zu verstehen. Es würde 
sich dann um eine Mischung von 16 Liespfund Zinn und 5 Liespfund Blei 
gehandelt haben, d. h. von i : 3,2 (i Theü Blei auf 3,2 Theile Zinn). 

2) H. R. I, 2 Nr. 115 § I. 

3) Wehrmann a. a. O. S. 247. 

^) In der Rolle steht »vate». Man könnte auch an zinnerne Eimer denken. 



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— 133 — 

Schüsseln, Salzfässer, Ampollen und Lechelen (Becher?) waren 
aus reinem Zinn anzufertigen. Anders in den preussischen 
Städten. Hier konnte man sich über das richtige Maass der 
Mischung nicht einigen. Im Jahre 141 o verlangte man die 
Durchführung der Vorschriften, wie sie im Jahre 1376 seitens 
der wendischen Städte beliebt worden waren ^), machte aber die 
Erfahrung, dass die Kannengiesser sich ganz und gar nicht daran 
kehrten. Vielmehr nahmen sie zu dem Rumpfe der Kannen 
eine Mischung von 2^/2 Pfund Zinn und einem Pfund Blei, zu 
den Henkeln und Griffen (to hengelen und handgriffen) sogar eine 
von 2 Pfund Blei und einem Pfund Zinn, »dodurch der gemeyne 
man wirt betrogene »). Das wollte man sich nicht bieten lassen 
und verlangte auf der Elbinger Tagefahrt vom 30. April 1432 für 
Kannen und Zubehör das alte Verhältniss von i Pfund Blei und 
3 Pfund Zinn, machte aber unter dem Drucke des steigenden 
Zinnpreises die Concession, dass Schüsseln, sowie Flaschen und 
Standen Blei zugesetzt werden dürfe, bei ersteren auf 8 Pfund 
Zinn, bei letzteren auf 10 Pfund Zinn i Pfund Blei 3). Die in 
den nächsten Jahren, 1434 und 1435, über diesen Punkt wieder- 
aufgenommenen Verhandlungen^) endigten endlich mit einer 
Landesordnung vom 2. December 1435, ^^ch welcher Standen 
und Flaschen aus klarem Zinn, Kannen aus einer Mischung von 
2 Pfund Zinn und i Pfund Blei, Schüsseln und Teller aus einer 
Mischung von 5 Pfund Zinn und i Pfund Blei hergestellt werden 
sollten 5). 

War auf diese Weise dem cohsumirenden Publikum einige 
Gewähr dafür geboten, dass es reine unverfälschte Waare be- 
kam, so handelte es sich auf der anderen Seite darum, die Ge- 
werbtreibenden gegen eine Verschlechterung des von ihnen ge- 
brauchten Rohstoffes zu schützen. In dieser Beziehung scheint 
schon damals in den Gegenden, wo das Metall gewonnen oder 
Handel mit ihm getrieben wurde, manche unerlaubte Manipu- 



1) H. R. I, 5 Nr. 698 § 7. 
a) H. R. II, I Nr. 93 § 3. 

3) H. R. II, I Nr. 125 § 4. 

4) H. R. II, I Nr. 241 § 8; Nr. 287 § 5 ; Nr. 380 § 8; Nr. 423 § 15 5 
Nr. 496 ; 2 Nr. 498. 

5) Toppen a. a. O. I Nr. 548 S. 706. 



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— 134 — 

lation vorgekommen zu sein. Daher sandten die wendischen 
Städte im Jahre 1376 nach Breslau, Liegnitz, Prag und Krakau 
Briefe mit der Bitte, ihnen Kupfer, Zinn und Blei in reinem 
Zustande zu liefern'). Viel dürfte man indess damit nicht er- 
reicht haben; denn seitens der preussischen Städte wird sowohl 
im Jahre 1404 als auch noch 1439 darüber Klage geführt, dass 
das Kupfer von Jahr zu Jahr mehr verfälscht werde*), ins- 
besondere das aus Polen kommende Kupfer und Blei »falsch, 
untüchtig und bözec war, so dass von Thorn aus deshalb nach 
Krakau geschrieben werden musste. 

Eine fernere Garantiemaassregel gegen etwaige UebergrifFe 
der Handwerker war die Bestimmung, dass jeder Meister seine 
Marke und das Zeichen der Stadt auf den von ihm verfertigten 
Geräthen anbringen musste. Für die Grapengiesser wird es im 
Jahre 1354 von den Städten beschlossen; für die Kannengiesser 
ist uns die betreffende Nachricht aus einem Beschluss der 
preussischen Städte von 1432 und aus der erwähnten preussischen 
hochmeisterlichen Landesordnung von 1435 bekannt 3). Doch 
dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass die Verfügung für 
alle Kannengiesser in den wendischen Städten gleichfalls galt. 
Die Hamburger Rolle von 1375 schreibt es im 14, Paragraphen*) 
ausdrücklich vor. In Preussen scheint die Durchführung der 
Verfügung auf Schwierigkeiten gestossen zu sein. Wenigstens 
wird sieben Jahre nach Erlass der Landesordnung den Kannen- 
giessem, die zerbrochene alte Gefässe zu eigenem Gebrauche 
umgiessen, zugestanden, dass sie ihre Marke nicht auf die neuen 
Erzeugnisse zu setzen nöthig haben, während alles »uff den 
kouff« hergestellte Fabrikat gezeichnet sein musste 5). 

Auf der anderen Seite nehmen die Städte die Interessen 
der Grapengiesser insoweit wahr, als sie den Wunsch aussprechen, 
dass die Kesselflicker (ketelbütere) nicht mit Grapen handeln 
sollen. Seitens der Kaufleute sowohl als auch seitens der 



«) H. R. I, 2 Nr. 115 § I. 

2) H. R. I, 5 Nr. 200 § 17; II, 2 Nr. 308 § 4. 

3) H. R. II, I Nr. 125 § 4; n, 2 Nr. 498. 

4) Rüdiger a. a. O. S. 125. 

5) H. R. II, 2 Nr. 562 § 25. 



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— 135 — 

Grapengiesser sollen denselben keine Grapen zum Wiederverkauf 
überlassen werden»). Obwohl schon im Jahre 1354 beschlossen, 
scheint die praktische Durchführung zu wünschen übrig gelassen 
zu haben; denn zur Stralsunder Versammlung von 1367 hatten 
die Grapengiesser das Gesuch eingereicht, den Kesselflickern 
(renovatoribus caldariorum) den Verkauf neuer Grapen nicht zu 
gestatten»). Demselben wurde 1376 ausdrücklich Raum ge- 
geben 3). Der Kesselflicker sollte nur die zu eigenem Bedarfe 
erforderlichen Grapen einkaufen dürfen. Diese Bestimmung hatte 
natürlich den Sinn, den Grapengiessern ihren Absatzkreis zu 
sichern. Und so muss man auch die Anordnung der Hamburger 
Rolle auffassen, dass kein Kesselflicker den Grapen Füsse an- 
giessen darf^). 

Bei dem eben besprochenen Handwerke nicht minder als 
bei den Böttchern zeigen sich in späterer Zeit Versammlungen 
der Aemter selbst. Im Jahre 15 26 vereinigen sich die Kannen- 
giesser-Zünfte von Lübeck, Hamburg, Rostock und Lüneburg auf 
bestimmte Maassregeln gegen ihre Gesellen und vervollstän- 
digen dieselben im Jahre 1573 0> wobei sich den genannten 
Städten noch Wismar, Stralsund, Greifswald, Anclam, Stettin, 
Bremen, Stade, Itzehoe, Kiel, Schwerin und Brandenburg an- 
schlössen. Diese Bestimmungen blieben in Kraft bis zum Jahre 
1662; ob dazwischen aufs neue vielleicht bestätigt oder durch- 
gesehen, entzieht sich unserer Kenntniss. Im letztgenannten 
Jahre waren die Aelterleute der betreffenden Aemter der 6 wen- 
dischen Städte — sie sind nicht namentlich genannt; es handelt 
sich aber doch wohl um Lübeck, Hamburg, Rostock, Wismar, 
Stralsund und Lüneburg — wiederum in Lübeck versammelt und 
setzten eine neue Gesellen-Ordnung auf. Auf den Inhalt derselben 
kann hier nicht näher eingegangen werden ; in der Hauptsache deckt 
sie sich mit der Beliebung von 1573. Eine erneuerte Revision 
fand am 18. Juli 1729 statt. Die unter diesem Datum erlassene 



1) H. R. I, I Nr. 288 § 7. 
a) H. R. I, I Nr. 405 § 10. 

3) H. R. I, 2 Nr. 115 § 2. 

4) Rüdiger, Handwerksgesellendocumente S. 32. 

5) Conrad's Jahrbücher für Nationalökonomie Bd. 33 S. 336. 



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— 136 — 

Gesellen-Ordnung ^) erwähnt auffallender Weise des Recesses von 
1662 gar nicht, sondern nimmt Bezug auf die alte Verfägung 
von 1573. Inhaltlich stimmt sie aber mehr mit jenem als mit 
dieser überein. 

Mussten, um diese Ordnungen aufuzsetzen, Versammlungen 
stattgehabt haben, so ist uns auch ausserdem von regelmässigen 
Zusammenkünften in Lübeck Kunde erhalten, die in gleicher 
Weise wie bei den Böttchern alle 7 Jahre veranstaltet wurden. 
Der älteste Recess, der sich in der Lade des Rostocker Zinn- 
giesser-Amts erhalten hat, stammt aus dem Jahre 1678 ; aber in 
diesem ist die Rede von einer Beliebung aus dem Jahre 1589, deren 
zweiter Artikel besonders zur Beachtung empfohlen wird, sowie 
auch in einem späteren Recess vom Jahre 1705 der im Jahre 
1640 aufgerichteten Ordnung gedacht wird. Hiemach wären 
die Kannengiesser-Aerater in Lübeck zusammengetreten gewesen 
im Jahre 1589, 1640, 1678 Juni 9; 1705 August 17; 1710 
August 18; 17 19 August 14 und 1729 Juli 18. lieber diese 
Versammlungen, mit Ausnahme der beiden ersten, liegen die Re- 
cesse vor. Die letzte Versammlung war zugleich diejenige, auf 
welcher die neue Gesellen - Ordnung beschlossen wurde. Alle 
7 Jahre kam man, wie hieraus ersichtlich, nicht zusammen. Dem- 
gemäss wurde im Jahre 1729 beschlossen, dass, wenn nichts 
Hauptsächliches vorgegangen wäre, die Zusammenkunft um 2 bis 
3 Jahre hinausgeschoben werden durfte. 

Anders als in den uns erhaltenen Böttcher-Recessen handelt 
es sich hier um Festsetzung von Bestimmungen zur Organisation 
des Handwerks. Da finden wir Verfügungen über, die Veran- 
staltung der Zinnproben, die Bedingungen des Meisterwerdens, 
das Halten der Gesellen u. dergl. m. Ausserdem aber werden 
allerlei Verstösse gegen die bestehenden Ordnungen erörtert, wie 
z. B. wenn einer sich als Meister niedergelassen hat, ohne eine 
Meisterstochter oder -Wittwe zu heirathen, und namentlich die 
Hingehörigkeit einzelner Städte nach den Hauptladen sowie die 
Grenzen des jeder Stadt zugesicherten Absatzmarktes festgestellt. 



») Sowohl die Ordnung von 1662 als die von 1729 in der Lade des 
Rostocker Zinngiesser-Amts. Rathsarchiv in Rostock. 



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— 137 — 

3. Die Goldschmiede. 

Auf die Nothwendigkeit, sich mit dem Goldschmiedsgewerbe 
zu befassen, wurden die Städte vermuthlich durch den Mangel 
an Edelmetall und die Erkenntniss geführt, dass der allezeit 
vorhandenen Neigung zum Betrügen nur durch strenge Beauf- 
sichtigung der Production entgegengearbeitet werden kann. 

Auf der Rostocker Versammlung im Jahre 1373, die 
wohl von wendischen Städten beschickt war — in dem uns 
erhaltenen Recesse sind die theilnehmenden Städte nicht nam- 
haft gemacht — , ist zuerst von demselben die Rede. Man 
wünscht, dass die Goldschmiede kein Silber brennen sollen. Der 
Rath einer jeden Stadt allein solle das Recht dazu haben (nen 
goldsmid .... scholde sulver bemen, wen de rad allene, de 
scholde des berndes allene weldigh syn*). Es kann dies kaum 
anders zu verstehen sein , als dass die Goldschmiede sich nicht 
gleichzeitig auf das Ausschmelzen von Silbererzen werfen sollten. 
Das Einschmelzen alter zerbrochener Silbergeräthe wird ihnen 
nicht verboten gewesen sein. In den späteren Verträgen, welche 
Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg zur Regulirung ihrer 
Münzwesen abschliessen , wird dann bestimmt, dass kein Gold- 
schmied mehr Silber kaufen dürfe, als er zu seiner Arbeit brauche. 
Auch wird es demselben nicht erlaubt, mit Silber Handel zu 
treiben und es unverarbeitet wieder zu veräussem. Ausserdem 
wird vorgeschrieben, dass die von den Goldschmieden zu ver- 
arbeitende Mark Silber i5löthig sei. Silber geringeren Fein- 
gehalts darf nicht verarbeitet werden. Endlich wird angeordnet, 
dass jeder Goldschmied auf seine Fabrikate seinen Stempel setze. 
Diese Bestimmungen, die zuerst im Münzrecess von 1439 ^^*" 
gegentreten, werden in den Recessen von 1441 und 1450 wieder- 
holt»). Der Münzvertrag von 1455, ^^^ überhaupt im Vergleich 
zu den früheren sehr kurz ausgefallen ist, erwähnt sie nichts). 



i) H. R. I, 2 Nr. 63 § 5. lieber die Silberbrennerei als Gewerbe 
vergleiche Mettig, Geschichte der Rigaschen Gewerbe S. 70. 71. 

a) H. R. II, 2 Nr. 302 § 10. 11; Nr. 521 § 12 ; 3 Nr. 676 § 10. 11. 
3) H. R. II, 4 Nr. 402. 



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- 138 - 

Eingehender haben sich die preussischen Städte mit den 
Goldschmieden beschäftigt. Schon auf den Versammlungen von 
1389 und 1391 ist von den Goldschmieden die Rede. Die 
städtischen Deputirten sollen die zu erlassenden Maassregeln zu 
Hause in Erwägung ziehen, ohne dass man erfahrt, um was es 
sich handelt'). 

Im September 1391 wird der Hochmeister gebeten, den 
Goldschmieden in den kleinen Städten einzuschärfen, sich an 
die Beschlüsse der übrigen Städte zu halten»), ein interessantes 
Zeugniss für die weite Verbreitung dieses Handwerks. Aber noch 
immer ist der Schleier über den Inhalt der Verordnungen nicht 
gehoben. Erst seit der Marienburger Versammlung vom 24. No- 
vember 1392 erfährt man nach und nach die Uebelstände, die 
sich in dieses Gewerbe eingeschlichen hatten, und welche abzu- 
stellen die Städte sich angelegen sein Hessen. 

Da wurde das silberne Geschirr anders als die Landes- 
willkür verlangte angefertigt, vermuthlich geringhaltiger. Der- 
artiges Geräth sollte von Rechts wegen zerbrochen werden, wenn 
man es entdeckte, und dem Goldschmiede, den man zum zweiten 
Male dabei ertappte, dasselbe fortgenommen werden 3). Anders 
als mit Gold zu vergolden wurde im Jahre 1395 verboten*) und 
für nothwendig erklärt, dass jeder Meister sein Fabrikat mit 
seinem und der Stadt Zeichen stempele 5). Die letztere Verord- 
nung wurde im Jahre 1 408 wiederholt ^) ; die erstere bot in dem 
genannten Jahre wenigstens Veranlassung zu abermaliger Er- 
wägung, wie es am besten mit dem Vergolden einzurichten sei, 
»das eyme idermanne recht geschee« 7). Sich durch Einschmelzen 1 

der neuen Silberschillinge den zu ihrer Arbeit erforderlichen j 

Rohstoff zu verschaffen, wurde im Jahre 1436 den Goldschmieden | 

untersagt. Sie sollten in ihren Behausungen keine heimlichen | 

Oefen oder Schmelzstätten einrichten, sondern nur die benutzen, 
die ihnen zu ihrer täglichen Arbeit zur Verfügung ständen (»die 

1) H. R. I, 3 Nr. 439 § 11; 4 Nr. i § 11. 

2) H. R. I, 4 Nr. 26 § 5. 

3) H. R. I, 4 Nr. 124 § 7. 

4) Ueber die Erfindung der Vergoldung vgl, Beckmann, Beyträge z- 
Geschichte der Erfindungen (1795) 4. S. 557 — 584. 

5) H. R. I, 4 N. 257 § 2. 3. 

6) H. R. I, 5 Nr. 543 § 2. 

7) H. R. I, 5 Nr. 539 § 6. 



I 



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— 139 — 

im tegelich dine czu seyme ampte«)'). Hauptsächlich wurde 
darüber geklagt, dass die Goldschmiede Arbeiten von geringem 
Feingehalte lieferten, oder gar kupfernes Geschmeide und andere 
Gegenstände versilberten und vergoldeten, wodurch »das armut 
sere betrogen wirt«. Namentlich an Taschen und Gürteln ver- 
suchte sich die Geschicklichkeit der Goldschmiede. Man strich 
»Lansilber« auf (statt es aufzuschlagen)«), färbte die Gegenständes) 
und bediente sich zur Vergoldung dünner Goldblättchen (das do 
wirt gemachet von geslagenem golde, also is die meler uff legen 
und pflegen czu arbeiten). Wie es scheint, gelang die Täuschung, 
als ob man es mit guter dauerhafter Vergoldung zu thun habe, 
meist vollkommen; denn wie der Recess von 1446 besagt: »so 
man uff eyne lotige mark goldet eyne halbe nobele unde ge- 
ferbet wirt, das is so schone wirt, also ob man e5aie gantcze 
nobele uff eyne lotige mark vorguldet unde leth is ungeferbet«. 
Man suchte sich zu helfen durch Anempfehlung besserer Beauf- 
sichtigung, den wiederholten Befehl, nur gutes Silber mit dem 
Zusatz nach alter Gewohnheit zu verarbeiten und sein Zeichen 
auf das Fabrikat zu schlagen , die Anordnung , Silbergeschmeide 
nur nach Gewicht zu verkaufen u. s. w.*). Aber auch hierbei zeigte 
es sich, dass, weil die Ursachen, welche jene Zustände bedangen, 
nicht beseitigt werden konnten, die zur Abhülfe ersonnenen Maass- 
regeln nicht viel verschlugen. Auf der Kulmer Versammlung 
von 1452 hiess es immer noch, dass die Danziger Goldschmiede 
»untüchtiges und dünnes Werk« machten s). 

Das sicherste Mittel, den Betrügereien die Spitze abzu- 
brechen, war rücksichtslose Verfolgung und Bestrafung der Schul- 



i) H. R. II, I Nr. 507 § 3. 

2) Lansilber sind dünne Silberplatten (Lannensilber). Man hatte auch 
»Langold«. Der Gebrauch desselben wird in den Strassburger Goldschmiede- 
Artikeln von 1482 (§ 3) von 1534 (§ 25) verboten. Meyer, Die Strassburger 
Goldschmiedezunft S. 70. 87. 

3) »Die falsche Vergoldung, da man Blätter eines weissen Metalles, 
dünn geschlagenes Zinn oder Silber auflegt, und sie hernach mit einer gelben 
durchsichtigen Farbe überzieht, durch welche der metallische Glanz durch- 
schimmert«, ist nach Beckmann a. a. O. S. 580 eine sehr alte Kunst. 

4) H. R. II, 2 Nr. 214 § 22; Nr. 223 § 5; Nr. 562 § 29; 3 Nr. 200 
§ 2; Nr. 231 § 10; Nr. 232 § 14; Nr. 233 § 4; Nr. 234 § 3; Nr. 235 
§ 7; 4 Nr. 83 § 34. Vgl. auch Toppen a. a. O. Bd. 2. 

5) Toppen a. a. O. Bd. 3 S. 465. 



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— 140 — 

digen, und diese zu erkennen diente die Anbringung der Marke 
des Goldschmiedemeisters und der Stadt, in welcher das »falsche« 
Stück verfertigt worden war. Wie es in dem Elbinger Recess 
von 1408 heisst: »also op das gut gebrechlich würde gefunden, 
das mans wisse, welch goltsmyd das gemacht habe«. Es scheint, 
als ob dieser Markenzwang in Norddeutschland nicht früher als 
in der ersten Hälfte des 1 5 . Jahrhunderts Eingang und allgemeinere 
Verbreitung fand, abgesehen von den preussischen Städten, die 
ihn bereits im Jahre 1395 einführten. Auffallend ist es wenigstens, 
dass alle die Rollen der Goldschmiede von Riga, Hamburg, Lü- 
beck, Lüneburg und Wismar aus dieser Periode den Marken- 
zwang nicht kennen, während z. B. das Statut der Strassburger 
Goldschmiedezunft von 1362 schon die Anbringung eines ge- 
meinsamen Handwerkszeichens — des Stadtstempels — verlangt 
und diese Bestimmung später dadurch verschärft, dass zu diesem 
allgemeinen Zeichen jeder Goldschmied seine eigene Marke fügen 
muss ^). Unter den Hansestädten ist es nur Reval, wo die Rolle 
der Goldschmiede von 1393 eines auf dem Silber anzubringenden 
Zeichens erwähnt. Der Paragraph 14 derselben lautet: »vortraer 
we silver bernet, de en sal des nicht tekenen, he en sende dat 
to voren eneme andern goltsmede, de id erst tekene, ofte id is 
werdich si». Bezog sich der Zeichenzwang hiemach nur auf 
Barren oder zusammengeschmolzenes Metall, nicht auf Fabrikate, 
so findet man später nach jenem Beschlüsse der wendischen 
Städte von 1439 ^^^ Markenzwang in den Rollen der Gold- 
schmiede fast überall ausgesprochen. Er wurde übrigens im 
Jahre 1463 durch den Beschluss vervollständigt, dass neben die 
Marke des Verfe/tigers der städtische Stempel durch die Aelter- 
leute gesetzt werden sollte*). Demgemäss verfügt die Lübecker 
Rolle von 14923) und Hess der Rath dort (oder das Amt?) eine 
Tafel anfertigen, welche Abbildungen der Stempel der einzelnen 
Meister enthielt, und öffentlich ausgehängt wurde. In Wismar 
hat die Rolle von 1543, in Riga die von 1545, in Reval die 
von 1537, in Hamburg die von 1599 diese Bestimmung. Dieselben 
Gesichtspunkte, die heute auf den Erlass des Reichsgesetzes, be- 



1) Meyer, Strassburger Goldschmiedezunft. Urk. 3. Art. 21. 22. 

2) CruU, Das Amt der Wismarer Goldschmiede S. 17. 

3) Wehrmann a. a. O. S. 215. 



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— 141 — 

treffend den Feingehalt an Gold- und Silberwaaren, geführt haben, 
waren wohl auch damals geltend gewesen. Da der Käufer die 
Güte der ihm vorgelegten Waare nicht zu beurtheilen im Stande 
ist, so sucht die Obrigkeit ihn vor Uebervortheilung zu schützen. 
Vor 400 Jahren fasste man diese Pflicht in der Weise auf, dass 
nur bestimmtes Silber (von 15 Loth) verarbeitet werden durfte, 
nur eine gewisse Vergoldung von vorgeschriebener Dicke zu- 
lässig sei, und wollte Jeden zur Rede gestellt sehen, der dagegen 
verstiess. Heute überlässt man die Wahl der Mischung dem 
^ Belieben der Individuen, gestattet aber die Anbringung eines die 

^« Feinheit des Edelmetalls angebenden Stempels nur bei einem be- 

^ stimmten Minimalgehalt. 

^ Was den Mangel an Edelmetall betrifft, der in dieser Periode 

^ Betrügereien an goldenen und silbernen Geräthen besonders ge- 

^' winnbringend erscheinen liess, so sprechen mehrfache Anzeichen 

* für ihn. Es deutet auf ihn, wenn die 4 Städte Hamburg, Lübeck, 

'^ Wismar und Lüneburg in ihren Münzverträgen von 1432 und 

^ 145 1 das Verbot der Ausfuhr von Silber oder Billon (balliun) oder 

^ Gold (ghoten Gold) aussprechen^) und 1455 verfügen, dass die 

^ geprägten Schillinge nicht »uppe andere munte« gebracht werden 

f dürfen^). In demselben Sinne ist es aufzufassen, wenn die preussi- 

schen Städte sich mit dem Hochmeister in den Jahren 1436- — 1440 
f darauf einigen, dass weder zu Wasser noch zu Lande Silber oder 

^ die neuen silbernen Schillinge »by merklichen summen« ausgeführt 

t werden sollen 3). Jedermann klagt, sagte der Bürgermeister von 

i Kulm, Laurentius König, auf der Tagfahrt zuDanzig im Jahre 1442, 

i »das wenig gelt im lande ist, und man füret das silber us dem 

1; lande««*). Vielleicht entsprang der Vorschlag, der im Jahre 

t 1 401 in Marienburg laut wurde, den Russen und Livländern 

5 kein Silber und Gold mehr zuzuführen, sondern Waarenaustausch 

t zu treiben (wy man mit wäre mit en kaufslagete), der, soviel ich 

j sehe, zu einem Beschlüsse nicht wurde 5), der gleichen Ver- 

5 legenheit 

i Gewiss war femer die häufige Münzverschlechterung, auf 



1) H. R. II, 2 Nr. 302 § 7 ; Nr. 521 ; 3 Nr. 676 § 4. 

2) H. R. II, 2 N. 402 § 2. 

3) H. R. II, I Nr. 507 § 3; Toppen a. a. O. 2, S. 8. 170. 

4) Toppen a. a. O. Bd. 2 Nr. 324 S. 486. 

5) H. R. I, 5 Nr. I § 6; Nr. 7 § 2; Nr. 23 § 3; Nr. 74 § 4. 



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— 142 — 

welche die Hanseaten in den Ländern, mit welchen sie ELandel 
trieben, stiessen, ausser der finanziellen Noth des betreffenden 
Staates, auch dem Mangel an Edelmetall zuzuschreiben, der in 
dem Maasse, als die Bevölkerung zunahm und der Verkehr 
wuchs, sich stets augenfälliger bemerklich machen musste. Das 
flandrische Geld verschlechtert sich am Ausgange des 14. und 
zu Beginn des 15. Jahrhunderts, bis 14 10 eine Umprägung ein- 
tritt. Gleichzeitig wird die englische MUnze seit 1341 fast von 
Jahr zu Jahr leichter ausgeprägt (1344 aus i Pfund Münz- 
silber 20 Schill, und 3 Denare, 1464 37 Schill, und 6 Denare 
ausgeprägt)»), und das preussische Geld verliert seit 1382 mit 
geringen Unterbrechungen in den Jahren 14 13 und 14 16 bis 
1454 in erschreckender Weise anWerth»). Die Münze Lübecks 
und der mit ihm verbündeten Städte erfuhr gleichfalls eine be- 
trächtliche Herabsetzung. Im Jahre 1255 wurde die Mark feines 
Silber zu 2 Mark 9 Schill. 5 Pf., 200 Jahre später — 1450 — 
zu 9 Mark 12 Schill. 2 Pf. ausgemünzt 3). Insbesondere an den 
Goldmünzen, die beschnitten oder gefälscht wurden, that sich 
der Mangel kund. Lübeck bedankte sich bei Lüneburg im Jahre 
1424 für eine wegen der Beschneidung von Edelmünzen 
angeordnete Maassregel, die nicht näher angegeben ist^), und 
Frankfurt a/M. theilt im Jahre 1428 Lübeck mit, dass die Gul- 
den bei ihnen so stark beschnitten würden — von wem, wüssten 
sie nicht — , dass sie, um Kaufleute und Gäste vor Schaden zu 
hüten, dieselben nur nach dem Gewicht entgegennähmen s). 
Ueber »mennygherleye wankelgold und ander pagiment, dat uns 
mishaget«, beschwert sich in demselben Jahre Hamburg in einem 
Schreiben an Lübeck^). 

Besonders deutlich erscheint der Goldmangel bei den Aus- 
prägungen der deutschen Goldgulden, die immer leichter aus- 



') Schanz, Englische HandelspoUlik gegen Ende des Mittelalters i 
S. 532. 

a) Vossberg , Geschichte der preussischen Münzen bis zum Ende der 
Herrschaft des deutschen Ordens. 

3) Grautoff, Historische Schriften 3 S. 265. 

4) Lüb. Urk.-B. 6 Nr. 611 S. 599. 

5) Lüb. Urk.-B. 7 Nr. 173. 

6) Lüb. Urk.-B. 7 Nr. 143. 



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— 143 — 

fielen. Nachdem Kaiser Karl IV. und Wenrel die Ausmünzung 
deutschen Goldes nach dem Muster der florentinischen und un- 
garischen Gulden gestattet hatten, stellte Erzbischof Gerlach von 
Mainz den Feingehalt der in seinem Gebiete auszuprägenden 
Gulden in den Jahren 1354, 1367 und 1370 auf 23^/2 Karat 
fest. Der Münz vertrag der 4 rheinischen Kurfürsten von 1386 
setzte 23karätige Gulden in Umlauf, und der Mainzer Münzrecess 
von 1399 begnügte sich bereits mit 22^/2 Karat. König 
Ruprecht stellte 1402 den Münzfuss durch ein Reichsmünzgesetz 
fest, in dem er sich an den Recess von 1399 anlehnte. Aber 
schon begann man seitens der Kurfürsten selbst 2 2karätige Gul- 
den auszugeben, und der Münzvertrag dreier rheinischer Kur- 
fürsten mit einer Anzahl Reichsstädten im Jahre 1409 erhob 
diesen Fuss zum gesetzlichen. Im Jahre 141 7 war der rheinische 
Gulden bereits 2okarätig und 1425 auf 19 Karat gesunken'). 
Auf dieser Höhe hielt er sich noch im Jahre 1437^). Waren 
1386 aus einer Mark fein 68^^/28 Stück geprägt, so wurden 1439 
84^/5 Stücke geschlagen. Das Verhältniss von Gold zu Silber, 
das ursprünglich i : 10^/4 gewesen war, war nunmehr i : 12, und 
dementsprechend sowie nach Maassgabe der schlechter gewor- 
denen Silberprägungen stiegen die ausländischen Goldmünzen im 
Kurse in den deutschen Hansestädten bedeutend. Ein englischer 
Nobel galt in Lübeck im Jahre 137 1 22, im Jahre 1389 28^/5 
lübische Schillinge, musste im Jahre 1403 mit 31 Schill, bezahlt 
werden, im Jahre 1424 mit 42 Schill, (der sware nobel) und 
wurde in den Recessen von 1441 und 1450, der schwere zu 63, 
bezw. 58 lüb. Schill., der leichte zu 48 Schill. 8 Pfenn., bezw. 
53 Schill. tarifirt3). Der rheinische Gulden, der im Jahre 137 1 
in Lübeck zu 10 Schill, lübisch, im Jahre 1389 zu 12 Schill, 
angenommen wurde, kostete im Jahre 1403 13 Schill., in den 
Jahren 1423 und 1424 16 Schill., in den Jahren 1441 und 1450 
21 Schillinge^). 



x) Hegel, Städtechroniken Bd. i S. 2246. 
a) H. R. II, 2 Nr. 284 § 6. 

3) Stieda a. a. O. S. XI; H. R. I, 5 Nr. 158 §1; II , 2 Nr. 521 
§ II ; 3 Nr. 676 § 15. Lüb. Urk.-B. 6 Nr. 619. ' 

4) Stieda a. a. O. S. XI; H. R. I, 5 Nr. 158 §1; II, 2 Nr. 521 
§ II. Sattler a. a. O. S. 304, 7. H. R. 3 Nr. 676 § 7. 



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— 144 — 

Ebenso stieg der Preis der Goldmünzen in Preussen, wo, 
wie bereits bemerkt wurde, in der ersten Hälfte des 15. Jahr- 
hunderts eine starke Verschlechterung der ausgeprägten Silber- 
münzen eintrat. Der englische Nobel, der am Ende des 14. Jahr- 
hunderts meist zu 21^/2 Sc. preussisch gerechnet wurde, galt 
im Jahre 1382 24 Scot 7^/2 Pf. 



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Die höchsten Notirungen beziehen sich wohl auf die 
schweren (auch »olde nobile« genannt), die anderen auf die 
leichteren. 

Man wird es nunmehr erklärlich finden, dass ein Gewerbe, 
welches so kostbaren, von Tag zu Tage mehr begehrten und im 
Preise steigenden Rohstoff verarbeitete, steter Aufsicht unter- 
worfen war. Früchte scheint zwar diese Controle so wenig als 
in den anderen Fällen getragen zu haben. 



4- Die Wollenweber, 

Erfährt man von den Vereinigungen der Städte über die 
drei genannten Handwerke Böttcher, Grapen- imd Kannengiesser 
und Goldschmiede aus den Recessen über die Versammlungen 
der Rathssendeboten, so haben dergleichen Vereinbarungen auch 
stattgehabt, ohne dass sie daselbst erwähnt werden. Entweder 
fehlen uns die Recesse aus den betreffenden Jahren, oder es 



Sattler a. a. O. S. XL i; S. 432-33—35» S. 54, 34.35; S. 304, 11; 
Hirsch a. a. O. S. 202. 



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— 145 — 

wurde, wie schon im Jahre 1321 *), der gemeinsame Beschluss auf 
dem Wege erzielt, dass der von 2 Städten vereinbarte Vertrag 
den anderen zur Unterschrift durch Deputirte, sei es des Raths, 
sei es der Aemter selbst, vorgelegt wurde. Dieser Art erscheinen 
die Abmachungen über die Wollenweber und die Seiler.- Die 
erstere, abgeschlossen von Hamburg, Lübeck, Rostock, Stralsund, 
Wismar und Lüneburg, ist uns durch einen Eintrag in dem 
Rostocker Liber arbitriorum erhalten, der aber keinen Aufschluss 
darüber gewährt, ob die Handwerker selbst eine Zusammenkunft 
veranstaltet hatten. Es heisst im Eingange nur, dass der Rath 
auf Bitte der Aelterleute zu der Bestätigung des Vertrages sich 
entschlossen habe. An der betreffenden Stelle ohne Datum ein- 
getragen, scheint sie nach den Zügen der Hand, die sie in's 
Buch schrieb, und nach dem Inhalt, in's 14. Jahrhundert zu ge- 
hören. Sie richtet sich, wie jene Böttcher-Ordnung, gegen die 
unruhigen Gesellen und könnte deshalb leicht aus derselben Zeit 
herrühren. Die Wollenweber-Meister wollen den Contractbruch 
ihrer Knechte verhüten und versprechen, keinem Entlaufenen 
Beschäftigung zu gewähren. Auch sichern sie sich gegenseitig 
zu, sich die Arbeitskräfte nicht abspänstig machen zu wollen«). 
Man ist über die Wollenweberei der wendischen Städte wenig 
unterrichtet. Nur aus Rostock 3) (1362) und aus Wismar (1387)^) 
haben sich Statuten der Wollenweber-Zünfte aus dem 14. Jahrhun- 
dert erhalten. In anderen Hansestädten, Hamburg, Lübeck, 
Lüneburg, stammen sie aus dem 15. Jahrhundert. Es ist frag- 
lich, ob man in der Wollenweberei der Hansestädte ein blühendes 
Ortsgewerbe erblicken soll, das im Rahmen eines gewöhnlichen 
Handwerks Tuch machte, oder ob es über den Örtlichen Bedarf 
hinaus producirte. Eines gelegentlichen Nachweises über den 
Export mecklenburgischer und lübeckischer Tücher nach Livland 
geschah oben Erwähnung. Aus einer Rostocker Rathsverord- 
nung des 14. Jahrhunderts ergiebt sich ein gewisser Aufschwung 
der Wollenweberei 5). Insbesondere die Weber, welche sich in der 



i) Vgl. Koppmann, H. R. I, i S. 57. 
a) Anhang Nr. 3. 

3) Anhang Nr. i. 

4) Burmeister, Alterthümer des wismarischen Stgdtrechts S. 54. 

5) Anhang Nr. 2. 

Hansische Geschichtsblätter. XV. lO 



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— 146 — 

Umgebung Rostocks angesiedelt hatten, vermehrten sich stark. 
Auch die Ltlbecker Wollenweberei kann kein unbedeutendes Ge- 
werk gewesen sein, wenn sie 1425 einen eigenen Altar unterhielt»). 
Die Wollenweberei in der Mark Brandenburg sowie in Schlesien 
war in dieser Periode bereits sehr entwickelt und nach den 
Zahlen, die man flir den Umfang der Aemter in einzelnen 
Städten angeführt findet»), sicherlich ein Exportgewerbe. In 
den wendischen Hansestädten indess scheint mehr der Tuch- 
handel als die Tuchproduction entwickelt gewesen zu sein. 
Der Import der vlämischen, englischen und französischen Tücher 
war sehr stark und ihre Ueberlegenheit in Farbe und Feinheit 
gegenüber den deutschen Erzeugnissen zu gross, als dass die 
norddeutsche Wollenweberei sich hätte mit Erfolg entwickeln 
können. In Stralsund umfasste. die Gewandschneider-Gilde in 
der Periode 1281 — 1326 nicht weniger als 257 Mitglieder, zu 
gleicher Zeit etwa 120 — 140 Mitglieders). In Danzig gab es 
eine Wollenweber-Zunft zwar bereits im Jahre 1378^), aber wenn 
bei einem Aufstande um 1400 unter 1032 Betheiligten 9 Lein- 
weber und 103 Tuchscherer sich befanden, so spricht dies mehr 
für einen ansehnlichen Tuchhandel als für eine bedeutende Tuch- 
industrie ^). Das meiste Tuch kam in der älteren Zeit un- 
geschoren in den Handel^), und den Tuchscherern fiel die Auf- 
gabe zu, das Tuch für die unmittelbare Benutzung durch den 
Schneider zurecht zu machen. Noch weiter nach Osten werden 
im 14. Jahrhundert Tuchweber gar nicht erwähnt — Leinweber 
schon im 13. Jahrhundert — ; wohl aber gab es z. B. in Riga 
um 1383 einen Verband der Lakenscherer (scherere, pannira- 
sores)^), dessen Statut sich erhalten hat^). 

Auch diesem Gewerbe gegenüber zeigten die Hochmeister 
des deutschen Ordens und die preussischen Städte eingehendste 



1) Lüb. Urk.-B. 6 S. 706 Nr. 728. 

a) SchmoUer, Strassburger Tucherzunft S. 83. 

3) Schmoller a. a. O. S. 83. 

4) Hirsch a. a. O. S. 329. 

5) Schmoller a. a. O. S. 84. 

6) Schmoller a. a. O. S. 66. 

7) Mettig a. a. O. S. 39. 

8) Abgedr. bei Mettig a. a. O. S. 77—78. 



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— 147 — 

Aufmerksamkeit, der es freilich nicht gelang, die Industrie zu 
einer besonders blühenden zu machen, die aber doch wohl so- 
viel bewirkte, dass die Bedürfnisse der Bevölkerung in besserer 
Weise befriedigt wurden. Es kam in Preussen darauf an , die 
Concurrenz der schlechten »wandelbaren« polnischen Tücher zu 
unterdrücken — im Jahre 1424 machen die Danziger Raths- 
sendeboten ihre Collegen auf der Marienburger Versammlung 
darauf aufmerksam, »wie man us Polen her in's landt gewandt 
brenget, das unvorsegilt und wandelbar ist« ^ — und ferner die 
einheimische Fabrikation vor Verfälschung zu bewahren. 

Im Jahre 1401 hat der Hochmeister bei den Städten die 
Frage angeregt, ob etwas »von wegen der wuUenwebere hier zu 
lande« geschehen könne*). Doch war die Antwort darauf nicht 
so leicht zu finden. Was man im Mai des folgenden Jahres vor- 
zuschlagen wusste, war, dass die Tücher gesiegelt werden und 
stets eine bestimmte Zahl Gänge aufweisen sollten 3). Mit der 
letzteren Bestimmung wurde nur eine »aide gewohnhet der wuilen- 
webir im lande« aufs neue empfohlen. Zum Erlass einer Lan- 
desordnung kam es dann 14 Tage später, am 18. Juni 1402*), 
Diese sah darauf, dass ein guter Rohstoff verwandt werde (kein 
dromer, asschirwolle, feiwolle), dass die Tücher richtige Länge 
und Breite hatten (28 Ellen lang [?], 2 Ellen breit), dass sie 
richtig geschoren wurden, dass man Tücher einer gewissen Art, 
nämlich »geratte« und »gekryte«, nicht anfertigen dürfe, und 
dass die Geschworenen des Handwerks die für gut befundenen 
Fabrikate mit dem Siegel der Stadt, in Blei gegossen , versehen 
sollten. 

Die Erfahrung, dass ein bereits eingerissenes Unwesen sich 
nicht mit einem Schlage beseitigen lässt, blieb den preussischen 
Städten nicht erspart. Sechzehn Jahre später hatte die Gewohn- 
heit, die Tücher officiell versiegeln zu lassen, sich noch nicht 
vollkommen eingebürgert und musste aufs neue eingeschärft 
werden. Gleichzeitig wurde damals den Webern der kleineren 



x) Toppen a. a. O. i S. 420. 
a) H. R. I, 5 Nr. 21 § 7. 

3) H. R. I, 5 Nr. 89 § 4. 

4) Toppen a. a. O. l Nr. 64 S. 95. 96. 



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— 148 — 

Städte, mit einigen Ausnahmen, verboten, ihre grauen Tücher 
selbst zu scheren ') , eine Maassregel , die kaum verständlich ist, 
wenn man sie nicht damit erklären will, dass es darauf ankam, 
den Laken- und Tuchscherem ihr Arbeitsgebiet zu erhalten. 
Das Verbot erregte im Lande grosse Unzufriedenheit und ver- 
anlasste viele Beschwerden, denen nachgegeben werden musste. 
Ein Jahr später erschien eine Verordnung, die allen Webern, 
»welchen das wirt seyn behegelichen und beqweme«, das Scheren 
ihrer Tücher freigab«). 

Eine Krisis scheint sich in der preussischen Wollenweberei 
im Jahre 1425 geltend gemacht zu haben; wenigstens ergiebt 
sich die Annahme einer solchen, wenn man die Klagen , welche 
damals die Weber in Neustadt-Thom erhoben, als überhaupt zu- 
treffend und die Verhältnisse des ganzen Landes widerspiegelnd 
ansehen will. Die Weber in Neu-Thorn waren ein unruhiges 
Völkchen, das auch noch in den Jahren 1452 und 1453 mit 
allerlei Beschwerden zum Vorschein kam 3). Ihre Klagen im 
Jahre 1425 lauteten, dass die Wolle zu theuer sei, um Tuch zu 
den vorgeschriebenen Preisen per Elle liefern zu können, dass 
Lehensleute, Bauern, Gärtner nicht genug Wolle auf den 
Markt brächten, dass sie an Arbeitskräften Mangel litten und der 
Gesellenlohn in Folge dessen auf das Doppelte wie früher ge- 
stiegen sei, dass das Handwerkszeug (die Karten) theurer ge- 
worden wäre und auch die Walkmühle ihre Leistungen bedeutend 
höher veranschlage als früher (zu 2 Scot, wo vordem ^/2 Scot 
gezahlt wurde) ^). Wir wissen nicht, ob diese Klagen ein williges 
Ohr fanden und ob sie begründet waren. Nur mit den Woll- 
preisen scheint es seine Richtigkeit gehabt zu haben. Denn 
nachdem die »Dromer und AsschirwoUe« glücklich aus der Welt 
geschafft war, greifen seit 1447, und vermuthlich schon früher, 
ehe es zu einer öffentlichen Rüge Veranlassung gab, die Weber 
zu einem neuen Surrogat, indem sie »Roffwulle, die men be- 
nenneth awstwuUe« zur Verarbeitung sich aussuchen s). 



x) Toppen a. a. O. I Nr. 257 § 4. 
a) Toppen a. a. O. i Nr. 270. S. 232. 

3) Toppen a. a. O. 3 Nr. 238 S. 485; Nr. 248 S. 497; S. 648. 

4) Toppen a. a. O. Bd. i Nr. 345 S. 442. 

5) H. R. II, 3 Nr. 282 § 10; Nr. 308 § 4; Nr. 403 § 9. 



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— 149 — 

5. Die Reifer. 

Sehr wenig lässt sich über den Beschluss der Seestädte in 
Bezug auf die Repschläger sagen. Wir erfahren von demselben 
aus der Rolle der Lübecker Reifer vom Jahre 1390, wo es heisst, 
dass Lübeck, Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund und Stettin 
sich über die Behandlung der Knechte verständigt haben. Kein 
Geselle, der in einer Stadt gearbeitet hatte, wo die Seilerei keine 
Zunft bildete (dar unse werk nen ampt is), konnte sich Hoffnung 
machen, in einer der genannten Städte Beschäftigung zu finden '). 
Vielleicht stammt auch dieser Vertrag, da er gleichfalls gegen 
die Gesellen gerichtet ist, aus derselben Zeit, der man ein 
energischeres Vorgehen der Böttcher- und Wollenwebermeister 
gegen ihre Gesellen verdankt. 

Die Repschlägerei war ein Gewerbe, das gewiss zu den an- 
sehnlicheren gehörte, wenn es auch an Bedeutung mit den eben 
besprochenen sich nicht messen konnte. Insbesondere in den 
Seestädten, wo der Schiffsverkehr ein reger war, musste grosse 
Nachfrage nach ihren Producten sein. Solche waren Anker- 
taue (kabeltau). Seile (linen, seelreepe), Schnüre (snore), Cor- 
dein, Schiemannsgarn (dünne Seile, welche um das Schiffs- 
tauwerk zum Schutz desselben gewunden werden, damals »Wyn- 
ninghe« genannt), Trosse (alles Tauwerk, das nur einmal zu- 
sammengedreht ist und nur aus 2 oder 3 Garnen oder Drähten be- 
steht), Smyten (lose gedrehte Taue, die zur Einfassung der Segel 
gebraucht werden), Schoten (Taue, welche an den untern Ecken 
der Segel befestigt lyerd^n, um die Segel zu spannen), Hu- 
singe (ein dünnes, aus drei Garnen bestehendes Seil) und 
Mariinge (ein aus 2 Strängen zusammengedrehtes Garn)«). 
Allerdings lassen sich Reifer in unserer Periode nur in Ham- 
burg — Rolle von 13753) — , Wismar — Rolle von 1387^) — , 
Lübeck — Rolle von 1390^) — , Riga, wo sie aber damals - 



1) Wehrmann a. a. O. S. 385. 

2) Wehrmann a. a. O. Glossar. 

3) Rüdiger a. a. O. S. 200. 

♦) Burmeister, Alterthümer S. 50. 
5) Wehrmann a. a. O. S. 380. 



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— ISO — 

noch keine eigene Zunft gebildet zu haben scheinen 0, und 
Danzig, wo über ihre zünftischen Verhältnisse nichts bekannt 
ist*), nachweisen. Doch können sie nach dem obigen Beschluss 
in Rostock 9 Stralsund, Greifswald und anderen Hansestädten 
kaum gefehlt haben. 

Von der Besetztheit des Handwerks kann man sich, weil 
jede directe Auskunft fehlt, keine Vorstellung entwerfen. In 
Frankfurt a. M. gab es sowohl im Jahre 1387 als im Jahre 1440 
nur 5 Seilermeisters). In Lüneburg bitten im Jahre 1517, zu einer 
Zeit, als zu diesem Handwerk gerade ein etwas lebhafterer Zu- 
drang gewesen zu sein scheint, die Repschläger den Rath, dass 
nicht mehr als 8 Meister concessionirt würden^). Ob damals die 
Seiler in Lüneburg eine besondere Zunft bildeten, geht aus der 
betreffenden Urkunde nicht hervor. In Hamburg gab es im 
Repschläger- Amt von 1606: 28 Meister, von 161 2: 29 Meister, 
161 7: 25 Meister und so weiter in abfallender Zahl, seit 1630 
meistens 20 oder 21^). Doch kann aus den einer für Deutsch- 
lands Gewerbewesen nicht eben günstigen Periode entstammenden 
Angaben nichts für die weiter zurückliegende Vergangenheit ent- 
nommen werden. 

Ihren Rohstoff bezogen die Repschläger theilweise aus weiter 
Feme. Livland, Preussen und Scandinavien (Kalmar) lieferten den 
rohen Hanf oder das Halbfabrikat, Kabelgam, Drath und Bast, und 
so sehr scheinen die Seiler auf den Bezug von auswärts angewiesen 
gewesen zu sein, dass diejenige Menge Bast und Drath, die mit 
dem ersten im Frühjahr in Lübeck eintreffenden Schiffe ankam, 
als »Delgud« betrachtet wurde, d. h. unter alle Mitglieder des 
Amts zur Vertheilung kommen sollte. In der Wismarschen 
Reifer-RoUe ist Hamburger und Rigaer Garn neben einander ge- 
nannt und vor einer Vermischung gewarnt. 

Der Verkauf ihrer Erzeugnisse stand ihnen allein zu, und 
am allerwenigsten war die Einfuhr fremder Seilerarbeit (gemaket 



x) Mettig a. a. O. S. 49. 
a) Hirsch a. a. O. S. 324. 

3) Bücher a. a. O. S. 143 und 217. 

4) Bodemann a. a. O. S. 228. 

5) Th. Schrader, Eine Morgensprache etc. in »Aus Hamburgs Vergangen- 
heit«. Herausg. v. Koppmann. Bd. 2 S. 155. 



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— 151 — 

wergk, dat up unse ampt drecht) zum Verkaufe gestattet*). 
Auf der anderen Seite wurde es aber nicht gern gesehen, wenn 
man den Käufer anlockte. Man sollte vielmehr ruhig abwarten, 
bis ein Liebhaber sich in der Bude einstellte, und nie versuchen, 
dem Genossen seine Käufer abspänstig zu machen =). 

Im engsten Zusammenhange mit den Repschlägern standen 
die Hanfspinner, die in Lübeck, Riga und Reval erwähnt werden. 
In Lübeck waren sie vom Rathe bestellt, nur in einer bestimmten 
Zahl concessionirt und gleichsam privilegirte Hülfsärbeiter der 
Reifer. Diese durften sie nie länger als einen Monat ununter- 
brochen beschäftigen, damit eben] ihre Leistungen Allen zu 
gute kommen konnten. Später kam es zu Streitigkeiten zwischen 
Reifern imd Hanfspinnern, so dass sich der Rath veranlasst sah, 
den letzteren die Arbeitsgrenzen genau zu bestimmens). Hier- 
nach durften sie auch einige Seilerarbeit verrichten. In Riga 
und Reval bilden die Hanfspinner eigene Aemter; in ersterer 
Stadt erhalten sie im Jahre 1436 eine Rolle, in letzterer im 
Jahre 1462^). Sie arbeiteten hier nicht nur für die Reifer, son- 
dern auch für Privatleute. So heisst] es z. B. im Revaler 
Statute: »item welk man yn unseme ampte von deme kopmanne 
hennep entfanget to vorspynnende umme gelt« etc., und in dem 
Rigaer: »item oft ienich man hennip von enem borger ofte cum- 
panie entfenge« u. s. w. Sie waren in diesen Städten auch be- 
rechtigt, Taue zu schlagen, und mussten ihre Fähigkeit dazu als- 
dann durch ein Meisterstück nachweisen. Bei den Revalern be- 
stand dieses in Anfertigung eines Stückes Kabelgarn, eines 
Paares »Smiten« zu einem Schiffe von 40 — 50 Lasten und eines 
Paares »Schoten«. 

6. Sehluss. 

Scheint es hiemach, als ob die Hansestädte auf ihren Ver- 
sammlungen hauptsächlich denjenigen Gewerben ihre Aufmerksam- 
keit schenkten, an welche sich ein besonderes öffentliches Interesse 



x) Lübecker Rolle bei Wehrmann a. a. O. S. 385. 

3) Hamburger Rolle bei Rüdiger a. a. O. S. 200 § 10. 

3) Wehrmann a. a. O. S. 386. 

4) Nach von mir fUr die Herausgabe eines baltischen Schragenbuches 
gesammelten archivalischen Materialien. 



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— 152 — 

knüpfte, so lassen sich doch auch Beschlüsse melden, die ganz 
allgemein mit dem Handwerke sich beschäftigen. Im Jahre 1354, 
als die wendischen Städte zum ersten Male über die Grapen- 
giesser beriethen, bestimmten sie gleichzeitige dass der seinen 
Meister verlassende Knecht sich stets von der Obrigkeit der 
Stadt einen Brief ausstellen lassen musste: »dat he sich wol ghe- 
handeled hebbe, dar he ghedenet heft« '). Sonst konnte er nicht 
darauf rechnen, in den Städten des Bundes eine Stelle zu finden. 
Man hat hier offenbar den Anfang der namentlich im acht- 
zehnten Jahrhundert als so wichtig betonten »Kundschaften« 
und ersieht daraus, dass die Städte über dem Interesse für das 
Einzelne doch das allgemeine Wohl nicht minder im Auge be- 
hielten. 

Mit den Meistern aller Aemter machte sich ein Beschluss 
vom Jahre 141 7 zu thun. Es war damals üblich, dass die neuen 
Mitglieder einer Zunft von deren Aeltesten in Eid genommen 
wurden und diesen ihre Dienstbriefe, welche über die Aufnahme 
entschieden, vorlegen mussten. Durch Beschluss der Hanse- 
städte vom genannten Jahre wurde nun bestimmt, dass fortan 
diese Briefe von der einen Ortsobrigkeit an die andere gebracht 
werden sollten. 

Endlich kommen in den Jahren 1547 und 1557 gemeinsame 
Beschlüsse wegen Bestrafung der müthwilligen Umtriebe der 
Handwerksgesellen vor*). 



Anhang. 



1. Statut der Wollenweber in Roetoek 1862 Juni 17. 
(Rostocker Stadt-Archiv. Liber arbitriorum. S. V b.) 

Item anno Domini 1 362 feria sexta proxima post festum corporis Christi 
dicti lanifices bene deliberati unanimiter arbitrati sunt pro se et suis succes- 
soribus, quod quicunque falsos faceret pannos vel falsam lanam ex eis carebit 



i) H. R. I, I Nr. 188 § 9. 10. 
a) Burmeister, Beiträge S. 150. 



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— 153 — 

suo dicto officio per annum et diem, quo elapso stabil in dominis consulibus 
et officio, utrum ipsum recipere voluerint ad officium antedictum. Presen- 
tibus dominis Ludolpho Godlande seniore et Ludolpho Nyendorp magistris 
excessuum. 

(i) Primo. Ropewulle schal men nicht maken to den besten lakenen, 
de me bezeghelt, bi lo Schilling broke. 

(2) Item neman schal sulven wullen uthdregen ofte synen boden uth- 
dregen laten bi 10 sl. 

(3) Item de wicht uses gantzen ammetes unde l8n scal overendregen bi 
10 sl. 

(4) Item overseeschee wulle scal neman laten arbeyden an unsem ammete, 
wente id is valsch. 

(5) Item unse Rozstoker laken scolen holden 32 elen langh unde 2 elen 
breet. 

(6) Item weret dat laken wandelbar vunden worden, dar snyden de older- 
lude twe snede dore unde, des dat laken is, de weddet dat mid 10 sl. 

(7) Item we synes sulves wert an unsem ammete, de scal 30 mark 
Rozstoker penninge hebben egen umbiworen; wil men em des nicht 
beloven, de scal dat waren mid twen bedderven luden an unsem 
ammete. 

(8) Item weret, dat laken besegelt weren unde quemen buten ofte bynnen 
unde weren nicht binnen alzo gud alze buten unde men dat bewisen 
mochte , alze me van rechte scolde, dat mach de rat richten na eren 
gnaden. 

(9) Item enes ysliken bedderven mannes name, syn toname unde syn 
rechte merke, dat he vordegedingen wil, scal bi dessen scriften stan, de 
an imsem ammete syn. 

2. Rostocker Rathsyerordnung, dass die in der ümgebimg der Stadt wohn- 
haften WoUenweber ihre WoUe niolit nach Rostock inm Verspinnen bringen 

dürfen. IL Jahrb. 
(Rostocker St.-Archiv. Liber arbitriorum S. V b; andere Hand wie ad i. 

Undatirt.) 

Item wente de rad to Rozstok irvaren heft, dat sik de wullewevere 
buten by Rozstok wonaftich sere vormeren unde deme ampte der wulle- 
wevere bynnen Rozstok wonaftich to vorevanghe synt, hirumme heft de rad 
deme erbenomeden ampte umme erer bede willen ghegunt desse underscrevene 
endracht, so dat neen wuUewever van buten to, dede eres amptes neen 
medekumpan is, syne wulle schal bringhen ofte bringhen laten bynnen Roz- 
stok to spynnede edder dar spynnen laten. We hirane brekt, de schal dat 
deme rade wedden myt 3 marke sulvers unde dat gut schal vorvaren wesen. 
Unde nement van deme wullewever ampte schal hir weme ane beclaghen ofte 
schuldigen by wane, ane de jenen dede in schynbarer dlt unde myt vormel- 
dinghe der spynneterschen hir ane bevunden werden. Desse endracht schal 
stan up voranderent des rades. 



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— 154 — 

3. Vereinbarung der Städte Lübeck, Hamburg, Rostock, StraUand, Wismar 
und Lüneburg über die WoUenweber-G^eseUen. IL JahrL 

(Rostocker Stadtarchiv. Liber arbitriorum. S. VI a. Undatirt.) 

Witlick sii dat desse nascreven articule umme bede willen der older- 

lüde des amptes der wullenwevere uth den steden Lubeke Hamborgh Roz- 

stok Stralessunde Wismer unde Luneborg van deme rade sint togelaten unde 

stan uppe desser vorbenomeden stede unde rede vorbeterent, wenner se willen» 

(i) Int erste dat nyment bynnen dessen steden Lubeke Hamborg Rozstok 

Stralessunt Wismer unde Luneborg schal holden jenigen knapen , de 

myt Unwillen van sineme meystere, dar he tovoren mede denet hadde ^ 

gescheden were, dat sii bynnen edder buten der vorhure, sunder id 

en were dat de knape des amptes unde sines meysters willen , dar he 

mit Unwillen van gescheden were, gemaket hadde. 

(2) Item schal nyment deme anderen sine knapen, enen edder mer, ent- 
meden ofte entspanen, entmeden ofte entspanen laten myt jenigen 'vor- 
worden bynnen edder buten dessen vorbenomeden steden. 

(3) Item weret ok dat jenich knape dende in dessen vorbenomeden steden 
unde mit Unwillen van sineme meystere schedede unde denne umme 
des Unwillen in eyn veltkloster ofte jenige clene stede edder wicbelde 
to denende toghe, den knapen schal na der tid nyment meden edder 
holden, er der tid de knape des jennen, dar van he mit Unwillen togen 
is, willen gemaket heft. 

(4) Item weret ok dat jenich knape bynnen der tid der vorhure sineme 
meystere jenige dage vorsumede to arbeydende sunder reddelke notsake, 
denne mach em sin meyster vor enen jewelken dach af körten enen 
lubischen Schilling in vormynringe siner vorhure. 

4. BathsTorordnnng über die Böttcher in Bestock. U. Jahrb. 

(Rostocker Stadtarchiv. Liber arbitriorum S. VII a. Undatirt. Vergl. 
[Nettelbladt] Hist. dipl. Abhandlung S. LXXXVIII Nr. XXXIl.) 

Vurder na desser tid hefFt de rad eyns gedregen mit den olderluden 
unde ganczen ampte der bodeker in jegenwardicheit der borgere : 

(i) Int erste schal eyn yslik bodeker sine tunne gud maken sunder wrak, 
als he darvor antworden wil unde schal sinen settnagel dar up setten» 
den he den wedheren schal vorbringen unde bekant geven. Settede 
ok jenige bodeker enen knecht to, tunne to howen nnde to makende, 
de knecht schal des gelike sinen setnaghel darup setten unde sine here 
schal des knechtes setnagel den wedheren ok bekant geven, als he 
darvor antworden wil. 
(2) Item nen bodeker schal tunnen maken van klovedenn holt, dat hir 
bynnen klovet is, noch van wittern holt edder bundöken holt bi vor- 
lust des amptes unde wo de rad dat richten wil. 



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— 155 — 

(3) Item eyn juwelk bodeker schal vor sine tunne unde setnagel ant- 
worden ; were dat jenich schade queme van sinen tunnen, de bewislik 
were, den schaden schal he dem copman verboten, 

(4) Item were dat jenich bodeker here edder knecht tunnen vorkoffte edder 
vorsende sunder setnagel, de tunne scholen vorvaren wesen unde wo 
de rad dat richten wil. 

(5) Alle schal dat stan up des rades vorbeterent. 

5. BAthirerordnung über die Böttcher in BoBtoek 1436 April 21. 

(Rostocker Stadtarchiv. Liber arbitriorum S. VI b (ein eingelegtes Oktav- 
blatt mit der Aufschrift von anderer Hand: de dolificibus statutum, enthält 
das Statut gleichfalls). 

Anno Domini etc. 36 des anderen sonavendes na paschen wart gesloten 
vor dem erliken rade na eyndracht der borgere unde olderluden unde 
gantzem ampte der bodeker in desser wise: 

(j) De bodeker de scholen de last tunnen geven vor 4 mr. unde nicht durer. 
Were dat jemant ut erem ampte durer geve, de schal sin ampte eyn 
jar dallegghen. Were ok we in erem ampte, de sine tunne in den 
kelre slote unde nicht vorkopen wolden den borgheren unde inwonren 
up duren kope, de daran bevunden wert, de schal des geliken sin 
ampt eyn jar dalieggen. 

(2) Item scholen se den borgeren unde bynnen unde buten rades to erer 
behoff unde not tunnen schicken unde tunnen vorkopen unde nicht 
vorsman de jene de tovoren hebben tunnen howen laten. Unde de 
borgere bynnen unde buten rades, de tunnen howen laten, de scholen 
howen laten van der vorbenomeden tid went to sunte Johans dage to 
myddensomer negest tokomende ere holt vorhowen unde sliten, unde 
wes se over hebben den bodekem vorkopen umme mogelike pennighe. 
Unde na der tid scholen nen borgere bynnen edder buten rades tunnen 
howen laten, alle de wile, dat se de tunnen umme 4 mr. geven als 
vorscreven is unde den kop holden. 

(3) Item de knecht de den borgeren bynnen edder buten rades ge- 
howen hebben, de amptes wert sin, de scholen se in eren denst unde 
ampt nemen. 

(4) Item were dat na desser tiid unde eyndracht den erliken olderluden 
unde ganczen amptbroderen wes schelende were, dat scholenj se 
guüik unde vruntlik soken vor dem rade unde borgeren, dat in guder 
vruntscop unde eyndracht to vorhandelen. 

(5) Desse eyndracht so to holdende hebben de ersamen olderlude unde 
ganczen amptbroderen der bodeker belevet in jegenwardicheit des rades 
unde der borgere up des rades vorbeterent. 



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VI. 

KLEINERE MITTHEILÜNGEN. 



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STAGNUM, DAS BALTISCHE MEER. 

Von 

K. E. H. KRAUSE. 

Dass die Ostsee bei den Cisterciensem stagnum und ihre 
östliche Provinz an der Küste dieses Meeres provincia stag- 
nalis heisse, und dass dieser Name, vermuthlich aus dem slav. 
blato, balaton übersetzt, uns zugleich die Erklärung für das Wort 
»Baltisch« gebe, ist Jahrg. 1884, S. 42 Anm. 8 angegeben und 
war schon vorher in dem inzwischen erschienenen Jahresber. 
der Geschichtswiss. 1883 II, S. 166 Nr. 53 bemerkt worden. 
Es wird dieses balaton = stagnum = palus auch die Brücke 
zeigen, auf welcher unsere ältesten Chronisten die paludes Maeo- 
tides in dem herrschenden geographischen Dunkel in die nörd- 
liche Ostsee gelangen lassen konnten. 

Stagnum als palus und lacus ist ja bekannt ; hier sollen aber 
noch einige Stellen folgen, wo das Wort geradezu die Ostsee 
bedeutet. Dr. Koppmann hat mich darauf aufmerksam gemacht, 
dass schon Lappenberg, Urk. Gesch. der deutschen Hanse 2, 
S. 759, sagt: »Stagnum, die Ostsee«, und zwar fussend auf den 
schlagenden Ausdruck der Urkunde Meckl. Urk.-B. 9 Nr. 6564 : 
capitanei et stipendiarii dominorum Lubicensium et Rostokcensium, 
qui emissi erant, ut stagnum et communes mercatores pro vio- 
lenciis defenderent. Ebenso unzweideutig sind die übrigen Aus- 
drücke, welche Römer im Wort- und Sachregister zum Mekl. 
TJrk.B., Bd. 12, verzeichnet, S. 474: ad stagnum ducere, 
pecora de stagno venientia; S. 499: ab ista parte stagni et 
ultra stagnum, diesseits und jenseits der Ostsee. 



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— i6o — 

Der lübische Dominikaner Hermann Corner sagt zum Jahre 
1364 nach dem Cod. Guelferb. : Rex Dacie Woldemarus bellum 
navale gerens cum civitatibus stagnalibus; nach dem 
Cod. Gedan. ebenso , nur dass agens statt gerens steht ; Cod. 
Linkop. : Anno domini 1364 civitates stagnales cum 
copiosa multitudine transfretantes venerunt in Daciam contra 
Woldemarum regem ; dagegen cod. Hamb. : Civitates mari- 
time, quarum capud dudum extitit urbs Lubicana, cum navali 
exercitu magno Danorum regnum intraverunt (Hanserecesse I, i, 
S. 197). Es war folglich der Name so allgemein in Lübeck für 
die See, also die Ostsee, bekannt, dass man maritimus durch 
stagnalis wiedergeben konnte, und damit stimmt auch, dass das 1 

wahrscheinlich auf Corner beruhende Chron. slav. ed. Laspeyres, { 

S. 169, die wendischen Städte civitates stagnales, in der deutschen ' 

Wiedergabe aber (der Wendeschen Chronik) S. 168 »Seestede« 
nennt. Auch aus dem Stadtarchiv zu Reval nennt Theod, . 

Schiemann, Histor. Darstellung etc. S. 246, »lus nautarum per 
civitates stagnales confirmatum«, die von dem lübischen Raths- 
secretär Johann Bersenbrücke für Reval ausgefertigte Originalcopie 
der H. R. III, i Nr. 367 aus anderer Quelle abgedruckten 
hansischen Schifferordnung vom 22. April 1482 (also zur Zeit 
der Entstehung des Chron. slav.). Wie aber der nordische und 
niederdeutsche Ausdruck für die offene See »haf« (Mittelniedd. 
Wb. II, S. 172) auch für die grossen meerartigen Strandseen 
der pommerschen und preussischen Küsten gebraucht wurde, so 
kommt auch dafür stagnum vor^ vgl. Feit, Glossar zu Höhl- 
baum, Hans. Urk.-B. 3, S. 574: Stagnum recens, quod vulgo 
dicitur Versehe Haf (= süsses Meer). 



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IL 

ZUR EROBERUNG GOTLANDS DURCH DEN 
DEUTSCHEN ORDEN. 

MITGETHEILT 

VON 

H. GROTEFEND. 

Von einer Wachstafel in Oktavformat, die der inzwischen 
verstorbene C. A. Milani zu Frankfurt in Paris erstanden hatte, 
copirte ich im Jahre 1878 nachfolgende Aufzeichnung. 

Ueber die Bedeutung derselben kann kein Zweifel herrschen. 
Am 23. Januar 1398 wurde zu Marienburg beschlossen, gegen 
Gotland ein Heer und eine Flotte auszurüsten, die Februar 22 
segelfertig zu Danzig sein sollte (H. R. I, i Nr. 424 § 2) ; am 
5. April urkundete Herzog Johann von Meklenburg über die Be- 
dingungen, unter denen er dem Hochmeister Wisby und das 
Land Gotland übergab (H.R. I, i Nr. 437). In der preussi- 
schen Parteischrift (H. R. I, i Nr. 438 § 9) heisst es über 

diese Expedition: »der homeister lys usrichten wol 84 schiff, 

cleyne und gros, und lys dy vol vytalgen und dorin thun 
buchsen und pulver, und wes das man bedorffte und bedarfF 
czu orley, und saczte dorin 4000 man czu hämisch, und gab 
yn methe in dy schiff 400 pherd, ab yn Got hulflfe, das sy das 
land gewunnen, das sy das land domethe bereyten und be- 
crefFtigen mochten«. Nach dem angeführten Recess von 1398 
Januar 23 sind aber diese Angaben auf die Hälfte herabzu- 

Hansische Geschichtsblätter. XV. II 



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102 

setzen: »man sal usmachen mitdenander 2000 man gewapent; 
des sullen sien 10 grosse schiffe und 30 andere«. — Zu diesen 
2000 Gewappneten hatten die 5 grossen Städte 400 zu stellen: 
»Thorun 95 man, Elbing 95 man, Danczk 160 man, Konings- 
berg 35 man, Brunsperg 15 man; hirmyte . . . sal ingerechint 
werden schipmanne, bosman (und alle) dy iren vuUen hamasch 
haben«. 

Unsere Aufzeichnung zählt jnun diejenigen auf, die aus 
einer dieser Städte an der Expedition nach Gotland theilnahmen. 
Die Krtiger und Weber stellen je 3 Mann, die Gerber, Bäcker, 
Knochenhauer und Schuhmacher je 2 Mann, die Schneider und 
Pelzer je i Mann, zusammen 16 Mann. Darauf folgen weitere 
8 Mann ohne Bezeichnung ihres Gewerbes, und neben Gerbern, j, 
Bäckern und Schuhmachern stehen gewissermaassen in zweiter 
Kolumne ein capitaneus und zweimal 2 Mann, zusammen noch- 
mals 13. Diesen Zahlen nach wird man die Aufzeichnung wohl 
nach Königsberg oder Braunsberg setzen müssen; im ersteren 
Fall hat man anzunehmen, dass einige Namen fehlen; im letz- 
teren würde die Ueberzahl durch die Annahme erklärt werden 
können, dass ein Theil der Mannschaft beurlaubt und durch 
Andere ersetzt wurde. Vielleicht geben die Namen einem Lo- 
kalkundigen sicheren Aufschluss. 



Anno Domini m" ccc** lxxxviii°. 
Hü fuerunt in reysa Gotlandie: 
Tabernatores habuerunt tres: 
Jocob Fruczkaw. Swarcze. Math. Pampich. 
Textores habuerunt tres: 
Spremberg. Jocob Fischer. Math. Henfeling. 



Cerdones habuerunt duo: 
Kezeling. H. Warnaw. 
Pistores habuerunt duo: 
Frenczil. H. Gunczil. 
Carnifices habuerunt duo: 
Symon Kuylhaupt. H. Engilke 



Joh. Schule 
capitaneus. 
Joh. Wepecz. 
Ny. Schramme. 



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Trumrey. 
Ny. Gunczil. 



— 163 

Sutores habuerunt duo: 

Mauricius cum fratre. 

Sartores habuerunt unum: Job. Gleser. 

(Pelli)fices habuerunt unum: Martin. 

Fryenstad. Boxholcz. 

Pe. Knof. Kenlinbyr. 

Stenczlynne. Lorencz Frischma(n). 

Glockingisser. Golfer. 



11" 



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m. 

DIE WEHRKRAFT DER ROSTOCKISCHEN 
AEMTER. 

VON 

KARL KOPPMANN. 

Die im Nachfolgenden mitgetheilte Aufzeichnung »wu de 
ampte plegen uthtomakende« ist dem im Rathsarchiv zu Rostock 
aufbewahrten sog. Rothen Buch Bl. 8 1 b entnommen , von einer 
Hand aus der Mitte des 1 5 . Jahrhunderts geschrieben und geht, 
wie die Ueberschrift besagt, auf eine ältere Niederzeichnung in 
»der olden ruUen« zurück. 

Ihre nächste Bedeutung hat sie natürlich für die- Geschichte 
der Wehrkraft unserer hansischen Städte; daneben aber ist sie 
für die nähere Kenntniss des Gewerbslebens von Wichtigkeit. 
In beiden Beziehungen wird es von Interesse sein, die gleich- 
artige hamburgische Aufzeichnung, die uns Westphalen erhalten 
hat*), zum Vergleich heranzuziehen. 

Gleich der erste Blick zeigt uns den auffallenden Unter- 
schied, dass die Gesammtzahl der Mannschaft, welche die 



1) Diese »Ordinatio officiorum in Hamborch pro defensione facta« war 
nach Westphalen, Hamburgs Verfassung und Verwaltung i (Zweite Ausg. 
Hamb. 1846), S. 426, einer Sammlung der Amtsrollen von 1375 angehängt, 
aber »den Schriftzeichen nach etwa ein Jahrhundert später« geschrieben. 
Die Namen der Aemter und die Zahl der von ihnen gestellten »Schützen« 
hat Westphalen in der Anmerkung zu S. 426 mitgetheilt. 



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- i65 - 

rostockischen Aemter aufbringen, sich auf 622 beläuft, während 
die Gesammtzahl der Schützen, die von den hamburgischen 
Aemtem gestellt wird^ nur 167 beträgt. Freilich gestaltet sich 
dieses Verhältniss etwas anders, wenn man auf jeder Seite in 
Abzug bringt, was auf der andern fehlt, in Rostock die 150 
Träger, in Hamburg die 20 Krüger; immerhin kommen aber 
noch auf 472 Mann in Rostock nur 147 in Hamburg, also 
nicht ganz ein Drittel (0,31 Procent). Fragen wir nach der Er- 
klärung dieses Unterschiedes, so wird, da es undenkbar ist, dass 
Rostocks Bürgerschaft um die Mitte des 15. Jahrhunderts drei- 
mal . grösser gewesen sei als diejenige Hamburgs zu gleicher 
Zeit oder gegen Ende des 14. Jahrhunderts, da femer die An- 
na hme, dass man in Rostock die Wehrkraft der Aemter dreimal 
stärker angespannt habe, als in Hamburg, keine Wahrscheinlich- 
keit hat, und da endlich die ausdrückliche Angabe, die ham- 
burgische Ordinanz sei »pro defensione facta«, zweifelsohne auch 
auf diejenige Rostocks zu beziehen ist, wohl nur die Vermuthung 
aufgestellt werden können, dass die rostockische Aufzeichnung 
nicht gleich derjenigen Hamburgs von »Schützen« handle. Ist 
diese Vermuthung richtig, so veranschaulicht uns der Ver- 
gleich der beiden Ordinanzien die Veränderung, welche die allge- 
meine Einführung des Gebrauchs der Armbrust — denn an 
diese, nicht an Feuerwaffen, muss gedacht werden — in der 
Wehrpflicht und folgerichtig auch in der Wehrkraft der Aemter 
bewirkte. 



Dyt nabeschreven iss geschreven 
de ampte plegen uthtomakende. 

I.») De schomakere ... 40 8. 

2. De smede 40 9. 

3. De beckere 30 10. 

4. De kremer 20 11. 

5. De peltzer 20 12. 

6. De knokenhouwere . . 20 13. 

7. De boddekere 20 14. 



uth der olden rullen, wu 



De remensnydere 
De kannegetere . 
De haken . . . 
De scroder . . 
De gerwer . . . 
De wuUenwever 
De lynnenwever 



20 
16 

30 
20 
20 
20 
16 



>) Die vorangestellten Zahlen sind von mir hinzugefügt. 



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— i66 — 



15. De goltsmede 3 

16. De birtscherer .... 6 

17. De kiippekenmakere . 5 
t8. De patynenmakere . . 5 

19. De sedelere 5 

20 De repere 10 

21. Wantschere 5 

22. De kistenmakere ... 5 

23. De murlude 10 

24. De tymmerlude .... 10 
De glaseworter und 

malere 2 

De vorlüde 4 

De visschere 20 

De netelere 3 



30. De koelhaken .... 6 

31. De solthaken 5 

32. De witgerwer .... 3 

33. De appelhaken .... 3 

34. De armborsteer ... 5 

35. De dregher 150 

36. De louwentsnydere . 3 

37. Swertfegere 3 

38. Dreyer 3 

39. Hotfiltere 3 

40. Oltscrodere 10 

41. Kledersellere. 

42. Specksnyder. 

43. Bekermakere. 

44. Oltleppere. 



25 



26. 
27. 

2g. 

29. De gruttemakere ... 3 

Da die hamburgische Ordinanz die Aemter nach der Zahl 
der Schützen ordnet, so nehme ich eine entsprechende Ordnung 
mit der rostockischen Aufzeichnung vor und stelle ihr des besse- 
ren Vergleichs wegen die ausserhalb Hamburgs vermuthlich 
wenig bekannte hamburgische Ordinanz, wie sie Westphal mit- 
getheilt hat, zur Seite. 



Rostock : 

35. De dregher 150 

1. De schomakere ... 40 

2. De smede 40 

3. De beckere 30 

IG. De haken 30 

4. De kremer 20 

5. De peltzer 20 

6. De knokenhouwere . 20 

7. De boddekere .... 20 

8. De remensnydere . . 20 
IT. De scroder 20 

12. De gerwer 20 

13. De wullenwever ... 20 
27. De visschere 20 



Hamburg : 

1. De kroegere . , 

2. De boedekere . 

3. De knokenhowere 
De gerwere. . . 
De vischere . . 
De schomakere 
De beckere. . . 
De smede . . . 
De hoekere . . . 
De kremere . . 

11. De wuUenwevere 

12. De scrodere . . 

13. De buntmakere 

14. De hoetviltere . 



4 

5 
6 

7 
8 

9 

IG 



20 

15 
12 
12 
12 
10 
8 
8 

8 
6 
6 
6 
4 
4 



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— 167 — 



Rostock : 
9. De kannegetere 

14. De lynnenwever 

20. De repere . . . 

23. De murlude . . 

24. De tymmerlude 
40. Oltscrodere . . . 

1 6. De birtscherer . 

30. De koelhaken . 

17. De klippekenmakere 

18. De patynenmakere 

19. De sedelere . . 

2 1 . Wantschere . . . 

22. De kistenmakere 

3 1 . De solthaken . . 
34. De armborsteer 
26. De vorlüde . . . 

15. De goltsmede . 

28. De netelere. . . 

29. De gruttemakere 

32. De witgerwer . 

33. t)e appelhaken . 
36. De louwentsnydere 



16 
16 

IG 
IG 
IG 
,IG 
6 
6 

5 
5 
S 
5 
5 
5 
5 
4 
3 
3 
3 
3 
3 
3 



Hamburg : 

15. De armborsterer . 

16. De tymmerlude . 

17. De mürlude . . . 

18. De goltsmede . . 

19. De gropenghetere unde 
de kannenghetere . 

2G. De linewevere . . . 

21. De repslegere . . . 

22. De kertzenghetere - 

23. De dreyer 

De maier unde de 
glazeworten . . . 
De kistemakere unde 
de luchtemakere . 

26. De velen ampthe 



24. 



25 



4 
4 
3 
3 

3 
3 
2 



2 
6 



Rostock : 

37. Swertfegere 3 

38. Dreyer 3 

39. Hotfiltere 3 

25. De glaseworter und 

malere 2 

Aemter nach bestimmten Ge- 
betrefFenden Zahlen aus Ro- 



Zum Schluss ordne ich die 
Sichtspunkten und füge jedem die 
stock (R) und Hamburg (H) bei. 

R H 

gerwer 20 12 klippekenmakere 

mitgerwere 3 • — patynenmakere 

peltzer 20 — scroder . . 

buntmakere — 4 oltscrodere 

wullenwever 20 6 kledersellere 

wantschere 5 — hotfiltere 

lynnenwever 16 3 bartscherer 

louwentsnydere .... 3 — armborsteer 

schomakere 40 ig swertfegere 

oltleppere — — smede . . . 



R H 

5 — 

5 — 
20 6 

IG — 

3 4 

6 — 

5 4 

3 — 

40 8 



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— i68 — 



R H 

goltsmede 3 3 

kannegetere 16 3 

xnurlude 10 3 

tymmerlude 10 4 

kistenmakere 5 2 

glaseworter u. malere 2 2 

sedelere 5 — 

remensnydere 20 6 

boddekere 20 15 

dreyer 3 2 

bekermakere — — 

netelere 3 — 

repere 10 2 

beckere 30 8 

Hält man fest, dass das Verhältniss der Gesammtzahlen un- 
gefähr wie 3 : 1 ist, so gewinnt man ein ziemlich deutliches Bild 
von dem Unterschied in den Gewerbsverhältnissen der beiden 
Städte. Rostock ist reicher als Hamburg an Haken (5^/2 : i), 
Leinwebern, Kannengiessem (5*/8:i), Pelzem, Reifem, Schnei- 
dern, Schmieden (5:1), an Sattlern (4^/4 : i), Schuhmachern 
(4 : i), Bäckern (3^/4 : i), ungefähr gleich reich an Wollenwebem, 
Maurern, Krämern (3^/8: i), Zimmerleuten, Kistenmachem( 2^/2: i), 
ärmer an Gerbern, Knochenhauem , Fischern (i^/a: i), Drechs- 
lern (1V2 : i), Böttchern (iVaii), Armbrustmachem (1V4 : i), 
Goldschmieden, Glasern u. s. w. (i : i) und Hutmachem {^U : i). 



. R 

knokenhouwere ... 20 

specksnyder — 

kertzenghetere .... — 

gruttemakere 3 

kremer 20 

halben 30 

solthaken 5 

koelhaken 6 

appelhaken 3 

visschere 20 

vorlüde 4 

dregher 150 

kroegere — 



H 
12 



6 

8 

! 

t 
— • 

12 



20 



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IV. 

EINE HANSISCHE SEEVERSICHERUNG 
AUS DEM JAHRE 1531. 

MITGETHEILT 

VON 

ADOLF HOFMEISTER. 

In welcher Weise sich der hansische Handel des 15. und 
16. Jahrhunderts die Vortheile der Versicherung gegen die 
mancherlei Unfälle, denen Schiflf und Ladung zur See ausgesetzt 
sind, zu nutze gemacht hat, ist noch immer eine oflfene Frage. 
Schon von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an hat sich 
das Seeversicherungswesen in Portugal, Spanien und Italien zu 
einem vollständig ausgebildeten, reichen Gewinn versprechenden 
Betriebe ausgebildet*); in den Niederlanden (Brügge, Antwerpen) 
bestand bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein lebhaft 
betriebenes Assekuranzgeschäft; in den Seestädten unserer deutschen 
Nord- und Ostseeküste dagegen mangelt bis gegen Ende des 
16. Jahrhunderts jede Spur eines solchen, und selbst für die 
Benutzung fremder Versicherungsgelegenheiten lag ein directer 
Beweis bisher kaum vor. Ein Zufall führte mir nun vor kurzem 
ein Document in die Hände, welches in mehr als einer Beziehung 
der Beachtung werth erscheint. Es ist die Police über eine im 
Jahre 1531 zu Antwerpen abgeschlossene Seeversichenmg für 



i) Reatz, Geschichte des Europäischen Seeversicherungsrechts, i. (bis- 
her einziger) Theil, Leipzig 1870, S. 13 ff. 



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— 170 — 

das Gottschalck Remlynckrade gehörende Schiff »der Schwan«^ 
Schiffer Mathias Kuntze von Lübeck, nebst Ladung auf der 
Fahrt von Lübeck nach Amemuiden, in der Höhe von 1883. 
flämischen Pfund, also annähernd 10,000 Mark lüb. Dieselbe 
dürfte, wenn nicht die älteste uns erhaltene derartige Urkunde 
für Nordeuropa überhaupt, so doch wohl die älteste, in deutscher 
Sprache für ein deutsches Fahrzeug ausgestellte sein, welche bis- 
her zum Vorschein gekommen ist. Ob wir damit zugleich ein 
allgemein gültiges, feststehendes Formular vor uns haben, wie 
es in Antwerpen nach den Untersuchungen von Reatz wahr- 
scheinlich bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts 
existirt haben mag, oder nur das Formular des den Vertrag auf- 
setzenden Notars, das zu beurtheilen bin ich ausser Stande, da 
mir die bezügliche Schrift: Ordonnances du duc d'Albe sur les 
assurances maritimes de 1569, 1570, 1571, Brüssel 1877, nicht 
zugänglich und nur aus der mir von Herrn Professor V. Ehren- 
berg freundlichst nachgewiesenen Besprechung von Goldschmidt 
in der Zeitschrift für Handelsrecht Bd. 23 (1873), S. 359, be- 
kannt ist, und überlasse die Würdigung des werthvollen Instru- 
ments nach seiner rechtshistorischen Wichtigkeit Berufeneren. 
Die Urkunde mit ihren 44 Unterschriften, von denen ein Viertel 
für Gesellschaften gilt, giebt uns einen Einblick in die damals 
in Antwerpen und Brügge vertretene hauptsächlich italienisch- 
spanische Handelskolonie. Nur ein niederländischer, wenige für 
provenzalisch und französisch anzusehende und ein einziger un- 
zweifelhaft deutscher Name finden sich darunter. Der letztere ist 
der des Antwerpener V^ertreters des Hauses Welser in Augsburg, 
dessen Bevollmächtigte an Seeplätzen, wie uns durch das Tage- 
buch Lucas Rem's») für Lissabon und Antwerpen bezeugt wird, 
auch an der sonst fast ausschliesslich in den Händen der Ita- 
liener und Spanier liegenden Seeversicherung sich zu betheiligen 
pflegten. Die Höhe der in diesem Falle gezahlten Prämie ist 
leider nicht zu ersehen. 

Die vorliegende Police ist auch im Aeusseren auffällig. Sie 



1) Vgl. Hans. Geschichtsbl. Jahrg. 1885, S. 128—30. 
a) Herausgegeben von B. Greiff im 26. Jahresbericht des historischen 
Kreisvereins im Regierungsbezirke Schwaben und Neuburg. Augsburg 1861. 



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— lyi — 

ist auf einen grossen Bogen in Plakatform gedruckt und, wie ich 
glauben möchte, in Lübeck. Zu welchem Zwecke, ob vielleicht 
zur Vertheilung an die einzelnen Versicherer oder an Theilhaber 
an Schiff und Ladung, darüber sind nur Vermuthungen möglich. 
Dass der Druck wirklich praktischen Zwecken gedient hat, daran 
lässt das der Universitäts-Bibliothek zu Rostock gehörige Exemplar 
keinen Zweifel. Dasselbe ist in Briefgrösse (^/82 des ganzen 
Bogens) zusammengelegt, trägt auf der Aussenseite ein D (detur ?) 
und zeigt noch das durch alle Lagen durchgehende Loch, durch 
welches der umschlingende Faden hindurchgezogen war. Es 
lautet mit Auflösung der im Druck vorkommenden Abkürzungen 
von Wort zu Wort: 

In Gades namen, Amen. Wy Koeplude, Assurors, hyr 
vndergeschrfeuen , bekennen vnde bestan, dörch desse yegen- 
wardyge schrifft, dat wy entfangen hebben, so vfele geldes vnde 
gudes , van Godschalck Remlynckraden , Kopman yn Oestlant, 
dar v6r wy fem assureren efft vorwissen, de Summe van gelde 
hyr vnder geschrfeuen, mit vnsen egenen banden, vp de güder 
kopenß vnde Schip, genömet de Swaen mit aller tobehorynge 
vnd geschütte, bynnen vnde buten, nichtes vthgeslaten, dem 
genomden Godschalck, offte yemande anders tobehörende, ydt 
sy denne watterleye war effte güder ydt syn , dörch &m effte 
eynen anderen, vp dat v6rgeschreuen Schip (nu tho Lübeck yn 
Ostlandt vorschrfeuen lyggende) geschfepet, vp welckfere Schip 
Mathias Kuntze van Lübeck, effte eyn ander de Schipper ys 
Van der tydt an, dat dyt Schyp mit den v6rgeschrfeuen güdem 
vnd kopenschop, begünt afftho lopende, effte aflopt vth der 
Hauen van Lübeck, vnd yn de Hauen tho Armüye yn Zelandt 
gekamen ys. So neme wy vp vns de m6ye, last, sorge vnd 
feuentür, düsses v6rgeschreuen Schepes vnde güder, beth tho 
der v6rgeschreuen Hauen, tho Armüye, dar van wy ydt feuentür 
stan, so wol der See, des waters, alse des Fürs, Fründe, Vyende, 
breue edder breuen, van kopenschop vnde mercken, Ock van 
aller tosage Keyßer, Köningen, Princen, vnde heren, Ock vor 
gewalt vnde deuerie, edder ßfls yenniges schaden vnde ynvalß 
haluen, Welck men bedencken vnde nicht bedencken kan vnde 
mach, dat dem Schfepe vnde güdern mach schfedelick syn vnd 
tokamen, nichtes buten bescheden, beth so lange, dat dyt v6r- 



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— 172 — 

geschreuen Schip, mit den güdern yn de v6rgeschreuen haue 
gekamen ys , dar vor dem Ancker licht, vnde de v6rgeschreuen 
kopenschop vnde guder vp geschepet, vnde an landt gebracht, 
vnde altosamende yn gudem beholde geborgen sin, vnde ym 
valle, dat ydt sick na dem willen Gades begeue (welck nicht 
gesehen m6te) dat hyr yennich gebreck ynuelle, anders dan 
gudt. So belauen, obligeren vnde vorbynden wy vns deme v6r- 
geschreuen Gotschalcke, efFte brynger dösser yfegenwardigen 
Zedulen, effte laue Zedulen, Erliken vnde vullenkameliken, bynnen 
twe Mänte dar na (alß vns effte den vnßen sölckens vorwytlicket 
ys) wol tho betalen. So v&le vnde all dat wy mit vnßen egen 
banden hyr vnder geschrfeuen vnde vorwilkört h ebben , Sünder 
alle wedderseggent, vprtickelse edder vortoch, Dem geliken ge- 
lauen vnde vorbynden wy vns ock , all den schaden , de vns 
möchte tokamen, effte dar van entstan, ock wol tho betalen. 

Vnde ym valle, dat me warhafftige tydynge erföre, eyn Yar 
na der tydt, alß dyt vorgeschrfeuen Schip van Lübeck gelopen 
ys, vnde v&llichte yn eyne ander Hauen gekamen , vnde süst 
mit den güderen noch geborgen weer, so schal Godtschalck vnde 
de synen geholden syn, vns wedderümme tho geuen, wes se van 
vns entfangen hebben, vnd dat na dem Seerechte, Vsantie vnde 
Costume der Stadt Lunden yn Engelandt. Nichte myn so con- 
senteren vnde beleuen wy, yn dem vörgeschreuen valle, dat 
Godtschalck effte eyn ander van synent w&gen de handt vp so- 
dane Schip vnde güder mach leggen, vnde de antasten, ane 
vnse vorlöff vnde consent, vnde se bryngen yn de v6rgeschreuen 
Hauen, yodoch vp vnse vnkost vnde t§rynge der assurantien 
vnsch&delick , so dat de gelikewol blyue yn §rer vullenkamen 
macht, Vns vorbyndende mit lyue vnde gude, yfegenwardich 
vnde tokamende, Renuncierende vnde vorsakende alle behelpe 
vnde exemptien der Rechte, der d&dt, vnde alle des yennen, 
dat vns möchte hyr enty&gen behülplick vnde bäthlick syn, sün- 
der alle bedroch, argelyst vnde quade fünde. Thor tüchnisse 
der warheyt, hebbe wy dysse tosage vnde beleuinge laten 
schriuen, dörch eynen anderen, yn sülcker krafft, so alße offte se 
eyn yder van vns mit syner egen handt süluen geschrfiuen 
hadde, ock thor tydt, dat eyn yder mit sjrner egen handt, h5rr 
vnder geschreuen heffl, vnde vp de süluesten tydt gegeuen tho 



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— 173 — 

Antwerpen, XIII. Julij. Yn dem yare vnde geborth vnses Heren, 
vörgeschreuen 1531. Godt de Here, wylt ynt ende wol be- 
waren, aldüß vnder geschreuen. 

Jhesus, Wy Paschael Pawel de negro vnde de geselschop, 
synt tho frfeden, vor V5fftich Pundt grote Flamß, Hüten am 
XXVIII. dage Jub'j. 1531. tho Antwerpe, Godt wylt bewaren. 

Ick Jürgen van Barros , segge dat ick tho- frfiden byn , de 
vaer vnde fiuentür tho stände vp dat Schip, welck Godt beware, 
de Summa van Vertich pundt grote. am XXVIII. Julij. M.D.XXXI. 
Ick segge ydt Schyp vnde gudt, darynne befrachtet. 

Ick Jürgen Lopes segge, dat ick tho frfeden byn, vnde de 
vär ydt feuentür tho stände, van xvij. Pundt grote Flaemß, vp 
dat vörgeschreuen Schyp vnde güder dar ynne geladen, all to- 
h6rende dem vörgeschreuen Godtschalcke , welck Godt behöde, 
den XXVIII. Julij. Anno M.D.XXXI. 

Ick Ruys Fernandes segge, dat ick tho frfide byn yn dyt 
Schyp, welck Godt behöde, vor de Summa van V6flftich Pundt 
Flamß, tho Antwerpe, Am XXVIII. Julij. Anno M.D.XXXI. 

Ick Johan Symon byn tho fr§de, ynt vörgeschreuen Schyp, 
welck Godt beware, vor Vöfftich Pundt grote Flamß, Ick segge 
Vöfftich pundt, gesehen tho Antwerpe, am XXVIII. Julij. Ym 
yare M.D.XXXI. 

Wy Bemhardinus cenani, Johan Balbani vnde vnse gesel- 
schop, syn tho fr6de van dysser vorwyssinge, vor de Summa 
van Vöfftich Pundt grote Flamß, Des xxviij Julij. Anno M.D.XXXI. 
tho Antwerpe, Godt wylt bewaren. 

Wy Franciscus vnde Steffen Bourlamachij, vnde vnse ge- 
selschop, syn tho frfede mit dysser assurantien, vor de Summa 
van Hundert Pundt grote Flamß, des xxix. Julij. Anno M.D.XXXI. 
Tho Antwerpe, Welck Godt bescherme. 

Wy Jaspar Duccij , vnde vnse geselschop, vorwyssen tho 
Hundert Pundt grote Flamß, halff vor my vnde de geselschop, 
vnde halff vor Hinrick van Reeß, des xxix. Julij. Anno M.D.XXXI. 
Welck Godt beware. 

Ick Johan Carli Deliafiaitadi , byn tho fr6de, mit düsser 
Vorwyssunge, vor de Summa van twe Hundert Pundt grote 
Flamß, Hüten am lesten dage Julij. Anno M.D.XXXI. Tho 
Antwerpe, Godt wylt bewaren. 



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— 174 — 

Wy Bonauentura Michelß, Jeronimus Arnolphini vnde vnse 
geselschop, syn tho frSde mit dösser vorwyssunge, vor de Summa 
van Tachtentich Pundt grote Flamß Des xxx. Julij. Anno 
M.D.XXXI. Tho Antwerpe. 

Ick Jeronimus Spinula q. d. Steffani, byn tho fr§de, des 
yennen dat vörgeschreuen ys, angände de Summa van V6fFteyn 
Pundt grote Flamß, Hüden am andern dage Augusti. Anno 
M. D. XXXI Tho Antwerpe. Godt wilt auer all bewaren. 

Ick Sebolt Köneyßel, ymme namen Johans vnde Jacobs 
Welzer, byn tho frf de , van dysser vörgeschreuen vorwissunge, 
mit Dortich Pundt grote. Flamß, Amme drüdden Augusti. Anno 
M.D.XXXI. Godt wil ydt tho der beholdy[nge vören?]'). 

Wy Franriscus de Grimaldi vnde Augustin de Aurea, syn 
tho frfide, dyss[e vorschreuen] angandes, De Summa van Vöflftich 
Pundt grote Flamß, Hüten amme drüdden Augusti. Anno 
M.D.XXXI. Tho Antwerpe. Godt wylt all [bewjaren. 

Wy Symon Pecorij, vnde de geselschop, syn tho fr&de vor 
de Summa, van Hundert Pundt grote Flamß, Amme IUI. Augusti. 
Anno M.D.XXXI. to Antwerpe. 

Ick Fernandus Daza, byn tho fr^de yn dyt Schyp, welck 
Godt beh6de, vor de Summa van Vöfftich Pundt grote, tho 
Antwerpe. IUI. Augusti. Anno M.D.XXXI. 

Ick Symon spinula q. d. Benedicti, byn tho fr&de des vör- 
geschreuen, angände de Summa van i8. Pundt grote Flamß. 
IUI. Augusti. Anno M.D.XXXI. Tho Antwerpe. Godt wyl ydt 
bewaren. 

Wy Arnolt de Piano vnde Johan Sadorme, syn vp gewisse 
rßkenschop apenbar tho fr6de, vp dyt Schyp tho 20. Pundt grote. 
Des IX. Augusti. Anno M.D.XXXI. 

Ick Diego de sancto Dominico, byn tho fr6de yn dyssem 
Schepe, tho Vöfftich Pundt grote Flamß. amme V. Augusti. 
Anno M.D.XXXI. Tho Antwerpe. 

Ick Johan Baptista Gwyccardini, byn tho fr&de, yn de vor- 
schreuen Assurantie, vor de Summa van Vöflftich Pundt grote 



1) Loch im Original. 



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— 175 — 

Flamß, des V. Augusti. Anno M.D.XXXI. Tho Antwerpe, 
Welck Godt aueral bescherme. 

Wy Johan Faulet vnde Johan Decolodi, syn yn dysser Assu- 
xantien tho frfede, vor de Summa van XXX. Pundt grote Flamß, 
Welck Godt beware, am V. Augusti, Anno M.D.XXXI. Tho 
Antwerpe. 

Ick Alonse de sancto Victore maluenda, byn tho fr&de ynt 
v6rgeschreuene Schip, welck Godt beh6de, vor Hundert vnde 
VöfFtich Pundt grote Flamß, tho Antwerpe des V. Augusti. Anno 
M.D.XXXI. 

Ick de vörgeschreuen alonse de sancto Victore maluenda, 
byn tho fr&de ynt vörgeschreuene Schip, noch vor X. punt 
grote, vp de r&kenschop Juliani de medina to antwerpe. 
V. Austi. (1) 

Ick Gregorius Cattaneus, byn tho fr&de, vor achtend6rtich 
Pundt grote Flamß. 

Ick Frederick de Mulyn , byn tho fr&de mit düsser y&gen- 
wardigen vorwissunge, vor Vöffteyn Pundt grote Flamß, des 
17. Augusti. Anno 1531. Tho Antwerpe. Godt late ydt kamen, 
yn beholdene hende. 

Ick Alonse Fernandes de spinosa, byn tho fr&de yn dyt 
Schip, welck Godt beware, vor Vöffteyn Pundt grote, Tho Ant- 
werpe. VII. Augusti. Anno 1531. 

Ick Andreas Mauriques (I), byn tho fr&de, yn dyssem schepe, 
welck Godt behöde, vor Twyntich. Pundt grote Flamß, amme 
VII. Augusti. Anno M.D.XXXI. 

Ick Aluarus de Maluenda, byn tho fr&de, yn dyt schyp, 
Welck Godt beschermen möte, vor Hundert Pundt grote Flamß. 
amme 14. Augusti. Anno 1531. 

Ick Franciscus de Gaona, byn tho frfede vp dyssem Schepe, 
Welck Godt behöden m6te, vor Dörtich Pundt grote Flätnß. 
amme 14. Augusti. Anno M.D.XXXI. 

Ick Jeronimus de Caiion, byn tho fr6de yn dyssem Schepe, 
Welck Godt behöde, vor Vyff vnde tachtentich Pundt grote. 
Tho Brügge, amme 14. Augusti. Anno 1531. 

Ick Johan de Mendieta, byn tho frede yn dyssem Schepe, 



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— 176 — 

Welck Godt behöden m6te, vor Vöffteyn Pundt grote. amme 
14. Augusti. Anno M.D.XXXI. 

Ick Fernandus de Mogica, byn tho frede yn dyssem Schepe, 
Welck Godt beware, vor Vöfftich Pundt grote. amme 14. Augusti, 
Anno M.D.XXXI. 

Ick Peter de Marquina, ymme namen myns Mesters her 
Johan de Paredes, byn tho frede yn dyssem schepe, welck Godt 
bescherme, vor xxv. pundt grote. 14. August. 1531. 

Ick Franciscus de Sisueros (I), byn tho frede vor Teyn 
Pundt grote, yn dyssem schepe, Höten 14. Augusti. Anno 
M.D.XXXI. 

Ick Alonseus de Ona, byn tho frede, in dyssem schepe, 
Welck Godt salueren wil, vor x. ^. grote, de Franciscus de 
Rio, vnde ick lopen 14. Augusti. Anno 1531. 

Ick Diego de sancto Dominico, byn tho frede yn dyssem 
Schepe, Welck vnse Here beschermen wyl, V6ffteyn ^. grote. 
Tho Brögge. des 14. Augusti. Anno 153 1. 

Ick Diego Ortega van Bourgos, byn tho vrede, yn dyssem 
Sch&pe, Welck vnse Here beware, vor Twyntich ü, grote Des 
14. Augusti. Anno M.D.XXXI. 

Ick Märten de sahnas retes, byn tho frede yn dyssem 
Schfepe, Welck Godt bewar, vor V6fFeeyn (I) ^. grote. Tho 
Brügge, amme 14. Augusti. Anno M.D.XXXI. 

Ick Diego de auila, byn tho frede yn dyssem Schepe, Welck 
Godt bewar, vor Vöffteyn ^. grote Flamß. Tho Brügge, des 
14. Augusti. Anno 153 1. 

Ick Lodewych de Cuelar, byn tho frfede yn dyssem Schepe, 
welck Godt bewar, vor Teyn Pundt grote. Amme 14. Augusti. 
Anno M.D.XXXI. 

Ick Franciscus de la terre, byn tho vrede yn dyssem 
schepe, Welck Godt bescherme, vor Vöffteyn Pundt grote, des 
14. Augusti. Anno M.D.XXXI. 

Ick Gregorius de sancto Vincente, byn tho vrede yn dyssem 
schepe, Welck vnse Here salueren wyl, vor Teyn Pundt grote, 
de Vyue vor Laurens de spinosa, vnde de andern Vyue vor 
my. Des 14. Augusti. Anno M.D.XXXI. 



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— 177 — 

Ick Anthonius de Cuelar, byn tho vrede yn dyssem Schepe, 
Welck Godt bescherme, vor Teyn Pundt grote. Des 1 4. Augusti. 
Anno M.D.XXXI. 

Ick Märten sans de Thona, byn tho vrede yn dyssem 
Schepe, Welck Godt beh6den möte, vor V)rflf vnde twyntich 
Pundt grote, amme 14. Augusti, Anno 1531. 

Ick Johan de Castro, byn tho vrede yn dyssem schepe, 
Welck Godt bew aren wy (1), vor XXV. Pundt grote, Tho Brügge 
amme 14, Auhusti (I). Annno M.D.XXXI. 



Hansische Geschichtsblätter. XV. 



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RECENSIONEN. 



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. ) 



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Dr. C. SATTLER , Handelsrechnungen des Deutschen 
Ordens. Im Auftrage des Vereins für die Geschichte von 
Ost- und Westpreussen herausgegeben. 

Leipzig 1887. Duncker & Humblot. XL VI, 629 S. 8". 

VON 

WILHELM STIEDA. 

Mit diesem Buche wird unsere Kenntniss der deutschen, 
so lange vernachlässigten Handelsgeschichte in doppelter Weise 
erweitert. Es bietet Aufklärung über die Handels Verhältnisse 
des Hansebundes und ist territorialgeschichtlich wichtig zur 
Charakteristik des weltlichen Treibens jener hochinteressanten 
geistlichen Gemeinschaft, die, ursprünglich zu ganz anderen 
Zwecken zusammengetreten, es im Laufe der Zeit nicht ver- 
schmähte, in Concurrenz mit den Einwohnern des von ihr unter- 
worfenen Landes es dem Kaufmanne gleichzuthun. 

Mitgetheilt werden Rechnungsbücher der Grossschäffer von 
Marienburg und Königsberg, sowie zweier flandrischer Lieger 
aus dem Ende des 14. und dem ersten Viertel des 15. Jahr- 
hunderts. Grossschäffer und Lieger sind Beamte des Ordens, 
die in dessen Auftrage und von ihm bezahlt den Handel treiben. 
Der ersteren gab es nur 2, mit dem Wohnsitz in Preussen, der 
letzteren mehrere, die sich in den verschiedenen Ländern auf- 
hielten, mit welchen der Orden vorzugsweise in geschäftlichem 
Verkehr stand. Die Bücher enthalten theilweise Aufstellungen 
über den derzeitigen Stand des Geschäfts — Bilanz- und Schluss- 
rechnungen — , theilweise den fortlaufend geführten Nachweis der 
stattgehabten Ein- und Verkäufe. Sie bieten Notizen über Maass 



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l82 

und Gewicht, Waaren, Preise, Frachten, Spesen u. dergL m. Da- 
durch, dass die Grossschäffer ihren geschäftlichen Wohnsitz im 
Ordenslande selbst hatten, erfährt man aus ihren Rechnungen 
die Einkaufspreise der Ausfuhrartikel und die Verkaufspreise der 
Importgegenstände, während die Liegerbücher die in Flandern 
erzielten Preise der preussischen Ausfuhrartikel und die Einkaufs- 
preise der für Preussen bestimmten Importwaaren angeben. In- 
dess ist es nicht immer möglich, aus der Gegenüberstellung 
beider Preise einen Schluss auf den erlangten Gewinn zu machen, 
weil die Verschiedenheit der in Preussen und Flandern gebräuch- 
lichen Maasse keinen genauen Vergleich zulässt und die be- 
treffenden Daten um mehrere Jahre auseinanderliegen. 

Aus den Papieren des Grossschäffers von Marienburg sind 
abgedruckt eine Rechnung vom Jahre 1399 (S. i — 7) und drei 
Rechnungsbücher aus den Jahren 1404 (S. 7 — 18), 1410 — 18 
(S. 48 — 57) und 141 7 (S. 57 — 98). Die Königsberger Gross- 
schäflferei hat zwei Bilanzrechnungen aus den Jahren 1402 
(S. 164 — 167) und 1404 (S. 273 — 274) sowie sechs Rechnungs- 
bücher aus den Jahren 1400 — 1402 (S. 100 — 164), 1402 — 4 
(S. 167—273), 1404—5 (S. 274—275), 1405—6 (S. 275—281), 
1411 — 23 (S. 281 — 299) und 1417 — 23 (S. 299 — 316) geliefert. 
Von den 3 Liegerbüchern, die in Brügge geführt sind, entstammt 
eins den Jahren 1391 — 99 (S. 317 — 450), das zweite den Jahren 
1419 — 34 (S. 450 — 474), das dritte den Jahren 1423 — 34 
(S. 474 — 522). Der Herausgeber druckt nicht alle diese Rech- 
nungen vollständig ab. Da dieselben mehrfach Wiederholungen 
bieten, so schien es genügend, Auszüge zu geben. Gleichfalls 
fortgelassen wurden Theile der Bücher, die auf die Verhältnisse 
des Ordens keinen Bezug nahmen. So strich Sattler in 2 Lieger- 
büchern die Notizen über die Geschäftsverbindungen der Lieger 
mit fremden Kauf leuten. Bei den Rechnungsbüchern der Gross- 
schäfferei war dieses Verfahren gewiss sehr zweckmässig ; bei den 
Liegerbüchern aber scheint es uns nicht ganz richtig. Denn 
wenn die Lieger als Beamte des Ordens die Möglichkeit hatten, 
neben der Thätigkeit für den Orden noch selbständige Geschäfte 
zu treiben, so charakterisirt dies den Ordenshandel und seine 
Organisation, und wäre es interessant, Ausdehnung und Art dieser 
Geschäfte kennen zu lernen. Dazu kommt der Werth, den der- 



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- i83 - 

ajrtige, bis jetzt nur spärlich veröffentlichte Mittheilungen für die 
Handelsgeschichte überhaupt besitzen. 

Die kaufmännische Buchführung erscheint in diesen Büchern 
noch auf niedriger Stufe. Ob der Einzelne mehrere Bücher 
neben einander führte, oder gar wie viele, lässt sich nicht fest- 
stellen. Die Vielheit der Bücher, wie sie der heutige Kaufmann 
kennt, war damals wohl nicht gebräuchlich. Nachweisungen 
von Ein- und Verkäufen, Schuldverbindlichkeiten, Geldsendungen 
u. s. w. wechseln mit einander ab, und die Bücher machen daher 
den Eindruck von Kladden, oder, wenn man lieber will, von 
Hauptbüchern, in welche alle Geschäfte in der chronologischen 
Reihenfolge ihres Vorkommens eingetragen sind. Die Rechen- 
kunst war eine geringe; Summirungs- und Multiplicationsfehler 
sind keine Seltenheit. 

Der Abdruck befriedigt alle Wünsche, die in einem solchen 
Falle gestellt werden dürfen, und erweist die volle Herrschaft des 
Herausgebers über seinen Stofif. Mit Hülfe der Zeilenzählung 
kann man sich nach den Registern leicht zurechtfinden. Diese 
selbst, sowohl das Namen- als auch das Sach- und Wortregister, 
sind u. E. vollkommen ausreichend. Der Aufnahme von Worten 
in das Register muss eben irgendwo eine Grenze gezogen wer- 
den, und dass sich nicht alle Ausdrücke erklären lassen , kann 
bei dem heutigen Stand der Forschung nicht dem Herausgeber 
zur Last gelegt werden. Manche Erklärung hätte sich vielleicht 
ergeben, wenn Sattler an eine Bearbeitung des von ihm mit- 
getheilten Stoffes gegangen wäre. Weshalb das unterbleiben 
musste, hat der Herausgeber in der Vorrede auseinandergesetzt, 
und wir sind daher nicht berechtigt, ihm einen Vorwurf aus 
dieser Enthaltsamkeit zu machen. Unser lebhaftestes Bedauern 
aber darüber, dass der Herausgeber, der sich für die Veröfifent- 
lichungszwecke so gründlich in den Stofif hat vertiefen müssen, 
die dabei erworbene Kenntniss nicht weiter verwerthete, können 
wir nicht zurückhalten. Die kurze Einleitung, die Sattler spendet, 
entspricht dem Reichthum des Materials nicht. Sie giebt in der 
Hauptsache die beiden schönen Aufsätze wieder, welche Sattler 
in diesen Blättern, Jahrg. 1877 und 1882, über den deutschen 
Orden, seinen Handel und sein Verhältniss zur Hanse hat 
drucken lassen, und mit welchen er auf seinen archivalischen 



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— 184 — 

Fund die Aufmerksamkeit lenkte. Ein Nachweis der Länder, 
mit welchen der Orden in Verkehr stand, ist vervollständigend 
hinzugefügt. So dankenswerth diese Gabe auch ist, so hätte 
man doch eine eingehendere Verwerthung des reichhaltigen 
Stoffs aus derselben kundigen Hand, die ihn tiberhaupt erschloss, 
gern gewünscht. Indess auch bei der vorliegenden Gestaltung 
der Arbeit hat man alle Ursache, dem Verein für die Geschichte 
von Ost- und Westpreussen und dem Herausgeber den lebhaf- 
testen Dank dafür zu zollen, dass sie eine derartig wichtige 
handelsgeschichtliche Quelle weiteren Kreisen zugänglich gemacht 
haben. 



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KARL BÜCHER, Die Bevölkerung von Frankfurt am 
Main im XIV. und XV. Jahrhundert. 
Bd. I. Tübingen 1886. XX, 736 S. 8°. 

J. JASTROW, Die Volkszahl deutscher Städte zu 
Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit. 
Berlin 1886. VIII, 219 S. 8°. 

VON 

WILHELM STIEDA. 

Die Wichtigkeit des Gegenstandes mag es erklären, wenn 
ausnahmsweise zwei Werken, die nach den Grenzen, welche sich 
die Hansischen Geschichtsblätter ziehen müssen, nicht in den 
Bereich ihrer litterarischen Uebersichten fallen, Aufmerksamkeit 
geschenkt wird. Mit der Frage, wie die Bevölkerungszahl mittel- 
alterlicher Städte festgestellt werden kann, haben sich schon 
Manche beschäftigt. Unter den Städten des Hansebundes sind 
es Hamburgs), Lübeck«), Rostocks) und Danzig^), für welche 
gelegentlich der Versuch gemacht ist, die Volkszahl älterer 
Zeiten zu bestimmen. Aber so wie die Ergebnisse der Forschungen 
von Laurent, Mantels, Hirsch und Paasche nicht ohne Wider- 
spruch geblieben sind — es sei hier an Koppmann' s Beleuch- 
tung der Laurent'schen Berechnungen erinnert 5) — und unter 



1) Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Bd. i. S. 141 ff. 

2) Mantels, Beiträge zur lübisch-hansischen Geschichte S. 55 — 102. 

3) Hildebrand's und Conrad's Jahrbücher für Nationalökonomie und Sta- 
tistik. Bd. 39. S. 358 ff. 

4) Hirsch, Danzigs Handels- und Gewerbegeschichte S. 22. 

5) Correspondenzbl. d. Gesammtvereins d. deutschen Geschichtsvereine. 
Bd. 29. S. lyflF. 



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— i86 — 

sich nicht übereinstimmen, so ist es auch der Fall mit den für 
andere Städte gemachten Aufstellungen von Hegel, Schönberg, 
Richter, Arnold, Kirchhofif u. A. Sie schlagen alle verschiedene 
Wege ein und können schliesslich nur einen mehr oder minder 
genauen Grad von Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Unter 
diesen Umständen sind Untersuchungen, welche sich zur Auf- 
gabe setzen, die verschiedenen bisher angewandten Methoden 
auf ihre Zulässigkeit und Brauchbarkeit kritisch zu prüfen und 
die dabei gewonnenen Resultate mit einander zu vergleichen, 
sehr willkommen, doppelt willkommen, wenn sie mit derartigem 
Geschick und Erfolg geführt sind, wie die oben genannten. 
Bücher geht übrigens über den angedeuteten Rahmen weit 
hinaus. Die Ermittelung der Volkszahl, mittelalterlicher Städte 
bildet den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen und giebt ihm 
Gelegenheit zu vortrefflichen klaren Bemerkungen über die Me- 
thode nfrage. Aber wichtiger ist ihm doch die Darstellung der 
socialen Gliederung der Stadtbevölkerung, mit der er ein bis jetzt 
völlig brach gelegenes Feld betritt, auf welchem trotzdem 
schöne Früchte zu ernten ihm gelingt. Auch verdient sein 
Werk insofern den Vorzug vor Jastrow, als er für eine Stadt aus 
einem längeren Zeitraum neues Material beibringt , das, auf die 
mühseligste Weise errungen, ihm die Möglichkeit bietet, die als 
richtig anerkannten Grundsätze mit Fleisch und Blut auszu- 
, statten und in Wirklichkeit umzusetzen. 

Beide Werke sind gleichzeitig erschienen. Doch lagen von 
Bücher's Forschungen die ersten Abschnitte bereits in den Jahr- 
gängen 1881 und 1882 der Zeitschrift für die gesammte Staats- 
wissenschaft vor, so dass Jastrow auf sie Bezug nehmen konnte und 
mehrfach vielleicht erst durch sie zu seinen Auseinandersetzungen 
angeregt ist. Auch muss hervorgehoben werden, dass von den 
oben genannten Arbeiten die von Paasche, Richter und Hegel 
nach der Veröfifentlichung von Bücher's ersten Artikeln in der 
genannten Zeitschrift erschienen sind, so dass er einen neuen 
Anstoss flir die Aufnahme dieser Untersuchungen gegeben zu 
haben scheint. 

Jastrow's Buch zerfallt in zwei Theile. In dem ersten er- 
örtert er die Methoden, die den bisherigen Ermittelungen der 
Volkszahl zu Grunde gelegen haben (S. 7 — 107); in dem 



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J 



— i87 - 

zweiten weist er auf Quellen hin, die zur Zeit für den betreffen- 
den Zweck noch wenig oder gar nicht ausgenutzt sind, und die 
es ermöglichen würden, Angaben über die Bevölkerung früherer 
Zeiten in grösserem Maasse zu beschaffen (S. io8 — 154). Han- 
delt es sich in dem ersten um Versuche zur Bestimmung der 
Volkszahl im 15. Jahrhundert, so ist in dem letzteren von 
Quellen, wie sie fiir das 16. Jahrhundert zu Gebote stehen, die 
Rede. Zum Schluss des zweiten Theüs wird in einer orien- 
tirenden Uebersicht der Stand der Forschung sowohl in Bezug 
darauf, was zur Kenntniss der Grösse der Bevölkerung erreicht 
ist, als auch hinsichtlich des Gewünschten und Möglichen cha- 
rakterisirt (S. 155—174). Zwei Beilagen befassen sich mit der 
Nürnberger Volkszählung von 1449 und märkischen Musterungen 
und Katastern des 16. Jahrhunderts. 

Bücher's Forschungen gliedern sich ebenfalls in zwei Theile. 
Im allgemeinen Theil (S. i< — 47) werden die Frage der Anwendung 
der statistischen Methode auf die Erforschung des mittelalter- 
lichen Gesellschafts- und Wirthschaftslebens, die bisher versuchten 
Berechnungsweisen, die Nürnberger Bevölkerungsaufnahme von 
1449 ^^ i^rer Bedeutung für die mittelalterliche Bevölkerungs- 
statistik besprochen. Der specielle Theil (S. 51 — 713) bietet in 
8 Abschnitten die Bearbeitung des in dem Frankfurter Archiv 
neu gewonnenen umfangreichen Stofifs. Im Anhang (S. 713 — 733) 
sind einige Urkunden aus den Jahren 1350 — 1450 zum ersten 
Male abgedruckt. 

Da mit seltenen Ausnahmen Zählungen der Bevölkerung im 
Mittelalter nicht üblich gewesen sind und Schätzungen der Volks- 
zahl einer bestimmten Gegend oder Stadt in der Vergangenheit 
zu zuverlässigen Ergebnissen nicht führen können, so ist man 
auf die Vornahme von Berechnungen angewiesen, um mehr oder 
minder wahrscheinliche und glaubwürdige Resultate zu gewinnen. 
Diese Berechnungen können angestellt werden: 

i) nach der Zahl der männlichen erwachsenen Personen, 
die in Eidregistem, Bürgermatrikeln u. s. w. sich angegeben 
finden, 

2) nach einem Bruchtheile der gesammten männlichen Be- 
völkerung, z. B. der waffenfähigen Mannschaft, 



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— i88 — 

3) nach der Zahl der Kirchenbesucher oder Com munikanten 
beiderlei Geschlechts, 

4) nach der Zahl der Steuerzahler beiderlei Geschlechts 
wie sie aus Schossregistern und Steuerbtichem sich ergiebt, 

5) nach der Zahl der Häuser, 

6) nach der Zahl der Haushaltungen, 

7) nach den Zahlen für die Bewegung der Bevölkerung 
(Geburten, Sterbefälle, Eheschliessungen). . 

Diese Methoden werden von beiden Autoren sorgfältig kriti- 
sirt, von Jastrow , wie es die Anlage seines Buches mit sich 
bringt, in ausführlicher Weise (S. 10 — 25), von Bücher kürzer, 
aber nicht minder zutreffend (S. 14 — 31). Auf die dritte Me- 
thode hat Jastrow kein Gewicht gelegt, wogegen Bücher die 
siebente unerwähnt lässt. Bei dem letzteren erklärt sich dies 
wohl daraus, dass er sich zeitlich auf das 14. und 15. Jahr- 
hundert beschränkt und aus dieser Zeit Nachrichten über den 
Bevölkerungswechsel sich nicht erhalten haben. Aufzeichnungen 
über Geburten und Sterbefälle kommen erst im 16. Jahrhundert 
auf und sind auch aus dieser Zeit bis jetzt ganz vereinzelt auf- 
gefunden. Ohne Zweifel sind sie aber eine für die neuere Zeit 
höchst beachtenswerthe Quelle und daher die von Jastrow über 
sie geführten Untersuchungen (S. 64 — 79, 138 — 139, 160) 
am Platze. Neben diesen Berechnungsweisen, für deren An- 
wendung sich bereits Beispiele namhaft machen lassen, weist 
Bücher noch auf die Versuche hin, aus den Zahlen der kirch- 
lichen Anstalten (S. 17), den Zahlen der Schöffen und Raths- 
mitglieder, den Zahlen der zünftigen Meister im Ganzen oder in 
einzelnen Handwerken die Grösse der Bevölkerung zu ermitteln, 
Bestrebungen, über welche indess mit Recht der Stab gebrochen 
wird, und die sich zur Nachahmung nicht empfehlen. Eine be- 
stimmte Methode kann natürlich von keinem der Autoren als 
die beste empfohlen werden. Sie haben alle ihre Schwächen, 
und am zweckmässigsten dürfte es daher sein, wenn sie zur Er- 
mittelung der Volkszahl neben einander angewandt werden 
können, um durch Vergleichung der Ergebnisse etwaige Un- 
genauigkeiten auszumerzen. 

Begegnen sich beide Autoren in ihren Ausführungen auf 
methodologischem Gebiete, so gehen, wie bereits hervorgehoben, 



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— i89 — 

sie in der weiteren Darstellung auseinander. Jastrow weist 
hauptsächlich auf die bevölkerungsstatistischen Quellen für das 
i6. Jahrhundert hin, die Ausweise über Landestheilungen und 
über Mannschaftsmusterungen, die Steuerkataster, die Kirchen- 
bücher. Ihm schwebt vor, dass man, um zu einer richtigen 
Auffassung über die Grösse der Städte und die Vertheilung der 
Bevölkerung zu gelangen, die Beweise massenhaft zusammen- 
bringen müsse. Nicht die einzelne Stadt, sondern vereinigt 
ganze Städtegruppen müssten daraufhin untersucht werden. Für 
die Mark Brandenburg, die, gleichweit entfernt von dem Städte- 
reichthum der Rheinlande oder der Seeküsten einerseits und von 
der Städtearmuth der Berg- und Heidelandschaften andererseits, 
ungefähr den Durchschnitt der deutschen Verhältnisse darstellt, 
versucht er selbst eine Skizze. Jastrow schliesst mit einem 
Appell an die Mithülfe der Geschichtsvereine, die Sorge dafür 
tragen sollen, zunächst, dass bekannt wird, wo sich derartige 
bevölkerungsstatistische Quellen in den Archiven ihrer Bezirke er- 
halten haben, und dann, dass sie veröffentlicht werden. 

Bücher's Untersuchungen sind ein geistvoller Versuch, aus 
bisher vernachlässigten Quellen mit Hülfe der Statistik neuen 
Aufschluss zur Beurtheilung des mittelalterlichen Geschäfts- 
lebens zu ziehen. Mit Scharfsinn und Fleiss weiss er aus diesen 
unscheinbaren Registern eine Fülle von belehrendem Detail her- 
vorzuzaubern , an dessen Feststellung allein ihm übrigens nicht 
gelegen ist, das er vielmehr auch in den grösseren Zusammen- 
hang einzuordnen versteht. Er benutzt das neu gewonnene Ma- 
terial zur Beleuchtung verschiedener rechts- und wirthschafts- 
historischer Fragen und bringt für die einzelnen, mitunter selt- 
samen Erscheinungen, aus seiner Kenntniss mittelalterlicher Zu- 
stände Erklärungen bei. Selbst die kühne Gegenüberstellung der 
Ergebnisse moderner Statistik und jener alten Register, die doch 
auf verschiedenen Grundlagen beruhen, ist dazu angethan, die 
Erörterung der Probleme zu fördern. Lehrreicher wäre es ver- 
muthlich gewesen, wenn Bücher die Vergleichung mit anderen 
Städten aus derselben Periode, wie er sie z. B. S. 105 — in vor- 
nimmt, weiter hätte ausdehnen können. Doch war dazu leider 
das Material nicht gegeben. 

Als Quellen benutzt Bücher die Bürgerverzeichnisse von 



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— 190 — 

1387 und 1440. die Bürgerbücher von 131 1 — 1500, das Brüder- 
schaftsbuch der Schlossergesellen von 1417 — 1450, Eidbticher, 
die sogen. Hühnerbücher, d. h. Verzeichnisse der zur Entrich- 
tung von Hühnern Verpflichteten in den Dörfern, und die Liste 
der die Königsbede zahlenden Dorfbewohner. Er gewinnt aus 
ihnen die Einwohnerzahl, die er für das Jahr 1387 auf ca. 9632 
(S. 66), für das Jahr 1440 auf ca. 8600 (S. 196) berechnet und 
charakterisirt den grössten Theil derselben nach Herkunft und 
Beruf So bekommt man von der Besetztheit der einzelnen Ge- 
werbe und der Beweglichkeit der Bevölkerung, die viel wander- 
lustiger war, als man heute im allgemeinen anzunehmen geneigt 
ist, eine anschauliche Vorstellung. Die in die Bürgerschaft neu 
Aufgenommenen können auch nach Alter, Geschlecht und Fa- 
milienstand auseinandergehalten werden. Neben der ansässigen 
Bevölkerung wird die fluctuirende geschildert (S. 602 — 656), 
d. h. der Versuch unternommen, auf Grundlage des Brüderschafts- 
buchs der Schlosser die Wanderungen der Gesellen zu beleuchten. 
Besondere Abschnitte sind der Betrachtung der Geistlichen, der 
Juden und der Dorfschaften gewidmet. Unter diesen ist nament- 
lich das Kapitel über die Juden lehrreich und räumt mit mancher 
verkehrten Anschauung auf. 

In der Ausnutzung seines Materials scheint mir Bücher 
stellenweise zu weit gegangen. So in der Erörterung über Haupt- 
und Nebenberuf. Die Thatsache, dass neben einem Rufnamen 
zwei Berufsarten angegeben sind, wie z. B. 
Heiderich schencke becker 
Henne kerczenraacher slosser, 
führt Bücher auf die Annahme von Doppelberufen. Heiderich 
wäre ein Bäcker, der gleichzeitig eine Schenke hält, Henne ein 
Schlosser, der gleichzeitig Kerzen giesst. Allerdings weist er 
weiter darauf hin, dass die erste Berufsbezeichnung bisweilen (1) 
das früher betriebene Gewerbe des Betreffenden oder seines 
Vaters angebe, und schränkt auf diese Weise seine Behauptungen 
selbst ein. Aber er will die mitgetheilten Angaben doch als 
Beleg für das Vorkommen von Berufswechsel und Nebenberufen 
(S. 233 — 235) angesehen wissen, indem er darauf aufmerksam 
macht, dass in vielen der von ihm aufgedeckten Fälle der Ver- 
bindung zweier Berufsarten die Natur der betreffenden Erwerbs- 



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— 191 — 

zweige sie begründet sein lässt. So wenig nun auch das Vor- 
kommen von Nebenberufen in jener Zeit bezweifelt werden soll, 
so scheint es doch misslich, mit den erwähnten Nachrichten das- 
selbe erhärten zu wollen. Da die Sitte der Familiennamen im 
15. Jahrhundert, besonders bei ansässigen Bürgern, ziemlich 
allgemein verbreitet war, liegt es näher, bei der ersten der beiden 
Berufsbenennungen fast immer an das früher in der Familie be- 
triebene Gewerbe zu denken, das derselben den Namen verliehen 
hat. So wenig man aus einer modernen Zählkarte, auf der bei- 
spielsweise Carl Gärtner als Weber angeführt ist, auf eine Com- 
bination beider Berufe schliessen kann, obwohl die Natur beider 
Erwerbszweige eine Verbindung gut zulässt, so bedenklich er- 
scheint eine derartige Schlussfolgerung auch bei dem Material 
der früheren Zeit. 

Aehnliche Bedenken erwachen bei den Betrachtungen über 
die Herkunft der Gesellen. Es ist mir zweifelhaft, ob Bücher 
Recht hat, wenn er in dem erwähnten Brüderschaftsbuch in dem 
bei jedem aufgenommenen Gesellen verzeichneten Ortsnamen die 
Heimathsangabe erblickt. Ich glaube eher, dass man in ihm 
fast immer den Namen der Stadt erblicken mus&, aus welcher 
der Geselle kam, d. h. in welcher er zuletzt gearbeitet hatte. 
Es verhält sich m. E. mit den Eintragungen in die Bürger- 
bücher und in die Gesellenbücher anders. Den ersteren gegen- 
über wird es richtig sein, bei dem der Präposition »von« zu- 
gefugten Ort an die Heimath zu denken. Dagegen hatte die 
Aufzeichnung des Heimathsorts für die Gesellen geringere Be- 
deutung. Wohl aber hatten die Genossen an der Feststellung des 
Orts, wo der neue Ankömmling zuletzt gearbeitet hatte, ein leb- 
haftes Interesse; denn mitunter kam es darauf an, die Legiti- 
mationspapiere zu prüfen, die dort herrschenden Zunftgesetze 
über das Wandern, Einschreiben u. dergl. m. kennen zu lernen. 
Das wird gleichwohl nicht gehindert haben, in manchen Fällen 
die Heimath und den Ort, wo man zuletzt in Arbeit gestanden 
hatte, zugleich anzugeben. Die Familiennamen selbst richteten 
sich oft nach der Heimath, z. B. Tomas Neidecker von Krin 
(S. 629), Andres Hopinger von Nürnberg (S. 651). Dass auch 
Frankfurt als Ort, wo zuletzt gearbeitet worden war, angeführt 
wird, und zwar sehr häufig — 99 Mal — wird nicht auffallen, wenn 



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— 192 — 

man bedenkt, dass alle die zu Gesellen gemachten Lehrlinge, die 
in Frankfurt ausgelernt hatten, als aus dieser Stadt kommend 
eingetragen sein können. Auch die Angabe von Dörfern als 
Herkunftsorten spricht nicht dagegen, weil unter Umständen der 
Geselle auch auf dem Lande gearbeitet haben konnte. Sofern 
demnach die Herkunfts-Statistik der Gesellen eine Heimaths-Sta- 
tistik sein will, scheint sie mir auf schwachen Füssen zu stehen. 
Sie ist dagegen lehrreich in der Beziehung, in welcher bereits 
Schanz^) seine Untersuchungen anstellte, nämlich in Bezug auf 
den Austausch an Arbeitskräften. In dieser Hinsicht ist es in- 
teressant, wenn auch Bücher findet (S. 649), dass die Mehrzahl 
der Gesellen ohne irgend eine Ausnahme aus den Städten stammt, 
und sicherlich zutreffend, wenn er an einer anderen Stelle er- 
läuternd hinzufügt (S, 651), dass nur die Städte einen Markt 
für qualificirte gewerbliche Arbeit und Gelegenheit zur Erlernung 
eines Handwerks boten, demnach auch bloss zwischen ihnen ein 
Austausch industrieller Arbeitskräfte stattfinden konnte. 

Unter allen Umständen haben wir in Bücher's Frankfurter 
Bevölkerungs-Statistik ein bedeutsames Werk, dessen zweitem 
Bande wir mit Erwartung entgegensehen und dem wir bald 
Nachfolger für andere Städte wünschen. 



i) Hildebrand's Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Bd. 28. 
S. 313 u. ff. 



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NACHRICHTEN 

VOM 

!; HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN. 

"' SECHZEHNTES STÜCK. 

Versammlung zu Quedlinburg 1886 Juni 15 und 16. 



Hansische Geschichtsbläiier. XV 13 



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I. 

FÜNFZEHNTER JAHRESBERICHT. 

ERSTATTET 
VOM VORSTANDE. 



Als vor wenigen Wochen die Einladung zur diesjährigen 
Versammlung an die Mitglieder unseres Vereins versandt wurde, 
durften wir uns noch der frohen Hoffnung hingeben, dass zu 
denen, die ihr Folge leisten würden, der Geheime Rath Professor 
Dr. Waitz gehören werde. Das Schicksal hat es anders be- 
stimmt. Von einer schweren Krankheit plötzlich ergriffen, ruht 
er jetzt im stillen Grabe. Es lebt aber und wird fortleben die 
Erinnerung an die grossen Verdienste, die sich der Verstorbene 
um die Erforschung deutscher Geschichte erworben hat. Vor 
allem aber wird in unserm Verein das Andenken an die Förde- 
rung und Unterstützung, die seine Bestrebungen allezeit bei ihm 
gefunden haben , niemals dem Gedächtniss entschwinden. Ver- 
dankt es doch der Verein vornehmlich Waitz, dass bei der ersten 
1871 in Lübeck abgehaltenen Versammlung die Aufgaben, welche 
zu erfüllen, die Zielpunkte, welche zu erreichen seien, sofort klar 
und sicher bestimmt wurden. Seitdem hat er, soweit die Ver- 
hältnisse ihm solches nur irgendwie gestatteten , stets unseren 
Versammlungen beigewohnt und auf ihnen durch seine hohe 
Einsicht und seinen weisen Rath unsere Arbeiten auf das kräf- 
tigste unterstützt; auch hat er eine grosse Zahl von ihm gebil- 
deter Schüler unserem Verein als Mitarbeiter zugeführt. Wir 
erfüllen daher nur eine schuldige Pflicht der Dankbarkeit, wenn 
in unserer heutigen Versammlung der erste Vortrag seinem An- 
denken gewidmet ist. 

13* 



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— IV — 

Aus dem Kreise unseres Vorstandes ist der Oberbürger- 
meister Dr. Becker zu Köln durch den Tod abberufen worden. 
Ihm vornehmlich verdankt unser Verein die freundliche Auf- 
nahme , die er im Jahre 1876 zu Köln gefunden hat; ihm ist 
es anzurechnen, dass das dortige Stadtarchiv, jene reiche Schatz- 
kammer ftir hansische Geschichte, durch die Berufung eines be- 
währten Gelehrten einer neuen Ordnung unterzogen wird ; ihm 
fühlt sich auch der Vorstand für vielfache von ihm ausgegangene 
Anregungen auf das lebhafteste verpflichtet. 

Von weiteren Mitgliedern unseres Vereins sind gestorben in 
Hamburg: Senator Johns, Pastor Dr. Mönckeberg, D. C. Brandt 
und Th. G. Meissner, in Bremen: Rechtsanwalt Dr. F. Meier 
und Kaufmann H. Schmidt, in Danzig: Consul G. W. Baum, 
in Leipzig : Professor Dr. G. Curtius und Professor Dr. R. Wagner, 
in Lübeck: Dr. med. Th. Bück, in Riga: Bibliothekar G. 
Berkholz. 

Als neue Mitglieder sind dem Verein beigetreten in Braun- 
schweig: K. Hauswaldt, in Bremen: Dr. jur. H. H. Pflüger und 
Kaufmann O. W. HofFmann, in Leipzig: Studiosus W. Voss, in 
Neubrandenburg: Landsyndikus Ahlers, in Stettin: Landesrath 
Denhard, in Jena: Hofrath Professor Dr. 0. Lorenz, in Berlin: 
Dr. L. Riess, in London: Dr. Gh. Gross. 

Hiernach zählt unser Verein zur Zeit 502 Mitglieder. 

Senatssecretär Dr. von Bippen in Bremen, der im vorigen 
Jahre nach Ablauf seiner Amtsdauer aus dem Vorstande aus- 
trat, ward wiederum zum Vorstandsmitgliede erwählt. 

Was sodann die Fortführung der bisherigen vom Verein 
herausgegebenen litterarischen Arbeiten betrifft, so konnte der 
Jahrgang 1884 der hansischen Geschichtsblätter erst im Beginn 
dieses Jahres versandt werden. 

Von der zweiten Abtheilung des dritten Bandes des han- 
sischen ürkundenbuches ist der Text, welcher einundsechzig 
Bogen umfasst, im Drucke vollendet. Zur Zeit ist der Heraus- 
geber, Stadtarchivar Dr. Höhlbaum, mit der Abfassung der Re- 
gister beschäftigt. Diesen soll ein von Oberlehrer Dr. Feit in 
Lübeck angefertigtes, alle drei Bände umfassendes Glossar bei- 
gefügt werden. Diese Arbeiten sind soweit fortgeschritten, dass 
ihre Veröffentlichung binnen kurzem zu erwarten steht Von 



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— V — 

Senatssecretär Dr. Hagedorn, dem die Fortsetzung des Urkunden- 
buchs übertragen ist, sind die hierzu erforderlichen Archivreisen 
vollendet; er ist jetzt mit den Vorarbeiten für die Herausgabe 
beschäftigt. 

Da Professor von der Ropp zu Giessen durch das ihm 
übertragene Amt eines Rectors der Universität sehr in Anspruch 
genommen ist, so kann er das Erscheinen des fünften Bandes 
der zweiten Abtheilung der Hanserecesse erst für das nächste 
Jahr in Aussicht stellen. 

Zur Vervollständigung des Urkundenmaterials für die dritte 
Abtheilung der Hanserecesse hat Professor Schäfer im ver- 
gangenen Jahre die Archive zu Köln, Düsseldorf, Duisburg und 
Lübeck besucht ; auch sind ihm aus Köln, Düsseldorf und Lübeck 
verschiedene Archivahen zur Benutzung nach Breslau gesandt 
worden. Hiernach hofft er seine Arbeiten für den dritten Band, 
der bis 1498 oder 1499 reichen wird, noch vor Ende des Jahres 
zum Abschluss zu bringen. 

Vorher wird das Buch des Vogts auf Schonen, das als 
vierter Theil der Geschichtsquellen erscheinen soll, von ihm dem 
Drucke übergeben werden. 

Die beabsichtigte Herausgabe einer Karte, auf der die Ver- 
kehrswege der Hanse zu Wasser und zu Lande übersichtlich 
eingetragen sind, konnte bis jetzt nicht weiter gefördert werden. 
Denn es ist dem Vorstande nicht gelungen, einen Gelehrten zu 
gewinnen, dem die Anfertigung dieser Arbeit hätte übertragen- 
werden können. 

Schon seit einer Reihe von Jahren ist eine wissenschaftliche 
Reise nach England Gegenstand der Berathung in unseren Vor- 
standssitzungen gewesen. Insbesondere hat der Herausgeber der 
ersten Abtheilung unseres Urkundenbuches , Stadtarchivar Dr. 
Höhlbaum, wiederholt auf die Noth wendigkeit einer Ergänzung 
des Materials hingewiesen, das von dort her durch den Sammel- 
fleiss von Pauli und Junghans zusammengebracht worden ist, 
und auch von Professor Pauli ist uns eine solche Reise unter Hin- 
weis auf die inzwischen neu aufgefundenen archivalischen Schätze, 
die sich namentlich als für die Erkenntniss des mittelalterlichen 
Handels- und Schififahrtsverkehrs lehrreich erweisen, dringend 
empfohlen worden. Nicht pecuniäre Bedenken waren es, welche 



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— VI — 

bisher die Ausführung einer solchen Reise verhinderten ; nament- 
lich nachdem im Jahre 1878 bei Gelegenheit unserer Jahres- 
versammlung in Göttingen die Liberalität der Verwaltung der 
Wedekind-Stiftung unserm Verein eine Summe von Mk. 3000 zur 
Förderung unserer Arbeiten zur Verfügung gestellt hatte, war der 
Vorstand darüber einig, dass dieses Ehrengeschenk zu einer auf 
die Erforschung der deutsch-englischen Handelsbeziehungen ge- 
richteten Reise nach England am angemessensten zu verwenden 
sei. Dahingegen war einerseits von unserem Secretär, Dr. Kopp- 
mann, die Ansicht ausgesprochen worden, dass das aus England 
zu erwartende Material seinem Charakter nach im grossen und 
ganzen in den Rahmen unserer bisherigen Hauptunternehmungen, 
des Urkundenbuches und der Recesssammlungen , nicht hinein- 
passen werde, und wenn sich auch in unseren Geschichtsquellen 
das Organ darbot, eine besondere Publication zu veranstalten, 
vielleicht auch eine besondere Editionsweise vorzunehmen, so 
fehlte es uns doch andererseits an einer wissenschaftlichen Kraft, 
die sowohl befähigt gewesen wäre, der eigenartigen Schwierig- 
keiten , welche diese Aufgabe mit sich bringt , Herr zu werden, 
als auch selbstlos genug, um sich wenigstens theilweise in den 
Dienst von Unternehmungen zu stellen, die von andern geleitet 
werden. Dem warmen Interesse, das der Geheime Rath Waitz 
auch dieser Angelegenheit unseres Vereins gewidmet hat, haben 
wir den Hinweis auf eine solche Kraft zu verdanken. Zu unserer 
wahren Freude ist Dr. Ludwig Riess, der durch seine an Ort 
und Stelle gemachten Studien über das Wahlrecht zum englischen 
Parlament mit den Archiven Londons bekannt und mit den 
dortigen Verhältnissen vertraut ist, bereitwillig auf unsere Vor- 
schläge eingegangen. Nach Beendigung der noth wendigen Vor- 
studien hat derselbe sich nach London begeben, wo er seit dem 
17. Februar theils im City-Archiv, theils im Public Record Office 
beschäftigt ist und (nach seinen beiden ersten, dem Vorstand 
am 30. März und 19. Mai erstatteten Berichten zu urlheilen) 
bei liberalstem Entgegenkommen der Behörden und der liebens- 
würdigsten Unterstützung von Seiten der Beamten sowohl, wie 
der Besitzer von Privatsammlungen, mit dem günstigsten Erfolge 
für uns arbeitet. 

Da die Benutzung der Hanserecesse sehr erheblich gefördert 



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— VII — 

werden würde, wenn zu denselben ein Sachregister vorhanden 
wäre, so ist der Vorstand mit dem Oberlehrer Dr. Hausberg in 
Lübeck wegen der Anfertigung eines solchen in Verhandlung ge- 
treten und hat sich dieser zur Uebernahme der Arbeit bereit 
erklärt. Ebenderselbe hat auch begonnen, eine Abschrift des 
ältesten Lübecker Niederstadtbuchs anzufertigen. Dasselbe soll 
Seitens des Vereins als ein Band der hansischen Geschichts- 
quellen veröffentlicht werden. 

Die gegenwärtige Finanzlage hat den Vorstand veranlasst, 
die Herausgabe einer auf Quellenforschung beruhenden Schrift 
des Dr. A. Winckler »Die Hansa in Russland« durch Gewäh- 
rung eines Beitrags zu den Druckkosten zu unterstützen. 

Da im verflossenen Jahre der fünfjährige Termin, für den 
uns von den ehemaligen Hansestädten ein Beitrag abermals be- 
willigt war, bei den meisten derselben ablief, so ward an sie ein 
Ersuchen um Fortgewährung gerichtet Allseitig ist auf das 
bereitwilligste dieser Bitte entsprochen worden und hierdurch 
der Fortbestand unseres Vereins und die Fortführung seiner 
Arbeiten für die nächsten Jahre gesichert. Auch die Stadt Riga 
bekundete ihr • fortgesetztes Interesse an unseren Bestrebungen 
dadurch , dass sie uns für die nächsten fünf Jahre einen ein- 
maligen Beitrag von Rb. 300 einsandte. 

Die Rechnung ward von Senator Culemann in Hannover 
und Dr. Perlbach in Halle einer Durchsicht unterzogen und 
richtig befunden. 

An Schriften sind eingegangen: 
a) von Städten, Akademien und historischen Vereinen: 

Zeitschrift des Aachener Geschichts Vereins Bd. 7. 

Mittheilungen des Vereins für Geschichte Berlins, 1885 u. 86. 

Schriften des Vereins für Geschichte Berlins, Heft 22: H. 
Vogt, die Strassennamen Berlins; Beringuier, Die Stamm- 
bäume der Mitglieder der französischen Kolonie in Berlin. 

Bremisches Urkundenbuch Bd. 4, Heft 2 und 3. 

Kämmereirechnungen der Stadt Deventer, Bd. 3, Heft 2. 

Gelehrte Estnische Gesellschaft in Dorpat: Sitzungsberichte 
1884. Verhandlungen 12. Bd. 

Jahrbuch für Geschichte von Elsass-Lothringen, i. Bd. 



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— VIII — 

Bugenhagens Hamburgische Kirchenordnung, Hamburg 1885. 
Urkundenbuch der Stadt Hildes heim, herausg. von Doebner, 

Bd. 2. 
Von der Akademie zu Krakau: 

Acta historica res ^estas Poloniae illustrantia tom. VIII. 

Scriptores rerum Polonicarum tom. VIII. 

Sitzungsberichte. Bd. 18. 
Geschichtsblätter für M a g d e b u r g , Bd. 20, Heft 2 — 4. 2 1 , Heft i . 
Zeitschrift des histor. Vereins für Marien werder, Heft 13 — 15. 
A. Düning , Uebersicht über die Münzgeschichte des Stifts 

Quedlinburg. 
Programm des Gymnasiums zu Rostock 1886: Nie. Rutze, 

Dat bokeken van deme repe. 
Zeitschr. fürSchleswig-Holsteinische Geschichte. Bd. 1 4 . 1 5 . 
Zeitschrift des Vereins für thüringische Gesch. Neue Folge. 

Bd. 3, Heft I u. 2. 
Thüringische Geschichtsquellen, Neue Folge Bd. i : Urkunden- 
buch der Stadt Arnstadt, herausg. v. Burkhardt. 

Bd. 2 : Urkundenbuch der Vögte von Weida , Gera und 
Plauen, Bd. i., herausgegeben von Berth. Schmidt. 
Zeitschrift für Geschichte Westfalens, Bd. 43. 
Zeitschrift des Westpreussischen Geschichtsvereins Heft 

14 u. 15. 
Würtembergische Vierteljahrshefte. Jahrg. 1885. 

b) von den ■ Verfassern : 
A. Winckler, Die Hansa in Russland. 
J. Girgensohn, Bemerkungen über die Erforschung der livlän- 

dischen Vorgeschichte, Riga 1885. 
Th. Schiemann, Historische Darstellungen und archivalische 

Studien; Hamburg und Mitau 1886. 



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— IX — 

KASSEN-ABSCHLUSS 

AM 2. JUNI 1886. 



EINNAHME. 

Vermögensbestand Ji 23,507. 80 /^ 

Zinsen „ 901. 54 „ 

Beitrag S. M. des Kaisers ..... „ 100. — „ 

Beiträge deutscher Städte „-6,761. — „ 

Beiträge ausserdeutscher Städte „ i,295.56„ 

Beiträge von Vereinen „ 345. — „ 

Beiträge von Mitgliedern . . . . . „ 3,584. 10 „ 

Für verkaufte Schriften „ 7. — „ 

Geschenke „ 104. 40 „ 



Ji 36,606. 40 /i^ 

AUSGABE. 

Urkundenbuch (Honorar und Reisekosten) . Ji 973- 90 ^1^ 

Recesse, Abth. III (Reisekosten u. Urkunden- 
abschriften) „ 913. — „ 

Geschichtsblätter : 

Honorare . . . . Ji 435. — ^ 
Ankauf von Exemplaren „ 1,306. — „ 

„ 1,741. — „ 

Zuschuss für den Druck eines Geschichtswerks „ 400. — „ 

Forschungsreise nach England . . . . . „2,525.50^ 

Reisekosten für Vorstandsmitglieder ... „ 584. 65 „ 

Verwaltungskosten (incl. Honorar des Vereins- 
sekretärs) „ 1,028. 60 „ 

Saldo n 2M39' 75 >> 

Ji 36,606. 40 /^ 



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IL 

MITGLIEDER-VERZEICHNISS. 

1887. 



I. BEISTEUERNDE STÄDTE. 



A. IM DEUTSCHEN REICH. 



Anklam. 


Göttingen. 




Münster. 


Berlin. 


Greifswald, 




Northeim. 


Bielefeld. 


Halberstadt. 


Osnabrück. 


Braunschweig. 


Halle. 




Quedlinburg. 


Bremen. 


Hamburg. 




Rostock. 


Breslau. 


Hameln. 




Seehausen. 


Buxtehude. 


Hannover. 




Soest. 


Coesfeld. 


Helmstedt. 




Stade. 


Colberg. 


Hildesheim 


• 


Stendal. 


Danzig. 


Kiel. 




Stettin. 


Dortmund, 


Köln. 




Stolp. 


Duisburg. 


Königsberg. 


Stralsund. 


Einbeck. 


Lippstadt. 




Tangermünde. 


Elbing. 


Lübeck. 




Thom. 


Emmerich. 


Lüneburg. 




Uelzen. 


Frankfurt a. 0. 


Magdeburg 


. 


Wesel. 


Goslar. 


Minden. 




Wismar. 


B. 


IN DEN NIEDERLANl 


DEN. 


Amsterdam. 


Hasselt. 




Venlo. 


Amhem. 


Kampen. 




Zaltbommel. 


Deventer. 


Tiel. 




Zütphen. 


Harderwyk. 


Utrecht. 








C. IN RUSSLAND. 






Dorpat. 


Reval. 


j 




Pemau. 


Riga. 





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— XI — 

II. VEREINE UND INSTITUTE. 
Verein für lübeckische Geschichte. 

„ „ hamburgische Geschichte. 

„ „ Kunst und Wissenschaft in Hamburg. 

Historische Gesellschaft des Künstlervereins in Bremen. 
Grosser Club zu Braunschweig. 

Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde. 
Verein für Geschichte der Provinzen Preussen. 
Westpreussischer Geschichts verein. 
Historischer Verein der Grafschaft Mark in Dortmund. 
Die Bibliotheksverwaltungen zu Bonn und Heidelberg. 



III. PERSÖNLICHE MITGLIEDER. 
A. IM DEUTSCHEN REICH. 



A n k 1 a m : 

C. Roesler, Bankier. 
Manke, Gymn. -Lehrer. 

Berlin: 

Dr. Aegidi, Geh. Legationsrath 
u. Prof. 

Dr. K. Braun, Justizrath. 

Dr. H. Bresslau, Prof. 

Dr. Brosien, Oberlehrer. 

Dr. V. Coler, Generalarzt. 

Dr. E. Curtius, Geh. Rath u. Prof. 

Dr. Doebner, Archivar. 

Dr. Dohme, Direktor, Biblio- 
thekar S. M. des Kaisers. 

Dr. P. Ewald f. 

Dr. Friedländer, Archivrath. 

Dr. Goldschmidt, Geh. Rath u. 
Prof. 

V. Grossheim, Architekt. 

Dr. Grossmann, Archivrath. 

Dr. v. Heinemann. 

Dr. Hoeniger, Privatdocent. 

Dr. Holder-Egger. 

van der Hude, Reg.-Baumeister. 



Dr. Kropatschek , Reichstags- 
mitglied. 

Dr. Krüger, Ministerresident. 

Dr. F. Liebermann. 

G. Lipke, Rechtsanwalt, Reichs- 
tagsmitglied. 

Dr. Meinardus, Archivar. 

Dr. A. Naude. 

Dr. C. Rodenberg, Privatdocent. 

Dr. M. Roediger, Prof. 

Dr. Rösing, Geh.Ober-Reg.-Rath. 

H. Rose, Generaldirektor. 

Dr. Schiemann, Privatdocent. 

Dr. Wattenbach, Prof. 

Dr. Weber, Stadtrath. 

Dr. Weizsäcker, Prof. 

Dr. Wilmanns, Generaldirektor 
der Kgl. Bibliothek u. Prof. 

Dr. K. Zeumer, Privatdocent. 

Bielefeld: 
Job. Klasing, Buchhändler. 

Blankenburg: 
SteinhofF, Gymn. -Lehrer. 



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— XII — 



Bonn: 
Dr. N. Delius, Geh. Rath u. Prof. 
Dr. Lamprecht, Prof. 
Dr. Loersch, Prof. 
Dr. V. Schulte, Geh. Rath u. Prof. 

Braunschweig: 

Dr. Haeusler, Justizrath. 

Dr. Hänselmann, Archivar u. 

Prof. 
K. Hauswaldt. 
Th. Stein weg, Kaufmann. 

Bremen: 

Dr. H. Adarai. 
Dr. C. Barkhausen, Senator. 
Dr. F. Barkhausen, Landgerichts- 
Direktor. 
Dr. V. Bippen, Archivar, 
BufF, Senator. 

Dr. Bulle, Prof., Gymn.-Direktor. 
Cordes, Richter. 
Dierking, Steuer-Direktor. 
Dr. Donandt, Richter. 
Dr. Dünzelmann, Gymn.-Lehrer. 
Dr. Ehmck, Senator. 
Dr. J. Focke, Senatssekretär. 
Dr. med. W. O. Focke. 
Johs. Fritze, Kaufmann. 
Dr. Gerdes, Gymn.-Lehrer. 
Dr. Gildemeister, Bürgermeister. 
J. H. Gräving, Makler. 
Habenicht, Schul vorstehen 
Dr. H. Hertzberg, Gymn.-Lehrer. 
Hildebrand, Rechtsanwalt. 
O. W. Hoffmann, Kaufmann. 
Höpken, Pastor emer. 
Dr. Johs. Höpken. 
C. R. Hurm, Kaufmann. 
Iken, Pastor. 

Dr. Janson, Gymn.-Lehrer. 
H. Jungk, Kaufmann. 
Dr. Lahusen, Richter. 
Dr. Lürmann, Bürgermeister. 



Dr. Marcus, Syndikus. 

Dr. Martens, Gymn.-Lehrer. 

Dr. H. Meier, Senator. 

H. W. Melchers, Kaufmann. 

J. Menke, Kaufmann. 

C. Merkel, Kaufmann. 

Dr. F. Mohr, Landgerichts-Dir. 

G. E. Müller, Buchhändler. 

Dan. Müller, Schul Vorsteher. 

Ed. Müller, Kaufmann. 

H. Müller, Architekt. 

Nielsen, Senator. 

Dr. Oelrichs, Senator. 

Ordemann, Redakteur. 

W. Osenbrück, Kaufmann. 

Dr. A. Pauli, Senator. 

Dr. med. B. Pauli. 

E. Pavenstedt, Kaufmann. 

Dr. J. Pavenstedt, Rechtsanwalt. 

F. Reck, Kaufmann. 

L. Rutenberg, Architekt. 
Dr. Sattler, Prof. 
Schenkel, Pastor. 

F. A. Schultz, Senator. 

Dr. Schumacher, Ministerresident. 
Dr. Sievers, Rechtsanwalt. 

G. Smidt, Kaufmann. 
Johs. Smidt, Konsul. 
Dr. J. Smidt, Richter. 
Leop. Strube, Kaufmann. 

Dr. J Wilckens, Rechtsanwalt. 

Breslau: 

Dr. Kayser, Dompropst. 
Dr. D. Schäfer, Prof. 

Celle: 
Dr. Fabricius, Landgerichtsrath. 

Danzig: 

Dr. Damus, Oberlehrer. 
Dr. Panten, Direktor. 
Dr. Schümann, Prof. 
Dr. Völkel, Direktor. 



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— XIII 



Darmstadt : 
Dr. C. Lindt, Gymn.-Lehrer. 

Dessau: 
Dr. Duncker, Regierungsassessor. 

Detmold: 
Dr. Gebhard, Gymn. -Direktor. 

Dortmund: 
Dr. Rubel, Oberlehrer. 

Dresden: 

Th. Boyes, Gutsbesitzer, 
Dr. Ermisch, Archivrath, 
Dr. Posse, Archivrath. 

Elbing: 
Dr. Toeppen, Gymn. -Direktor. 

Erfurt: 
V. Richthofen, Regierungsrath. 

Erlangen: 
Dr. K. Hegel, Prof. 

F r a n k f u r t a. M. : 
G. A. B. Schierenberg. 

Friedland (in Mecklenburg): 

Ubbelohde, Gymn. -Direktor. 
Voss, Bürgermeister. 

Geestendorf (bei Geeste- 
münde) : 

J. G. Schmidt. 

Giessen: 
Dr. V. d. Ropp, Prof. 



Goslar: 
Buchholz, Amtsgerichtsrath. 
V. Garssen, Bürgermeister. 
Leonhardt, Amtsrichter. 
Dr. Rudolph, Rechtsanwalt. 
A. Schumacher. 

Göttingen: 

Dr. V. Bar, Geh. Rath u. Prof. 

Dr. Bertheau, Geh. Rath u. Prof. 

Dr. Cohn, Prof. 

Dr. Dove, Geh. Rath u. Prof 

Dr. Frensdorff, Prof. 

Dr. Friedensburg. 

Dr. Gödeke, Prof. 

Dr. Henneberg, Prof. 

Dr. John, Geh. Rath u. Prof. 

Dr. Kluckhohn, Prof. 

Dr. K. Kunze. 

Dr. Platner. 

Dr. Sauppe, Geh. Rath u. Prof. 

Dr. R. Schroeder, Geh. Rath u. 
Prof. 

Dr. Soetbeer, Geh. Rath u. Prof. 

Dr. Steindorff, Prof. 

Tripmaker, Senator. 

Dr. Vollmöller, Prof. 

Dr. Volquardsen, Prof. 

Dr. Wagenmann, Prof. 

E. Warken tien, Buchhändler. 

Dr. Weiland, Prof. 

A. Wolters, Präsident der Han- 
delskammer. 

Greifs wald: 
Dr. Bernheim, Prof. 
Dr. Pyl, Prof. 
Dr. Reifferscheid, Prof. 
Dr. Ulmann, Prof. 

Halberstadt: 
Dr. G. Schmidt, Gymn.-Direktor. 

Halle: 
Dr. A. L. Ewald, Prof. 



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— XIV 



Dr. Opel, Prof., Oberlehrer. 
Dr. Perlbach, Bibliothekar. 
Dr. C. Wenck, Privatdocent. . 

Hamburg: 

L. P2. Amsinck. 

C, H M. Bauer. 

Dr. R. Behn, Oberlandesgerichts- 

rath. 
Dr. O. Beneke, Archivar. 
C. Bertheau, Pastor. 
Dr. C. Bigot. 

Dr. Bornemann, Schulvorsteher.. 
Dr. Braband, Senator, f. 
Dr. J. Brinckmann, Direktor. 
Herrn. Brockmann. 
M. J. W. Callenbach. 
Dr. J. Classen, Direktor. 
Dr. V. Duhn, Oberlandesgerichts- 

rath. 
H. Engel. 
Dr. H. Erdmann. 
Dr. Friedländer, Direktor. 
J. P. Frisch. 
C. F. Gaedechens. 
Dr. W. Godeffroy. 
Lucas Graefe, Buchhändler. 
Dr. J. H.Hansen, Gymn.-Lehrer, 
Harms, Schulrath. 
Th. Hayn, Senator. 
Alb. Heineken. 
A. Hertz, Senator. 
F. C. Th. Heye. 
J. D. Hinsch. 
Dr. Hoche, Gymn.-Direktor. 

Prof. 
Dr. M. Isler. 
J. Fr. Kedenburg. 
Dr. H. A. Kellinghusen. 
Dr. Kiesselbach, Oberlandesge 

richtsrath. 
C. J. Krogmann. 
H. A. Krogmann. 
Dr. Kunhardt, Senator. 
Dr. I^appenberg, Senator. 
F. Lappenberg. 



E. Maass, Buchhändler. 
Ed. Mantels. 

Gust. Mantels. 

Dr. O. Matsen, Bibliothekar. 

F. Max Meyer. 

Dr. W. H. Mielck, Apotheker. 

E. Minlos. 

Dr. Mönckeberg, Senator. 

Dr. Moller, Landrichter. 

E. Nölting. 

Dr. Noodt, Direktor. 

Freih. A. v. Ohlendorff. 

•Freih. H. F. B. v. Ohlendorff. 

Dr. R. L. Oppenheimer. 

Dr. G. Petersen. 

J. C. Plagemann. 

Th. Rapp, Senator. 

C. W. Richers. \ 

B. O. Roosen, Pastor. 
Röpe, Hauptpastor. 
Dr. O. Rüdiger. 

Dr. J. Scharlach. 

H. Schemmann, Senator. 

Dr. Th. Schrader, Landrichter. 

Dr. K. Sieveking. 

Dr. W. Sillem, Oberlehrer. 

Dr. Versmann, Bürgermeister. 

Dr. J. F. Voigt. 

Dr. L. Wächter. 

Dr. C. Walther. 

J. R. Warburg. 

S. R. Warburg. 

C. W. L. Westphal. 
N. D. Wichmann. 
R. Wichmann. 

Dr. A. Wohlwill. 

Dr. Wulff, Landgerichtsrath. 

Dr. Th. Zimmermann. /^ ^ 

Hannover: 

Bartels, Bankier. 
Basse, Bankdirektor. 
Bodemann, Rath u. Bibliothekar. 
V. Coelln, Kaufmann. 
C. L. Fuchs, Kaufmann. 
Goetze, Baumeister. 



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— XV 



Haupt, Architekt. 

Dr. Koecher, Oberlehrer. 

Lichtenberg, Senator. 

Dr. Mejer, Konsistorial-Präsident. 

V. d. Osten, Regierungsrath. 

Rossmässler, Buchhändler. 

Dr. Sattler, Archivar. 

Dr. Uhlhorn, Abt zu Loccum. 

Dr. A. Ulrich. 

Th. Werner, Kaufmann. 

Harburg: 
Eggers, Premier-Lieutenant. 

Hildesheim: 
V. Brandis, Hauptmann a. D. 
Dr. KirchhofF, Gymn.-Direktor. 
Kluge, Gymn.-Lehier. 
Römer, Senator. 
Dr Schmidt, Syndikus. 
Semper, Regierungsrath. 
Struckmann , Oberbürgermeister. 

Holzminden: 
Bode, Staatsanwalt. 

Jena: 
G. Fischer, Buchhändler. 
Dr. O. Lorenz, Prof., Hofrath. 

Kiel: 
Dr. Ahlmann, Bankier. 
Dittmer, Kapitän zur See. 
Dr. Handelmann, Prof. 
Dr. Hasse, Prof. 
Sartori, Konsul. 

Kob lenz: 
Dr. Wagner, Archivar. 

Köln: 
W. J. Bürgers, Kommerzienrath. 
Camphausen, Wirkl. Geh. Rath, 

Excellenz. 
A. Camphausen, Bankier. 
Deichmann, Bankier. 



J. M. Heimann, Kaufmann. 

Herstatt, Direktor. 

Herstatt, Kommerzienrath. 

R. Heuser, Stadtrath. 

Dr. Höhlbaum, Prof., Archivar. 

Körte, Rentner. 

E. Langen,Geh.Kommerzienrath. 

F. D. Leiden, Konsul. 
O. Meurer, Kaufmann. 

Dr. V. Mevissen, Geh. Kom- 
merzienrath. 

G. Michels, Kommerzienrath. 
Movius, Bankdirektor. 
Nagelschmidt, Baumeister. 
Chr. Noss, Kaufmann. 

H. Nourney, Kaufmann. 
D. Oppenheim, Geh. Regierungs- 
rath. 

A. vom Rath, Bankier. 
Rennen, Geh. Rath, Präsident. 
Rennen, Bürgermeister. 
Senden, Regierungsrath. 
Statz, Baurath. 

H. Stein, Bankier. 

R. Stein, Bankier. 

Dr. Struckmann , Oberlandge- 
richts-Präsident. 

Dr. Weibezahn, Sekr. d. Han- 
delskammer. 

Königsberg: 
Dr. L. Quidde. 

Leipzig: 
Dr. Bienemann, Redacteur. 
C. Geibel, Buchhändler. 

B. Hassel blatt, cand. bist 
W. Voss, stud. phil. 

Liegnitz: 
v. Stockhausen , Landgerichts- 
Präsident. 

Lübeck: 
Dr. Th. Behn, Bürgermeister. 
H. L. Behncke, Konsul. 



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— XVI 



H. Behrens, Kaufmann. 

Benda, Eisenbahn-Direktor. 

Dr. J. Benda, Amtsrichter. 

H. Bertling, Kaufmann. 

Aug. Brehmer, Ingenieur. 

Dr. A. Brehmer, Rechtsanwalt. 

Dr. W, Brehmer, Senator. 

Th. Bück, Kaufmann, 

Burow, Rektor. 

S. L. Cohn, Bankier. 

Dr. Curtius, Oberlehrer. 

H. Deecke, Kaufmann. 

A. Erasmi^ Kaufmann. 

Dr. Eschenburg, Senator. 

Dr. Fehling, Rechtsanwalt. 

Dr. Feit, Oberlehrer. 

Dr. Funk, Amtsrichter. 

Dr. Th. Gaedertz. 

Dr. E. Hach, Senatssekretär. 

Dr. Ad. Hach, Polizeisekretär. 

Dr. A. Hagedorn, Senatssekretär. 

G. F. Harms, Senator. 

H. Harms, Kaufmann. 

Th. Harms, Kaufmann. 

Jobs. Hasse, Kaufmann. 

Dr. Hausberg, Oberlehrer. 

Dr. Hoffmann, Prof. 

Holm, Pastor. 

Dr. Klug, Senator. 

Dr. Klügmann, Senator. 

H. A. C. Krohn, Konsul. 

A. Lienau, Kaufmann. 

H. Linde, Photograph. 

Linden berg, Pastor in Nüsse. 

C. J. Matz, Kaufmann. 

Chr. Mertens, Oberlehrer. 

L. Mollwo, Oberlehrer. 

Dr. L. Müller. 

H. C. Otto, Kaufmann. 

Dr. Peacock, Rechtsanwalt. 

Sartori, Prof. 

Dr. E. Schmidt, Oberlehrer. 

Dr. Schubring, Prof., Gymn.-Dir. 

H. J. J. Schultz, Kaufmann. 

Dr. Timpe, Oberlehrer. 

Trümmer, Hauptpastor. 



Dr. Wehrmann, Archivar. 
Dr. med. Wichmann. 

Lüneburg: 

Dr. Th. Meyer, Oberlehrer. 
Wahlstab, Buchhändler. 

Marburg: 

Dr. Paasche, Prof. 
Dr. Varrentrapp, Prof. 

Marien werder: 
Dr. Dehnicke, Gymn. -Lehrer. 

Marne (in Holstein): 
Köster, Gymn .-Lehrer. 

Metz: 
Dr. V. Bippen, Auditeur. 

Mo ringen (Hannover): 
Hagemann, Amtsrichter. 

Münster: 

Ficker, Kreisgerichtsrat h a. D. 
Fidvez , Gen.-Vikariats- Sekretär. 
Dr. Hülskamp, Präses. 
Graf von Landsberg- Velen. 
Dr. Lindner, Prof. 
Plassmann, Direktor. 
Theissing, Buchhändler. 

Neu-Brandenburg: 
Ahlers, Landsyndikus. 

Neu-Strelitz: 
Dr. V. Buchwald, Archivar. 

Norden (Ostfriesland): 

ten Doornkaat-Koolman , Kom- 
merzienrath. 

Oldenburg: 
Strackerjan, Direktor d. Realsch. 



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— XVII — 



Rheine (Westfalen): 
Weddige, JuftizratJi. 

Ribnitz (Mecklenburg): 
L. Dolberg, Rentier. 

Rostock: 

Dr. Becker, Senator. 

Becker, Amtsgerichts-Aktuar. 

Brummer, Senator. 

Bunsen, Amtsrichter. 

Burchard, Bürgermeister. 

E. Caspar, Kaufmann. 

A. Clement, Konsul. 

A. Crotogino, Konsul. 

CruU, Rechtsanwalt. 

Dr. Dopp, Gymn.-Lehrer. 

Dr. Giese, Bürgermeister. 

Dr. Grossschopf. 

Dr. Hofmeister, Kustos der Bi- 
bliothek. 

G. W. V. Klein, Major a. D. 

H. Ch. Koch, Kaufmann. 

Dr. Koppmann, Archivar. 

Dr. Krause, Gymn.-Direktor. 

Dr. R. Lange, Gymn.-Lehrer. 

Dr. K. Lorenz. 

Dr. B. Löwenstein. 

A. Lüders, Kaufmann. 

Dr. Mann , Oberlandesgerichts- 
rath. 

A. F. Mann, Kommerzienrath, 

Peitzner, Landeseinnehmer. 

Piper, Amtsrichter. 

Reuter, Direktor. 

W. Scheel, Kommerzienrath. 

Dr. Schirrmacher, Prof. 

Dr. Stieda, Prof. 

J. Susemihl, Kaufmann. 

Triebsees, Rechtsanwalt. 

Dr. Wiegandt, Gymn.-Lehrer. 

Schauen (bei Osterwiek): 
O. Freih. v. Grote. 

Hansische Geschichtsblätter. XV. 



Schleswig: 
Dr. Hille, Archivrath. 

Schwerin: 
Dr. Grotefend, Archivrath. 

Soest: 
Lentze, Justizrath. 

Spriehusen (Mecklenburg): 
Nölting, Gutsbesitzer. 

Steele (an der Ruhr): 
W. Greven. 

Stettin: 
R. Abel, KonsuJ. 
C. Arlt, Kaufm^ann. 
Graf V. Behr-Negendank, Ober- 
präsident. 
Dr. Blümcke, Oberlehrer, 
Denhard, Landesrath. 
Karow, Kommerzienrath. 
C. A. Koebcke, Kaufmann. 
Fr. Lenz, Bauunternehmer. 
W. H. Meyer, Kaufmann. 
Dr. E. V. d. Nahmer. 
C. G. Nordahl, Kaufmann. 
Dr. O. Wolff, Stadtrath. 

Stralsund: 

Brandenburg, Rathsherr. 
Erichson, Syndikus. 
Gronow, Rathsherr. 
Hagemeister, Justizrath. 
Jobs. Holm, Kaufmann. 
Langemak, Rechtsanwalt. 
Wagener, Justizrath. 

Thorn: 
Bender, Bürgermeister. 

Trenthorst (Holstein): 
Poel, Justizrath. 

14 



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W a d d e n s (Oldenburg) : 
Klüsener, Pastor. 

Warin (Mecklenburg): 
Bachmann, Rektor. 

Wiesbaden: 
Dr. V. Bunge, Staatsrath. 



— XVIII — 

Wismar: 
Dr. med. Crull. 



Wolfenbüttel: 
Dr. P. Zimmermann. 



B. IN ANDEREN LÄNDERN. 



Amsterdam: 

C. Schöffer, Vorsitzender d. kgl. 
Oudheidkundig Genootschap. 

Assen (Niederlande): 

Pynacker Hordyk, kgl. Kom- 
missar. 

Basel: 
Dr. Boos, Prof. 

Cambridge (Massachusetts, 
U.-St): 

Dr. K. Franke. 

Dorpat: 
Dr. Hausmann, Prof. 

Goldingen: 
A. Büttner, Direktor. 

London: 

Dr. Gh. Gross. 

E. Maunde-Thompson, Archivar 
am Britischen Museum. 

Mitau: 
Dannenberg, Gymn. -Inspektor. 

Neapel: 
Dr. Holm, Prof. 



Reval: 

Fr. Amelung. 

Bertling, Direktor. 

Dr. J. Fick. 

Gebauer, Obersekretär. 

Baron Girard. 

V. Gloy, Bürgermeister. 

G. V. Hansen, Hofrath. 

C. F. Höhlbaum, Kaufmann. 

Jordan, Oberlehrer. 

Dr. Kirchhofer, Oberlehrer. 

C. H. Koch, Kaufmann. 

Köhler, Direktor. 

Alex. Mayer, Kaufmann. 

Rieh. Mayer, Kaufmann. 

Wilh. Mayer, Kaufmann. 

Mickwitz, Redakteur. 

V. Nottbeck, Regierungsrath. 

M. Schmidt, Kaufmann. 

Schneering, Oberlehrer. 

Baron H. v. Toll. 

Baron Wrangell. 



Riga: 

Böthführ, Bürgermeister. 

Baron Bruiningk, Ritter schafts- 

sekretär. 
AI. Buchholtz, Redakteur. 
Ar. Buchholtz, Sekretär. 
C. Girgensohn, Oberlehrer. 



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— XIX — 



Dr. J. Girgensohn, Oberlehrer. 
Dr. Hildebrand, Archivar. 
Hollander, Oberlehrer. 
Dr. Poelchau, Oberlehrer. 
Dr. Schwartz, Oberlehrer. 



Rom: 

Dr. V. Schloezer , Exe. , Kgl. 
Preuss. Gesandter. 



Tokio (Japan): 

Dr. Busse, Prof. 
Dr. L. Riess, Prof. 

Utrecht: 
Dr. Muller, Archivar. 

Zürich: 

Dr. Meyer v. Knonau, Prof. 
Dr. Stern, Prof. 



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III. 

BERICHT OBER MEINE ENGLISCHE REISE 

(1886 Febr. 14— Nov. 28). 



LUDWIG RIESS. 

Seit lange war die Nothwendigkeit einer nochmaligen Reise 
nach England zur Lösung ganz bestimmter Aufgaben namentlich 
durch Pauli und Höhlbaum zur Anerkennung gebracht worden. 
Aber wenn der erstere vor allem an eine weitere Ausführung 
der von ihm begonnenen Sammlung der Ausfuhrlicenzen , der 
letztere an eine vergleichende Handelsstatistik des westeuropäi- 
schen, in London concentrirten Verkehrs gedacht hatte, so war 
der verehrliche Vorstand im Laufe der Verhandlungen von einer 
dementsprechenden Abgrenzung meines Arbeitsgebietes mehr und 
mehr zurückgekommen. Der Auftrag, mit dem ich am 14. Febr. 
Berlin verliess, zielte auf eine ergänzende Sammlung aller noch 
ausstehenden Hanseatica im City Archiv und eine Durchsuchung 
der Patent und Close Rolls bis zum Jahre 1300. Erweiterungen 
dieses Arbeitsplanes blieben vorbehalten, wenn ich nach einer 
orientirenden üeberschau an Ort und Stelle, wofür mir 6 Wochen 
gewährt wurden, zweckgemässe" Vorschläge zu machen hätte. 

Diese Orientirung zeigte nun bald, dass Pauli und Junghans, 
wie ich es vermuthet hatte , so ziemlich alles aus dem Public 
Record Office hervorgezogen hatten, was sich an der Hand der 
durch die Record Commission gedruckten sowie handschriftlichen 
Kataloge finden Hess. Ausserdem hatte Junghans den Materialien 
des City Archivs einen rühmenswerthen Fleiss gewidmet, Pauli 



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— XXI — 

die Patent und Close Rolls besonders des 14. Jahrhunderts syste- 
matisch abzusuchen begonnen. War die Nachlese, die mir blieb, 
aiich noch bedeutend gennig, so bestätigte sich doch, dass nur 
ein rationelleres Verfahren, wie ich es von Berlin aus schon vor- 
geschlagen hatte, das zusamm^zubiingen vermöchte, was von 
Rymer nicht aufgenommen und von Pauli und Junghans nicht 
anfgefunden war. 

Ich legte ein Repertorium derjenigen für die Hanseforschung 
wichtigen Stücke an, die von älteren Forschem im Staatsarchive 
eingesehen waren, und verglich diese Verweisungen mit den bereits 
bekannten Materialien. Besonders gaben mir die CoUectionen, die 
Madox, der Archivdirektor zur Zeit der Königin Anna, Robert 
Beale, der Leiter der englischen Politik gegenüber den Hanseaten 
zur Zeit Elisabeths, Sir Matthew Haie, ein Jurist des 17. Jahr- 
hunderts, und ein Anonymus aus derselben Zeit hinterlassen 
haben, die nothwendigen Handhaben zur Bemeisterung der un- 
ermesslichen Schätze des Reichsarchivs. Um sie zu vervollstän- 
digen, bewarb ich mich bei Lord Calthorpe, einem Nachkoni^en 
Sir Robert Beale' s und Besitzer seiner handschriftlichen Saknitn- 
lungen, sowie bei den Benchers von Lincoln's Inb, wohin Haies 
und Seldens Sammlungen gekommen sind, um Zutritt zu ötn 
Handschriften; doch entsprach hier der Gewinn meinen Erwar- 
tungen nicht. Dagegen war der von Sir Robert Cotton her- 
gestellte und unter seinen Manuscripten als Julius E III bezeich- 
nete Band von grossem Nutzen für meine VoruntersuclMiiing. 

Im City Archiv, zu dem ich am i. März Zutritt erhielt, 
befolgte ich, da der Umfang der dort aufbewahrten Akten nicht 
sehr bedeutend ist, die schon von Junghans durchgeführte Me- 
thode, Blatt für Blatt der Letter Books und jede einzelne Rolle 
durchzugehen. Fanden sich anfangs zahlreiche Nachträge und 
Ergänzungen, so nahm ihre Zahl doch mehr und mehr ab^ je 
weiter ich fortschritt. Auch das CoUationiren erwies sich im 
weiteren Verlauf immer weniger nöthig. 

Auf die Vorschläge, die ich demzufolge dem verehrlichen 
Vorstande am 31. März unterbreitete, erhielt ich nach derPfingst- 
versammlung meinen definitiven Auftrag. Es galt im wesent- 
lichen, innerhalb der Zeit bis zum 14. December das Material 
für die Periode bis 1430 möglichst vollständig herbeizuschaffen. 



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— XXII — 

Ich folgte also zunächst den Spuren, die mir meine Vor- 
arbeiten an die Hand gaben^ tmd suchte die in den Rollen selbst 
sich findenden Verweisungen auf frühere Termine oder andere 
Serien von Akten ab; auch die schon ins Urkundenbuch auf- 
genommenen Stücke enthalten manche Hinweise, die richtig be- 
nutzt zu weiteren Aufschlüssen führten, oft aber auch nach 
langem Suchen ohne Resultat blieben. Im ganzen ist ntm Fol- 
gendes erreicht. 

Es sind die Patent, Close imd French Rolls bis 1430 voll- 
ständig erledigt; sie haben einen reichen Ertrag geliefert. Von 
den übrigen Serien der Akten der Kanzlei habe ich den Coram 
Rege Rolls nicht sehr viele, aber werthvoUe Stücke entnommen ; 
es sind dies die Protokolle der Reichsgerichte, die an den vier 
Terminen für alle Grafschaften stattfanden. Einzelnes haben 
auch die Fine Rolls der Chancery ergeben. 

Viel complicierter ist das Verhältniss der Schatzamtsrollen. 
Sie sind zum grössten Theil in den dem Lord Treasurer unter- 
stellten Bureaux geführt worden und werden deshalb auf den 
officiellen Aufschriften mit L. T. R. (Lord Treasurer's Remem- 
brancer) bezeichnet ; wir brauchen diese Initialen nur dann hinzu- 
zufügen, wenn sie zur Unterscheidung dienen und zur Identifi- 
cierung unentbehrlich sind. Dies ist nicht der Fall bei den 
Originalia Rolls ^ die aus Abschriften der an das Schatzamt zur 
Einsicht mitgetheilten Writs bestehen, und der Great Roll of the 
Pipe, die als das Hauptbuch der Generalstaatskasse bezeichnet 
werden kann. Aus beiden habe ich Manches entnehmen können. 

Umfangreicher sind die Memoranda Rolls, und sie bestehen 
aus 2 Serien. Die eine gehört den Bureaux des L.T. R., die 
ändere der Kontrollbehörde des King's Remembrancer an (letztere 
mit Q. R. bezeichnet). Sie sind in wesentlichen Stücken identisch 
und bestehen aus folgenden Rubriken : 

i) Notizen über die zur Rechnungslegung erschienenen Be- 
amten (Adventus vicecorfiitum etc.). 

2) Ertheilung von Aufträgen (Commissiones speciales). 

3) Schuldeintragungen zwischen Privaten (Recognitiones). 

4) Königliche Verordnungen, auf die Bericht zu erfolgen 
hatte (Brevia Regis returnabilia). 



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— XXIII — 

5) Königliche Verordnungen allgemeinen Inhalts (Brevia 
irretumabilia). 

6) Allgemeines (Recorda oder Inter Communia). 

7) Visus et Status Compotorum. Diese Abrechnungen finden 
sich in der L. T. R.-Serie und bilden die Grundlage für die Great 
Roll of the Pipe. 

Da sich alle diese Abtheilungen fiir jeden der vier Termine 
(Hillary, Pasche, Trinity, Michaelis) wiederholen, so muss die 
Citirung so umständlich sein wie etwa: 

Q.R. Memoranda Rolls. Hillary 10 Edw. I Inter Commun« 
m. 5. oder L. T.R. Pasch. 2 Edw. 11 Brevia Regis m. 5. 

Eine genauere Darlegung dieser Anführungsweise wird der 
zu veranstaltenden Publikation vorauszuschicken sein. 

Eine Art Oberrechenkammer bestand unter der Oberaufsicht 
des L.T.R. in dem Pipe Office. Dort wurden nach den Ab- 
rechnungen der einzelnen Beamten die Ausstände und Schulden 
der Königl. Kassen gebucht und die einzelnen Titel nachgeprüft 
Naturgemäss wurden diese Uebersichten erst nach Ablauf des 
Rechnungsjahres oder selbst einer grösseren Frist hergestellt 
Von ihrer letzten Zusammenfassung in der Great Roll of the 
Pipe war schon die Rede. Doch hat man auch in demselben 
Amte die Erträge der Zölle, die Anweisungen auf sie, Exemptionen 
von ihnen sowie die Verkäufe beschlagnahmter Wolle oder Häute 
gebucht Aus diesen Various General Accounts, Customs ent- 
nahm ich viele Bethätigungen für die hanseatische Handelsthädg- 
keit von 1303 — 1400. Möglich war dies dadurch, dass die 
deutschen Kaufleute einen Ausnahmetarif für glatte Gewebe 
genossen und deshalb fiir diesen Gegenstand besondere An- 
setzungen erhielten. Sonst erscheinen sie allerdings mit den 
andern Ausländem vermengt, so dass ihr Antheil nicht zu eli- 
miniren ist ; doch wird durch die vielen Vorschussleistungen und 
die darauf folgenden Abrechnungen sowie durch die Verpfän- 
dung der Zolleinnahmen an sie während einiger Jahre Eduards III. 
ihre Sonderthätigkeit wieder eklatant Aus der ungeheuren Masse 
der Eintragungen des 14. Jahrhunderts habe ich eine vollstän- 
dige Sammlung erreicht, für die Zeit von 1400 — 1436 sie ver- 
sucht, aber aufgegeben, da ich wahrnahm, dass die mir zur Ver- 
fügung stehenden Rollen nur einen verschwindend kleinen Theil 



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— XXIV — 

der einst ausgefertigten darstellen und sehr einsillng sind. Die 
Lücke habe ich zu ergänzen gesucht aus den originalen Einzel- 
rechnungen, die als Belag aufbewahrt blieben. Der umständliche 
.Weg, wie man dieser oft unschätzbaren Stücke habhaft wird, ist 
in der Einleitung der bevorstehenden Publikation ebenfalls näher 
darzulegen, um die Citate zu verstehen. 

Da das Schatzamt auch der Aufbewahrungsort aller für den 
laufenden Geschäftsgang entbehrlich werdenden Akten war, so 
häuften sich hier naturgemäss allerhand Miscellaneen an, die 
dich nicht in Rubriken bringen lassen. Mit richtigem Blick hat 
Palgraye an die Sichtung dieses Wustes zu allererst energisch 
Hand angelegt ; infolge dessen kann man sich hier seit lacnge der 
Repertorien und Calendarien bedienen, die in den Reports der 
Deputy Keeper enthalten sind. Was aus ihnen noch nicht ent- 
nommen war, habe ich hervorgesucht. 

Noch eine Serie von Akten entstand im Exchequer, nämlich 
Gerichtsprotokolle der Processe nach dem milderen Amtsrecht 
(equity), für das die Barone des Schatzamtes den Gerichtshof 
bildeten. Sie sind noch gar nicht benutzt, aber ihrer Natur 
nach mannigfaltig und sehr belehrend. Ich habe mir Mühe ge- 
geben, auch ihrer Massenhaftigkeit beizukommen, und manches 
Lohnende aus ihnen entnommen. 

Als eine ^^änzung der zahlreichen aus den Rolls of Par- 
liament noch heranzuziehenden Stücke habe ich aus den Ori- 
ginalien, den Parliamentary Petitions before the King and Coun- 
cil entnommen, was dort nicht abgedruckt und für uns von 
Werth ist. 

Dazu kommt zahlreiches Einzelne und Locale, das seinen 
Weg ins Staatsarchiv gefunden hat. Dagegen haben Erkundi- 
gungen bei den Town clerks der englischen Handelsstädte an 
der Nordsee das Fehlen mittelalterlicher Rollen in den Stadt- 
archiven ergeben; nur in King*s Lynn ist mehr vorhanden. 
Hier wie in Cambridge habe ich jedoch an einem Tage ent- 
nehmen können, was sich Einschlägiges fand. 

Diplomatische Aktenstücke sind meist in den Patent, Close 
und namentlich in den French Rolls zu suchen. Für den An- 
fang des 15. Jahrhunderts aber enthalten zwei Bände der 
Cotton sehen Manuscripte (Nero BII und Nero B DC) ein reiches 



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— XXV — 

und sehr werthvoUes Material. Es sind meiner Ueberzeugung 
nach die Originalakten der beauftragten Commission, die von 
dem Privy Council ernannt auch an diese Behörde zu berichten 
hatte. Cotton hat sie dann dem Staatsarchiv entnommen. Meine 
Hoffnung, weitere Stücke im jetzigen Privy Council Office zu 
finden, bestätigte sich nicht, da in letzterem die ältesten Register 
erst in der Zeit Heinrichs VIII. angelegt sind. 

Im ganzen betrachtet war der Ertrag ein so reicher, wie 
man ihn nach der wiederholten Absuchung des Feldes durch 
Rymer, Pauli und Junghans nur erwarten konnte. Für eine be- 
sondere Publikation ist reichliches Material gewonnen. 

Auch englische Publikationen, die noch ungenützte, für uns 
werthvolle Stücke enthalten, konnten infolge eines dementsprechen- 
den Vorstaödsbeschlusses angeschafft werden. 



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INHALTSVERZEICHNISS 



WILHELM VON BIPPEN. 



Aachen I, 17. 

Adolf von Schauenburg II, 198. 

Adolf Friedrich s. Mecklenburg. 

Ahrenshoop II, 121. 122. 148. 

Albrecht d. Bär I, 20. 27. 29. 

Albrecht s. Mecklenburg. 

Alt-Gartz II, 104. 131. 133. 150. 

Alt-Lübeck II, 197. 

Althof I, 42. 

ame, amen III, 94. 

Anno von Heimburg, Vogt z. 

Goslar I, 29. 
Antwerpen (Antorf) II, 91 — 96. 

III, 55—61. 170. 173. 

apengeter III, 126. 127. 

Archive: Aardenburg I, xxiv. Ant- 
werpen I, XVI. Braunschweig I, xi. 
Brügge, Staatsarchiv I, xxii ; Stadt- 
archiv XX. Brüssel, Reichsarchiv I, 
XIII ; Stadtarchiv xiv. Dendermonde 
I, XVII. Deventer I, xxvi. Diest 
I, XV. Gent I, xix. Goslar I, xii. 
Hannover, Staatsarchiv I, xii ; Stadt- 
archiv XIII. Helmstedt I, xii. Hil- 
desheim I, XI. Kampen I, xxvi. 
London, public record office III, 
XX — ^xxin ; City- Archiv xx. Löwen 
I, XIV. Lübeck I, 79. Lüneburg 
I, X, Magdeburg I, xii. Mecheln 
I, XVI. Middelburg I, xxv. Reval 



I, 102. Rostock I, IX. Schwerin I, 
VIII. Sluys I, XXIII. Stralsund, 
Stadtarchiv, Gewandhausarchiv I, x. 
Wismar I, viii. Zierikzee I, xxv. 
ZwoUe I, xxvii. 

Arnemuiden III, 171. 

Arnim, Elias, Rostock. Kaufmann 

II, 143- 
Artlenburg I. 22. 
Augsburg III, 54. 

Azzo, Bürger z. Goslar I, 22. 
Bacmeister> Lucas, II, 173 — 76. 
Baienvarer I, 104. 109. 
Balthasar s. Mecklenburg. 
Bardewick I, 21. 
Becker, Dr. , Oberbürgermeister v. 

Köln III, II. 
Benno, Bisch, v. Osnabrück I, 26. 
Berlin III, 42. 

Beselin, Joh. Chr., II, 181. 203. 
Bevölkerungszahl deutscher 

Städte III, 185. 
Bier, Hamburger I, 94. 120. Acdse 

in Ostfriesland I, 119 — 36. 
Biestow I, 42. 
Bodo, Vogt z. Goslar I, 26. 
Bog er, Dr. Heinr., II, 169. 
Bornholm I, 168. 
Borwy, Fürst I, 43. 
Böttcher, Art u. Grösse der Tonnen 



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— XXVII — 



III, I07. io8; Preis, ders. iii. 
112; Handel mit Tonnen 112 — 14, 
auf Skanör 115; Rostocker Band 
106 — 20; Colberger Band 116, 117; 
einheitl. Tonnenmass 115 — 20; Güte 
der Tonnen 120; Recesse der Bött- 
cher- Aemter 121, 122; Rostocker 
Rathsverordnungen über die Böttcher 

154. 155. 
Boysdorp, Godscalc, Vicar z. Lübeck 

II, 196. 
Bramow I, 42. 
Braunschweig, St. Ulrichskirche 

I. 7. 

Bremen I. 126. 162. II, 93. III, 

51—54. 62— 67. 69 — 76. Erzbisch. 

Heinrich III. III, 62—64. 
Brodtaxe, Lübecker I, 54. 
Brokes, Heinr. , Bürgermeister zu 

Lübeck III, 68. 69. 
Broms e, Nicolaus, Bürgermeister z. 

Lübeck I, 62. 
Brügge I, 164. II, 92. 99. 
Brunshaupten II, 104. 132. 
Bug, der, Mecklenb. Küstenstrich II, 

104. 107. 
Bugenhagen T, 62. 
Bukow II, 104. 107. 138. 
bursprake in Lübeck I, 57. 
Bützow II, 66. 69. 
Castorp, Heinr., Bürgermeister z. 

Lübeck III, 3. 
Chemnitz, Joh. Friedr., 11, 181. 
Chronicon Slavic. paroch. 

Susel. II, 166, 197. 
Chyträus, David, II, 173. 
Civitates stagnales III, 160. 
Cling, Barthol., Prof. z. Rostock 

II, 177. 
curia I, 14 — 16. 

Dänemark: König Christian I. III, 
46. 47. 
ChristianII.il, 108. 110.11 3.1 14.124. 
Christian III. II, 124. 125. 
Christian IV. III, 68. 72. 73. 
Christoph III, 42—45. 



1 Erich I, 164. 

Friedrich III. II, 114. 115. 

Johann II, 69. 

Waldemar IV. III, 37. 
Danzig I, 83—96. II, 92. 93. 99. 

Amt der Weichselfahrer I, 100. 

Ausfuhr von Industrieerzeugnissen 

III, 104. S. Pfahlgeld. 
Darser Kanal II, 104. 121. 
Detmar, Franzisc. Lesemeister z. 

Lübeck II, 195. 
Deutscher Ol den II, 82 — 90. 

Hochmeister Konrad v. Jungingen 

II, 82. Ordensmeister Bernh. v. d. 
Borch 88; Freitag von Loringhoven 
89. Handelsrechnungen der Gross- 
schäffer III, 181—84. 

Dierkow I, 42. 

Do heran I, 43. II, 112. Doberaner 
Wiek II, 104. 132. 

Do man, Hans. Syndicus III, 69, 

Dorpat I, 160. 

Dortmund II, 93. 

Dünamünde II, 84. 86. 87. 

Eichmaas se III, 79 — 93. 

Eichverfahren III, 90. 

El bin g, Kahnführergilde I, loi. 

Emden I, 140. 146. 

Englandll, 90 — 99 . Königin Elisa- 
beth III, 58. 59. Lakenhandel 

III, 63. Hanseatica in engl. Ar- 
chiven III, III. XX— XXV. 

Erich s. Dänemark, Mecklenburg. 

Folkmar v. Wildenstein, Vogt 
z. Goslar I, 29. II, 32. 

Frankfurt a/M. III, 185. 

Frese, Gerd., Vogt z. Schwaan II, 
71. 72 75. 76. 

Friedrich I., Kaiser, I, 12. 22. 
29—31. 34. 56. II. 14- 27. 

FriedrichlL, Kaiser, II, i3-32.34.53« 

F r i e d r i c h III . , Markgraf v. Branden- 
burg III, 42. 43. 46. 47. 

Gartz s. Alt-Gartz. 

Gerdes, Dr. Valentin, Rathmann z. 
Rostock II, 163. 166. 167. 



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XXVIII — 



Gisela, Kaiserin, I, 8. lo. 
Glockengiesser I, 22. 
Goldenitz, Heinr., Bürgermeister z. 

Rostock II, III. 
Goldschmiede I, 22. III, 137 — 

44. Markenzwang III, 137 — 41. 

Goldmangel 142. 143. 
Golwitz I, III. II, 104. 105. 107 — 

13. 117. 120. 123—32. 136. 
Goslar I, 3 — 36. II, 13 — 60. Con- 

sistorium regale, palatium imperii, 
Pfalz I, 6—8. 10. II. II, 45. 48. 
53. Curia I, 14 — 17. 21. 24 — 26. 
33.34. villa Romana I, 22. Rosen- 
thor I. 22. — Dom I, 9. II. 17. 19. 
23. 25. 33. Kirche ss. Cosm. u. 
Dam. I, 6. Peter-Paulskirche I, 24. 
Petersstift I, 9. 19. 25. 33. Jakobi- 
kirche I, 24. Stephanikirche I, 24. 
Keitskirche I, 24. U. L. Frauen- 
capelle I, 8. Ulrichscapelle I, 7. 
Cäciliencapelle I, 24. II, 32. St. 
Georgenkloster I, 8. Kloster Neu- 
werk I, 22. 24. Augustinerkloster 
Richenberg I, 24. — Königl. Bann- 
forst I, 16. Bergbau I, 5. 17 — 21. 
32. 33. II, 14. Schmelzhütten I, 
20. 33. 34. Silvani, Waldwerchten 

I, 20. II, 20. Münzer I, 20. — Königl. 
villicus I, 26. Vogt I, 26 — 31. 34. 

II, 14— 16. Der Vogteibezirk im 
Besitze der Weifen I, 28 — 32. Vog- 
teigelder I, 35. II, 15. 16. Vogtei- 
rolle I, SS' II. *5- — Erstes Stadt- 
recht I, 13. Kaufgilde I, 21. II, 

14. 17—19. 27—30. Rath I, 28. 
II, 14. 15. 18. 21—34. 38—44. 
burgenses II, 22. 23. 29 — 33. ma- 
gistri consulum II, 44. de wisesten 
II, 42 — ^44. Sechsmannen II, 40 — 
42. Achtmannen II, 42. — Gerichts- 
verfassung II, 44 — 60. judices civi- 
tatis II, 22. 23. 45. 47. 50. Schult- 
heiss II, 50—58. Judicium trans 
aquam II, 46 — 50. Berggericht II, 
46 — 50. Forstding I, 32. II, 58. 



59. Zehntgericht II, 58—60. — Ju- 
denschutzgeld I, 34. 

Gotland III, 161. 

Grapen- u. Kannengiesser III, 
122—36. Einfuhr des Zinns 123, 
des Kupfers 124. Preis des Kupfers 
125, des Zinns 131, des Bleis 131. 
Mischungsverhältniss 129 — 33. Mar- 
ken 134. Vereinigung d. Aemter 
verschied. Städte 135. 136. 

Gresham, Sir Thomas III, 59. 

Gustav II. Adolf III, 69. 73, 

Güstrow III, 113. 117 — 19. 133. 
138. 150. 

Haferscheffel III, 80. 

Hamburg I, 22. 60. 119—36. II, 
67. 77- 93- "6. 123. 13a 199. III, 
59. s. Bier. Stapelrecht I, 127. 
Aemter, Zahl der Schützen III, 
164—68. 

Handel mit Industrieerzeug- 
nissen III, 103 -5. 

Handwerker, Zusammenkünfte der 
Aemter verschied. Städte III, 121. 
Unruhen III, loi. s. Apengeter, 
Böttcher, Glockengiesser, Gold- 
schmiede, Grapen- u. Kannengiesser, 
Repschläger, Wollenweber. 

Hanserecesse I, iv. n, v. III, in. 

Hartwig, Rathsnotar in Rostock, 

1, 78. 

Hassel beke, Amd, Bürgermeister 

das., II, 68. 69. 
Havemann, Joh. , Bürgermeister z. 

Bremen, III, 69. 72. 
Heinrich I., König, I, 5. 
Heinrich II., Kaiser, I, 6 — 8. 17. 
Heinrich III., Kaiser, I, 9. 17.25. 26. 
Heinrich IV., Kaiser, I, 10. 11. 17. 

19. 25. 26. 
Heinrich V., Kaiser, I, 8. 11. 
Heinrich der Löwe I, 12. 17. 

29—31, 41. 56. II, 14. 198. 
Heinrich, Pfalzgraf, I, 13. 28. 31. 
Heinrich s. Bremen, Mecklenburg. 
Heringsahm, Rostocker, III, 93. 



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— XXIX — 



Hidde, Jakob, herzogl. Mecklenb. 

Kücbeameister II, 145. 147. 
Holland II, 106. 108. 114. 115. 200. 
Hopfenscheffel III, 81. 
Hövesche, A«gustin, Bürger zu 

Lübeck, II, 133. 
H u b e r , Johann, Rostocker Chronist, 

n, 180. 

Httndisburg I, 40. 

Jetzen, Joadiim von, Mecklenb. 
Kanzler, II, 126. 

Johann Apengheter, Meister, III, 
80. 83. 

Johann s. Dänemark, Mecklenburg. 

Johann Alb recht s. Mecklenburg. 

Kämmerci zu Lübeck I, 59. 

Karl IV., Kaiser, I, 59. III, 36—38. 

Kerkhoff, Bertold, Bürgermeister z. 
Rostock II, 68. 69. 

Kessln I, 40. 41. 44. 

Klein I, 42. 

Klipphäfen, Mecklenburgische, II, 
103-^60. Recognition f. ihre Be- 
nutzung 138. 

Koch, Gerd, Kaufmann in Antwerpen, 
III, 55—58. 60. 

Kohl, Christian, Rostocker Chronist, 
II, 187. 

Köln I, 21. II, 92. 93. 99. 

Konrad II., Kaiser, I, 8. 17. 21. 

Konrad III., Kaiser, I, 11. 

Kopenhagen II, 114. 125. 

Kornhandel II, 106 — 9. 114. 123. 
13«— 33. 143—46. 150—52. Ver- 
bot der Kornausfuhr 138. 

Kornmesser III, 88. 

Krantz, Albert, II, 63 — 100. 144. 
169. 

Kritzmow I, 42. 

Krön, Bernd, Bürgermeister z.Rostock, 

II, III. 118. 

Kropelin, Kort, Rathmann das., III, 

80. 81. 84. 
Kruse, Ludwig, dgl., III, 80. 81. 84. 
K u n t z e , Mathias, Schiffer a. Lübeck, 

III, 171. 



Landfriedensbünde, oberdeut- 
scher V. 1370, III, 38, Rheinischer 
35, Rostocker v. 1283 35, schwäbi- 
scher V. 1331 36. 

L a t o m u s , Genealochr. Megapol . 

II, 204. 

liken, likenen III, 80. 81. 87. 

Lindeberg, Petrus , Rostocker Chro- 
nist II, 187. 

Lindem an, Thomas, dgl., II, 178. 

Linz III, 55. 57. 

Lisgau I, 17. 

Li vi and II, 82 — 90. 

Lo, mag. Amd vom, I, 139 — 53. 

London III, 59. 72. 73. Seerecht, 
usantie u. costume III, 172. s. Ar- 
chive. 

Lothar III., Kaiser, I, 11. 24. 

Lübben, Prof. Dr., I, iii. 

Lübeck s. Archive. Alt-Lübeck, 
Brodtaxe, bursprake, Kämmerei, 
Schiffe. — I, 22. 42. 53 — 73. 79. 126. 
165. II, 65—67. 69. 71. 74. 77.83. 
89. 92. 93. 95. 104—7. 115— 18. 
120. 123. 125. 128—30. 134. 195 — 
200. III, 3-^30. 35. 38. 45. 47. $2. 
64. 68—70. 74. 83. 93. 95. 102. 
103. 171. — Reichsunmittelbaiiceit I, 
53. Recht I, 44. 58. Honorar des 
Raths I, 67. 68. Concordat v. 1535 
I, 63. Cassenrecess v, 1665 I, 67. 
Recess v. 1668 I, 68. Bevölkerungs- 
zahl III, 4. Handelsverkehr III, 4. 
Strassenzustand III, 5. Patricierhaus 

III, 8—20. — Dom II, 198. Petri- 
kirche II, 196. Annenkloster I, 65. 
Minoritenconvent II, 195. Heiligen- 
geisthospital I, 65. St. Jüigen- 
hospital I, 65. 

Lu do If , Graf v. Wöltingerode, I, 27. 
Ludolf, Vogt z. Goslar, I, 29. 
Luhe, Volrat von der. II, 203 — 6. 
Lüneburg II, 67. 77. 116. 200. 
Luxusordnungen I, 54. 
Lypcn I, 42. 
Made I, 162. 



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XXX — 



Magnus II. s. Mecklenburg. 

Marktzoll I, 25. 

Matte, Mühlenabgabe, I, 56. 

Mecklenburg, Herz. Adolf Fried- 
rich I., II, 143. 150. 15s. 157—59- 
Albrecht VI. II, 77. Albrecht VII. 
II, 109 — 13. 115 — 18. 120. 124. 
126. 129. 130. 134. Albrecht (Wal- 
lenstein) II, 159. Balthasar II, 64. 
65. 77. 79. 109. Erich II, 105. 
Heinrich V. II, 109 — 13. 116. 125. 
130. 132. 134. Johann VII. II, 
141—43. Johann Albrecht I. II, 
134. 142—44. 148. 172. Johann 
Albrecht II. II, 143. 150. 155. 158. 
Karl I. II, 149. 152. Magnus II. 
II, 64. 65. 72. 73. 76—78. 109. 
Ulrich II, 134. 142 — 44. 148. 172. 
— Landtag II, 112. 138. 139. 142. 
149 — 52. 156. 157. — Polizeiordnung 
II, 139—42. 149' I5I' 152. 156. 
157. — Klipphäfen s, diese. 

Mernowe I, 42. 

Merchant adventurers III, 59. 

Moritz, Landgraf v. Hessen, III. 

65—69. 71. 74. 
Münster II, 93. 

Münzverschlechterung III, 142. 
Nemerow I, 42. 
Normal Scheffel III, 79 — 93. 
Nowgorod I, 159. 
Nürnberg III, 54—56. 58. 60. 128. 
Ocker I, 4. 

Oldenburg i. Wagricn II, 197.198, 
Oldenburg, Joachim von , Mecklenb. 

Amtmann II, 145. 147. 148. 
Oldendorp, Dr. Joh., II, 171. 
Ostfriesland I, 119 — 36. s. Bier- 

accise. — Graf Ulrich I, 119 — 26. 

14Q— 44. Gräfin Theda I, 123. 125. 

126. 128—30. 133. Graf Edzard I, 

131 — 36. Hero von Dornum I, 130. 

133. Sibo von Dornum I, 123. 125. 

126. 140. 146. Poppo Maninga I, 

123. Edo Wiemken I, 130. 133. — 



Kaiserl. Zpllprivileg I, 120. 123. 126. 
Fälschung des Grafenprivilegs I, 130. 
Hamburgs Rechte an Emden u. 
Leerort I, 128. 130. 133. Vertrag 
mit Hamburg I, 119, 134. 

Ostsee III, 159. 

Otto I., Kaiser, I, 5. 17. 

Otto IL, Kaiser, I, 5. 

Otto III., Kaiser, I, 6. 

Otto IV., Kaiser, I, 13. 31. II, 
18. 21. 

Otto das Kind I, 32. 35. 

Parin II, 196. 

Paris III, 67. 72. 

Parkentin I, 42. 

Pepernitz, die, I, 42. 

P f ah 1 g e 1 d , Hafenabgabe in Danzig, 
I, 83. 89—94. III. 

P i lg r a m , Hinrich, Nürnberger Kauf- 
mann, III, 55 — 58. 60. 61. 

Pilot, Gert Evers gen., herz. Meck- 
lenb. Baumeister II, 155. 

P 1 ö n n i e s , Bürgermeister z. Lübeck 

I, 63. 

Pol, Insel, II, .104. 105. 113. 115. 

116. 118. 120. 133. 136. 155. 159. 
Pottmaass III, 95. 
Priestaff, Mathias, Rathmann z. 

Rostock, II, 191. 
Rammeisberg I, 5. 30. 32.33. II, 

46, 47. 
RemIingro.de, Gotschalk, II, 128 — 

30. III, 170. 171. 
Remstede, Joh. 1 Rathsschreiber z. 

Hamburg, I, 139. 
Repschläger III, 149 — 51. 
Reval I, 102 — 15. 158 — 6i. II, 204 

— 6. Schiffahrtsregister I, 113 — 15. 

s. Archive. 
Rheinweinhandel III, 62. 
Ribnitz II, 120 — 22. 127, 137. 138. 

143—47. 155. 158. 204. 
Riga I, 159. II, 82—90. Erzbischof 

Sylvester II, 83—85. Erzbischof 

Stephan II, 88. Erzbischof Michael 

II, 87. 89. 



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L 



XXXI — 



Rode, Johannes, Dompropst z.Rostock, 

II, 169. 
Roggenscheffel, Rostocker, III, 

79. 88. 90. 

Roggenthin II, 205. 

rojen III, 95. 

Rostock I, 39 — 50. II, 64 — 81. 103 
— 105. 107. 109—13. 115 — 18. 122 
—26. 128 — 35. 140. 141. 143 — 46. 
152. 159- 163—91. 201. III, 79— 
97. loi. — Burgwall I, 41. Slawen- 
vorstadt Wik 44. Vereinigung der 
drei Städte zu einer 47. Petrikirche 

I, 41, 44. Nicolaikirche 44. Marien- 
kirche 45. Jacobikirche II, 64. 
Dominikanerkloster St. Johann I, 45. 
Doberaner Hof 46. Leprosenstift 
St. Georg 47. Heil. Geisthospital 

III, 80—82. 84. 85. 88. Neuer 
Markt I, 45. 47. — Universität I, 49. 

II, 64. 74. Dohmfehde II, 64—81. 
163. 167. 169. — Stadtbücher I, IX. 
Polizeiordnung II, 141. Rathsver- 
ordn. über die Wollenweber III, 153, 
über die Böttcher 154. 155. Statut 
der Wollenweber 152. Wehrkraft 
der Aemter III, 164—68. Hand- 
werker imRath III, loi. — Normal- 
scheffel III, 79 — 93. Scheffel wroge 
85. Heringsahm 93, Rostocker 
Band 116. — Chronistik II, 163 — 92. 
Chronik der Domfehde 167 — 169. 
Histor. eccles. Rostoch. 173. Bac- 
meistersche Chroniken 174 — 176. 
Lindemans Chron. Rostoch. 178. 
Hubertsche Chronik 179. 180. Chem- 
nitz Chronicon iSi. 203. Wettken, 
Gesch. d. Stadt R. 181. Bouch- 
holtzsche Handschrift 182—87. Lin- 
debergs Chron. Rostoch. 187 — 90. 
Meyers Deutscher Auszug a. Linde- 
berg 190. Rostocker Tagebücher 
191. Chronolog. Repertor. der Raths- 
protokoUe 177. 

Rostocker Heide I, 46. 



Rauche, Valentin, Bürgermeister z. 

Stralsund II, 143 — 45. 
Rudimentum Novitiorum II, 

197. 

Rutze, mag. Nicolaus II, 170. 

Salzscheffel, Rostocker III, 82. 

Schaff enrath, Dr, Syndicus z. Bre- 
men, III, 62. 64. 

Scheiter er, Michael, Rostock. Chro- 
nist II, 186. 

Schiffe , ein- u. ausgehende in 
Lübeck I, 81. 82, in Danzig 84— 
88, in Reval 107 — 9. Schiffswerthe 
I, 96 — 99. Bordings loi. 102. 
Barkschiffe 165. Haferjagd 165. 
Geschützausrttstung 165. Pfahlgeld 
in Danzig 83. 89—94. iii. 

Schmarl I, 42. 

Schönberg II, 68. 78. 

Schoss I, 55. 

Schutow I, 42. 

Schwan I, 41. 

Schwass I, 42. 

Schweden II, 85. 

Seeversicherung III, 169 — 77. 

servitium I, 15. 

Skanör III, 115. 

Sluis I, 162. 

Slüter, Joachim, II, 171. 

Sprokhueck, Corn. Merman van, 
III, 53. 

stagnalis, civitates stagnales =: civ. 
maritime, III, 160. 

Stagnum, das baltische Meer, III, 

159. 
Stagnum recens, das frische Haff 

III, 160. 
Steen, Tideman, Bürgermeister z. 

Lübeck, I, 58. 
Steier III, 53. 

Steinkamp, Herbert, II, 200. 
Stockholm I, 163. 
Stralsund II, 67. 69. 77. 108. 116. 

123. 143. 
Sudermann, Hans. Syndicus, III, 59. 
Swante-Wustro wll, 104. 121. 122. 



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XXXII — 



SyBdicat, Hansisches, III, 69. 70. 
Tegtmeier, Sylvester II, 170. 
Testamente, Abgabe von, I» 56. 
Theda, Grafin, s. Ostfriesland» 
Thie4olf, MttBzmeister z. Goslar, 

I, 20. 

Thraziger, Adam, II, 171. 

Toitenwinkel I, 41. 

Tolke, mssisefae Dolmetscher, I, 

158. 
Trave I, 170. II, 123. 124. 
Travemünde II, 107. 123. 
Uexküll, KoQrad Ton, II, 203 — 7. 
Ulrich, Graf^ s. Ostfriesiand. 
Union, evangelische, III, 66' — 68. 
Urknnden-bnch, Hansisches, I, iv. 

II, IV. III, n. 

Utrechter Fried ev. 1473 II, 9i«94» 
Venedig lU, 53. 
Versicherungspoli.ce HI, 171 

—77. 
Vitalienb rüder I, HS2. II, 104. 
Vogte igelder, Goslatische, I, 35. 

II, 15. 16. 
Vronescult I, 25, 
Waarenpreise I, 164. 
Waitz, Georg, 11^ 3—10. III, i. 
Walkenried, Kloster, I, 33. H, 24. 
Walter, Hinrich, IH, 55—58. 
Warnemünde II, 159. 
Warnow, die, I, 39 — 43. 



Werbe, Joh. von , Minoritengardlaii 
z. Lübeck, II, 195. 

Werla, Reicbspfalz, I, 5. 

Werle in Mecklenburg I, 41. 

Weser HI, 62. 63. 

Westphal, Joh. Jakob H, 191. 

Wettken , Joh, Georg, Rostock. Chro- 
nist, n, 181. 

Widekin, Vogt z. Goslar, I, 29. 

ir, 32. 

Wien HI, 55. 56. 

Wilsnack II, 65. 66. 77. IH, 43. 

Wisby I, 43. 

Wismar II, 66. 67. 69. 70. 74. 77. 

80. 104 — 9. 111^-113. it6— 20. 

123—25. 128. 129. 131. 133— 35* 

140. 141. 152. 159. III, 95. 
Wittenborg, Joh., Bürgermeisterz. 

Lübeck, I, 58. 
W o 1 1 e n w e b e r III , 1 44 — 48. 1 52 — 54. 
worttins I, 25. 

Wrisberg, Christoph von, H, 206. 
wrogen III, 87. 88. 
Wullenweber, Jürgen, I, 63. II, 

115. 124. 125. 199. 200. 
Wustrow II, 104. 121. 122. 132. 

144. 148. 
Zise I, 56. 
Zobel, Claus III, 52. Heinrich, 

Bürgermeister z. Bremen, 51 — 65. 

76. Johaön dgl. 62. 65 — 76. 



Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg. 



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INHALT. 



XIII. Jahrgang 1884. 

Seite 

I. Goslar als Kaiserpfalz. Von Professor L. Weiland in Göttingen 3 
II. Rostock im Mittelalter. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H. 

Krause in Rostock 39 

III. Die obrigkeitliche Stellung des Raths in Lübeck. Von Staats- 
archivar Dr. C Wehrmann' in Lübeck 53 

IV. Schifffahrtsregister. Von Professor W. Stieda in Rostock ^ . . 77 
V. Der Zollstreit zwischen Hamburg und Ostfriesland in der zweiten 

Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Von Archivar Dr. W. 

V. Bippen in Bremen 119 

VI. Anhang zu vorstehender Abhandlung. Von Archivar Dr. K. 

Koppmann in Rostock 139 

VII. Kleinere Mittheilungen. 

I. Zur Si»:achenkenntniss der Hanseaten. Von Professor W..Stieda 157 
II. Zur Geschichte der Vitalienbrüder. Von Archivar Dr. W. 

V. Bippen 162 

III. Geschützausrüstung lübeckischer Kriegsschiffe im Jahre 1526. 

Von Senator Dr. W. Brehmer in Lübeck 165 

Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 14. Stück. 

I. Dreizehnter Jahresbericht, erstattet vom Vorstande III 

II. Reiseberichte. Von Senatssekretär Dr. A. Hagedom in Lübeck VIII 

XIV. Jahrgang 1885. 

I. Zur Erinnerung an Georg Waitz. Vortrag auf der Versammlung 
des Hansischen Geschichtsvereins zu Quedlinburg gehalten von 
Professor Dr. F. Frensdorff in Göttingen 3 



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9S 



XXXIV — 

Seite 



II. Die Raths- und Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter. 

Von Professor Dr. L. Weiland in Göttingen 13 

III. Zur Geschichtschreibung des Albert Krantz. Von Gymnasial- 
lehrer Dr. R. Lange in Rostock 63 

IV. Zur Geschichte der Meklenburgischen Klipphäfen, Von Archivar 

Dr. K. Koppmann in Rostock 103 

V. Die Chronistik Rostocks. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H. 

Krause in Rostock 163 

VI. Kleinere Mittheilungen. 

I, Zwei Beiträge zur Lübschen Historiographie. Von Professor 

Dr. P. Hasse in Kiel 195 

II. Ausztige aus z^ei Geschäftsbriefen Jürgen WuUenwevers. 

Von Senator Dr. W. Brehmer in Lübeck 199 

III. Rostocker historisches Lied vom Jahre 1549. Mitgetheilt von 

Gymnasialdirector Dr. K. E. H. Krause 201 

Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 15. Stück. 

Vierzehnter Jahresbericht, erstattet vom Vorstande III 



XV. Jahrgang 1886. 

I. Das häusliche Leben in Lübeck zu Ende des fünfzehnten Jahr- 
hunderts. Vortrag, gehalten in der Versammlung des Vereins für 
Hansische Geschichte zu Rostock von Senator Dr. W. Brehmer in 
Lübeck 3 

IL Die Hanse und die deutschen Stände vornehmlich im fünfzehnten 
Jahrhundert. Vortrag, gehalten in der Versammlung des Hansischen 
Geschichtsvereins zu Stettin von Professor G. Frhr. von der Ropp 
in Giessen .................... 33 

III. Die bremischen Bürgermeister Heinrich und Johann Zobel. Vor- 
trag, gehalten in der Versammlung des Hansischen Geschichtsvereins 

zu Quedlinburg 1886. Von Archivar Dr. W. v. Bippen in Bremen 51 

IV. Die Rostocker metallenen Normalscheffel und das Eichverfahren des 
Mittelalters. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H. Krause in Rostock 79 

V. Hansische Vereinbarungen über städtisches Gewerbe im 14. und 15. 

Jahrhundert. Von Professor W. Siieda in Rostock 10 1 

VI. Kleinere Mittheilungen. 

I. Stagnum, das baltische Meer, Von Gymnasialdirector 

Dr. K. E. H. Krause 159 

IL Zur Eroberung Gotlands durch den deutschen Orden. Mit- 
getheilt von Geh. Archivrath Dr. H. Grotefend in Schwerin . 161 

III. Die Wehrkraft der Rostockischen Aemter. Von Stadtarchivar 

Dr. K. Koppmann in Rostock 164 

IV, Eine hansische Seeversicherung aus dem Jahre 1531. Mit- 
getheilt von Dr. A. Hofmeister in Rostock 169 



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— XXXV — 

' Seite 

I Recensionen. 

C. Sattler, HandelsrechnuiTgen des Deutschen Ordens. Leipzig 18S7. 

Von Professor W. Stieda 181 

Karl Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. im 14. und 15. 
Jahrhundert, i. Band. Tübingen 1886. — J. Jastrow, Die 
Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Be- 
ginn der Neuzeit, Berlin 1886. Von Professor W. Stieda . . 185 
^ Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 16. Stück. 

I. Fünfzehnter Jahresbericht, erstattet vom Vorstande .... III 

II. Mitglieder- Verzeichniss 1887 X 

III. Bericht über meine englische Reise (1886 Febr. 14— Nov. 28.) 

Von Professor Dr. L. Riess in Tokio . . , XX 

Inhaltsverzeichniss. Von Dr. W. v. Bippen XXVI 



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